Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 01.03.2006, Az.: L 3 KA 175/04
Rechtmäßigkeit der sachlich-rechnerischen Richtigstellung eines ärztlichen Honorarbescheids; Absetzbarkeit der außerhalb der Grenzen des Fachgebietes erbrachten Leistungen von der Honorarforderung eines Facharztes; Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Fachgebietszugehörigkeit bzw. Fachfremdheit einerärztlichen Leistung; Zugehörigkeit der Erkennung und Behandlung von Erkrankungen der Atmungsorgane zum Fachgebiet der Inneren Medizin; Ausschließliche Zuständigkeit des hno-ärztlichen Fachgebietes für endoskopische Leistungen nach Ziffer 1500 Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM); Abgeltung einer Leistung nach Ziffer 1500 EBM durch die Leistung nach Ziffer 725 EBM (Bronchoskopie); Grundsatz der Konsumierung der Teilleistung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 01.03.2006
- Aktenzeichen
- L 3 KA 175/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 14251
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2006:0301.L3KA175.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 14.02.2004 - AZ: S 10 KA 492/01
Rechtsgrundlagen
- § 45 Abs. 2 S. 1 BMV-Ä
- § 34 Abs. 4 S. 2 EKV-Ä
- § 15 Abs. 2 WBO
- § 22 S. 2 WBO
Redaktioneller Leitsatz
Die Frage nach der Fachgebietszugehörigkeit bzw. Fachfremdheit einer ärztlichen Leistung bestimmt sich vorrangig nach den Festlegungen der WBO. Diese ist mit Hilfe der Weiterbildungsrichtlinien als Verwaltungsvorschriften im Rahmen einer zulässigen Auslegung zu interpretieren, so dass aufgrund der Weiterbildungsrichtlinien nicht solche Leistungen verboten werden können, die nach der WBO erlaubt sind. Dies bedeutet, dass die Nichterwähnung einer Leistung in den Weiterbildungsrichtlinien nicht gleichzeitig die Fachgebietsfremdheit bedeutet, sondern der Nichterwähnung vielmehr nur leichte Indizwirkung zukommt.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 14. Januar 2004 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine ärztliche Gemeinschaftspraxis, die aus zwei zur vertragsärztlichen Versorgung mit dem Schwerpunkt Pneumologie zugelassenen Internisten besteht. Sie wendet sich gegen die Nichtvergütung von Leistungen nach Ziffer 1500 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen -EBM - (Untersuchung des Kehlkopfes und/oder der Trachea mit dem Lupenlaryngoskop oder mittels flexibler Optik).
Mit Schreiben vom 24. Februar 2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit: "Bei der Bearbeitung ihrer Abrechnung für das 4. Quartal 1998 haben wir festgestellt, dass von Ihnen die EBM-Nr. 1500 abgerechnet wurde ... Die Ärztekammer Niedersachsen hat uns mitgeteilt, dass es sich bei der o.g. Leistung für einen Facharzt für Innere Medizin mit der Schwerpunktanerkennung Pneumologie um eine fachfremde Leistung handelt. Aus diesem Grund kann eine Honorierung der EBM-Nr. 1500 ab dem 2. Quartal 2000 nicht mehr erfolgen."
Im Quartal II/2000 rechnete die Klägerin Leistungen nach EBM-Ziffer 1500 69-mal ab. Diese Leistungen setzte die Beklagte - neben weiteren vom vorliegenden Rechtsstreit nicht erfassten Abrechnungspositionen - im Honorarbescheid für das Quartal II/2000 vom 18. November 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07. Juni 2001 als fachfremde Leistungen ab.
