Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.06.1996, Az.: X 68/91
Gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb; Ausbildungskosten für Kinder als betriebliche Ausgaben; Betriebsausgabenabzug für den Besuch einer Handelsvertreter-Fernakademie; Freistellung eines Handelsvertreters von der Arbeit für die Teilnahme an beruflichen Fortbildungsmaßnahmen; Aufwendungen, die ein Steuerpflichtiger für die berufliche Fortbildung seiner Kinder macht
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 27.06.1996
- Aktenzeichen
- X 68/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 16465
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:0627.X68.91.0A
Rechtsgrundlage
- § 4 Abs. 4 EStG
Verfahrensgegenstand
Ausbildungskosten für Kinder als BA
Fremdvergleich
gesonderter und einheitlicher Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1989 der W. A. P. GbR
Der X. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 27. Juni 1996,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtliche Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb 1989 werden unter Änderung des geänderten Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1989 vom 14.01.1991 auf DM 19.987 festgestellt. Davon entfallen je 1/2 auf die Gesellschafterinnen E. P. und M. S.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1989 der Fa. W. A. P. GbR. Die Klägerin (Kl'in.) betreibt eine Handelsvertretung in H., Gesellschafterinnen sind Frau E. P. und Frau M. S.
Der seit April 1982 im Betrieb der Kl'in, als Handelsvertreter beschäftigte U. S., der Sohn der Gesellschafterin M. S., absolvierte von Oktober 1989 bis Mai 1991 einen Fernlehrgang an der Handelsvertreter-Fernakademie CDH GbR in M. Der Lehrgang befaßte sich mit der Erarbeitung von Basiswissen der Markt- und Marketingforschung und der besonderen Anwendung in der Handelsvertretung. Gelehrt wurden u.a. die Themen Marktforschung, Kundenanalyse, Konkurrenzverhalten, Markt- und Absatzentwicklung, Absatzplanung u.a. Der Lehrgang setzte sich zusammen aus einem Fernstudium und aus Arbeitskreisen, die einmal monatlich jeweils freitags in H. in der CDH-Geschäftsstelle stattfanden. Der Arbeitskreis in H. begann um 13.00 Uhr und die Kl'in, stellte Herrn S. an den Tagen, an denen die Arbeitskreise stattfanden, unter Fortzahlung des Gehalts ab 13.00 Uhr von der Arbeit frei.
Die Teilnahmegebühren am Fernstudium beliefen sich auf DM 654, die jeweils für eines der insgesamt drei Semester zu entrichten waren.
In ihrer Gewinnermittlung für das Streitjahr machte die Kl'in, die Teilnahmegebühren für das erste Semester in Höhe von DM 654 als Betriebsausgaben geltend und wurde mit Bescheid vom 04.09.1990 erklärungsgemäß - allerdings unter Vorbehalt der Nachprüfung - veranlagt.
Im Spätherbst 1990 fand bei der Kl'in, mit Unterbrechungen eine Außenprüfung statt, die sich u.a. auf die Gewinnfeststellung für das Streitjahr erstreckte. Der zuständige Außenprüfer gelangte dabei zu der Feststellung, die Kosten für das Fernstudium seien gem. § 12 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht abzugsfähig und versagte insoweit den Betriebsausgabenabzug. Entsprechend den Feststellungen des Außenprüfers erließ das beklagte Finanzamt (FA) am 14. Jan. 1991 einen geänderten Feststellungsbescheid für das Streitjahr.
Dagegen richtet sich die Sprungklage, der das FA gem. § 45 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) zugestimmt hat.
Die Kl'in, macht geltend, der Handelsvertreter S. habe eine betriebliche Fortbildungsmaßnahme absolviert, um vorhandene Kenntnisse aufzufrischen, zu erweitern bzw. an die Entwicklung der Branche anzupassen. Die Möglichkeit der Fortbildung hätte man auch einem fremden qualifizierten Arbeitnehmer geboten, sofern ein solcher im Betrieb vorhanden gewesen wäre. Es sei im übrigen auch die Regel, daß Handelsvertretungen die Kosten derartiger Lehrgänge für ihre Angestellten übernähmen. Das bescheinige auch die Handelsvertreter-Fernakademie CDH. Der Kl'in, sei auch bewußt gewesen, daß Vereinbarungen über die Übernahme von Ausbildungskosten zwischen Eltern und Kindern nach besonderen Grundsätzen betrachtet würden. Gerade bei Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen sei es erforderlich, daß diese klar und eindeutig getroffen werden und nach Inhalt und Durchführung dem zwischen Fremden üblichen entsprechen. Angesichts des verhältnismäßig niedrigen Aufwandes, den der Besuch der Handelsvertreter-Fernakademie verursacht habe, habe man von der Vereinbarung einer Rückzahlungsverpflichtung bzw. einer zeitlichen Bindung des Arbeitnehmers an den Betrieb jedoch abgesehen. Darauf hätte sich auch ein fremder Arbeitnehmer angesichts der vergleichsweise unbedeutenden Beträge kaum eingelassen.
Die Kl'in, beantragt,
den Gewinn aus Gewerbebetrieb 1989 unter Änderung des Feststellungsbescheides um weitere Betriebsausgaben in Höhe von 654,00 DM herabzusetzen und entsprechend festzustellen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA ist der Auffassung, die Vereinbarung zwischen der Kl'in, und dem Sohn der Gesellschafterin M. S., dem angestellten Handelsvertreter U. S. entspreche nicht den zwischen fremden Dritten üblichen Kriterien. Weder gebe es schriftliche Vereinbarungen über Inhalt und Durchführung der Fortbildungsmaßnahme noch konkrete Vereinbarungen hinsichtlich von Bindungsfristen des Arbeitnehmers an den Betrieb bzw. etwaige Rückzahlungsklauseln bei Verlassen des Betriebes.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst den dazu überreichten Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 27. Juni 1996.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Zu Unrecht hat das FA den Betriebsausgabenabzug für die mit dem Besuch der Handelsvertreter-Fernakademie CDH verbundenen Kosten in Höhe von DM 654 versagt.
Betriebsausgaben sind nach § 4 Abs. 4 EStG Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Zu solchen Aufwendungen können auch Zahlungen gehören, die ein Steuerpflichtiger für die berufliche Fortbildung seiner Kinder macht. Das setzt allerdings voraus, daß diese Ausbildungskosten nachweisbar vollständig oder ganz überwiegend betrieblich veranlaßt sind (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 14. Dez. 1990 III R 92/88, BStBl II 1991, 305). Denn anderenfalls gehören die Aufwendungen für die berufliche Fortbildung der Kinder zu den nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abziehbaren Kosten der privaten Lebensführung (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dez. 1990 III R 92/88, a.a.O.).
Im hier zu entscheidenden Streitfall ist zwischen den Beteiligten unstreitig, daß die Aufwendungen für den Besuch des Handelsvertreters U. S. ausschließlich beruflich veranlaßt waren. Herr S. hat einen Lehrgang absolviert, der speziell auf seine beruflichen Bedürfnisse zugeschnitten war, nämlich auf diejenigen eines Handelsvertreters. Durchgeführt wurde der Lehrgang von der Handelsvertreter-Fernakademie CDH GbR, d.h. einer Institution, die sich ausschließlich mit der beruflichen Fortbildung von Handelsvertretern befaßt. Entsprechend waren auch die Studieninhalte des Fernlehrgangs mit den Sparten Marktforschung, Kundenanalyse, Markt- und Absatzplanung etc. konkret auf die Bedürfnisse von Teilnehmern, die beruflich als Handelsvertreter tätig waren, zugeschnitten.
Zweifel könnten nur deshalb bestehen, weil hier Aufwendungen für einen Handelsvertreter getätigt wurden, der der Sohn einer der Gesellschafterinnen der Kl'in, war. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, werden Verträge zwischen nahen Angehörigen steuerrechtlich nur dann anerkannt, wenn sie klar und eindeutig getroffen werden und nach Inhalt und Durchführung dem zwischen Fremden üblichen entsprechen. In der Regel muß deshalb nachgewiesen werden, daß der Betriebsinhaber derartige Aufwendungen auch für einen fremden Arbeitnehmer getätigt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dez. 1990 III R 92/88, a.a.O.).
