Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 15.03.2006, Az.: L 8 AS 345/05
Verfassungsmäßigkeit der Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe; Kürzung des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe durch das neue Arbeitslosengeld II als Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht; Folgen der Abgabe einer Erklärung nach § 428 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 15.03.2006
- Aktenzeichen
- L 8 AS 345/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 17848
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2006:0315.L8AS345.05.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 65 Abs. 4 SGB II
- § 198 S. 2 Nr. 3 SGB III
- § 428 Abs. 1 SGB III
- § 428 Abs. 2 SGB III
- Art. 14 GG
Redaktioneller Leitsatz
Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zum 31.12.2004 und Neueinführung der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II sind verfassungsgemäß.
Die Erwartung, dass die neue Leistung des Arbeitslosengeldes II genauso hoch ist, wie die frühere Arbeitslosenhilfe, ist nicht schützenswert und begründet daher keinen Vertrauenstatbestand.
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 8. Juli 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte den Klägern für die Zeit ab 1. Januar 2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in Höhe der dem Kläger zu 1) zuvor gezahlten Arbeitslosenhilfe (Alhi) zahlen muss.
Der im Juli 1943 geborene verheiratete Kläger zu 1) bezog bis Dezember 2000 Arbeitslosengeld (Alg) und im Anschluss daran Alhi von der Bundesagentur für Arbeit (Agentur für Arbeit E.) bis zum 31. Dezember 2004, zuletzt in Höhe von 227,43 EUR wöchentlich. Bereits im Jahre 2001 hatte er eine Erklärung zu § 428 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) unterzeichnet, wonach er Leistungen "unter erleichterten Voraussetzungen" erhalten kann. In dem vom Kläger zu 1) unterzeichneten Vordruck sind die "erleichterten Voraussetzungen" dahin umschrieben, dass er auch Leistungen erhalten könne, wenn er nicht mehr arbeiten möchte; außerdem müsse er zum frühestmöglichen Zeitpunkt Altersrente beantragen.
Im September 2004 beantragte der Kläger zu 1) für sich und seine mit ihm im gleichen Haushalt lebende Ehefrau bei der Agentur für Arbeit E. die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Diese wurden mit Bescheid vom 9. November 2004 in Höhe von 495,85 EUR für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2005 bewilligt. Von dem Bedarf in Höhe von 843,83 EUR (2 x Regelsatz á 311,00 EUR, Kosten der Unterkunft in Höhe von 221,83 EUR) wurde das anzurechnende Einkommen der Klägerin zu 2) in Höhe von 347,98 EUR abgezogen. Auf den Widerspruch des Klägers zu 1) teilte die Gemeinde E., für die nunmehr für die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II zuständige Beklagte handelnd, mit Schreiben vom 7. April 2004 mit, dass dem Widerspruch in Höhe von 24,76 EUR stattgegeben werde und weitere Leistungen in dieser Höhe bewilligt würden; im Übrigen sei der Widerspruch, mit dem der Kläger zu 1) die Zahlung von Leistungen in Höhe der ihm bis zum 31. Dezember 2004 gezahlten Alhi begehrt hatte, erfolglos. Tatsächlich wurden den Klägern weitere 99,04 EUR überwiesen.
Die Beklagte wies sodann den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2005 ohne Hinweis auf die Erwägungen in dem Schreiben der Gemeinde E. vom 7. April 2005 zurück. Mit der Erklärung nach § 428 SGB III sei keine Festlegung oder Garantie eine bestimmten Leistungshöhe verbunden gewesen. Der Kläger zu 1) könne auf Grund des § 65 Abs. 4 SGB II iV mit § 428 SGB III auch in Zukunft Leistungen nach dem SGB II unter erleichterten Voraussetzungen beziehen, ohne der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stehen, allerdings nicht in der zuvor bezogenen Höhe.
Mit Bescheid von 28. April 2005 bewilligte die Gemeinde E. den Klägern Leistungen für die Zeit vom 1. Mai bis zum 30. November 2005 in Höhe von nur noch 463,63 EUR monatlich. Nunmehr wurden als Kosten der Unterkunft 228,10 EUR berücksichtigt und als Einkommen der Ehefrau ein Betrag in Höhe von 386,47 EUR abgezogen. Der Bewilligungsbescheid vom 9. November 2005 sei auf Grund der "geänderten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und/oder die der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft abzuändern (§ 48 Abs. 1 SGB X)". Soweit der Zeitraum Mai und Juni 2005 betroffen war, hat die Beklagte am 15. Februar 2006 ein von den Klägern angenommenes Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass der Bescheid vom 28. April 2005 aufgehoben wird.
Der Kläger zu 1) hat am 28. April 2005 gegen den Bescheid vom 9. November 2005 Klage beim Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, das Vertrauen der über 58-Jährigen in die mit der Bundesagentur für Arbeit geschlossene Vereinbarung sei auch über den 31. Dezember 2004 hinaus schutzwürdig. Mit der Abschaffung der Alhi habe er nicht rechnen müssen. Er sei wie 400.000 andere Betroffene von der Arbeitsverwaltung intensiv umworben worden, die vorbereitete Vereinbarung zu unterschreiben. Durch die Unterschrift sei er jetzt gegenüber denjenigen, die keine Unterschrift geleistet hatten, benachteiligt.
Mit Urteil vom 8. Juli 2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Bei der Vereinbarung zwischen dem Kläger zu 1) und der Bundesagentur für Arbeit über den Bezug von Leistungen unter erleichterten Bedingungen handele es sich nicht um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, er beinhalte auch keine Zusicherung dahingehend, dass die Leistungen bis zum Bezug von ungekürzter Altersrente unverändert weiterzuzahlen seien. Die Änderungsvorschriften seinen verfassungskonform.
Gegen das am 19. September 2005 zugestellte Urteil ist am 13. Oktober 2005 Berufung eingelegt worden. Ergänzend zu seiner bisherigen Begründung beziehen sich die Kläger auf ein Gutachten von Prof. Dr. Udo. R. Mayer. Dieser vertritt die Auffassung, dass die Einschränkung der Leistungsansprüche für den Personenkreis nach § 428 SGB III weder erforderlich noch verhältnismäßig sei. Der Gesetzgeber habe die Problematik dieses Personenkreises nicht gesehen und damit auch keine Abwägung mit anderen möglicherweise in Betracht kommenden Mitteln vorgenommen. Der Vertrauensverlust für den betroffenen Personenkreis sei als übermäßig anzusehen.
Die Kläger beantragen,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 8. Juli 2005 aufzuheben und den Bescheid der Agentur für Arbeit Bad Zwischenahn vom 9. November 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 21. April 2005 zu ändern,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, ihnen den Klägern - an Stelle der mit dem angefochtenen Bescheid bewilligten Leistungen solche in der Höhe zu zahlen, die der Kläger zu 1) bis zum 31. Dezember 2004 als Arbeitslosenhilfe bezogen hat.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Außer den Gerichtsakten lag ein Band der die Bedarfsgemeinschaft der Kläger betreffenden Leistungsakten der Beklagten sowie ein Band Verwaltungsakten der Bundesagentur für Arbeit, den Leistungsbezug des Klägers zu 1) betreffend, vor. Sie waren Gegenstand des Verfahrens. Wegen des Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Beiakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2, 155 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter als Einzelrichter.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft. Die Kläger begehren die Weiterzahlung der dem Kläger zu 1) bis zum 31. Dezember 2004 gewährten Alhi. Bei einer Alhi-Leistung in Höhe von durchschnittlich rund 985,00 EUR monatlich und tatsächlich bezogenen Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 495,85 EUR ist der Berufungsbeschwerdewert von 500,00 EUR des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erreicht.
Die Berufung ist nicht begründet. Das SG und die Beklagte haben zu Recht entschieden, dass die Kläger vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2005 keinen Anspruch auf Alg II in Höhe der zuletzt bewilligten Alhi haben. Soweit die Beklagte mit dem Bescheid vom 28. April Leistungen für die Monate Mai und Juni 2005 gekürzt hatte, war dieser zwar gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, über den das LSG kraft Klage hätte entscheiden müssen. Durch das angenommene Anerkenntnis hat sich der Rechtsstreit jedoch insoweit erledigt (§ 101 Abs. 2 SGG). Weitere Bescheide über Folgezeiträume, die nach Ansicht des Senats ohnehin nicht Gegenstand des Verfahrens des Verfahrens geworden wären, sind von den Beteiligten ausdrücklich nicht in das Verfahren einbezogen worden.
Ab dem 1. Januar 2005 kann Alhi nicht mehr gezahlt werden, weil die entsprechenden Vorschriften aufgehoben sind. Diese waren im 7. Unterabschnitt (§§ 190 ff) SGB III enthalten. Durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (4.ModDienstlG) vom 24. Dezember 2003 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - I 2003, Seite 2954, Artikel 3 Nr. 1d und Nr. 15) wurden diese Vorschriften mit Wirkung ab 1. Januar 2005 aufgehoben (Art 61 Abs. 1 4.ModDienstlG). Ab dem 1. Januar 2005 wird daher nach der Entscheidung des Gesetzgebers Alhi nicht mehr gewährt. An Stelle dessen haben Antragsteller die Möglichkeit, Leistungen nach dem SGB II (Art 1 4.ModDienstlG) oder nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I Seite 3022) zu beantragen.
In § 190 Abs. 3 Satz 1 SGB III, hier in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung des Art 3 Nr. 14 4.ModDienstlG, war geregelt, dass Alhi längstens bis zum 31. Dezember 2004 bewilligt werden darf. Dementsprechend hatte die Agentur für Arbeit E. die Bewilligung der Alhi bis zum 31. Dezember 2004 befristet. Dies ist nicht zu beanstanden.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Entscheidung des Gesetzgebers bestehen nicht. Er war insbesondere nicht daran gehindert, diese Leistungsart abzuschaffen und für die Sicherstellung des Lebensunterhalts ein anderes Regelungswerk einzuführen (zum Wegfall der originären Alhi ab 1. Januar 2000 vgl. BSG SozR 4-4300 § 434b Nr. 1). Der Kläger zu 1) steht ab 1. Januar 2005 nicht mittellos ohne Sozialleistungen da. Er hat Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II und bezieht diese auch. Er konnte sich spätestens nach Erhalt des letzten Bewilligungsbescheides der Agentur für Arbeit E. auf diese neue Situation einstellen. Andere Hindernisse sind nicht ersichtlich, weil der Anspruch auf Alhi nicht dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie des Art 14 Abs. 1 GG unterfällt (ausführlich Spellbrink in Spellbrink / Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 13 Rdnrn 31 - 37). Deshalb ist die Argumentation, die Kürzung des Alhi-Anspruchs durch das neue Alg II greife in erworbene Rechte ein, die dem Eigentumsschutz nach Art 14 GG unterlägen, verfehlt (zu dieser Argumentation: Mayer, Fordern statt Fördern - ältere Arbeitslose unter Hartz IV, NZS 2005, S 568). Die Alhi ist nicht beitrags-, sondern steuerfinanziert und fällt daher nicht in den Schutzbereich des Art 14 GG (vgl BVerfG, Beschluss vom 26. September 2005 - 1 BvR 1773/03 - zur Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen bei der Bemessung von Alhi).
Darüber hinaus kann sich der Gesetzgeber für die Zusammenführung von Alhi und Sozialhilfe ab 1. Januar 2005 auf gewichtige Gründe berufen. Er hat im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz als reformbedürftig angesehen, dass allein die unterschiedliche Art des Leistungsbezuges bei Arbeitslosigkeit trotz Erwerbsfähigkeit (Sozialhilfe einerseits bzw. Alhi andererseits) den Zugang zu den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen prägte, zu unterschiedlicher sozialer Sicherung (Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rente), zu unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten (Sozialgerichte/Verwaltungsgerichte) und immer wieder zu Versuchen der Leistungsverschiebung zwischen den Körperschaften geführt hatte. Diese Entscheidung liegt im Rahmen der Gesetzgebungsprärogative und ist von den Gerichten nicht unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu überprüfen. Sollte es bei diesen übergeordneten Zielen in einigen Einzelfällen zu einer Reduzierung der finanziellen Transferleistung kommen, muss dieser Umstand hingenommen werden (vgl zu den vorstehenden Ausführungen Senatsbeschluss vom 26. Januar 2005 - L 8 AL 8/05 ER -; Senatsurteil vom 30. Juni 2005 - L 8 AL 57/05 -).
Die Kläger können aus der 2001 vom Kläger zu 1) unterschriebenen Erklärung zu § 428 SGB III zu ihren Gunsten nichts herleiten. Nach dieser Vorschrift, die gemäß § 198 Satz 2 Nr. 3 SGB III auch für die Alhi galt, haben Anspruch auf Alg Arbeitnehmer, die das 58. Lebensjahr vollendet haben und die Regelvoraussetzungen des Anspruchs auf Alg allein deshalb nicht erfüllen, weil sie nicht arbeitsbereit sind und nicht alle Möglichkeiten nutzen und nutzen wollen, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Nach § 428 Abs. 2 SGB III soll die Beklagte dem Arbeitslosen, der nach Unterrichtung über die Regelung des Satzes 2 drei Monate Alg nach Abs. 1 bezogen hat und in absehbarer Zeit die Voraussetzungen für den Anspruch auf Altersrente voraussichtlich erfüllt, auffordern, innerhalb eines Monats Altersrente zu beantragen; dies gilt nicht für Altersrenten, die vor dem für den Versicherten maßgebenden Rentenalter in Anspruch genommen werden können.
In Kenntnis dieser Voraussetzungen hat der Kläger zu 1) die Erklärung zu § 428 SGB III unterschrieben.
Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB III war u.a. die objektive und subjektive Arbeitsbereitschaft der Leistungsbezieher. Durch die Erklärung nach § 428 Abs. 1 SGB III wurde auf die subjektive Arbeitsbereitschaft verzichtet; das heißt, wer ein bestimmtes Alter erreicht hat und nicht mehr arbeiten wollte, konnte gleichwohl weiterhin Leistungen nach dem SGB III erhalten, obwohl er selber nicht mehr arbeiten wollte. Diese Regelung trug dem Umstand Rechnung, dass ältere Arbeitslose in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit kaum zu vermitteln waren. Sie sollte dem Arbeitslosen den Druck nehmen, eine Arbeitsbereitschaft gegenüber den Arbeitsämtern vortäuschen zu müssen und sollte zu einer Entlastung der Arbeitsämter sowie der Arbeitslosenstatistik führen (vgl Brand in Niesel, Kommentar zum SGB III, 3. Auflage 2005, § 428 Rdnr 1). Die Regelung des § 428 Abs. 1 SGB III verzichtete demnach allein auf das Vorliegen der subjektiven Arbeitsbereitschaft, sonstige Anspruchshindernisse wurden von dieser Regelung nicht erfasst. Wenn sie vorlagen - etwa das Fehlen der objektiven Verfügbarkeit - konnten sie den zu Grunde liegenden Anspruch ausschließen (vgl BSG, Urteil vom 30. März 2004 - B 1 KR 30/02 R - SozR 4-2500 § 44 Nr. 1 = Breithaupt 2005, Seite 157).
Mithin erstreckte sich die Erklärung nach § 428 Abs. 1 SGB III allein darauf, dass auf die subjektive Verfügbarkeit - das Arbeiten wollen der Antragsteller - verzichtet wurde, aber gleichwohl Fürsorgeleistungen des Staates - Alhi - weiter erbracht wurden. Allein hierauf kann sich ein Vertrauenstatbestand des Klägers zu 1) stützen.
Dieses berücksichtigend hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 65 Abs. 4 SGB II geschaffen. Danach haben abweichend von § 2 SGB II auch erwerbsfähige Hilfebedürftige Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die das 58. Lebensjahr vollendet haben und die Regelvoraussetzungen des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts allein deshalb nicht erfüllen, weil sie nicht arbeitsbereit sind und nicht alle Möglichkeiten nutzen und nutzen wollen, ihre Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer Arbeit zu beenden. Vom 1. Januar 2006 (jetzt 1. Januar 2008, Art 2 Gesetz vom 22. Dezember 2005, BGBl. I S 3676) an gilt Satz 1 nur noch, wenn der Anspruch vor dem 1. Januar 2006 (jetzt 1. Januar 2008, s.o.) entstanden ist und der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor diesem Tag das 58. Lebensjahr vollendet hat; § 428 SGB III gilt entsprechend.
Die Regelung des § 65 Abs. 4 SGB II wurde auch im Hinblick auf Bezieher von Alhi geschaffen, welche die Möglichkeiten des § 428 Abs. 1 SGB III in Anspruch genommen hatten. Dies ergibt sich aus der amtlichen Begründung zu § 65 SGB II (Bundestagsdrucksache 15/1749). Die erleichterte Bezugsmöglichkeit der Alhi kann zu Lebensplanungen geführt haben, deren Änderungen unzumutbar wären. Mit § 65 Abs. 4 SGB II ist daher eine Vertrauensschutzbestimmung geschaffen worden, durch die zeitlich begrenzt bis Ende 2005 (jetzt 2007) sichergestellt wird, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige, die auf die bisherige Rechtslage - § 428 Abs. 1 SGB III - vertrauten, ihre Lebensplanung nicht mehr ändern müssen. Ältere Arbeitslose werden auch unter Geltung des SGB II von der Obliegenheit des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft befreit (vgl dazu Hengelhaupt in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, Loseblattsammlung, § 65 Rdnr 37; Blüggel in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2005, § 65 Rdnr 16; Mayer in Oestreicher, Kommentar zum SGB XII/SGB II, Loseblattsammlung, § 65 SGB II Rdnrn 35ff).
Damit ist auch unter Geltung des SGB II das Vertrauen dahingehend geschützt, dass für die Gewährung der Leistungen nach dem SGB II für die älteren Arbeitslosen, die von der Regelung des § 428 Abs. 1 SGB III Gebrauch gemacht hatten, keine subjektive Arbeitsbereitschaft mehr erwartet wird. Für weitergehenden Vertrauensschutz bestand kein Anlass. Insbesondere kann die Erwartung nicht schützenswert sein, dass die neue Leistung des Alg II in gleicher Höhe wie zuvor die frühere Alhi erbracht wird. Denn der Gesetzgeber hätte, da es sich bei der Alhi wie beim Alg II um eine steuerfinanzierte Sozialleistung handelt, die Leistung jederzeit - bis auf das Niveau der Sozialhilfe - absenken können (vgl Mayer, a.a.O., Rdnr 39).
Im Übrigen wurde auch unter Geltung des SGB III die Höhe der Alhi jährlich vermindert. Denn nach § 200 Abs. 3 SGB III wurde das Bemessungsentgelt für die Alhi jeweils nach Ablauf eines Jahres seit dem Bestehen des Anspruchs auf Alhi um 3% abgesenkt. Dies verdeutlicht, dass ein Vertrauensschutz auf die Beibehaltung der Höhe der Alhi zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung nach § 428 Abs. 1 SGB III zu keiner Zeit bestanden hat, zumal die Höhe der Alhi weiterhin abhängig von Einkommen und Vermögen war, §§ 193, 194 SGB III.
Die bewilligte Leistung für Januar bis Juni 2005 ist im Übrigen unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften zutreffend ermittelt worden (hier insbesondere §§ 20, 22 SGB II) und wird insoweit von den Klägern auch nicht mehr in Frage gestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Kläger unterliegen, tragen sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Revision ist zugelassen worden, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG beigemessen wird. Zwar gibt es bisher - soweit bekannt keine von diesem Urteil abweichende sozialgerichtliche Entscheidung zu der Frage, ob aus der Erklärung zu § 428 SGB III Auswirkungen auf die Leistungshöhe nach dem SGB II folgen können. Klärungsbedürftig erscheint jedoch in einer Vielzahl anhängiger Verfahren, ob die (fehlende) gesetzliche Regelung verfassungsgemäß ist (vgl zur Klärungsbedürftigkeit in solchen Fällen BSG Beschluss vom 22. August 1975, BSGE 40, 158).-