Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.02.2001, Az.: 4 W 324/00

Grundstücksübertragung ; Schenkung; Nießbrauchbelastung; Minderjähriger; Rechtliche Vorteilhaftigkeit; Bestellung eines Ergänzungspflegers; Gesamtschau

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
16.02.2001
Aktenzeichen
4 W 324/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 21562
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2001:0216.4W324.00.0A

Fundstellen

  • MDR 2001, 931-932 (Volltext mit red. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 2001, 159-160

Amtlicher Leitsatz

Die schenkungsweise Übertragung eines mit einem Nießbrauch belasteten Grundstücks an einen Minderjährigen ist nach § 107 BGB auch ohne Bestellung eines Ergänzungspflegers möglich.

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde werden der Beschluss der 15. Zivilkammer des Landgerichts Hannover und die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Hannover (Abteilung 137 Grundbuch von ....... Blatt 2001) vom 18. Juli 2000 aufgehoben. Der Rechtspfleger wird angewiesen, bei der erneuten Entscheidung über den Eintragungsantrag von den gegenüber der ordnungsgemäßen Vertretung der Erwerberin ....... erhobenen Bedenken abzusehen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

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Die zulässige weitere Beschwerde ist begründet.

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Entgegen der Auffassung des Grundbuchamts und - ihm folgend des Landgerichts - ist die zugunsten der Übernehmerin ....... mit dem dinglichen Erwerb des im Grundbuch von ....... Blatt 2001 zur laufenden Nr. 2 erklärten Auflassung für diese nur rechtlich vorteilhaft i. S. v. § 107 BGB. Deshalb bedarf es auch keiner Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 BGB.

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1. Grundsätzlich kann die Übertragung eines Grundstücks wegen der damit verbundenen Belastungen (öffentliche Lasten wie Steuerpflicht und Abgabenpflicht, Verkehrssicherungspflicht pp. ) allenfalls rechtlich vorteilhaft sein, wenn eine Schenkung zugrunde liegt. Die Schenkung eines Grundstücks ohne mittelbare Belastung ist jedoch als solche unmöglich. Die Schenkung bleibt auch dann zustimmungsfrei, wenn das Erfüllungsgeschäft mit rechtlichen Nachteilen verbunden ist. Besondere Grundsätze gelten aber für Schenkungen des gesetzlichen Vertreters. Die Frage, ob ein über sieben Jahre alter Minderjähriger durch ein Rechtsgeschäft lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt und daher die Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters nach § 107 BGB entbehrlich ist, muss dabei aus einer Gesamtschau der schuldrechtlichen (Schenkungsvertrag) sowie dinglichen Rechtslage (Auflassung) beurteilt werden (BGHZ 78, 28, 34) [BGH 09.07.1980 - V ZB 16/79]. Denn eine isolierte Betrachtung würde zur Umgehung des minderjährigen Schutzes hinsichtlich des Erfüllungsgeschäfts führen, weil ein Selbstkontrahieren nach § 181 letzter Halbsatz BGB für ein Rechtsgeschäft, dass in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht, gerade gestattet ist.

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Diese Gesamtbetrachtung führt im vorliegenden Fall jedoch dazu, dass das Rechtsgeschäft für ....... ausschließlich lukrativ und damit ohne Mitwirkung ihrer Vertreter wirksam ist.

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2. So ist die Schenkung als obligatorisches Grundgeschäft ohne Zweifel lediglich richtig vorteilhaft. Entgegen der Auffassung des Amts- und des Landgerichts ist aber auch der Auflassungsvertrag im vorliegenden Fall nicht als rechtlich nachteilig zu qualifizieren. Dabei kommt der Frage, ob der Erwerb eines vermieteten Grundstücks dem Vertretenen nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt, nicht entscheidende Bedeutung zu. Denn der Erwerber des vermieteten Grundstücks tritt zwar nach § 571 Abs. 1 BGB unter Begründung einer persönlichen Verpflichtung die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Pflichten ein. Wird im Rahmen eines Verfügungsgeschäftes ein belastetes Recht erworben, ist jedoch zu unterscheiden, ob die Belastung zu keiner persönlichen Verpflichtung des Minderjährigen führt oder ob das doch der Fall ist. Entsteht keine persönliche Verpflichtung, ist das Geschäft rechtlich vorteilhaft. Entsteht eine persönliche Verpflichtung, ist der Erwerb des belasteten Rechts nachteilig (etwa auch bei der Reallast, da nach § 1108 BGB eine persönliche Verpflichtung entsteht). Mittelbare Nachteile haben dabei bei der Bewertung außer Betracht zu bleiben. Zu diesen mittelbaren Nachteilen zählen beispielsweise auch mit dem Erwerb verbundene öffentliche Lasten wie Steuern, Abgaben und Gebühren. Sie knüpfen allein an die Eigentümerstellung an und begründen nur eine Eigentumsbindung, nicht aber eine gesonderte Verbindlichkeit und stellen deshalb auch keine unmittelbare Folge des getätigten Geschäfts dar (vgl. etwa Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl. , § 107 Rn. 3 m. w. N. ).