Zur Begründung der am 26. Juni 2001 vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhobenen Klage hat sich die Klägerin darauf berufen, dass sie nach den Vorgaben der Niedersächsischen Weiterbildungsordnung (WBO) vom 06. Februar 1993 zur Vornahme von Leistungen nach Ziffer 1500 EBM berechtigt sei. Das Fachgebiet der Inneren Medizin umfasse namentlich auch Erkrankungen der Atemwege und damit auch solche des Kehlkopfes.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat geltend gemacht, dass sie an die Rechtsauffassung der - im Berufungsverfahren beigeladenen - Ärztekammer Niedersachsen gebunden sei. Absetzungen von Leistungen nach Ziffer 1500 EBM nehme sie inzwischen gleichmäßig bei allen Internisten vor; aufgrund krankheitsbedingter Personalengpässe hätten allerdings nicht alle Betroffenen zeitgleich informiert werden können, sodass unter Vertrauensschutzgesichtspunkten entsprechende Berichtigungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingesetzt hätten.
Mit Urteil vom 14. Januar 2004, der Beklagten zugestellt am 27. Januar 2004, hat das SG "die sachlich-rechnerischen Berichtigungen im 2. Quartal 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Juni 2001" aufgehoben und die Beklagte zur Nachvergütung der von der Klägerin abgerechneten Leistungen nach Ziffer 1500 EBM verpflichtet. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Schwerpunktgebiet der Pneumologie umfasse namentlich die Erkennung und Behandlung von Atemwegserkrankungen und damit auch von Erkrankungen der Trachea und des Larynx. Damit zähle auch eine Untersuchung der Trachea mit dem Lupenlaryngoskop oder mittels flexibler Optik zum Bereich der Pneumologie.
Gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem angefochtenen Urteil hat die Beklagte am 24. Februar 2004 Beschwerde eingelegt (L 3 KA 2/04 NZB), aufgrund derer der Senat mit Beschluss vom 27. Juli 2004 die Berufung zugelassen hat.
Der Senat hat am 25. Mai 2005 über die Berufung mündlich verhandelt. Den Rechtsstreit hat der Senat zur weiteren Sachaufklärung vertagt und die Klägerpartei unter Hinweis auf die Allgemeinen Bestimmungen des EBM Teil A Ziffer 1 Satz 2 um Darlegung gebeten, ob die Leistung nach Ziffer 1500 EBM erforderlich sei, um eine Bronchoskopie nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu erbringen.
Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte insbesondere geltend, dass die Weiterbildungsrichtlinien nicht die Erbringung von Leistungen nach Ziffer 1500 EBM durch angehende Internisten bzw. Pneumologen vorschrieben. Dies belege, dass es sich dabei um fachfremde Leistungen für Internisten handele. Hieraus ergebe sich auch, dass die Leistung nach Ziffer 1500 EBM nicht als Annexleistung einer Bronchoskopie erbracht und abgerechnet werden könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 14. Januar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist weiterhin darauf hin, dass zu den dem internistischen Fachgebiet zugeordneten Atemwegserkrankungen auch Erkrankungen der Trachea und des Kehlkopfes zu zählen seien. Darüber hinaus würden auch andere internistische Erkrankungen oftmals sekundäre Krankheitsmanifestationen an der Trachea und am Kehlkopf nach sich ziehen; eine diesbezüglich erforderliche Abklärung erfolge in der Praxis in der Regel durch den Pneumologen. Ohnehin seien zwischen dem internistischen und dem hno-ärztlichen Fachgebiet vielfältige Überschneidungen festzustellen.
Zu dem Aufklärungsbeschluss des Senats führt die Klägerin aus: Die Erbringung der Leistung nach EBM-Nummer 1500 sei nicht erforderlich, um eine Bronchoskopie (EBM-Nummer 725) nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu erbringen. Beide EBM-Nummern hätten eigenständige und abgrenzbare Leistungsinhalte. Bei einer Bronchoskopie könne das flexible Gerät auch rigide durch die Glottis (Eingang in den Tracheabaum) von Endoskopeur geführt werden, wenn dieser sich auf die Bronchoskopie beschränke. Das bloße Vorbeischieben des Endoskops am Kehlkopf zur Durchführung einer Endoskopie sei keine Untersuchung des Kehlkopfes im Sinne der EBM-Nummer 1500. Die Untersuchung des Kehlkopfes beinhalte nicht nur die bloße Betrachtung des Organs während des Vorbeischiebens des Endoskops, sondern auch eine Untersuchung der Stimmbänder und der Aryknorpel sowie eine Beurteilung der Funktionsfähigkeit der Stimmbänder beim bewusstseinsklaren Patienten. Diese Leistungen seien nicht Bestandteil der Bronchoskopie. Allerdings sei es häufig notwendig, beide Leistungen nebeneinander zu erbringen.
