Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 23.03.2006, Az.: L 8 AS 290/05

Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eigener Versicherungsbeiträge; Verminderung der Hilfebedürftigkeit durch ein zu berücksichtigendes Einkommen; Berücksichtigungsfähigkeit von Unterhaltszahlungen des Vaters für das Kind einer alleinerziehenden Mutter; Abzug des Kindergeldes vom Gesamtbedarf; Berücksichtigung lediglich das um die Versicherungspauschale "bereinigte" Kindergeld bei dem Einkommen der Mutter; Absetzungsfähigkeit der Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen; Abzug eines Pauschbetrags bei Personen ohne Einkommen; Abzugsmöglichkeit eines Pauschbetrages für einen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Minderjährigen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
23.03.2006
Aktenzeichen
L 8 AS 290/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 17047
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2006:0323.L8AS290.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - 23.08.2005 - AZ: S 48 AS 135/05

Redaktioneller Leitsatz

Überschießendes Kindergeld, das nicht für die Abdeckung des Bedarfs des minderjährigen Kindes benötigt wird, ist als Einkommen des leistungsbeziehenden Elternteils anzurechnen.
Die Regelung über die Möglichkeiten des Abzugs eines Pauschbetrages für private Versicherungen in § 3 Nr. 1 Alg II-VO ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Für Versicherungsbeiträge sieht das SGB II keinen Mehrbedarf vor; sie sind durch die Regelleistung abgedeckt. Eine Anrechnung ist nur bei der Einkommensberechnung möglich.

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 23. August 2005 sowie der Bescheid der Agentur für Arbeit F. vom 30. November 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2005, dieser in der Fassung der Änderungsbescheide vom 31. März und 28. September 2005, geändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. April 2005 unter Berücksichtigung eines weiteren Absetzungsbetrages in Höhe von 4,58 EUR monatlich zu zahlen (Zahlbetrag monatlich 605,40 EUR). Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. April 2005 streitig, insbesondere die Berücksichtigung von Pauschgebühren für Versicherungsbeiträge.

2

Die 1950 geborene allein stehende Klägerin lebt mit ihrem 1992 geborenen Sohn G. zusammen. Sie erhielt bis Oktober 2002 Arbeitslosengeld und im Anschluss daran Arbeitslosenhilfe. Der unterhaltspflichtige Kindesvater zahlt für G. Unterhalt in Höhe von 307,00 EUR, außerdem erhält die Klägerin Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR.

3

Am 11. Oktober 2004 beantragte die Klägerin Leistungen nach dem SGB II. Sie machte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 429,07 EUR monatlich geltend sowie einen monatlichen Beitrag zu einer privaten Rentenversicherung in Höhe von 34,48 EUR.

4

Die Agentur für Arbeit F. (insoweit als Funktionsvorgängerin für die Beklagte handelnd) bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 30. November 2004 Leistungen nach dem SGB II vom 1. Januar bis zum 30. April 2005 in Höhe von 540,27 EUR monatlich, bestehend aus dem Regelsatz für die Klägerin und ihren Sohn sowie aus dem Mehrbedarf für Alleinerziehung (345,00 EUR + 207,00 EUR + 41,00 EUR) abzüglich Unterhaltsleistungen und Kindergeld (307,00 EUR + 154,00 EUR) zzgl. Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 408,27 EUR (350,00 EUR Miete, 23,07 EUR Nebenkosten und 35,20 EUR Heizung). Der Widerspruch der Klägerin, in dem diese insbesondere die nicht nachvollziehbare Berechnung der Leistungen bemängelte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2005).

5

Die Klägerin hat am 21. März 2005 Klage beim Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben und die Auffassung vertreten, G. gehöre als nicht Bedürftiger nicht zu ihrer Bedarfsgemeinschaft. Ihre private Rentenversicherung müsse bedarfserhöhend berücksichtigt und für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft eine Versicherungspauschale von 30,00 EUR angesetzt werden. Während des Klageverfahrens hat sich die Klägerin außerdem direkt an die Beklagte gewandt und um Überprüfung des Bewilligungsbescheides hinsichtlich der Versicherungspauschale, ihrer Kfz-Versicherung (29,77 EUR monatlich) und der bisher nicht beachteten Kosten für die Wasserversorgung gebeten. Die Beklagte hat daraufhin mit Bescheid vom 31. März 2005 weitere 13,00 EUR für die Wasserversorgung als Kosten der Unterkunft anerkannt und mit Schreiben an das SG mitgeteilt, dass sie beabsichtige, bei der Klägerin einen Versicherungspauschbetrag von 30,00 EUR in Abzug zu bringen.

