Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 21.11.2013, Az.: 2 U 179/13

Voraussetzungen für eine Bindung des Vermieters an von ihm gestellte unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen eines Mietvertrages

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
21.11.2013
Aktenzeichen
2 U 179/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 51660
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:1121.2U179.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 13.09.2013

Fundstellen

  • MDR 2014, 143-144
  • MK 2014, 20
  • WuM 2014, 133
  • ZMR 2014, 276-277

Amtlicher Leitsatz

Ist der Vermieter nach den von ihm gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur fristlosen Kündigung eines Gewerberaummietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs nur nach vorheriger Mahnung berechtigt, darf sich der Mieter auf die Einhaltung dieser Voraussetzung auch dann verlassen, wenn die Klausel einer Inhaltskontrolle deshalb nicht standhält, weil sie den Mieter im Übrigen (kein Verschuldenserfordernis, Rückstand mit nur einer Monatsmiete) unangemessen benachteiligt.

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 13. September 2013 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, bis zum 13. Dezember 2013 Stellung zu nehmen und gegebenenfalls seine Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.

Gründe

Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO, unter denen der Senat die Berufung des Klägers nach pflichtgemäßem Ermessen im schriftlichen Verfahren durch Beschluss zurückzuweisen hat, dürften vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung ist auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich, und eine mündliche Verhandlung ist auch aus anderen Gründen nicht geboten. Gegenteiliges zeigt die Berufung des Klägers auch nicht auf.

Die Berufung des Klägers bietet auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg:

Zu Recht dürfte das Landgericht den Räumungsantrag des Klägers bezüglich der Gaststätte Z. S. nebst Hotelräumen bzw. Wohnung sowie den Anspruch auf Zahlung der diesbezüglichen vorprozessualen Rechtsanwaltskosten von (weiteren) 1.116,20 € abgewiesen haben.

1) Die außerordentliche fristlose Kündigung des Klägers vom 7. Februar 2013 (Anlage K 1, Bl. 7 ff. d.A.) dürfte das Pachtverhältnis, welches gemäß Pachtvertrag vom

9. Mai 2011 nebst Ergänzung vom 30. Dezember 2008 bis zum 31. Dezember 2018 befristet ist, nicht beendet haben.

a) Die Kündigung vom 7. Februar 2013 dürfte nicht wirksam sein, weil es an der zwischen den Parteien als Kündigungsvoraussetzung vereinbarten Mahnung fehlt.

Die Parteien haben in § 3 Nr. 3 des Pachtvertrags die Voraussetzungen, nach denen eine außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses durch den Verpächter möglich sein sollte, vertraglich geregelt. In dieser vertraglichen Regelung ist eine abschließende Vereinbarung der Parteien über die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses nebst Vereinbarung von verschiedenen Kündigungstatbeständen zu sehen. Die Aufzählung dieser Kündigungstatbestände hat dabei abschließenden Charakter, da weder ausdrücklich noch mittelbar (z.B. durch das Wort "insbesondere") auf etwaige daneben zusätzlich geltende gesetzliche Kündigungstatbestände, wie § 543 Abs. 2 BGB, Bezug genommen wurde.

Die Regelung des § 3 Nr. 3 a) des Pachtvertrags verdrängt damit die gesetzliche Norm des § 543 Abs. 2 Nr. 3 a) und b) BGB über eine außerordentliche fristlose Kündigung bei Zahlungsverzug. Danach bedarf es als Voraussetzung einer wirksamen Kündigung neben dem (einmonatigen) Zahlungsrückstand vorab einer Mahnung hinsichtlich des Zahlungsrückstandes.

Da der Kläger die Klausel in § 3 Nr. 3 a) des Pachtvertrags als Verwender gestellt hat, müsste er überdies nach § 305 c Abs. 2 BGB bereits eine Unklarheit bezüglich der Frage des abschließenden Charakters der Aufzählung in § 3 Nr. 3 des Vertrags gegen sich geltend lassen.

Die nach § 3 Nr. 3 a) des Pachtvertrags erforderliche Mahnung vor einer außerordentlichen Kündigung ist unstreitig nicht erfolgt, so dass die Kündigungsvoraussetzungen bei Kündigung am 7. Februar 2013 nicht gegeben waren. Eine Mahnung nebst erneuter Kündigung ist auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht nachgeholt worden. Insoweit genügte Verzug mit der Pachtzinszahlung - welcher unstreitig vorlag - als Kündigungsvoraussetzung nicht, wenn die Parteien vereinbart haben, dass der Kündigung eine formelle schriftliche Zahlungsaufforderung voranzugehen hat (vgl. BGH WM 1972, 1250-1251; Bub/Treier aaO.; Staudinger/Emmerich, II § 535-562, 2000, § 543 Rn. 55).

b) Der Kläger dürfte an die Regelung des § 3 Nr. 3 des Pachtvertrags auch dann gebunden sein, wenn es sich bei der Regelung bezüglich des Kündigungsrechts bei Zahlungsverzug bereits bei einem Rückstand von einer Monatsmiete (oder weniger) um eine unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung handeln sollte.

Nach § 3 Nr. 3 a) des Pachtvertrags ist der Verpächter zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, wenn der Pächter mit der Zahlung mindestens einer Pachtzinsrate ganz oder teilweise länger als einen Monat nach Mahnung im Rückstand ist. Diese Klausel dürfte nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sein, da sie den Pächter unangemessen benachteiligt. Die Klausel weicht von dem gesetzlichen Leitbild des § 543 Abs. 2 Nr. 3 a) und b) BGB dahingehend ab, dass sie die fristlose Kündigung bereits ermöglicht, wenn nur eine Pachtzinsrate Rückstand gegeben ist, und zwar auch dann, wenn der Rückstand nur teilweise oder nur unerheblich ist; auch lässt sie den unverschuldeten Zahlungsrückstand genügen. Damit steht die Klausel im Gegensatz zu dem Zweck der Regelung des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB dem Schutz des Mieters/Pächters vor fristloser Vertragsbeendigung bei nur geringfügigen oder ganz kurzfristigen Zahlungsrückstand, so dass die Klausel als unangemessen anzusehen ist. Dies wird auch nicht dadurch ausgeglichen, dass die Klausel andererseits die fristlose Kündigung des Verpächters an gegenüber § 543 Abs. 2 BGB erschwerte Voraussetzungen, nämlich eine Mahnung, knüpft (vgl. BGH NJW 1987, 2506 [BGH 25.03.1987 - VIII ZR 71/86] - 2508).

Der Kläger dürfe sich aber an dem von ihm selbst durch den Formularvertrag eingeführten geregelten Verfahren für die außerordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs festhalten lassen müssen, obwohl die Klausel unwirksam ist und damit das Gesetz an seine Stelle tritt. Der Beklagte durfte sich auf die Einhaltung dieses Verfahrens, das seinem Schutz dient, nach § 242 BGB verlassen (BGH aaO. m.w.N.; AG Oberndorf WuM 1991, 44 [AG Oberndorf 24.08.1990 - 3 C 342/90][BGH 10.10.1990 - IV ZR 280/89]; Bub/Treier/Grapentin, 3. Aufl., IV Rn. 177 a.E.).

Dies dürfte erst Recht gelten, wenn es sich um eine Individualvereinbarung zwischen den Parteien handeln sollte.

2) Dem Kläger dürfte, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, kein Anspruch auf Zahlung weiterer vorprozessualer Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden nach §§ 280 Abs. 1, 286 BGB zustehen.

Der Räumungsstreitwert in Höhe von 60.922,80 € gemäß Aufstellung des Klägervertreters vom 7. Februar 2013 (Anlage K 1, Bl. 11 d.A.) kann bereits nicht Grundlage für eine Kostenrechnung sein, weil die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung des Pachtverhältnisses - wie oben dargelegt - nicht gegeben waren.

Auch die Geltendmachung der Nebenkostennachzahlung aus der Abrechnung vom 2. Februar 2012 (gemeint: 2013, wobei es sich bei der Jahreszahl um einen offensichtlichen Schreibfehler handeln dürfte) in Höhe von 6.281,47 € sowie der Kosten der Gartenpflege in Höhe von 353,66 € (vgl. § 4 des Nachtrags zum Pachtvertrag vom 30. Dezember 2008) mit anwaltlichem Schreiben vom 7. Februar 2013 (Anlage K 1) dürfte nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts und damit zu einem höherem (als dem vom Landgericht durch Urteil zuerkannten) Anspruch auf Erstattung der vorprozessualen Rechtsanwaltsgebühr als Verzugsschaden führen.

In der Abrechnung vom 2. Februar 2012 (gemeint: 2013) (Anlage K 3, Bl. 21 d.A.), ist dem Beklagten eine Zahlungsfrist von 14 Tagen eingeräumt worden, so dass der Beklagte sich frühestens seit dem 18. Februar 2013 mit der Nachzahlung von Nebenkosten in Verzug befunden haben kann, mithin erst nach Beauftragung des Klägervertreters und nach Zugang des Anwaltsschreibens vom 2. Februar 2013.

Entsprechendes gilt für die Abrechnung bezüglich der Kosten für die Gartenpflege. Insoweit fehlt es bereits an jeder Darlegung, wann diesbezüglich eine Abrechnung gegenüber dem Beklagten erfolgt ist und ab wann Verzug eingetreten ist.