Die beigeladene Ärztekammer stellt keinen Antrag.
Sie ist der Auffassung, dass gebietszugehörig nur solche Leistungen seien, die explizit in der WBO bzw. in den Richtlinien dem jeweiligen Fachgebiet zugeordnet seien. Die Weiterbildungsrichtlinien sähen eine Durchführung von Lupenlaryngoskopien nur bei HNO-Ärzten, nicht hingegen bei Internisten vor. Die WBO solle die Qualität der ärztlichen Berufsausübung sichern und damit die Patienten schützen. Nur eine sorgsame Abgrenzung ermögliche eine ordnungsgemäße Berufsausübung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die aufgrund der vom Senat mit Beschluss vom 27. Juli 2004 (L 3 KA 2/04 NZB) ausgesprochenen Zulassung statthafte Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Dabei stellt der Senat zur Vermeidung möglicher Missverständnisse vorsorglich klar, dass sich die in dem angefochtenen Urteil ausgesprochene Teilaufhebung des Honorarbescheides II/2000 - wie auch den Urteilsgründen zu entnehmen ist - nur auf die sachlich-rechnerische Berichtigung (im Sinne der Absetzung) von Leistungen nach Ziffer 1500 EBM und nicht auf die in demselben Bescheid vorgenommenen (von der Klägerin gar nicht angegriffenen) Berichtigungen anderer Leistungsziffern erstreckt.
In der Sache dringt die Beklagte mit ihrer Berufung nicht durch. Zwar ist die Beklagte grundsätzlich befugt, von einem Vertragsarzt außerhalb der Grenzen seines Fachgebietes erbrachte Leistungen von seiner Honorarforderung abzusetzen (1.). Das SG hat aber zutreffend dargelegt, dass die Beklagte die von der Klägerin nach Ziffer 1500 EBM abgerechneten Leistungen zu Unrecht als fachfremd qualifiziert und damit von der Honorierung ausgeschlossen hat (2.). Die Leistung nach Ziffer 1500 EBM (Laryngoskopie) ist auch nicht Teil des Leistungsinhalts der Bronchoskopie (EBM-Nr. 725), so dass sich der Ausschluss der Abrechenbarkeit der Laryngoskopie nicht aus den Allgemeinen Bestimmungen des EBM Teil A Ziffer 1 Satz 2 ergibt. (3.)
1.
Als Rechtsgrundlage der angefochtenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen sind die Regelungen des Bundesmantelvertrags-Ärzte (BMV-Ä) und des Bundesmantelvertrags-Ärzte-/Ersatzkassen (EKV-Ä) über die Befugnis der Kassenärztlichen Vereinigung zur Durchführung sachlich-rechnerischer Richtigstellungen (§ 45 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä in der seit 1. Januar 1995 geltenden Fassung; § 34 Abs. 4 Satz 2 EKV-Ä in der seit dem 1. Juli 1994 geltenden Fassung) in Betracht zu ziehen. Nach diesen im Wesentlichen gleich lautenden Vorschriften ist die Kassenärztliche Vereinigung berechtigt, die Abrechnung der Vertragsärzte auf ihre rechnerische und sachliche Richtigkeit zu überprüfen und ggfs. zu berichtigen.
Auf der Grundlage der erläuterten bundesmantelvertraglichen Berichtigungsvorschriften ist die Beklagte insbesondere befugt, von einem Vertragsarzt außerhalb der Grenzen seines Fachgebietes erbrachte Leistungen von seiner Honorarforderung abzusetzen. Vertragsärzte können Leistungen, die nicht in ihr Fachgebiet fallen, grundsätzlich nicht abrechnen (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr. 5).