6

Mit Gerichtsbescheid vom 23. August 2005 hat das SG die Klage abgewiesen und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Hiergegen richtet sich die am 14. September 2005 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie vertieft ihr bisheriges Vorbringen, dass G. nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehöre und bei ihm eine Versicherungspauschale zu berücksichtigen sei. Außerdem müssten ihre Beiträge zur privaten Rentenversicherung über die Pauschale hinaus angesetzt werden.

7

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 28. September 2005 ihr Anerkenntnis hinsichtlich der Versicherungspauschale für die Klägerin umgesetzt und mit dem Bescheid weiter die Kosten der Unterkunft unter Berücksichtigung später eingetretener Änderungen für den gesamten streitigen Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. April 2005 auf insgesamt 438,82 EUR erhöht. Die Gesamtleistung beträgt nunmehr 600,82 EUR. Mit weiterem Bescheid vom 28. September 2005 hat die Beklagte entsprechende Leistungen auch für die Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Oktober bewilligt.

8

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 23. August 2005 aufzuheben sowie den Bescheid der Agentur für Arbeit F. vom 30. November 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2005, dieser in der Fassung der Änderungsbescheide vom 31. März und 28. September 2005, zu ändern,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, ihr Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. April 2005 a) unter Berücksichtigung ihrer Versicherungsbeiträge zu zahlen b) bei der Berechnung ihrer Leistungen keine Einkünfte ihres Sohnes G. zu berücksichtigen hilfsweise bei der Ermittlung des Einkommen ihres Sohnes eine Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR monatlich abzusetzen.

9

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

10

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und die angegriffenen Bescheide.

11

Außer den Gerichtsakten lag ein Verwaltungsvorgang der Beklagten, die Klägerin betreffend, vor. Er war Gegenstand des Verfahrens. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Beiakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.

13

Die vom SG zugelassene form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und teilweise begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung weiterer eigener Versicherungsbeiträge hat. Durch die Absetzung eines Versicherungs-Pauschbetrages auch bei ihrem Einkommen (dem den Bedarf des Sohnes übersteigenden Kindergeld) ist dieses Einkommen bei der Klägerin nicht zu berücksichtigen, der monatliche Zahlbetrag beträgt damit 605,40 EUR.

14

Zu entscheiden ist hier ausschließlich über die Höhe der der Klägerin zustehenden Leistungen nach dem SGB II in der Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2005. Zu überprüfen ist dabei der Bescheid vom 30. November 2004 in der Gestalt, den er durch die gemäß § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Änderungsbescheide erhalten hat. Letztlich maßgebend ist damit der Bescheid vom 28. September 2005. Weitere Bewilligungsbescheide für die Folgemonate sind nicht Gegenstand des Verfahrens geworden, weil sie den ursprünglich angefochtenen Bescheid weder abändern noch ersetzten.

15

Während der streitigen Zeit hatte die Klägerin als erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Anspruch auf Alg II. Die angemessenen Gesamtkosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II sind von der Beklagten zutreffend mit 438,82 EUR ermittelt worden. Insoweit hat die Klägerin auch keine Einwände mehr erhoben.

16

Ihr Sohn G. ist nicht Teil der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II neben dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (hier die Klägerin) die dem Haushalt angehörenden minderjährigen unverheirateten Kinder, soweit sie nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts beschaffen können. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind in Kapitel 3 Abschnitt 2 des SGB II geregelt; im Falle des minderjährigen nicht erwerbsfähigen Sohnes der Klägerin ist § 28 Abs. 1 SGB II einschlägig. Er erhielte demnach, soweit er hilfebedürftig wäre, Sozialgeld: Regelleistung in Höhe von 207,00 EUR nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II sowie anteilige Leistungen für Unterkunft und Heizung. Ausgehend von den unstreitigen Kosten der Unterkunft von 438,82 EUR und einer regelmäßig nach Kopfzahl vorzunehmenden Aufteilung entfällt damit ein Betrag von 219,42 EUR auf den Sohn der Klägerin.

