Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.06.1996, Az.: IX 44/94

Aufwendungen für einen Supervisionskurs als Werbungskosten; Anwendbarkeit des Abzugsverbots des § 12 Nr. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG)

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
21.06.1996
Aktenzeichen
IX 44/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 16463
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:0621.IX44.94.0A

Fundstelle

  • EFG 1996, 1025 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Aufwendungen für Supervisionskurs als Werbungskosten

Einkommensteuer 1991

In dem Rechtsstreit
hat der IX. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 21. Juni 1996,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ...
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid 1991 vom 17. März 1993 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Januar 1894 wird geändert und die Einkommensteuer auf 20.384 DM festgesetzt.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu 75 v.H., die Kläger zu 25 v.H. zu tragen.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob Aufwendungen für bestimmte Fachbücher und für einen Supervisionskurs als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar sind.

2

Die Kläger sind Eheleute. Sie wurden im Streitjahr 1991 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Die Klägerin bezieht als Hauptschullehrerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

3

Bei der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung des Streitjahres kürzte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die Werbungskosten der Klägerin um die Aufwendungen für bestimmte Fachbücher und Zeitschriften, da die berufliche Veranlassung der Aufwendungen nicht erkennbar war. Die Kürzung betrug insgesamt 230,60 DM. Die betroffenen Bücher hat die Klägerin im Schriftsatz vom 30. Mai 1994 (Bl. 8/9 der FG-Akte) im einzelnen dargestellt.

4

Darüber hinaus erkannte das FA Aufwendungen in Höhe von 272 DM nicht als Werbungskosten an. Dabei handelte es sich um die Kursgebühr und Fahrtkosten für die Teilnahme an einer Supervision. Dazu legt die Klägerin eine Bescheinigung des Kursleiters vom 28. Dezember 1995 (Bl. 20/21 der FG-Akte) vor, in der ihr bescheinigt wird, daß sie von Januar 1991 bis Februar 1992 an einer Gruppen-Supervision teilgenommen hat. Die Gruppe habe aus vier Teilnehmerinnen bestanden. Der Supervisionsprozeß habe 15 Sitzungen zu jeweils 180 Minuten umfaßt.

5

Weiter führt der Kursleiter aus, Supervision stelle ein Beratungsarrangement für "einzelne, Gruppen oder Arbeitsteams zur Qualifizierung beruflichen Handelns dar". Gegenstand sei das berufliche Handeln der Supervisanden/innen. Ziel von Supervision sei die Erweiterung der Handlungskompetenz im Praxisfeld. Auf den weiteren Inhalt der Erklärung des Gruppenleiters wird Bezug genommen.

6

Neben der Klägerin hatten an dem Kurs zwei Pädagoginnen und eine Sozialwissenschaftlerin teilgenommen. Alle Teilnehmer seien aus der Kinder- und Jugend- sowie Erwachsenenbildung gekommen.

7

Des weiteren Legt die Klägerin ein Programm "Berufsbegleitung und Schulentwicklung" für das Jahr 1996 des Niedersächsischen Landesinstituts für Fortbildung und Weiterbildung im Schulwesen und Medienpädagogik vor, in dem Supervisionskurse für Lehrer im Rahmen der Fortbildung angeboten werden. Auf den Inhalt dieser Programmübersicht (Bl. 25 der FG-Akte) wird Bezug genommen.

8

Der gegen die Nichtanerkennung der Werbungskosten gerichtete Einspruch blieb erfolglos.

9

Dagegen richtet sich die Klage.

10

Die Klägerin trägt vor, daß im Gegensatz zu allgemeinen Supervisionsveranstaltungen, die ausschließlich der allgemeinen Persönlichkeitsfestigung dienten, bei der von ihr besuchten Veranstaltung ausschließlich eine berufliche Förderung im Vordergrund gestanden habe. Es seien konkrete Praxisprobleme behandelt worden. Sie sei 1991 zunächst als Diplom-Pädagogin in der Evangelischen Familienbildungsstätte und danach als Lehrerin in einer Haupt- und Grundschule eingesetzt gewesen. Dies habe die Notwendigkeit mit sich gebracht, sich durch Fachbücher zu informieren und weiterzubilden. Die aufgeführten Bücher seien in ihrem Unterricht verwendet worden.