Die Heilberufs- bzw. Kammergesetze der Länder und die auf der Grundlage von Ermächtigungen in diesen Gesetzen von den Ärztekammern der Länder erlassenen Weiterbildungsordnungen normieren die Verpflichtung derjenigen Ärzte, die - wie die Gesellschafter der Klägerin - Gebietsbezeichnungen führen, ihre Tätigkeit auf dieses Fachgebiet zu beschränken. In Niedersachsen folgt diese Verpflichtung aus § 22 der auf der Grundlage von § 34 Abs. 2 des Kammergesetzes für die Heilberufe (HKG) erlassenen WBO der Ärztekammer Niedersachsen vom 1. Oktober 1996.
Unter Berücksichtigung der Einheit des Arztberufs ist eine Einschränkung der freien Berufsausübung durch Fachgebietsbeschränkungen allerdings nur möglich, soweit durch die damit verbundene Spezialisierung eine zweckmäßige ärztliche Versorgung verbessert wird. Jede die Einheit des Arztberufes beeinträchtigende Restriktion muss durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt sein und ist als Eingriffsregelung eng auszulegen (BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 1).
Die Frage nach der Fachgebietszugehörigkeit bzw. Fachfremdheit einer ärztlichen Leistung beurteilt sich demnach in erster Linie nach der Gebietsdefinition in der WBO. Soweit ein Arzt eine Schwerpunktbezeichnung führt, wie hier die Mitglieder der Klägerin die der Pneumologie, ist gleichermaßen auf den Inhalt des Fachgebietes und den Gegenstand des Schwerpunktes abzustellen, da nach § 22 S. 2 WBO ein solcher Arzt zwar auch im Schwerpunkt tätig sein muss, sich auf diesen aber nicht zu beschränken hat.
Nach den Vorgaben der WBO sind die Facharztgruppen ganz unterschiedlich abgegrenzt (vgl. BVerfG SozR 3-2500 § 95 Nr. 35). Für die Zuordnung bestimmter ärztlicher Leistungen zu den Fachgebieten können Anhaltspunkte insbesondere daraus entnommen werden, ob sie mehr methodenbezogen oder mehr körperbezogen, d.h. auf eine Körperregion bzw. auf ein Organ bezogen, sind. Ist ein Fachgebiet im Schwerpunkt körperbezogen umschrieben (z.B. Augenheilkunde, Gynäkologie, Orthopädie), so ist für die Frage der Fachgebietszugehörigkeit vor allem relevant, ob die diagnostische und therapeutische Maßnahme eine dem Fachgebiet zugeordnete Körperregion bzw. ein ihm zugeordnetes Organ betrifft (BSG Urt. v. 08. September 2004 - B 6 KA 32/03 R -). Ist das Fachgebiet indessen schwerpunktmäßig oder vollständig methodenbezogen (z.B. Radiologie, Nuklearmedizin, Laboratoriumsmedizin, Pathologie), so ergibt sich die Fachgebietszugehörigkeit im Allgemeinen schon aus der Anwendung einer bestimmten Untersuchungs- oder Behandlungsmethode. Soweit die Methodik nicht teilweise anderen Fachgebieten zugeordnet ist (z.B. bei den sog Teilradiologie-Zuständigkeiten spezieller Fachgebiete), begründet ihre Anwendung die Zugehörigkeit zu dem methodenbezogenen Fachgebiet, gleichgültig, in welchem Körperbereich sie angewendet wird. In diesem Zusammenhang ist namentlich zu prüfen, inwieweit die Vorgaben des Weiterbildungsrechts operative Eingriffe speziellen Fachgruppen, namentlich chirurgischen Fachdisziplinen, vorbehalten (BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 21).
