Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 05.11.2013, Az.: 17 WF 223/13

Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe bei beabsichtigter Veräußerung einer Immobilie

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.11.2013
Aktenzeichen
17 WF 223/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 50481
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:1105.17WF223.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Celle - 12.08.2013

Fundstellen

  • FamRZ 2014, 963
  • MDR 2014, 682
  • NJW 2014, 8

Amtlicher Leitsatz

1. Ein nach Ablösung der Finanzierung verbleibender überschießender Erlös aus der Veräußerung einer Immobilie ist vorrangig für die Kosten der eigenen Verfahrensführung einzusetzen.

2. Da sich Grundstücke in der Regel nicht unverzüglich verkaufen lassen, ist bei einer beabsichtigten Veräußerung zunächst Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, allerdings unter der gleichzeitigen Anordnung der Stundung der Rückzahlung in einem Einmalbetrag bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Auskehr des Verkaufserlöses an den Bedürftigen zu erwarten ist.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers und unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Celle vom 12. August 2013 abgeändert.

Dem Antragsteller wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. in C. für den ersten Rechtszug Verfahrenskostenhilfe bewilligt.

Ihm wird aufgegeben, sich ab Dezember 2013 in monatlichen Raten von 45 € an den Kosten seiner Verfahrensführung zu beteiligen.

Die Rückzahlung der ratenweise noch nicht zurückgezahlten Verfahrenskosten in einem Einmalbetrag wird ihm hingegen bis zum 31. März 2014 gestundet.

Gründe

I.

Der Antragsteller und seine mittlerweile geschiedene Frau streiten im vorliegenden Verfahren um den Umgang des Antragstellers mit der gemeinsamen Tochter. Der Antragsteller hat ebenso wie die Antragsgegnerin um Verfahrenskostenhilfe für dieses Verfahren nachgesucht.

Die Kindeseltern sind hälftige Miteigentümer der Immobilie J. 11 in E.. Beide sind aus der Immobilie ausgezogen, sie steht zum Verkauf an. Ende 2012 beliefen sich die Belastungen aus der Finanzierung nach den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen noch auf rund 40.000 €.

Das Amtsgericht hat der Antragsgegnerin ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt, dem Antragsteller diese jedoch mit der Begründung versagt, dass er die Immobilie zeitnah veräußern und aus deren Erlös die Verfahrenskosten finanzieren könne. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.

Während des laufenden Beschwerdeverfahrens haben sich die Kindeseltern über das Umgangsrecht geeinigt. Diese Vereinbarung hat das Amtsgericht im schriftlichen Verfahren zum Gegenstand seines Beschlusses vom 24. Oktober 2013 gemacht.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Sie führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Die Begründung der angefochtenen Entscheidung trägt die Versagung der Verfahrenskostenhilfe nicht.

1. Im Ausgangspunkt ist bei einer Veräußerung von Immobilien im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe wie folgt zu unterscheiden:

Gemäß § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO hat die Partei zur Verfahrensführung ihr Vermögen einzusetzen, soweit ihr dies zumutbar ist. Die Zumutbarkeit dieses Einsatzes wird konkretisiert durch § 90 des SGB XII. Nach Abs. 2 Nr. 8 der eben genannten Vorschrift soll den Hilfsbedürftigen die eigene Wohnung erhalten bleiben. Dementsprechend erstreckt sich der Schutz des angemessenen Hausgrundstücks nur auf ein selbst genutztes Objekt. Allerdings hebt ein Verkauf eines Hauses, der infolge der Scheidung notwendig wird, etwaigen Bestandsschutz auf.

Begleicht ein Beteiligter nach dem Verkauf eines Hauses die danach verbleibenden zur Finanzierung der Immobilie aufgenommenen Restverbindlichkeiten, hat er seine Leistungsunfähigkeit nicht böswillig oder mutwillig herbeigeführt. Vielmehr entspricht es nicht nur wirtschaftlicher Vernunft, sondern regelmäßig auch den mit den finanzierenden Banken getroffenen Vereinbarungen, einen Immobilienkredit mit dem Verkaufserlös abzulösen, wenn die Immobilie veräußert wird (vgl. die Nachweise bei Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 115, Rn. 46, OLG Karlsruhe FamRZ 2009, 363, Tz. 12).

Anders verhält es sich jedoch, wenn -wie hier- nach Ablösung der Finanzierung ein überschießender Erlös aus der Veräußerung der Immobilie zu erwarten steht. Dieser ist vorrangig für die Kosten der eigenen Verfahrensführung einzusetzen. Insbesondere darf der Bedürftige anderweitig bestehende Schulden, die er in langfristigen Raten tilgt, nicht vorzeitig zurückführen, sondern muss mit dem ihm zugeflossenen Geld zunächst die Verfahrenskosten bezahlen (BGH FamRZ 1999, 644; OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 498; 2002, 1196; 2008, 1262; OLG Bremen FamRZ 2007, 1341).

Allerdings ist in diesem Zusammenhang noch zu beachten, dass sich Grundstücke in der Regel nicht unverzüglich verkaufen lassen. Dem ist regelmäßig dadurch zu begegnen, dass Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen ist, allerdings unter der gleichzeitigen Anordnung der Stundung der Rückzahlung an die Landeskasse bis zu demjenigen Zeitpunkt, zu welchem in der Zukunft Zahlungen aus dem Vermögen zu leisten sind (Senatsbeschlüsse vom 7. Mai 2012, 17 WF 25/12, und vom 4. November 2013, 17 WF 203/13, OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 1340).

Anhaltspunkte dafür, dass sich die am Ortsrand von E. belegene Immobilie unverzüglich verkaufen lässt, sind vorliegend nicht erkennbar. Vielmehr liegt diese in einer strukturschwachen Region, die bei einem eiligen Verkauf deutliche Einbußen beim erzielbaren Verkaufserlös erwarten lässt. Schließlich hat das Amtsgericht die Veräußerbarkeit auch nicht zum Anlass genommen, der Antragsgegnerin die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe zu versagen oder ihr diese auch nur unter einer Stundungsanordnung zu bewilligen. Der Senat hält es unter Berücksichtigung der Lage der Immobilie für geboten, aber auch ausreichend, dem Antragsteller eine Einmalzahlung bis zum 31. März 2014 zu stunden. Ggf. mag der Antragsteller beim Amtsgericht vor Ablauf der Stundungsfrist unter Darlegung der bis dahin entfalteten Verkaufsbemühungen auf eine Abänderung, sprich Verlängerung der Stundungsfrist antragen.

Auch die Antragsgegnerin wird damit zu rechnen haben, dass die ihr bewilligte Verfahrenskostenhilfe nach einer Veräußerung der Immobilie in Höhe des auf sie entfallenden Erlöses zurückzufordern sein wird.

2. (Berechnung der Ratenhöhe)

III.

Zuletzt ist der Senat auch in der Lage, in der Sache abschließend zu entscheiden. Zwar ist ihm die Beschwerde nur hinsichtlich der Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen des Antragstellers angefallen, jedoch ergibt sich aus dem im schriftlichen Verfahren geschlossenen Vergleich der Beteiligten die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung durch den Antragsteller.