11

Die Aufwendungen für den Supervisionskurs seien als Werbungskosten abziehbar. Sie habe bereits vor 1991 an einem Supervisionskurs teilgenommen. Ihr früherer Arbeitgeber, die Evangelische Familienbildungsstätte, habe die Kosten damals übernommen. Auch nach dem Arbeitgeberwechsel sei es notwendig gewesen, derartige Veranstaltungen weiterhin zu besuchen. Nur habe ihr neuer Arbeitgeber die Kosten dafür nicht getragen. In der Supervision würden konkrete Praxisprobleme der Teilnehmer/innen daraufhin untersucht, in welcher Weise ihr eigenes Verhalten, ihre Ansprüche, Kenntnisse und Erwartungen zusammenspielten mit den Gegebenheiten der Arbeit und damit Teil oder Ursache des beruflichen Problems sein. Ideen für neue Handlungsmöglichkeiten seien erörtert und im Rollenspiel probiert worden, um berufliches Selbst- und Fremdverständnis in dem eigenen Arbeitsfeld weiterzuentwickeln. Nach ihrem Arbeitsplatzwechsel seien Ziele der Vorschularbeit, Elternarbeit in der Vorschule, kollegiale Zusammenarbeit in der Vor- und Hauptschule sowie Disziplinkonflikte in der Hauptschule ihre beruflichen Schwerpunkte gewesen.

12

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 1991 vom 17. März 1993 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Januar 1994 zu ändern und die Einkommensteuer unter Abzug weiterer Werbungskosten von 503 DM niedriger festzusetzen.

13

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

14

Die Klägerin habe die berufliche Veranlagung des Supervisionskurses nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Supervisionen hätten grundsätzlich keinen feststehenden Inhalt. Sie würden zwar oft als berufsbegleitende Veranstaltungen abgehalten, jedoch könne der Inhalt der Veranstaltung so stark auf die Einzelbedürfnisse der Teilnehmer zugeschnitten sein, daß die Persönlichkeitsbildung zumindest gleichwertig neben die Berufsfortbildung trete. Die Klägerin habe zwar dargelegt, daß "konkrete Praxisprobleme" besprochen worden seien, jedoch keine über die üblichen Aufgabenstellungen eines Pädagogen hinausgehenden Probleme angesprochen bzw. ein Bezug zu ihrer eigenen Arbeit hergestellt. Zudem habe die Klägerin im Streitjahr den Arbeitgeber gewechselt, weshalb ein Bezug des Supervisionskurses zu einem der beiden Arbeitsverhältnisse nicht erkennbar sei. Zu beachten sei, daß die Durchführung eines entsprechenden Kurses hinsichtlich des aufgelösten Arbeitsverhältnisses begrifflich nicht zu Werbungskosten führen könne, da der Kurs nicht dem Erhalt oder Sicherung dieser Einnahmen gedient haben könne. Auch im Hinblick auf das neue Arbeitsverhältnis sei ein konkreter Anlaß für die Durchführung der Supervision nicht genannt.

Entscheidungsgründe

15

Die Klage ist teilweise begründet.

16

Der angefochtene Steuerbescheid ist insoweit rechtswidrig, als das FA bestimmte Aufwendungen für Fachliteratur und die Kosten des Supervisionskurses nicht als Werbungskosten abgezogen hat.

17

Der Klägerin steht ein weiterer Werbungskostenabzug von 424 DM zu.

