Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.06.1996, Az.: XIV 99/89

Übergang der Klagebefugnis nach Beendigung einer KG (Kommanditgesellschaft); Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten; Ausschüttung sechs Monate nach Zahlung eines Aufgeldes für eine Kapitalerhöhung; Bestehen nichtsteuerlicher Gründe; Aufgabe von Investitionsvorhaben; Versteuerung von Gewinnanteilen; Vergleichbarkeit einer Ausschüttung mit einer Kapitalrückzahlung nach Kapitalherabsetzung; Berücksichtigung des Buchwertes der Beteiligung; Zeitpunkt der Aktivierung von Gewinnausschüttungsansprüchen; Fassung des Gewinnverteilungsbeschlusses

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
13.06.1996
Aktenzeichen
XIV 99/89
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 18719
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:0613.XIV99.89.0A

Fundstellen

  • DStRE 1997, 549-551 (Volltext mit amtl. LS)
  • GmbH-StB 1997, 131 (Volltext mit amtl. LS)
  • GmbHR 1997, 668 (amtl. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Ausschüttungen aus dem EK 04, die den Buchwert der Beteiligung der Gesellschafter übersteigen, sind steuerpflichtige Einnahmen

Feststellung 1984

In dem Rechtsstreit
hat der XIV. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 13. Juni 1996,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richterin am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtliche Richterin ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des Feststellungsbescheides 1984 vom 06.10.1987 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 25.10.1989 wird der Gewinn wie folgt herabgesetzt:

Gesamtgewinn:221.716,00 DM
Anteil des Klägers:218.386,00 DM
Sonderbilanzgewinn des Klägers:250.200,00 DM.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 68 %, der Beklagte zu 32 %.

Das Urteil ist in Höhe des Kostenerstattungsanspruches vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob dem Kläger ein Sonderbilanzgewinn zuzurechnen ist.

2

Der Kläger war im Streitjahr einziger Kommanditist der Firma W GmbH & Co KG (KG). An der Komplementär-GmbH war er zu 100 % beteiligt.

3

Im Verlauf des Klageverfahrens, mit Vertrag vom 19.11.1994, ist der Kläger aus der KG ausgeschieden und hat die Anteile an der Komplementär-GmbH veräußert. Das Unternehmen wird seitdem von der Firma F. H. W GmbH fortgeführt.

4

Mit Wirkung zum 01.01.1984 übertrug die KG ihr Betriebsvermögen mit Ausnahme des zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörenden Betriebsgrundstückes auf die mit Vertrag vom 20.12.1983 neugegründete Firma Hartschaum-Werk W GmbH (GmbH). Die GmbH führte die Produktion und den Vertrieb von Blumensteckschaum ab 01.01.1984 im Rahmen einer Betriebsaufspaltung als Betriebsunternehmen fort. Die KG beschränkte sich als Besitzunternehmen auf die Vermietung des Betriebsgrundstückes an die GmbH.

5

Das Stammkapital der neugegründeten GmbH wurde mit 120.000,00 DM festgelegt und vom Kläger durch Sacheinlagen erbracht (Sachgründung). Aufgrund der steuerlich vorliegenden Betriebsaufspaltung stellen die Anteile des Klägers an der GmbH notwendiges (Sonder-) Betriebsvermögen der KG dar.

6

Zu Geschäftsführern bestellte die GmbH mit Wirkung zum 01.01.1984 den Kläger als Alleingesellschafter und Herrn P (P.).

7

Im Rahmen einer Außenprüfung bei der KG für die Jahre 1982 bis 1984 traf der Prüfer folgende Feststellungen:

8

P. leistete am 03.01.1984 eine Scheckzahlung i.H.v. 450.000,00 DM an die GmbH. Die GmbH behandelte diese Zahlungen als zinsloses Darlehen. Mit Beschluß vom 06.07.1984 erhöhte die GmbH das Stammkapital von 120.000,00 DM um 80.000,00 DM auf 200.000,00 DM. Die Stammeinlage von 80.000,00 DM übernahm der Geschäftsführer P., Hierfür hatte er als Entgelt einen Betrag von 697.000,00 DM zu zahlen, wovon lt. Vertrag 80.000,00 DM auf die Stammeinlage und 617.000,00 DM auf die gesamthänderisch gebundene freie Rücklage entfielen.

