Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 26.11.2013, Az.: 2 W 256/13

Höhe der Anwaltsvergütung bei Vertretung einer Prozesspartei und deren Streithelfers

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
26.11.2013
Aktenzeichen
2 W 256/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 50487
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:1126.2W256.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 18.10.2013

Fundstellen

  • AGS 2014, 116-117
  • BauR 2014, 593-594
  • MDR 2014, 117-118
  • NJW-Spezial 2014, 187-188

Amtlicher Leitsatz

Vertritt der Rechtsanwalt sowohl den Beklagten als auch dessen Streithelfer ist gebührenrechtlich von derselben Angelegenheit auszugehen, wenn ein innerer Zusammenhang im Sinne eines einheitlichen von dem Rechtsanwalt zu prüfenden Lebenssachverhalt auszugehen ist.

Tenor:

Die am 1. November 2013 eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten und des Streithelfers vom gleichen Tag gegen den am 29. Oktober 2013 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 18. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte und der Streithelfer tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.720,80 €.

Gründe

I.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten und des Streithelfers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

Da in dem Kostenfestsetzungsbeschluss die "von dem Kläger an die Beklagte und den Streitverkündeten zu erstattenden Kosten" insgesamt mit 2.175,60 € festgesetzt wurden, sind die Beklagte und ihr Streithelfer als Mitgläubiger im Sinne des § 432 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen. Die sofortige Beschwerde vom

1. November 2013 ist daher als einheitliche Beschwerde sowohl der Beklagten als auch des Streithelfers auszulegen, zumal der Prozessbevollmächtigte in dem Beschwerdeschreiben nicht erklärt hat, in wessen Namen er die sofortige Beschwerde einlegt.

II.

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Mit Recht hat die Rechtspflegerin der Beklagten und ihrem Streithelfer lediglich einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Kläger in Höhe einer 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, einer 0,3 Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG, einer 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG nebst Terminkosten nach Nr. 7003 und 7005 VV RVG und Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von insgesamt 2.175,60 € zuerkannt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten und ihres Streithelfers stehen ihnen beiden nicht jeweils die vollen Rechtsanwaltsgebühren nebst Auslagen (ohne Mehrwertsteuer) in Höhe von jeweils 1.948,20 € gemäß den Kostenfestsetzungsanträgen vom 16. Juli 2013 (Bl. 220 d.A.) und vom 3. September 2013 (Bl. 242 d.A.) zu, weil es sich insoweit um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 1 RVG handelt.

Soweit der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, erhält er die Gebühren nach § 7 Abs. 1 RVG nur einmal und kann ggfs. die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG fordern.

Ob von einer oder mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgeblich ist. Dieselbe Angelegenheit liegt in der Regel vor, wenn zwischen ihnen ein inhaltlicher Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn setzt nicht voraus, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann vielmehr grundsätzlich auch dann noch gesprochen werden, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung des Rechts des Geschädigten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen bzw. mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, dass der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann mehrere Gegenstände umfassen. Für die Annahme eines einheitlichen Rahmens der anwaltlichen Tätigkeit ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinne einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammen gehören (vgl. BGH MDR 2011, 949 [BGH 21.06.2011 - VI ZR 73/10]-950 Rn. 10 m.w.N.). Der Annahme einer Angelegenheit steht z.B. nicht entgegen, dass der Anwalt mehrere Geschädigte vertreten soll. Ein einheitlicher Auftrag kann nämlich auch dann vorliegen, wenn der Anwalt von mehreren Mandanten beauftragt wird (vgl. BGH aaO. m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend von einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne auszugehen. Nach dem Tatbestand des Urteils des Landgerichts Hannover vom 17. Juni 2013 hat der Kläger Schadenersatzansprüche wegen der mangelhaften Installation einer Wärmepumpe in seinem Haus gegen die Beklagte geltend gemacht. Die Wärmepumpe ist durch den Streithelfer installiert worden, wobei in erster Linie streitig war, ob der Streithelfer insoweit als Subunternehmer der Beklagten oder mit eigener Firma selbstständig tätig war, ob mithin ein einheitlicher Auftrag für die Gewerke Elektro- und Heizungsarbeiten oder aber zwei getrennte Aufträge, nämlich einer an die Beklagte (Elektroarbeiten) und einer an den Streithelfer (Heizungsarbeiten) erteilt wurden. Bei dieser Sachlage ist von einem einheitlichen, von dem Anwalt zu prüfenden Lebenssachverhalt auszugehen, welcher den Rahmen für die anwaltliche Tätigkeit bestimmt. Insoweit besteht nämlich zwischen den verschiedenen Gegenständen (ein einheitlicher Auftrag oder aber zwei getrennte Aufträge) ein inhaltlicher Zusammenhang.

Hinzu kommt, dass der Streithelfer/Nebenintervenient nicht Vertreter der von ihm unterstützten Partei ist. Er beteiligt sich vielmehr nur an einem fremden Prozess und handelt insoweit neben der Hauptpartei. Insoweit ist anerkannt, dass einem Rechtsanwalt nicht einmal die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG zusteht, wenn er in einem Prozess sowohl die Partei und zugleich dieselbe als Streithelfer eines Dritten vertritt (vgl. BGH MDR 2010, 354 [BGH 19.01.2010 - VI ZB 36/08]-355, Rn. 8; OLG Braunschweig OLGR 2001, 181, 182; OLG Koblenz JurBüro 2004, 484). Der BGH hat in dieser Entscheidung aber auch ausgeführt, dass es nach dem Sinn und Zweck von Nr. 1008 VV RVG grundsätzlich möglich sei, dass der Rechtsanwalt eine erhöhte Gebühr erhalte, wenn er eine Partei und zugleich einen Streithelfer vertrete. Es sei nämlich unerheblich, in welcher Rolle die mehreren Auftraggeber an einer Angelegenheit beteiligt seien, solange der Anwalt dabei für verschiedene Personen tätig werde. Aus diesen Feststellungen des BGH lässt sich jedoch auch entnehmen, dass dann, wenn der Rechtsanwalt sowohl die Partei als auch ihren Streithelfer vertritt, nicht allein deshalb von verschiedenen Angelegenheiten im Sinne des Gebührenrechts auszugehen ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. Nr. 1812 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus der Differenz der mit den Kostenfestsetzungsanträgen geltend gemachten Gebühren von insgesamt 3.896,40 € zu den festgesetzten Gebühren von 2.175,60 €, wobei der Senat berücksichtigt hat, dass die zunächst beantragte Festsetzung der Umsatzsteuer (für den Streithelfer) in Höhe von 370,16 € von der Beklagten und dem Streithelfer mit der sofortigen Beschwerde nicht weiter verfolgt werden.