17

Diesem so ermittelten Gesamtbedarf von 426,42 EUR stehen Unterhaltsleistungen und anteiliges Kindergeld in ausreichender Höhe gegenüber, die die Hilfebedürftigkeit von G. und damit dessen Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft der Klägerin entfallen lassen.

18

Die Hilfebedürftigkeit vermindert sich gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II um das zu berücksichtigende Einkommen. Bei G. ist die Unterhaltzahlung seines Vaters in Höhe von 307,00 EUR zu berücksichtigen, und zwar unabhängig von unterhaltsrechtlichen Überlegungen. Maßgebend ist allein, dass es sich insoweit um Einnahmen in Geld oder Geldeswert handelt und keine der in § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB II oder in § 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-VO) normierten Ausnahmen einschlägig ist. Außerdem ist ihm gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II der Teil des Kindergeldes als Einkommen zuzurechnen, welches zur Sicherung seines Lebensunterhalts benötigt wird, hier der Differenzbetrag zwischen dem Bedarf von 426,42 EUR und den Unterhaltsleistungen in Höhe von 307,00 EUR, also 119,42 EUR. Von dem Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR verbleiben demnach 34,58 EUR.

19

Sowohl bei Unterhaltsleistungen als auch beim Kindergeld handelt es sich um Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II. Der Gesetzgeber hat insoweit keine Differenzierung dahingehend vorgenommen, dass nur bei bestimmten Einkommensarten Absetzungen nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift vorgenommen werden dürften. Gleiches gilt für die Pauschbeträge nach der Alg II-VO. Daraus folgt, dass bei G. die einkommensmindernden Bestimmungen im SGB II und in der Alg II-VO grundsätzlich Anwendung finden. § 11 Abs. 2 SGB II sieht für den hier zu entscheidenden Fall keine Abzüge vor. Abzusetzen sind nach § 11 Abs. 2 SGB II (in der bis zum 30. September 2005 geltenden Fassung), soweit hier überhaupt in Betracht kommend, Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind (Nr. 3 der Vorschrift). Weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren ist geltend gemacht worden, dass entsprechende Versicherungsbeiträge von G. aufzubringen sind. Eine Reduzierung nach § 11 Abs. 2 SGB II ist deshalb nicht möglich.

20

Ein Abzug vorzunehmen ist jedoch nach § 3 Nr. 1 Alg II-VO (ebenfalls in der bis zum 30. September 2005 geltenden Fassung). Nach dieser Vorschrift ist ein Pauschbetrag in Höhe von 30,00 EUR monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, von dem Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger und von dem Einkommen minderjähriger Hilfebedürftiger abzusetzen, soweit diese nicht mit volljährigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Der minderjährige G. lebt zwar mit der volljährigen hilfebedürftigen Klägerin zusammen, gehört jedoch, wie bereits ausgeführt, wegen fehlender Hilfebedürftigkeit nicht zu ihrer Bedarfsgemeinschaft. Mithin ist die Regelung des § 3 Nr. 1 Alg II-VO auf ihn anwendbar. Dabei ist nicht erforderlich, dass überhaupt Versicherungen bestehen und Beiträge gezahlt werden. Sinn der Pauschbeträge ist vielmehr, dass ohne nähere Prüfung bei der Erzielung von Einkommen von diesen ein bestimmter Betrag abzusetzen ist. Das seinen Bedarf übersteigende Einkommen von G. in Höhe von 34,58 EUR mindert sich um den Pauschbetrag von 30,00 EUR, das den Bedarf übersteigende (Netto-) Einkommen beträgt bei dieser Berechnung während der gesamten streitigen Zeit 4,58 EUR. Er kann damit aus eigenem Einkommen seinen Lebensunterhalt beschaffen und ist entgegen der Auffassung der Beklagten gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin.