Selbst wenn die WBO positiv den Inhalt eines bestimmten Fachgebiets beschreibt, wird dadurch nicht ausgeschlossen, dass (insbesondere beim Zusammentreffen mit rein diagnostischen ärztlichen Fachdisziplinen) einzelne ärztliche Aufgaben kraft expliziter Regelung gleichermaßen in die Zuständigkeit anderer Fachgebiete fallen können. Auf diese Weise sind aus übergeordneten medizinischen Gründen auch Gebietsüberschneidungen und Mehrfachzuständigkeiten denkbar (BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 33). Angesichts der Vielgestaltigkeit der dem Arzt in seiner täglichen Praxis unterkommenden Behandlungsfälle kann ohnehin keine starre Grenze zwischen den einzelnen ärztlichen Fachgebieten gezogen werden, vielmehr muss dem Vertragsarzt aus dem Bedürfnis der Praxis eine gewisse Toleranzbreite zugestanden werden (BSG SozR 2200 § 368a Nr. 20).
2.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte die von der Klägerin nach Ziffer 1500 EBM abgerechneten Leistungen zu Unrecht als fachfremd qualifiziert. Denn das Fachgebiet der Inneren Medizin umfasst nach der Definition in der WBO namentlich auch die Erkennung und Behandlung von Erkrankungen der Atmungsorgane. Unter Atmungsorganen in diesem Sinne sind nach den überzeugenden Ausführungen der Beigeladenen die Gesamtheit der luftführenden Organe und Strukturen unter Einschluss namentlich auch der Trachea und des Kehlkopfes zu verstehen. Die von einem Facharzt für Innere Medizin nach der WBO (Ziffer 15.1) geforderten eingehenden Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten umfassen damit auch Erkrankungen des Kehlkopfes und der Trachea.
Der erläuterten Zuordnung - auch - zum Fachgebiet der Inneren Medizin steht nicht entgegen, dass die Vornahme von Laryngoskopien auch dem hno-ärztlichen Fachgebiet zuzuordnen ist und sich die in Rede stehende EBM-Nummer im Kapitel L des EBM "Hals-Nasen-Ohrenheilkunde" befindet. Beide Fachgebiete sind als primär körperbezogen, d.h. auf eine Körperregion bzw. auf ein Organ bezogen, im Sinne der vorstehend erläuterten Rechtsprechung und dementsprechend ihrer Grundstruktur nach nicht als methodenbezogen zu qualifizieren. Dabei besteht zwischen beiden Fachgebieten - was auch die Beigeladene einräumt - keine trennscharfe Abgrenzung der jeweils zu behandelnden Körperregionen. Vielmehr zählen insbesondere die "oberen Luftwege" gleichermaßen zu den dem internistischen Gebiet zugewiesenen Atmungsorganen wie zu den dem hno-ärztlichen Fachgebiet zugewiesenen Organen. Bezeichnenderweise verlangen die Weiterbildungsrichtlinien für beide Fachgebiete gleichermaßen die Vornahme von Sonographien der Halsweichteile.
Auch unter methodischen Gesichtspunkten begründen die Vorgaben der WBO keine ausschließliche Zuständigkeit des hno-ärztlichen Fachgebietes für endoskopische Leistungen nach Ziffer 1500 EBM. Vielmehr sind endoskopische Untersuchungen im Rahmen beider Fachgebiete vorzunehmen. Die hno-ärztlichen Weiterbildungsrichtlinien führen ausdrücklich Laryngoskopien auf; Internisten müssen im Rahmen der Facharztausbildung nach den Weiterbildungsrichtlinien an endoskopischen Untersuchungen insbesondere in Form von Bronchoskopien mitwirken (und im Schwerpunkt Pneumologie diese auch selbstständig durchführen und befunden). Prinzipielle methodische Unterschiede zwischen beiden endoskopischen Verfahren sind um so weniger anzunehmen, als die Untersuchungsoptik sowohl bei Laryngo- als auch bei Bronchoskopien jedenfalls im Regelfall über die Luftröhre in den Körper eingeführt wird.
In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen lässt sich eine Zuordnung von Leistungen nach Ziffer 1500 EBM ausschließlich zum hno-ärztlichen Fachgebiet auch nicht damit begründen, dass die Weiterbildungsrichtlinien der Beigeladenen die Durchführung solcher Untersuchungen allein im Rahmen der hno-ärztlichen Weiterbildung und nicht hingegen bei der internistischen Weiterbildung ausdrücklich fordern.
Bei den Richtlinien zur WBO handelt es sich ohnehin nur um - von der Vertreterversammlung der Beigeladenen erlassene - Verwaltungsvorschriften (§ 15 Abs. 2 WBO). Diesen Verwaltungsvorschriften wird ein norminterpretierender Charakter beigemessen, soweit sie nähere Festlegungen zu den unbestimmten Rechtsbegriffen "gründliche und eingehende Weiterbildung" treffen. Sie ergänzen und vervollständigen das formelle Satzungsrecht der Ärztekammer um Vorgaben hinsichtlich der im Einzelnen für notwendig gehaltenen ärztlichen Eingriffe und Untersuchungen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 30 S. 151 und SozR 4-2500 § 95 Nr. 5). Aus den Richtlinien zur WBO und der dort vorgenommenen Zuordnung bestimmter ärztlicher Eingriffe zu einzelnen ärztlichen Disziplinen können zumindest Indizien für die Gebietszuordnung der jeweiligen Behandlungen abgeleitet werden (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr. 5 m.w.N.).
Diese norminterpretierende Bedeutung der Verwaltungsvorschriften wird durch die Grenzen einer zulässigen Auslegung limitiert. Die Weiterbildungsrichtlinien als Verwaltungsvorschriften haben die Bestimmungen der WBO zwar zu interpretieren, sie dürfen diese jedoch nicht abändern. Schon im Hinblick auf die Verfassungsgarantie des Art. 12 Abs. 1 GG, wonach die Berufsausübungsfreiheit nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden darf, können die Weiterbildungsrichtlinien als allgemeine Verwaltungsvorschriften den Ärzten nicht die Befugnis zur Vornahme solcher Leistungen nehmen, deren Erbringung die Weiterbildungsordnung gestattet. Auch § 41 Abs. 1 Nr. 1 HKG schreibt im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen der Normenhierarchie ausdrücklich vor, dass Inhalt und Umfang der Gebiete in der Weiterbildungsordnung (und nicht etwa in den Weiterbildungsrichtlinien) festzulegen sind.
Darüber hinaus ist bei der Auslegung der WBO anhand der Weiterbildungsrichtlinien zu berücksichtigen, dass letztere ohnehin nicht umfassend alle zu einem Fachgebiet zugehörigen diagnostischen und therapeutischen Methoden und Maßnahmen erfassen sollen. Bezeichnenderweise beginnen die Richtlinien für Innere Medizin und für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde jeweils zunächst mit der Generalklausel "Erwerb der in der Weiterbildungsordnung aufgeführten Weiterbildungsinhalte". Die nachfolgend jeweils explizit aufgeführten Untersuchungs- und Behandlungsverfahren beinhalten schon nach dem Wortlaut keine abschließende Aufzählung. Vielmehr sollen sie lediglich als Grundvoraussetzung für den Erwerb der Facharztqualifikation sicherstellen, dass der Facharzt zumindest mit den dort aufgrund ihrer Bedeutung und/oder besonderen Anforderungen ausdrücklich benannten Verfahren vertraut ist.
Ausgehend von den vorstehend erläuterten Grundsätzen kommt zwar der ausdrücklichen Benennung eines Verfahrens in den Weiterbildungsrichtlinien eine starke Indizwirkung in dem Sinne zu, dass dieses dem jeweiligen Fachgebiet zuzuordnen ist; der Nichterwähnung eines Verfahrens kann hingegen allenfalls mit Zurückhaltung eine Indizwirkung im Sinne der Fachgebietsfremdheit beigemessen werden. In Anbetracht des nur exemplarischen Charakters der Auflistungen in den Richtlinien bedarf es konkreter Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Nichtaufnahme eines Verfahrens eine Willensentscheidung in dem Sinne zum Ausdruck bringen soll, dass der Richtliniengeber von einer Zuordnung zum jeweiligen Fachgebiet absehen wollte. Solche greifbaren Anhaltspunkte sind im vorliegenden Zusammenhang nicht ersichtlich.
3.
Der Ausschluss der Abrechenbarkeit der Leistung nach Ziffer 1500 EBM ergibt sich auch nicht aus den Allgemeinen Bestimmungen des EBM Teil A Ziffer 1 Satz 2. Diese Bestimmung des EBM legt fest, dass eine Leistung dann nicht neben oder an Stelle einer anderen Leistung berechnungsfähig ist, wenn sie Teil des Leistungsinhalts einer anderen berechnungsfähigen Leistung oder eines Leistungskomplexes ist. Um die Frage zu beantworten, wann eine Leistung Teil des Leistungsinhalts einer anderen Leistung und deshalb mit dieser abgegolten ist, ist vom Zweck der genannten Regelung auszugehen. Sinn und Zweck der Bestimmung ergibt sich aus dem Grundgedanken, dass Gebührenbestimmungen sachgerechterweise an zweckorientierte Leistungseinheiten anknüpfen, nicht aber an die in der Leistungseinheit enthaltenen Einzelbemühungen, und dass demnach mit jeder zweckorientierten Leistungseinheit alles abgegolten ist, was an Einzelbemühungen in der Gesamtleistung gewöhnlich enthalten ist. Eine mitabgegoltene Einzelbemühung (Teilleistung) in diesem Sinne liegt dann vor, wenn die Teilleistung derart zur Erbringung der Gesamtleistung gehört, dass diese ohne jene nicht als ordnungsgemäß erbracht angesehen werden kann (so der vom Bundessozialgericht - BSG - entwickelte Grundsatz der Konsumierung der Teilleistung, vgl. BSG SozR 5535 Nr. 12 BEMA Nr. 1; Nr. 49 BEMA Nr. 1; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 10 [nur Leitsatz; das vollst. Urteil vom 20. Dezember 1995 - 6 R KA 64/94 - findet sich in Juris]).
Das vorliegende Verfahren gab Anlass, der Frage nachzugehen, ob die mit einer Punktzahl von 170 bewertete EBM-Nr. 1500, also die Untersuchung des Kehlkopfes und /oder der Trachea mit dem Lupenlaryngoskop oder mittels flexibler Optik, durch die mit einer Punktzahl von 2500 bewertete EBM-Nr. 725 - die Bronchoskopie - mitabgegolten ist. Diese Frage hat der Senat im Ergebnis verneint. Denn bei der Laryngoskopie handelt es sich nicht um eine bloße Teilleistung der Bronchoskopie. Dies hat die Klägerseite in ihrem Schriftsatz vom 13. Juni 2005 überzeugend dargelegt. Danach könnte bei einer Bronchoskopie grundsätzlich das flexible Gerät auch rigide durch die Glottis (der Eingang in die Luftröhre) vom Arzt geführt werden, wenn dieser sich auf die Bronchoskopie beschränkt. Das bloße "Vorbeischieben" des Endoskops am Kehlkopf zur Durchführung einer Bronchoskopie sei aber keine Untersuchung im Sinne der EBM-Nr. 1500. Die Untersuchung des Kehlkopfs beinhalte nicht nur die bloße Betrachtung des Organs während des "Vorbeischiebens" des Endoskops, sondern auch eine Untersuchung der Stimmbänder und der Aryknorpel. Des Weiteren gehöre zur Untersuchung des Kehlkopfs eine Beurteilung der Funktionsfähigkeit der Stimmbänder - und zwar beim bewusstseinsklaren Patienten - was auch nur bei Untersuchungen bei nicht starren Geräten in Lokalanästhesie möglich sei. So könne auch bei Durchführung einer Bronchoskopie in Narkose mit starren Geräten keine Untersuchung nach der EBM-Nr. 1500 erfolgen.
