Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.06.1996, Az.: VII 353/95
Steuerliche Behandlung des Gewinns aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen; Steuerliche Behandlung des Gewinns aus der Entnahme eines Grundstücksteils; Begriff des "tarifbegünstigten Veräußerungsgewinns"
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 18.06.1996
- Aktenzeichen
- VII 353/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 18726
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:0618.VII353.95.0A
Rechtsgrundlage
- § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG
Fundstellen
- DB (Beilage) 1997, 23 (Kurzinformation)
- EFG 1996, 1030 (Volltext mit amtl. LS)
- GmbHR 1997, 86 (amtl. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Teilveräußerung, Betriebsaufspaltung bei einer Besitz- und 3 Betriebsgesellschaften
Einkommensteuer 1993
In dem Rechtsstreit
hat der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 18. Juni 1996,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtliche Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 9/10 und der Beklagte zu 1/10.
Das Urteil ist für den Kläger wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an den Kläger zu erstattenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an der Motorrad- und Freizeitfahrzeuge Handels-GmbH sowie der Gewinn aus der Entnahme eines Grundstücksteils O. als laufender Gewinn oder aber nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) als tarifbegünstigter Veräußerungsgewinn zu erfassen ist.
Der Kläger ist ledig. Er wurde im Streitjahr 1993 allein zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Er verpachtete - in Teilen - das ihm gehörende Grundstück O. nebst Gebäuden, im Wege der Betriebsaufspaltung an drei von ihm beherrschte Kapitalgesellschaften, und zwar an die S. GmbH (Fiatvertretung), die S. Motorrad- und Freizeitfahrzeuge Handels-GmbH (Handel mit Motorrädern und Werkstatt) sowie die Autogalerie GmbH (Handel mit Kraftfahrzeugen und Reparaturen).
Mit Vertrag vom 12. August 1993 veräußerte er die von ihm in seinem Besitzunternehmen gehaltenen Anteile an der S. Motorrad- und Freizeitfahrzeuge Handels-GmbH, deren Wert sich auf 47.500 DM beliefen, an den weiteren Gesellschafter dieser GmbH, R. B. Dieser war bis zu diesem Zeitpunkt mit einer Stammanlage von 2.500 DM am Stammkapital der GmbH von 50.000 DM beteiligt. Der Kaufpreis einschließlich Zinsen für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Juli 1993 für die veräußerten Anteile betrug 680.333,30 DM. Die für den Betrieb der Motorradvertretung erforderliche Ausstellungshalle einschließlich der dazugehörigen Sozialräume verpachtete der Kläger weiterhin an die Motorrad- und Freizeitfahrzeuge Handels-GmbH.
Der Kläger ermittelte in seinem am 12.08.1994 aufgestellten Jahresabschluß den Gewinn aus der Veräußerung der GmbH-Anteile mit 632.833 DM (680.033 DM aus dem Erlös ./. 47.500 DM Buchwert) sowie den Entnahmegewinn für den an die Motorrad- und Freizeitfahrzeuge Handels-GmbH vermieteten Grundstücksteil mit 84.525 DM, Die Entnahme des an die Motorrad- und Freizeitfahrzeuge verpachteten Grundstücksteils wurde am 12.08.1994 bei Aufstellung der Bilanz 1993 gebucht. In der ESt-Erklärung 1993 erklärte er einen Veräußerungsgewinn i.H.v. 712.358 DM. Das Finanzamt FAX vertrat dagegen die Auffassung, der Gewinn sei zwar mit 712.358 DM zutreffend ermittelt wurden. Dieser Gewinn sei jedoch als laufender Gewinn und nicht als steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn zu erfassen. Es erhöhte dementsprechend den laufenden Gewinn, jedoch ohne eine entsprechende Gewerbesteuerrückstellung zu bilden. Dagegen wendet sich der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit seiner Klage. Er ist der Auffassung, im Streitfall seien die Voraussetzungen einer Teilbetriebsveräußerung bzw. -aufgabe gegeben. Mit dem Wegfall der personellen Verklammerung zwischen dem Besitzunternehmen und den Betriebsunternehmen sei das Betriebsvermögen des Besitzunternehmens in das Privatvermögen überführt worden. Daraus, daß im Streitfall das Besitzunternehmen das in seinem Eigentum befindliche Betriebsgrundstück an drei verschiedene Kapitalgesellschaften verpachtet habe, folge nicht, daß bezüglich der veräußerten Beteiligung an der Motorrad- und Freizeitfahrzeuge Handels-GmbH und der Überführung der an diese GmbH verpachteten Grundstücksteils nicht die Voraussetzung einer Teilbetriebsveräußerung gegeben seien. Bei der Tätigkeit der Besitzgesellschaft handele es sich um reine Vermögensverwaltung, die erst durch die besonderen Verhältnisse zwischen der Besitzgesellschaft und der Betriebsgesellschaft in eine gewerbliche Tätigkeit überführt werde.