Nach den vorgenannten Kriterien kann der Regelung zwischen der Kl'in, und dem Handelsvertreter U. S. die steuerrechtliche Anerkennung nicht versagt werden. Das gilt auch unter dem Gesichtspunkt eines sog. Fremdvergleichs. Zwar stimmt der Senat insoweit der Rechtsauffassung des Beklagten, die sich auf das vorg. BFH-Urteil stützt, zu, wonach üblicherweise bei einer betrieblichen Übernahme von Kosten für die Aus- und Fortbildung von Arbeitnehmern diese sich verpflichten, für eine gewisse Zeit nach Ende der Fortbildung im Betrieb zu verbleiben oder aber die Ausbildungkosten zurückzuzahlen, wenn sie den Betrieb vor Ablauf der vereinbarten Zeit verlassen. Nach Auffassung des Senats können diese Gesichtspunkte aber nicht pauschal und ohne jede Rücksicht auf die Höhe der Aus- bzw. Fortbildungskosten Anwendung finden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß in dem vom BFH mit Urteil vom 14. Dez. 1990 III R 92/88 entschiedenen Fall ein Vater für die bei ihm beschäftigte Tochter für einen Zeitraum von 11 Monaten das gesamte Arbeitsentgelt für einen Malergesellen weitergezahlt hat bei völliger Freistellung von der Arbeit, zusätzlich wurden die Lehrgangskosten, die Aufwendungen für Ausbildungsmaterial und Fachbücher sowie ein Teil der Fahrtkosten übernommen. Selbst bei vorsichtiger Schätzung - immerhin wurde auch der Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung weitergezahlt - dürfte es sich dabei um Betriebsausgaben in einer Größenordnung von ca. DM 20.000 gehandelt haben. Ähnliches gilt für das BFH-Urteil vom 14. Dez. 1994 X R 215/93 (BFH/NV 1995, 671). Auch in jenem Fall ging es um Betriebsausgaben von weit über DM 10.000. Angesichts dieser nicht unbeträchtlichen Größenordnungen ist auch der Senat der Meinung, daß in diesen Fällen ein vergleichbarer Betrieb die Ausbildungskosten für einen familienfremden Gesellen nicht übernommen hätte, ohne zuvor entsprechende Bindungsfristen an den Betrieb bzw. Rückzahlungsklauseln zu vereinbaren.
Nach Auffassung des Senats sind diese Fälle mit dem hier zur Entscheidung anstehenden jedoch nicht vergleichbar. Die Klägervertreterin hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen, selbst wenn man die gesamte Freistellung des Handelsvertreters U. S. ohne die Berücksichtigung von Urlaub in der Zeit von Oktober 1989 bis Mai 1991 zusammenzähle, ergebe sich ein Zeitraum von nicht einmal 9 Tagen für die Dauer von insgesamt drei Semestern. Wenn man dazu die Kosten des Lehrgangs in Höhe von DM 654 je Semester, d.h. von gesamt nicht einmal DM 2.000 für den gesamten Lehrgangszeitraum berücksichtigt, wird deutlich, daß diese Fortbildungsmaßnahme mit den vom BFH entschiedenen Fällen nicht vergleichbar ist. Das gilt sowohl für den Umfang der Kosten als auch für die Dauer der zeitlichen Abwesenheit vom Betrieb. Denn einen Arbeitnehmer praktisch das ganze Jahr im Betrieb zu ersetzen, bedeutet einen ungleich höheren Aufwand, als einen Arbeitnehmer über einen Zeitraum von drei Semestern noch nicht einmal 9 Tage vom Betrieb bzw. der betrieblichen Arbeitszeit freizustellen. Insgesamt gesehen ist die Aus- und Fortbildungsmaßnahme, die der Handelsvertreter U. S. absolviert hat, sowohl was den zeitlichen Umfang als auch die damit in Zusammenhang stehenden Kosten betrifft, nach Auffassung des Senats nicht so bedeutend, daß man bei einem derartigen Umfang bei einem fremden Arbeitnehmer die Übernahme der Kosten nur unter der Vereinbarung von Bindungsfristen an den Betrieb bzw. Rückzahlungsklauseln zugesagt hätte. Vielmehr entspricht es nach Überzeugung des Senats der allgemeinen Lebenserfahrung, daß gerade in einer Zeit, in der von einem Arbeitnehmer die permanente Bereitschaft zur beruflichen Fortbildung gefordert wird, Forbildungsmaßnahmen, die sowohl zeitlich als auch kostenmäßig einen verhältnismäßig geringen Umfang haben, jedem Arbeitnehmer nicht nur bewilligt, sondern auch von ihm verlangt werden, und zwar ohne die Vereinbarung von Bindungsfristen bzw. Rückzahlungsklauseln.
Der Senat sieht sich insoweit auch nicht im Widerspruch zu den vorgenannten BFH-Urteilen.
Der Klage war daher stattzugeben.
Die Besteuerungsgrundlagen ermitteln sich demgemäß wie folgt:
Einkünfte der Kl'in, aus Gewerbebetrieb bisher | DM 20.641 |
---|---|
abzüglich Betriebsausgaben lt. Urteil | DM 654 |
Einkünfte aus Gewerbebetrieb lt. Urteil | DM 19.987 |
Davon entfallen je 1/2 auf die Gesellschafterinnen E. P. und M. S.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.