Der Senat schließt sich der Einschätzung der Klägerin, dass eine Leistung nach Ziffer 1500 EBM nicht durch die Leistung nach Ziffer 725 EBM (Bronchoskopie) mitabgegolten ist, an. Dass die beiden "Gebührentatbestände" nicht typischerweise und erst recht nicht zwangsläufig bei den in Rede stehenden Untersuchungen der Atmungsorgane gleichermaßen verwirklicht sind und es sich um zwei selbstständige, gesondert abrechenbare Maßnahmen handelt, ergibt sich auch aus Sicht des Senats daraus, dass eine Bronchoskopie nicht nur mit flexiblen Geräten, sondern auch mit einem starren Rohr durchgeführt werden kann. In der ärztlichen Praxis finden nämlich bei der Bronchoskopie mittlerweile zwar grundsätzlich flexible Geräte Anwendung; es kommen aber auch nach wie vor - etwa in Notfallsituationen - die seit jeher eingesetzten starren Geräte zum Einsatz, bei der die Bronchien in Vollnarkose über ein starres Rohr erreicht werden. Bei der Untersuchung mit einem starren Rohr ist aber die im Rahmen einer Laryngoskopie ggf. erforderliche Untersuchung der Stimmbänder beim bewusstseinsklaren Patienten - was die Klägerpartei überzeugend dargelegt hat - nicht durchführbar. Eine Bronchoskopie ohne damit verbundene Laryngoskopie findet nach der Darstellung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch in Fällen statt, in denen das Endoskop aus medizinischen Gründen nicht über die Luftröhre, sondern durch einen Schnitt unterhalb des Kehlkopfes eingeführt wird. In solchen Fällen sind die beiden Leistungen also nicht nebeneinander zu erbringen, so dass sich die Annahme verbietet, beide Leistungen seien "typischerweise" miteinander verknüpft. Dass in dem vorliegenden Fall beide Leistungen durch die Gesellschafter der Klägerin regelmäßig nebeneinander erbracht und abgerechnet worden sind (aus der Anlage 5 zum Honorarbescheid der Beklagten für das 2. Quartal 2000 ergibt sich, dass die EBM-Ziffer 1500 insgesamt 69-mal abgerechnet wurde; der Anlage 1 zur Honorarabrechnung vom 18. November 2000 lässt sich entnehmen, dass die EBM-Nr. 725 68-mal abgerechnet wurde), beruht auf der nach Einschätzung der behandelnden Ärzte medizinisch begründeten Notwendigkeit einer eingehenden Kehlkopfuntersuchung nach der EBM-Nr. 1500 neben der Bronchoskopie nach der EBM-Nr. 725 zur Abklärung bei verschiedenen Erkrankungen des Kehlkopfes (TBC, Stimmbandlähmungen, Tumorerkrankungen). Die Gesellschafter der Klägerin haben es also regelmäßig für erforderlich gehalten, neben der Untersuchung der Bronchien auch eine genaue Inspektion des Larynx vorzunehmen. Daraus läst sich aus den genannten Gründen aber nicht der Schluss ziehen, dass es sich bei der geringer bewerteten Leistung nach der EBM-Nr. 1500 um eine unselbstständige Teilleistung der EBM-Nr. 725 handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG (in der im vorliegenden Rechtsstreit noch maßgeblichen bis zum 01. Januar 2002 geltenden Fassung).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht mehr zu, nachdem die in Streit stehende EBM-Ziffer 1500 inzwischen - mit Wirkung vom 1. April 2005 - durch die neuen Ziffern 09311 und 20310 ersetzt worden ist, die nur von HNO-Ärzten und Ärzten für Phoniatrie und Pädaudiologie abgerechnet werden können.-