Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.06.1996, Az.: VIII 170/93
Ermäßigung der Einkommensteuer wegen außergewöhnlicher Belastung; Außergewöhnliche Belastung eines Steuerpflichtigen; Aufwendungen für den Unterhalt und die Ausbildung eines noch nicht 18 Jahre alten Kindes als außergewöhnliche Belastung ; Entgelt für den Besuch einer staatlich genehmigten oder nach Landesrecht erlaubten Ersatzschule sowie einer nach Landesrecht anerkannten allgemeinbildenden Ergänzungsschule als Sonderausgaben; Entgelt für den Besuch einer staatlich genehmigten oder nach Landesrecht erlaubten Ersatzschule sowie einer nach Landesrecht anerkannten allgemeinbildenden Ergänzungsschule als außergewöhnliche Belastung; Berücksichtigung von Schulgeldzahlungen des Steuerpflichtigen als außergewöhnliche Belastung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 25.06.1996
- Aktenzeichen
- VIII 170/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 18639
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:0625.VIII170.93.0A
Rechtsgrundlagen
- § 33 Abs. 1 EStG
- § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG
Fundstelle
- EFG 1996, 1224-1225 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 1991
Der VIII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 25. Juni 1996,
an der mitgewirkt haben:
1.Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
2. Richter am Finanzgericht ...
3. Richterin am Finanzgericht ...
4. ehrenamtliche Richterin Kauffrau ...
5. ehrenamtliche Richterin Beamtin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Kläger abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die den als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG abzugsfähigen Teil übersteigenden Rufwendungen der Kläger für den Schulbesuch ihres Sohnes als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG zu berücksichtigen sind.
Die Kläger sind Eheleute und amerikanische Staatsbürger. Der Kläger ist von seinem Arbeitgeber, der Firma D., für einen Zeitraum von 2 Jahren nach Deutschland abgeordnet worden. Die Kläger haben daraufhin zusammen mit ihrem Sohn P. geboren am 29. Juni 1978 ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland begründet. Der Sohn besucht für die Dauer des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland die H. International School. Die Aufwendungen für den Besuch der H. International School in Höhe von 25.630 DM, die der Arbeitgeberübernahm und als Bestandteil des Arbeitslohns der Versteuerung unterworfen wurde, machten die Kläger in ihrer Steuererklärung als Sonderausgaben geltend.
Das beklagte Finanzamt - FA - berücksichtigte die Rufwendungen jedoch gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG nur in Höhe von 30 v.H. = 7.689 DM.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die vorliegende Klage. Die Kläger tragen vor, daß die den als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG abzugsfähigen Teilübersteigenden Rufwendungen als außergewöhnliche Belastung nach§ 33 Abs. 1 EStG zu berücksichtigen seien. Die Aufwendungen seien außergewöhnlich, weil die Abordnung und der Aufenthalt kurzfristig seien. Der Aufenthalt in der Bundesrepublik ziehe zwangsläufig die Rufwendungen für den Besuch der H. International School nach sich, weil sie sich aufgrund der in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Schulpflicht auch für ausländische Kinder, die sich vorübergehend im Inland aufhielten, nicht der Verpflichtung entziehen könnten, ihren Sohn auf eine Schule zu schicken. Durch die Tatsache, daß sie und das Kind nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügten, sei der Besuch einer Sonderschule notwendig, an der Englisch Unterrichtssprache sei. Hierfür käme nur die H. International School in H. in Betracht.
Die Kläger beantragen,
den während des Klageverfahrens geänderten und gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens gemachten Einkommensteuerbescheid für 1991 vom 06. April 1994 in der Weise abzuändern, daß die den als Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG abzugsfähigen Teil übersteigenden Rufwendungen in Höhe von 17.941 DM als außergewöhnliche Belastung im Sinne des§ 33 Abs. 1 EStG berücksichtigt werden.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verweist auf seinen Einspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, daß es sich bei den als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendungen für den Schulbesuch des Kindes dem Grunde nach um Ausbildungskosten im Sinne des § 33 a Abs. 2 EStG handele. Der Abzug dieser Aufwendungen als allgemeine außergewöhnliche Belastung sei gemäß § 33 a Abs. 5 EStG ausgeschlossen. Eine außergewöhnliche Belastung liege imübrigen nicht schon deshalb vor, weil das Kind nur Englisch spreche und die Schule Englisch als Grundsprache habe. Zwangsläufigkeit im Sinne des§ 33 Abs. 2 EStG setze voraus, daß sich die Kläger den Aufwendungen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen könnten. Diese Voraussetzungen Lägen nicht vor.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird ergänzend auf die im Einspruchs- und Klageverfahren gewechselten Schriftsätze sowie die Steuerakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt, wenn Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen erwachsen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung).
Nach dem BFH-Urteil vom 23. Februar 1968 VI R 236/67 (BStBl 1968, 374) sind Aufwendungen für den Unterhalt und die Ausbildung eines - wie im vorliegenden Streitfall - noch nicht 18 Jahre alten Kindes durch den Kinderfreibetrag des § 32 Abs. 2 Nr. 1 (heute § 32 Abs. 6) abgegolten und können nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung im Sinne von § 33 EStG führen. Eine außergewöhnliche Belastung ist danach auch nicht gegeben, wenn ein Ausländer, der sich im Inland aufhält, besondere Ausbildungskosten dadurch hat, daß er sein englisch sprechendes Kind auf eine Schule schickt, die Englisch als Grundsprache hat.
Der BFH hat dazu ausgeführt, daß durch Kinder allen Steuerpflichtigen notwendig Aufwendungen entstehen, insbesondere für den Unterhalt und die Ausbildung, und die Höhe dieser Aufwendungen naturgemäß durch das Alter des Kindes, seine Veranlagung und seine Begabung, aber auch durch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern mitbestimmt wird. Ferner hänge es weitgehend von der persönlichen Entscheidung der Eltern ab, welche Aufwendungen gemacht werden. Entschlössen sich die Eltern zu Aufwendungen, die zwar aus der Norm fielen, aber im Rahmen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse lägen, so sei es zwar fraglich, ob solche Aufwendungen als außergewöhnlich im Sinne von § 33 Abs. 1 EStG bezeichnet werden könnten. Diese Frage könne jedoch dahingestellt bleiben; denn auf jeden Fall würden nach der Systhematik des Gesetzes derartige Aufwendungen grundsätzlich durch den Kinderfreibetrag abgegolten.
Nun sind nach dem Kultur- und Stiftungsförderungsgesetz vom 13. Dezember 1990 (BStBl I 1991, S. 51) seit dem hier streitigen Veranlagungszeitraum 1991 nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 30 v. H. des Entgelts, das der Steuerpflichtige für ein Kind, für das er einen Kinderfreibetrag erhält, für den Besuch einer gemäß Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigten oder nach Landesrecht erlaubten Ersatzschule sowie einer nach Landesrecht anerkannten allgemeinbildenden Ergänzungsschule entrichtet, als Sonderausgaben abziehbar und können nach § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG, soweit sie über den begrenzten Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG hinausgehen, als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden.
Die Aufwendungen für den Schulbesuch eines noch nicht 18 Jahre alten Kindes sind daher ab dem Veranlagungszeitraum 1991 nicht mehr durch den Kinderfreibetrag des § 32 Abs. 6 EStG abgegolten und können zu einer außergewöhnlichen Belastung nach § 33 EStG führen.
Nach Auffassung des erkennenden Senats ist aber eine Berücksichtigung von Schulgeldzahlungen des Steuerpflichtigen als außergewöhnliche Belastung nur dann möglich, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
Rechtliche Gründe, die sich aus Gesetz (z.B. gesetzlicher Unterhaltspflicht), Verwaltungsakt oder Vertrag ergeben, sind nicht gegeben, Aufgrund der in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Schulpflicht auch für ausländische Kinder, die sich vorübergehend im Inland aufhalten, konnten sich die Kläger zwar nicht der Verpflichtung entziehen, ihren Sohn auf eine Schule zu schicken. Sie waren aber rechtlich nicht verpflichtet, ihren im streitigen Veranlagungszeitraum 13 Jahre alt gewordenen Sohn auf die H. International School zu schicken, sondern hätten ihn eine allgemeinbildende Schule besuchen lassen können, für die kein Schulgeld erhoben wird.
Sittliche Gründe sind ebenfalls nicht gegeben. Denn eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen setzt voraus, daß nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen ein Steuerpflichtiger sich zu der Leistung verpflichtet halten kann. Dabei reicht es aber nicht aus, daß die Leistung menschlich verständlich ist. Vielmehr muß die Sittenordnung das Handeln erfordern und damit einer Rechtspflicht gleichkommen oder ihr zumindest ähnlich sein (Schmidt-Drenseck, EStG-Kommentar, § 33 Anm. 25 m.w.N.). So war es bei einer Abordnung des Klägers nach Deutschland für zwei Jahre wohl verständlich, wenn die Kläger ihren Sohn, der wie sie selbst nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügte, zur H. International School schickten. Es bestand jedoch keine "sittliche Verpflichtung".
Schließlich liegen auch keine tatsächlichen Gründe im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 vor, d.h. unabwendbare Ereignisse wie z.B. Katastrophen, Krieg, Vertreibung, nicht selbst verschuldeter Unfall, Krankheit, Tod, Erpressung (Schmidt-Drenseck, a.a.O.,§ 33 Anm. 24).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Da das Interesse eines größeren Kreises von Steuerpflichtigen an der einheitlichen Handhabung und Entwicklung des Rechts berührt ist, hat der Senat die Revision zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.