Das FA hat am 18.06.1996 einen nach § 172 AO geänderten Bescheid erlassen, den der Kläger gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat. Darin hat das FA den laufenden Gewinn um den Entnahmegewinn für den an die Motorrad und Freizeitfahrzeuge Handels-GmbH vermieteten Grundstücksteil abzüglich der (nicht gebildeten) Gewerbesteuerrückstellung gemindert.
Der Kläger beantragt,
die ESt 1993 unter Abänderung des ESt-Bescheids vom 1. Februar 1995 und des Einspruchsbescheids vom 27. April 1995 um den Betrag herabzusetzen, der sich ergibt, wenn der Betrag von 632.833 DM der Steuerbegünstigung nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG unterworfen wird.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hält an seiner bereits im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest, daß die Voraussetzungen einer Teilbetriebsveräußerung nicht gegeben seien. Das FA nimmt dabei auf das BFH-Urteil BFH/NV 1994, 616 Bezug. Bei Beantwortung der Frage, ob die Veräußerung von Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft (Anteil an der Betriebs-GmbH) die Voraussetzungen der Teilbetriebsveräußerung erfülle, sei auf die Tätigkeit der Besitzgesellschaft abzustellen. Nur einzelne, voneinander abgrenzbare Verwaltungskomplexe könnten insoweit Teilbetriebe darstellen. Dem gegenüber könne nicht darauf abgestellt werden, ob die veräußerten Wirtschaftsgüter in ihrer Zusammenfassung bei der Betriebsgesellschaft einer Betätigung dienten, die sich von deren sonstigen Produktions- oder Handelstätigkeit abhebe. Im übrigen liege die Veräußerung eines Teilbetriebes im Sinne des § 16 EStG nur dann vor, wenn alle wesentlichen dem "Teilbetrieb" gewidmeten Wirtschaftsgüter veräußert würden. Im Streitfall sei aber das Betriebsgrundstück mit den darauf befindlichen Anlagen nicht veräußert, sondern weiterhin verpachtet worden.
Die Entnahme dieses Grundstücksteils sei erst am 12.08.1994 erfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Kläger hat mit der Veräußerung der von ihm in seinem Besitzunternehmen gehaltenen Anteile an der S. Motorrad- und Freitzeitfahrzeuge Handels-GmbH keinen Teilbetrieb veräußert, so daß der daraus resultierende Gewinn nicht nach § 16 i.V.m. § 34 EStG steuerbegünstigt ist.
Ein Teilbetrieb im Sinne von § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG - als Gegenstand einer Veräußerung oder Aufgabe - ist ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebs, der für sich allein lebensfähig ist (BFH-Urteil vom 23.11.1988 X R 1/86, BStBl II 1989, 376), wobei es auf die Verhältnisse beim Veräußerer im Zeitpunkt der Veräußerung bzw. Aufgabe ankommt. Eine gewisse Selbständigkeit erfordert, daß die verschiedenen Wirtschaftsgüter zusammen einer Betätigung dienen, die sich von der übrigen gewerblichen Tätigkeit abhebt und unterscheidet.
Liegen wie im Streitfall die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vor, so wird nicht etwa die Tätigkeit des Betriebsunternehmens dem Besitzunternehmen zugerechnet, sondern das Besitzunternehmen erzielt Einkünfte aus der gewerblich qualifizierten Vermietung oder Verpachtung.
Daher ist auch bei der Beantwortung der Frage, ob die Veräußerung von Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft die Voraussetzungen einer Teilbetriebsveräußerung erfüllt, auf die Tätigkeit der Besitzgesellschaft abzustellen. Nur einzelne voneinander abgrenzbare Verwaltungskomplexe im Rahmen der Besitzgesellschaft können insoweit Teilbetriebe darstellen (vgl. BFH-Beschluß vom 27. September 1993, BFH/NV 1994 S. 617, 618). Demgegenüber kann nicht darauf abgestellt werden, ob die veräußerten Wirtschaftsgüter in ihrer Zusammenfassung bei der Betriebsgesellschaft einer Betätigung dienen, die sich von deren sonstigen Produktions- oder Handelstätigkeit abhebt.
Im Streitfall liegt zwar die Besonderheit vor, daß einem Besitzunternehmen drei Betriebsunternehmen gegenüberstehen.
Das führt jedoch nicht dazu, daß aus diesem Grunde im Rahmen der Besitzgesellschaft drei Teilbetriebe anzunehmen wären (anderer Auffassung wohl Schmidt, EStG § 15 Rz 864 und § 16 Rz 160 zum Stichwort "Besitzunternehmen").
Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 24.04.1969 (IV R 202/68, BStBl II 1969, 397) dargelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Grundstücksverwaltung im Rahmen eines Gesamtunternehmens eine abgegrenzte gewerbliche Tätigkeit darstellt. Er hat dabei darauf abgestellt, daß eine Grundstücksverwaltung ihrer Natur nach in der Regel kein (Gewerbe-)Betrieb ist. Nur wenn die Verwaltung so beschaffen sei, daß sie für sich gesehen die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs erfülle, sei sie "Betrieb" und nur wenn dies auf einen gesonderten Verwaltungskomplex im Rahmen des Gesamtbetriebs zutreffe, liege eine Teilbetrieb vor.
Für die Verpachtung des Grundstücks und des Anlagevermögens an die drei Betriebsgesellschaften bestanden im Rahmen der Besitzgesellschaft jedoch keine voneinander abgrenzbaren Verwaltungskomplexe, die die Voraussetzung eines Gewerbebetriebs erfüllt hätten.
Bereits aus diesem Grunde erfüllt die Veräußerung der Anteile an der Motorrad- und Freizeitfahrzeuge GmbH nicht die Voraussetzung einer Teilbetriebsveräußerung im Rahmen des Besitzunternehmens.
Die Voraussetzungen einer Teilbetriebsveräußerung i.S.d. § 16 EStG liegen auch deshalb nicht vor, weil nicht alle wesentlichen dem "Teilbetrieb" gewidmeten Betriebsgrundlagen veräußert wurden. Bei dem Betriebsgrundstück samt der darauf befindlichen Anlagen handelt es sich um wesentliche Betriebsgrundlagen (vgl. BFH-Urteil vom 14.07.1993 X R 74 und 75/90). Da das Betriebsgrundstück dem Erwerber des Betriebsunternehmens nur zur Nutzung überlassen wurde, läßt sich nach der Zwecksetzung der §§ 16, 34 EStG keine Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs bejahen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO, da die Klage im Umfang des vom FA erlassenen Teilabhilfebescheids teilweise Erfolg gehabt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3 in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zugelassen worden.