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Bei der vorliegenden Fallgestaltung, bei der das Grundstück von vornherein mit einem Nießbrauch belastet ist, ist die Sachlage allerdings vom Fall einer Schenkung eines vermieteten Grundstücks verschieden. Die Belastung eines Grundstücks mit einem Nießbrauch wird in der Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, nicht als rechtlicher Nachteil angesehen, weil die Belastung den Vorteil nur einschränkt, nicht aber aufhebt (BGHZ 107, 156; OLG Köln NJW-RR 98, 363, jeweils m. w. N. ). Denn die gesetzlichen Pflichten aus dem Nießbrauch treffen nicht den Erwerber, sondern den Eigentümer als solchen. Deshalb kann auch im vorliegenden Fall die streitige Frage offenbleiben, ob die Tochter ....... der Beteiligten bereits mit dem Eigentumserwerb, wenn auch nur im Rahmen einer 'logischen juristischen Sekunde' in die Mietverträge eingetreten ist und sodann erst die Beteiligten als Nießbraucher nach den §§ 577 Satz 1, 571 Abs. 1 BGB die Vermieterstellung wiedererlangt haben oder aber, ob sich die Mietverträge unmittelbar nur in der Person der Beteiligten fortgesetzt haben und ....... erst nach Ende des Nießbrauchs ihrerseits in die Verträge wieder eintreten muss. Denn so oder so bleibt jedenfalls der frühere Eigentümer im Ergebnis gemäß § 577 BGB Vermieter. Die Vermietung des Grundstücks und die damit verbundenen persönlichen Verpflichtungen treffen den Nießbraucher. Im vorliegenden Grundstücksübertragungsvertrag ist außerdem die Minderjährige darüber hinaus auch hinsichtlich der gemäß § 1041 BGB vom Eigentümer zu tragenden außerordentlichen Lasten weitgehend befreit (§ 6 des Grundstücksübertragungsvertrages vom 10. Juli 2000).

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Als rechtlicher Nachteil verbleibt hiernach für ....... allenfalls der Eintritt in die Mietverträge bei Beendigung des Nießbrauchs. Dieser Nachteil resultiert jedoch aus der Eigentümerstellung und nicht aus einer persönlichen Verpflichtung als Erwerber. Er ist auch insoweit auf ein Minimum reduziert, als der Eigentümer die Mietverhältnisse unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zu kündigen vermag (§ 1056 Abs. 2, Abs. 3 BGB). Bei einer Gesamtbetrachtung der Schenkung als Verpflichtungs- und der Auflassung als Erfüllungsgeschäft kann dieser mittelbare Nachteil damit vernachlässigt werden. Es handelt sich nur um eine sekundäre Haftungsfolge, für die im Prinzip das Gleiche gelten muss, wie vorstehend für öffentliche Lasten ausgeführt (s. im Übrigen auch Jerschke, DNotZ 1982, 459 ff. ).