21

Der Bedarf der Klägerin ist von der Beklagten zutreffend mit 605,40 EUR ermittelt worden. Neben der Regelleistung in Höhe von monatlich 345,00 EUR (§ 20 Abs. 2 SGB II) und dem Mehrbedarf für allein Erziehende nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 SGB II in Höhe von 41,00 EUR (12 v.H. der Regelleistung wegen des über sieben Jahre alten G., gerundet gemäß § 41 Abs. 2 SGB II) ist als Bedarf die zweite Hälfte der angemessenen Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 219,40 EUR zu berücksichtigen.

22

Weitere Leistungen kommen im Falle der Klägerin nicht in Betracht. Grundsätzlich sind alle notwendigen Leistungen im Regelsatz nach §§ 19, 20 SGB II zusammengefasst, Leistungen für Mehrbedarfe regelt § 21 SGB II. Für Versicherungsbeiträge hat der Gesetzgeber keine Mehrbedarfe vorgesehen, sie sind in der Regelleistung als Bedarf des täglichen Lebens enthalten. Eine Anrechnung ist nur bei der Ermittlung des nach § 11 SGB II zu berücksichtigenden Einkommens möglich.

23

Bei der Klägerin ist das den Bedarf ihres Sohnes überschreitende Kindergeld als Einkommen zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Die besondere Anrechnungsvorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II kommt im Umfang der Bedarfsüberschreitung nicht zur Anwendung. Nach dieser Vorschrift ist das Kindergeld Einkommen des minderjährigen Kindes, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Diese Regelung ist hier nur insoweit einschlägig, als der Lebensunterhalt des minderjährigen Kindes nicht bereits durch die Unterhaltszahlungen und das Kindergeld sichergestellt ist. Soweit das Kindergeld nicht zur Bedarfsdeckung - also zur Sicherung des Lebensunterhalts - benötigt wird, bleibt es Einkommen der Klägerin (vgl hierzu Hasske in Estelmann, Kommentar zum SGB II, Loseblattsammlung Stand Februar 2005, § 11 Rdnr 26; Augstein in Fichter/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Auflage 2005, § 11 SGB II Rdnr 7; Oestreicher, Kommentar zum SGB XII, SGB II, Loseblattsammlung Stand Dezember 2005, § 11 SGB II Rdnr 45).

24

Aus der Konjunktion "soweit" in § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II folgt, dass bei mehreren Einkommen das Kindergeld als letztes Glied der Einkommen berechnet werden muss. Würde hier das Kindergeld als erster Summand berücksichtigt, errechnete sich kein den Bedarf übersteigendes Kindergeld. Eine derartige Berechnung widerspräche der Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II, weil durch die Konjunktion "soweit" das Einkommen "Kindergeld" immer letzter Summand in der Einkommensberechnung sein muss.

25

Soweit ein höherer Bedarf im Hinblick auf bürgerlich-rechtliche Vorschriften angenommen wird, ist dies hier nicht relevant. Denn "Bedarf" i.S. des SGB II kann allein der darin geregelte Bedarf sein, der sich aus der Regelleistung des § 28 SGB II und den anteiligen Unterkunfts- und Heizkosten gemäß § 22 SGB II zusammensetzt. Weiterhin kann der "Lebensunterhalt" i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II nur dahin verstanden werden, dass gleichsam der Regelsatzbedarf des Kindes abgedeckt wird. Denn die Leistungen nach dem SGB II sollen gemäß § 19 SGB II den notwendigen Lebensunterhalt absichern, wie er im SGB II umschrieben wird. Dies geschieht durch die Regelleistungen und die anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung. Dieser Bedarf ist - wie oben dargelegt - für G. durch die Unterhaltszahlungen und das anteilig zu berücksichtigende Kindergeld sichergestellt. Daraus folgt, dass das Kindergeld im Umfang der Bedarfsüberschreitung nicht mehr zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird.

26

Berücksichtigungsfähiges Einkommen bei der Mutter, hier der Klägerin, gemäß § 11 Satz 1 SGB II ist jedoch nur das um die Versicherungspauschale "bereinigte" Kindergeld. Anderenfalls würde die Vorschrift des § 3 Nr. 1 Alg II-VO bei den Einkommen minderjähriger Hilfebedürftiger, die nicht mit volljährigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, weit gehend leer laufen. Nur in Höhe von 4,58 EUR ist hier deshalb Kindergeld als Einkommen der Klägerin zu berücksichtigen, wie dies auch die Beklagte in dem Bescheid vom 28. September 2005 insoweit zutreffend geregelt hat. Von diesem Einkommen sind nach § 11 Abs. 2 SGB II (in der bis zum 30. September 2005 geltenden Fassung) die Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen abzusetzen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind (Nr. 3 der Vorschrift). Hierzu zählen, weil gesetzlich vorgeschrieben, Beiträge zur KFZ - Haftpflichtversicherung, jedenfalls dann, wenn das Fahrzeug als nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 geschütztes Vermögen nicht zu berücksichtigen ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, so dass die Beiträge zur KFZ - Haftpflichtversicherung in Höhe von 22,54 EUR monatlich dem Grunde nach absetzbar sind. Bei einem Einkommen von 4,58 EUR folgt daraus, dass dieses auf Null reduziert wird. Eine über das zu berücksichtigende (Brutto-) Einkommen hinaus gehende Absetzung ist nicht möglich, weil sonst eine nicht vorgesehene indirekte Erhöhung des Bedarfs erfolgen würde. Aus dem gleichen Grund führt auch die Anwendung des § 3 Nr. 1 Alg II-VO zu keinem anderen Ergebnis, weil der Versicherungspauschbetrag ebenfalls maximal in Höhe des Einkommens von diesem abgesetzt werden kann.

27

Die Bestimmung des § 3 Nr. 1 Alg II-VO ist ermächtigungskonform (zur Verordnungsermächtigung siehe § 13 Satz 1 Nr. 3 SGB II). Sie hält sich insbesondere insoweit im Rahmen der Ermächtigungsnorm, als der Pauschbetrag bei Personen ohne Einkommen nicht abzusetzen ist. Dem Verordnungsgeber ist ein nicht unerheblicher Gestaltungsspielraum zuzubilligen, in dessen Grenzen er eine an Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten orientierte politische Entscheidung treffen kann, er darf nur nicht über den von der Ermächtigung gesteckten Rahmen hinausgehen (vgl hierzu im Zusammenhang mit der Arbeitslosenhilfe-Verordnung die Urteile des Bundessozialgerichts - BSG - vom 9. Dezember 2004, u.a. BSGE 94, 109 [BSG 09.12.2004 - B 7 AL 24/04 R]-121 = SozR 4-4220 § 3 Nr. 1; siehe auch BSGE 91, 94 [BSG 27.05.2003 - B 7 AL 4/01 R] = SozR 4-4220 § 6 Nr. 1). Letzteres ist hier nicht geschehen. Die Anknüpfung an die Einkommenserzielung ergibt sich folgerichtig aus der Ermächtigungsnorm des § 13 Satz 1 Nr. 3 SGB II, die die Erzielung von Einkommen ebenso wie § 11 Abs. 2 SGB II voraussetzt. Eine Abzugsmöglichkeit für alle Hilfebedürftigen unabhängig von der Einkommenserzielung würde letztlich zu einer Erhöhung des Bedarfs bzw. zur Einführung einer weiteren einmaligen Leistung führen.

28

Bei dieser Fallgestaltung ist nicht näher zu prüfen, ob die Beiträge der Klägerin zur Kaskoversicherung in Höhe von 7,23 EUR monatlich oder zur privaten Rentenversicherung in Höhe von 34,48 EUR monatlich überhaupt berücksichtigungsfähig wären. Es bleibt bei dem Bedarf der Klägerin in Höhe von 605,40 EUR, von dem letztlich kein Einkommen bedarfsmindernd abzuziehen ist.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Klägerin an Stelle der ursprünglich bewilligten 540,27 EUR monatlich 605,40 EUR erhält, ihr ursprüngliches Leistungsbegehren unter Einbeziehung der Versicherungen auf eine Zahlung von ca. 640,00 EUR gerichtet war. Ihr Begehren war demnach in Höhe von rund zwei Dritteln erfolgreich.

30

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG beimisst. Klärungsbedürftig ist, ob ein Versicherungs-Pauschbetrag von 30,00 EUR monatlich bei der Ermittlung der Bedürftigkeit vom Einkommen abzuziehen ist, auch wenn auf den Namen des vorgeblich Hilfebedürftigen keine Versicherung abgeschlossen ist.