18

Nach der Anlage zum Steuerbescheid 1991 hat das FA neben Beträgen aus Quittungen, die lediglich auf Fachbücher ausgestellt waren, auch Aufwendungen für Zeitschriften (29 DM) und Quittungen des Salzmann Pressezentrums über 39,80 DM und 9,80 DM unberücksichtigt gelassen. Da die Klägerin dazu keine weitere Erklärungen abgegeben hat und der Senat davon ausgeht, daß die im Schriftsatz vom Mai 1994 (Bl. 8 FG-Akte) aufgeführten Fachbücher im Pressezentrum nicht zu erwerben sind, konnten diese Beträge (insgesamt 78,60 DM) nicht abgezogen werden. Danach verbleibt im Rahmen der Fachbücher ein Abzug von 152 DM, da die Klägerin durch ihre Erläuterungen und die Bezeichnung der Buchtitel ausreichend glaubhaft gemacht hat, daß die Aufwendungen beruflich veranlaßt waren.

19

Auch die Aufwendungen für den Supervisionskurs und die Fahrtkosten (272 DM) sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) als Werbungskosten abziehbar. Die Klägerin hat zur Überzeugung des Senats glaubhaft gemacht, daß der Supervisionskurs nahezu ausschließlich beruflich veranlaßt war, weil die bei der Durchführung des Kurses gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse eine wesentliche Hilfestellung bei der Bewältigung der allgemein bekannten pädagogischen Probleme gerade im Grund- und Hauptschulbereich sein konnten. Zwar hat die Klägerin bereits vor ihrem Wechsel in diesen Bereich mit der Supervision begonnen, doch kann dies nicht gegen die berufliche Veranlassung sprechen.

20

Nach den schriftlichen Äußerungen des Kursleiters enthält die Supervision ein Beratungsarrangement zur Qualifizierung des beruflichen Handelns mit dem Ziel, in der praktischen Berufsausübung mehr Handlungskompetenz zu erlangen. Die damit einhergehende, nicht von der beruflichen Fortbildung zu trennende Festigung der eigenen Persönlichkeit führt nicht automatisch dazu, die Aufwendungen als sog. gemischte Aufwendungen dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zu unterwerfen. Das Abzugsverbot kann erst dann eingreifen, wenn die Supervision erkennbar in erster Linie darauf abgestellt ist, Handlungs- und Kommunikationskompetenzen aufzubauen, die den Privatbereich des Supervisanden betreffen (vgl. dazu Hess. FG, Urteil vom 27. November 1986 13 K 264 a/84, EFG 1987, 551). Eine solche Zielsetzung ist nach dem Vortrag der Klägerin und den Erläuterungen des Supervisors nicht festzustellen. Für die nahezu berufliche Veranlassung spricht auch der Teilnehmerkreis der Veranstaltung. Am Kurs der Klägerin hatten zwei weitere Pädagoginnen und eine Sozialwissenschaftlerin teilgenommen. Das zeigt, daß der Kurs auf bestimmte, eingrenzbare berufliche Bedürfnisse und Probleme einer Berufsgruppe zugeschnitten war. Diese Gruppe darf nicht als "Lehrer" schlechthin definiert werden, sondern muß "als Dienstleistende in sozialen Berufen" gefaßt werden, zu denen alle Teilnehmerinnen gehörten.

21

Bei dieser Betrachtung darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß zwischenzeitlich auch der Dienstherr der Klägerin - wie sich aus dem vorgelegten Fortbildungsprogramm 1996 ergibt - Supervisionskurse im Rahmen der Lehrerfortbildung anbietet. Daß die Notwendigkeit eines solchen sozialen und pädagogischen Trainings im Streitjahr 1991 mit der entsprechenden Kostenübernahme durch den Dienstherrn möglicherweise noch nicht allgemein erkannt worden war, kann der Klägerin nicht entgegen gehalten werden.

22

Der angefochtene Steuerbescheid 1991 ist wie folgt zu ändern:

23

Der Senat konnte nach § 94 a der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da der Streitwert der Klage 1.000 DM nicht übersteigt.

24

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO, da die Klägerin nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

25

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozeßordnung.