Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.06.1996, Az.: V 337/90

Ausbau eines Fußballstadions; Vorsteuerabzug für Baumaßnahmen; Errichtung baulicher Anlagen auf fremden Grund und Boden

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
06.06.1996
Aktenzeichen
V 337/90
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 22850
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:0606.V337.90.0A

Verfahrensgegenstand

Bauten auf fremden Grund

Verfügungsmacht geht nicht zwangsläufig auf Grundstückseigentümer über

Umsatzsteuer 1988

Der V. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 6. Juni 1996,
an der mitgewirkt haben:
1. Vizepräsidentin des Finanzgerichts ...
2. Richter am Finanzgericht ...
3. Richter am Finanzgericht ...
4. ehrenamtliche Richterin ...
5. ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des Bescheides vom 13. Januar 1992 wird die Umsatzsteuer auf 67.637,40 DM herabgesetzt.

Der Beklagte trägt die Kosten.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit leistet.

Der Streitwert wird auf 117.280,00 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger führt seine Sportveranstaltungen seit vielen Jahren im ... (heute: ...) der Stadt ... durch. Die Eigentümerin gestattete ihm aufgrund eines Vertrages vom 11. Februar 1971 "die Benutzung der Sportanlagen im ... für die Dauer von mindestens 15 Jahren" gegen ein jährliches Pauschalentgelt i.H.v. 1.200,00 DM. Es blieb ihr vorbehalten, in jedem Einzelfall die Sportanlagen für die Benutzung freizugeben.

2

... stieg die Lizenzfußballabteilung des Klägers in die 2. Bundesliga auf. Sie bestreitet seitdem ihre Heimspiele auf dem sog. A-Platz des .... Der Deutsche Fußballbund (DFB) machte dem Kläger zur Auflage, für diese Spiele mindestens 15.000 Zuschauerplätze bereitzuhalten. Dazu fehlten im ... damals etwa 1.000 - vor allem überdachte - Sitzplätze. Die Eigentümerin war nicht bereit, das Stadion entsprechend herzurichten. Lt. Vereinbarung vom 18. Februar 1988 gestattete sie dem Kläger, die sog. ... (Ostkurve) des A-Platzes "entsprechend den von der Stadt aufgestellten Plänen" als Bauherr auf eigenes Risiko und auf eigene Rechnung auszubauen. In gleicher weise erfolgte die Erweiterung der Haupttribüne. Zur Finanzierung der Baumaßnahmen gewährte die Stadt ... dem Kläger einen Zuschuß i.H.v. ....000,00 DM. Einen Zuschuß i.H.v. ....000,00 DM leistete der Landkreis ....

3

Die Baumaßnahmen wurden öffentlich ausgeschrieben. Die Stadt ... gab im einzelnen an, wer die Aufträge erhalten sollte und führte die Bauaufsicht. Die Tribüne und der Ausbau der ... kurve waren lt. Schlußabnahmeschein des Landkreises ... im Oktober 1988 fertiggestellt. Die Baukosten betrugen rd. 1.260.000,00 DM.

4

Die Stadt ... gestattete dem Kläger seit dem Aufstieg der 1. Fußballmannschaft in die 2. Bundesliga die Benutzung des R-Platzes für die Heimspiele der ersten Mannschaft gegen ein Entgelt i.H.v. 10 v.H. der jährlichen Einnahmen aus dem Verkauf der Eintrittskarten. Die Unterhaltungskosten der Platzanlagen trägt die Stadt .... Ausgenommen ist die Flutlichtanlage. Für die Reinigung des Stadions, die die Stadt ... durchführt, übernimmt der Kläger einen Anteil i.H.v. 18.000,00 DM jährlich.

5

Die Sportanlagen des ... Stadions - insbesondere die Leichtathletikanlagen - stehen auch den ... Schulen, anderen Sportvereinen und dem Kreissportbund zur Abnahme des Deutschen Sportabzeichens zur Verfügung.

6

Der Beklagte betrachtet den Kläger als Besteller der Baumaßnahmen. Er gewährte ihm aus den Baurechnungen den Vorsteuerabzug, unterstellte jedoch die Weiterlieferung der Baumaßnahmen an die Eigentümerin. Als Entgelt dafür unterwarf er einen Betrag i.H.v. 955.000,00 DM brutto (= 837.719,00 DM netto), der sich aus den Zuschüssen der Stadt ... und des Landkreises ... sowie 30.000 DM Leistungen der Stadt ... im Rahmen der Bauaufsicht zusammensetzt, der Umsatzsteuer.

7

Dagegen wendet sich der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Klage. Zur Begründung trägt er vor: Er habe keine Lieferungen an die Stadt ... ausgeführt. Er habe im Stadion sog. Mietereinbauten errichtet, deren zivilrechtlicher und wirtschaftlichen Eigentümer er geblieben sei. Nur er habe an den Baumaßnahmen Interesse gehabt. Er habe nicht den Willen gehabt, der Stadt ... die Verfügungsmacht daran zu übertragen. Die Stadt ... könne nur über das Fußballstadion verfügen, wenn er, der Kläger, es nicht für seine Spiele benötige. Das geschehe nur selten. Die Zahlungen der Stadt ... und des Landkreises seien echte Zuschüsse. Er, der Kläger, übernehme die Instandhaltung, wenn die Stadt keine Mittel dafür aufwenden wolle.

8

Der Kläger beantragt,

die nach dem Regelsteuersatz zu besteuernden Umsätze um ... DM zu vermindern.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Er bleibt bei seiner Ansicht, daß der Kläger sein Benutzungsrecht von dem der Stadt ... ableite. Diese habe ein eigenes Interesse am Ausbau des Stadions gehabt, weil sie es auch anderen Veranstaltern zur Verfügung stelle.

11

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im übrigen verweist der Senat auf die Gerichtsakte und die unter Steuernummer ... für den Kläger beim Beklagten geführten Umsatzsteuer-, Einspruchs- und Betriebsprüfungsarbeitsakten.

12

Der Beklagte hat den ursprünglich angefochtenen Bescheid zweimal - zuletzt durch Bescheid vom 13. Januar 1992 - geändert. Der Kläger hat die geänderten Bescheide jeweils zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Entscheidungsgründe

13

Die Klage ist begründet.

14

Der Beklagte hat zu Unrecht angenommen, der Kläger habe die Baumaßnahmen im ... stadion im Streitjahr an die Stadt geliefert.

15

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) unterliegen die Lieferungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Lieferungen eines Unternehmers sind u.a. Leistungen, durch die er den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht, § 3 Abs. 1 UStG). Die Verschaffung der Verfügungsmacht setzt die Übertragung von Substanz, wert und Ertrag voraus; sie ist in der Regel mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübergang verbunden. Letzteres ist allerdings nicht zwingend. Die Errichtung baulicher Anlagen auf fremden Grund und Boden zieht nicht notwendigerweise eine Weiterlieferung an den Grundstückseigentümer nach sich. Es gibt keinen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, daß ein Mieter oder Pächter, der auf dem gemieteten oder gepachteten Grundstück ein Bauwerk auf eigene Rechnung errichtet und für Zwecke seines Unternehmens nutzt, die Verfügungsmacht daran weiter überträgt (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24. November 1992 V R 80/87, UR 94, 76). Entsprechendes muß entweder ausdrücklich vereinbart sein oder sich aus der Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalles ergeben. Andernfalls verbleibt die Verfügungsmacht bei dem, der sie zuerst erlangt hat.

16

Der Senat geht mit dem Beklagten davon aus, daß die Stadt mit dem Einbau der neuen Teile in die bestehenden Anlagen des Stadions gemäß § 946 BGB deren Eigentümerin geworden ist. Die Verfügungsmacht hat jedoch der Kläger als Besteller erworben und behalten. Es gibt keine ausdrückliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Stadt ..., daß diese (allein) die Sachherrschaft über die eingebauten Teile ausüben sollte. Ebensowenig folgt das aus der Würdigung der bekannten Vereinbarungen. Die Besonderheiten des Streitfalles sprechen sogar dagegen: Die Baumaßnahmen sind erforderlich geworden, weil die 1. Fußballmannschaft des Klägers in die 2. Bundesliga aufgestiegen ist. Für den bisherigen Spielbetrieb und die sonstigen (Sport-)Veranstaltungen, die im Stadion stattfinden, hätten die Anlagen im bisherigen Umfang und Zustand ausgereicht. Der Kläger allein wollte die neuen Anlagen nutzen und mußte sie gegenüber dem DFB nachweisen.

17

Die Tatsache, daß die Stadt ... als Verwalterin von Sportförderungsmitteln zu der Baumaßnahme einen Zuschuß beigesteuert hat, läßt keinen Rückschluß auf die Verfügungsmacht an den Baulichkeiten zu. Nach dem Willen der Beteiligten erfolgte vielmehr eine strikte Trennung zwischen der Erstellung der Bauten und ihrer Finanzierung. Möglicherweise hätte die Stadt ... den Zuschuß auch gewährt, wenn der Kläger oder ein Dritter Eigentümer des Platzes gewesen wäre. Das gilt erst recht für den Zuschuß des Landkreises.

18

Daß die Stadt ... vereinbarungsgemäß die Kosten für die Unterhaltung des Stadions mit den alten und den neuen Anlagen trägt, verschafft ihr noch nicht die Verfügungsmacht an den neuerstellten Anlagen; zumal sich die Beteiligten nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers nicht strikt daran halten. Wenn der Kläger dringende Reparaturen durchführen muß, macht er das auch selbst und auf eigene Kosten. Auch insofern übt er die Verfügungsmacht aus.

19

Hiernach ergibt sich folgende Steuerberechnung:

steuerpflichtige Umsätze zu 14 v.H. bisher2.667.167,00 DM
minus837.719,00 DM
steuerpflichtige Umsätze zu 14 v.H.
lt. Urteil1.829.448,00 DM
darauf Umsatzsteuer zu 14 v.H.256.122,72 DM
plus Umsatzsteuer zu 7 v.H. wie bisher25,76 DM
=256.148,48 DM
minus Vorsteuern188.511,08 DM
Umsatzsteuer 1988 lt. Urteil67.637,40 DM.
20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

21

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung (ZPO).

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 117.280,00 DM festgesetzt.

Der Streitwert war gemäß §§ 13 Abs. 2, 25 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) festzusetzen.