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3. Die von den Beschwerdeführern zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs in NJW 1983, 1780 trägt hierbei die vorliegende Entscheidung nicht unmittelbar. Zur Frage der lediglich restlichen Vorteilhaftigkeit eines mit einem Nießbrauch belasteten Grundstücks, das im Rahmen des Nießbrauchs vermietet wird, nimmt die genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs nämlich unmittelbar keine rechtliche Wertung vor. Zudem lag jener Entscheidung eine andere gesetzliche Rechtslage zugrunde. Denn nach der zum Zeitpunkt jener Entscheidung gültigen Fassung des § 1643 Abs. 1 BGB war die Bestimmung des §§ 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB, die den entgeltlichen Grundstückserwerb genehmigungspflichtig macht, unanwendbar (vgl. BGH a. a. O. , Seite 1781). Damit war jede Art des Erwerbs eines Grundstücks genehmigungsfrei. Eine Grundstücksübertragung auf Minderjährige, die von vornherein den Vorbehalt eines Nießbrauchsrechts für den bisherigen Eigentümer enthielt, war also als Minus zur generellen Möglichkeit der Eltern, als Vertreter ihrer Kinder, entgeltlich ein Grundstück zu erwerben, nicht genehmigungspflichtig. Die Frage, ob aus oben genannten Gründen ein Ergänzungspfleger bestellt werden müsste, stellte sich deshalb in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nicht. Der BGH, a. a. O. , hatte vielmehr nur über das Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nach den §§ 1821, 1822 BGB zu befinden.

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4. Dieses vormundschaftsgerichtliche Genehmigungserfordernis besteht im Übrigen im vorliegenden Fall auch nicht. Nach § 6 des Grundstücksübertragungsvertrages i. V. m. § 1047 BGB ist der Eigentümer zwar verpflichtet, die Zinsen der durch die Grundschuld gesicherten Darlehnsverbindlichkeiten zu tragen. § 1047 BGB ist jedoch durch den vorliegenden Vertrag weitgehends abbedungen. Nach § 6 Abs. 2 Ziffer 1 des Grundstücksübertragungsvertrages vom 10. Juli 2000 verpflichtet sich ....... nur, den etwa nach Erlöschen des Nießbrauchs verbleibenden Rest der Darlehensverbindlichkeiten der Beschwerdeführer zur Hälfte zu übernehmen. Diese Verpflichtung ist nicht nach § 1822 Abs. 1 Nr. 10 BGB genehmigungspflichtig, weil es sich nicht um eine fremde Schuld handelt, die zwar im Außenverhältnis als eigene übernommen wird, für die im Innenverhältnis aber allein der Erstschuldner haftet und ersatzpflichtig bleibt (BGHZ 60, 385, 388 f. [BGH 08.05.1973 - IV ZR 8/72] ).

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5. Schließlich bedürfen entgegen der mit Zwischenverfügung des Rechtspflegers vom 18. Juli 2000 die Erklärungen der Minderjährigen ....... zur Bestellung eines Nießbrauchsrechts sowie der drei Rückauflassungsvormerkungen und des Vorkaufsrechts für ihren Bruder ebenfalls keiner Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht. Die Rückfallklausel in § 3 des Grundstücksübertragungsvertrages enthält nämlich keine zusätzliche, über die Rückübertragung hinausgehende persönliche Verpflichtung der Minderjährigen. Die Rechtsprechung (ausführlich BGH NJW 1983, 1780 f. ) geht dahin, dass dann, wenn sich der Schenker ein bereicherungsrechtlich ausgestaltetes Rückforderungs- oder Widerrufsrecht vorbehalten hat, der minderjährig beschenkte nur einen rechtlichen Vorteil erlangt. Nur wenn der Beschenkte eine persönliche Verpflichtung (die vertragliche Verpflichtung zur Rückübertragung mit der Folge der §§ 280 ff. BGB bei Leistungsstörungen) oder zusätzliche persönliche Verpflichtungen (Verzicht auf Aufwendungsersatz) mitübernimmt, ist ein oneroses Geschäft anzunehmen (vgl. Hägele/Schöner/Stöber, Rn. 3611 m. w. N. ). Eine solche zusätzliche persönliche Verpflichtung ist für ....... nicht begründet worden. Sie ergibt sich nicht aus dem Vorkaufsrecht und insbesondere ist die minderjährige Erwerberin nach den §§ 1094 i. V. m. 1097 BGB nicht persönlich verpflichtet, sondern nur dinglich belastet.

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Auch die Bestellung eines Ergänzungspflegers ist hinsichtlich dieser Erklärungen der Minderjährigen nicht erforderlich, weil diese die rechtliche Vorteilhaftigkeit der Eigentumsübertragung nicht beseitigen. Im Übrigen sind die genannten Erklärungen auch nicht im Katalog der §§ 1821, 822 BGB enthalten, sodass auch eine Vertretungsbefugnis der Beschwerdeführer als Eltern besteht.

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Nach alledem musste die weitere Beschwerde Erfolg haben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO.

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