9

Unter Anrechnung des Betrages von 450.000,00 DM zahlte der Neugesellschafter P. den Restbetrag von 247.000,00 DM am 07.08.1984 an die GmbH. Die GmbH buchte die Aufgeldzahlung gewinneutral als "Rücklage aus Aufgeld".

10

Am 17. Oktober 1984 entnahm der Kläger vom betrieblichen Bankkonto der KG per Scheck 247.000,00 DM, die an P. ausgezahlt wurden.

11

Am 1. Januar 1985 beschlossen die beiden Gesellschafter der GmbH, die freie Rücklage aufzulösen und an die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Kapitalbeteiligung auszuzahlen. Am 2. Januar 1985 erhielt der Kläger per Überweisung auf das betriebliche Bankkonto der KG 370.200,00 DM. Zugunsten des P. wurde ein Scheck über 246.800,00 DM ausgestellt, den der Kläger auf sein privates Konto bei der Dresdner Bank einzahlte. Er verrechnete die Aufgeldrückzahlung an P. mit der Zahlung vom 17.10.1984.

12

Die KG hatte aus diesen Vorgängen keine steuerlichen Konsequenzen gezogen. Der Betriebsprüfer wertete diese Vertragsgestaltung als Mißbrauch i.S.d. § 42 Abgabenordnung (AO). Er beurteilte die Gestaltung als entgeltliche Anteilsveräußerung zugunsten des Klägers. Im einzelnen wird auf den Aktenvermerk vom 20. März 1986 Bezug genommen (Bl. 17-23 FG-Akte). Den auf den Kläger entfallenden Anteil der Rücklage aus dem Aufgeld i.H.v. 370.200,00 DM erfaßte der Prüfer als laufenden Gewinn bei der KG (Sonderbilanz des Klägers). Das Finanzamt schloß sich dieser Auffassung an und erließ einen entsprechend geänderten Feststellungsbescheid.

13

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs trug der Kläger im wesentlichen vor, die Kapitalerhöhung sei durch die Marktentwicklung im Herbst 1983 notwendig geworden und nur rein zufällig zeitparallel mit der Umwandlung der Unternehmensform geschehen. Die GmbH sei gezwungen gewesen, sich auf eine neue Konkurrenzsituation einzustellen, die durch einen Wettbewerber mit der Einführung einer neuen Produktionsweise im Herbst 1983 am Markt geschaffen worden sei. Man habe daraufhin Ende 1983 den Plan gefaßt, die neue Produktionsmethode anzuwenden. Dies habe eine neue Anlage erfordert mit einem Finanzierungsbedarf zwischen 500.000 und 650.000 DM. Man habe zunächst Anfang 1984 eine kleinere Versuchsanlage angeschafft, getestet und entsprechende Produkte auf den Markt gebracht. Einen Teil der voraussichtlich benötigten Geldmittel habe P. bereits im Januar 1984 zur Verfügung gestellt. Die Kapitalerhöhung und Aufnahme des neuen Gesellschafters seien die bessere Alternative als die Fremdfinanzierung durch Bankkredite gewesen. Nach einem Jahr habe sich herausgestellt, daß die Konkurrenz den falschen Weg gegangen sei. Die GmbH habe hieraus die Konsequenz gezogen und beschlossen, nicht in die neue Art der Produktion zu investieren. Deshalb habe man die investitionsgebundene Kapitalerhöhung auslaufen lassen. Wegen der weitergehenden Einspruchsbegründung wird auf die Schriftsätze des Klägervertreters vom 04.08.1989 und 17.03.1988 Bezug genommen.

14

Der Einspruch blieb erfolglos. Der vom Kläger angeführte Grund für die Aufnahme des Neugesellschafters in Verbindung mit der Kapitalerhöhung und Aufgeldzahlung, die Kapitalvorsorge, sei nicht überzeugend. Objektiv betrachtet stelle sich der Vorgang als verdeckte Anteilsveräußerung dar. Allein der zeitliche Ablauf spreche dafür, daß von Anfang an die Beteiligung eines neuen Gesellschafters beabsichtigt gewesen sei. Es sei nicht ersichtlich, warum der neue Geschäftsführer P. bereits am 03.01.1984 ein Kapital von 450.000,00 DM zinslos zur Verfügung stelle, wenn er nicht die Absicht gehabt hätte, als neuer Anteilseigner an der GmbH beteiligt zu werden, zumal tatsächlich finanzieller Aufwand für die beabsichtigte Investition erst im Mai 1984 entstanden sei. Letztlich habe sich der am 03.01.1984 gezahlte Betrag auch als die von P. zu zahlende Einlage entpuppt. Für die Scheckzahlung vom 17.10.1984 vom betrieblichen Konto der KG an P. gebe es keine wirtschaftliche Rechtfertigung. Die kurzfristige Überlassung des Aufgeldes an die GmbH könne nur eine Alibifunktion für die rechtliche Gestaltung des Veräußerungsvorganges als gesellschaftsrechtliche Kapitalzuführung haben. Denn der Kläger sei davon ausgegangen, daß die Auszahlung des Aufgeldes als Ausschüttung aus dem Eigenkapital i.S.v. § 30 Abs. 2 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (EK 04) steuerfrei bleibe. Eine Erfassung im Streitjahr 1984 sei im Hinblick auf das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 03.12.1980 (BStBl II 1981, 184) zutreffend.

15

Mit der hiergegen ursprünglich von der KG mit Schriftsatz vom 01.12.1989 erhobenen Klage wendet der Kläger sich gegen die Anwendung des § 42 AO. Er verweist in diesem Zusammenhang auf diverse Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofes. Im einzelnen wird insoweit auf den Schriftsatz vom 12. Februar 1990 Bezug genommen (Bl. 25-32 FG-Akte). Eine Steuerumgehung sei bereits deshalb nicht gegeben, weil beachtliche nicht steuerliche Gründe die Ausschüttung veranlaßt hätten. Sie sei nicht durch die Einlage veranlaßt, sondern durch neue wirtschaftliche Umstände und Erkenntnisse nach der Kapitalerhöhung. Eine fundierte Unternehmens- und Investitionsplanung sei aufgrund neuer Tatsachen und Erkenntnisse revidiert worden.

16

Gesprächs- und Entwicklungspartner für die geplante Neuanlage sei die Firma E gewesen. Das Projekt sei mündlich erörtert worden. Der Finanzbedarf für die geplante Neuanlage sei unternehmerisch geschätzt worden. Die Zahlung von 247.000,00 DM im Oktober 1984 an P. habe mit dem Schicksal der geplanten Investition zusammengehangen. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei klar gewesen, daß die neue Anlage nicht mehr benötigt werde.

17

Zum Nachweis der im Jahr 1984 angeschafften Versuchsanlage legte der Kläger Auftragsbestätigungen vom 10.05. und 21.05.1984, sowie Rechnungen vom 06.07., 25.05., 16.08. und 17.08.1984 vor (Bl. 79-84 FG-Akte).

18

Schließlich sei der Feststellungsbescheid auch deshalb abzuändern, weil die Rücklagenausschüttung erst im Jahr 1985 beschlossen worden sei.

19

Wegen des weitergehenden Klägervorbringens wird auf den Schriftsatz vom 10.06.1996 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.06.1996 Bezug genommen.

20

Der Kläger beantragt,

den Feststellungsbescheid 1984 vom 06.10.1987 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 25.10.1989 zu ändern, indem der Gewinn anderweitig auf minus 31.814,00 DM festgestellt wird.

21

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

22

Er bleibt bei seiner Rechtsauffassung und trägt ergänzend vor: Auch die nunmehr vorgelegten Unterlagen belegten nicht das Argument des Klägers, es habe Kapitalvorsorge getroffen werden müssen. Aus den Schriftstücken gehe nicht hervor, daß die geplante Neuanlage einerseits und die Kapitalerhöhung andererseits in irgendeinem Zusammenhang stünden. Es sei nicht erläutert worden, auf welcher Grundlage der Betrag von 697.000,00 DM ermittelt worden sei noch seien Angaben über die Ermittlung des Finanzierungsbedarfes der neuen Produktionsanlage gemacht worden. Außerdem habe der Kläger keine einsichtige Begründung für die Zahlung von 450.000,00 DM von P. im Januar 1984 und für die Aushändigung des Schecks über 247.000,00 DM an P. am 17.10.1984 vorgetragen. Offenbar sei der Finanzierungsbedarf nicht so dringend gewesen, daß eine Kapitalzuführung bereits am 02.01.1984 gleichzeitig mit der Aufnahme der Geschäfte durch die GmbH habe erfolgen müssen, denn die Versuchsanlage sei erst im Mai 1984 in Auftrag gegeben worden. Nach den eingereichten Unterlagen sei die Montage der Versuchsanlage frühstens Mitte August 1984 abgeschlossen worden. Deshalb sei fraglich, ob überhaupt bis zum Zeitpunkt der Scheckauszahlung am 17.10.1984 als Ursache hierfür hinreichende Erkenntnisse über das neue Produkt vorgelegen haben können.

23

Das Finanzamt verweist darüber hinaus auf die BFH-Urteile vom 13.10.1992 (BStBl II 1993, 477) und vom 05.02.1992 (BStBl II 1993, 266).

Entscheidungsgründe

24

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im übrigen ist sie unbegründet.

25

I.

Nachdem die KG im Verlauf des Klageverfahrens durch Ausscheiden des Klägers als Kommanditist und Übertragung des Vermögens der KG auf die Komplementär-GmbH vollbeendet worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 19.05.1983, IV R 125/82, BStBl 1984, 15), ist ihre Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. (vgl. jetzt § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO n.F.) erloschen. Die Klagebefugnis ist nicht auf die F. H. Waldmann GmbH als Rechtsnachfolgerin der KG übergegangen. Vielmehr gehen im Prozeß gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid Beteiligtenstellung und Prozeßführungsbefugnis nach Vollbeendigung der Personengesellschaft uneingeschränkt auf die durch den angefochtenen Bescheid beschwerten Feststellungsbeteiligten über (vgl. BFH-Beschluß vom 16.01.1996 VIII B 128/95, Der Betrieb 1996, 661 m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist streitig, ob dem Kläger eine Sonderbetriebseinnahme zuzurechnen ist. Von der Entscheidung über diese Frage ist allein der Kläger betroffen, so daß die Prozeßführungsbefugnis nunmehr ihm zusteht.

26

II.

Der Senat vermochte sich der Rechtsauffassung des Beklagten, es liege ein Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO vor, soweit dem Kläger von dem eingezahlten Aufgeld ein Betrag von 370.200,00 DM wieder ausgezahlt worden ist, nicht anzuschließen.

27

a)

Ein Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nicht steuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 14. Mai 1992 V R 56/89, BStBl II 1992, 859; vom 05.05.1992 IX R 281/87, BFH/NV 1992, 661; vom 13.10.1992 VIII R 3/89, BStBl II 1993, 477). Eine Vertragsgestaltung ist indes nicht schon deshalb als rechtsmißbräuchlich anzusehen, weil die Vertragsbeteiligten mit ihr den Zweck verfolgen, für sie günstige steuerliche Vorschriften zum Zuge kommen zu lassen. Das Motiv der Ersparnis von Steuern macht die Gestaltung nicht unangemessen (vgl. Beschluß des Großen Senates des BFH vom 29.11.1982 GrS 1/81, BStBl II 1983, 272).

28

2.

Nach diesen Maßstäben war die rd. ein halbes Jahres nach Einzahlung des Aufgeldes vorgenommene Ausschüttung i.H.v. 370.200,00 DM an den Kläger nicht unangemessen i.S.d. § 42 AO.

29

Der Kläger hat den Senat davon überzeugt, daß für die Ein- und Auszahlung des streitigen Betrages hinreichende nichtsteuerliche Gründe gegeben waren. Er hat in der mündlichen Verhandlung im Rahmen seiner persönlichen Anhörung glaubhaft dargetan, daß die Kapitalerhöhung und die damit verbundene Zahlung des Aufgeldes durch den Ende 1983 gefaßten Plan zur Einführung einer neuen Produktionsmethode notwendig geworden waren und der Entschluß zur Ausschüttung der Rücklage erst gefaßt worden ist, nachdem sich das Investitionsvorhaben als Fehlmaßnahme herausgestellt und damit die investitionsgebundene Kapitalerhöhung nicht mehr erforderlich gewesen ist. Anhand der vorgelegten Auftragsbestätigungen und Rechnungen hat der Kläger nachgewiesen, daß die Versuchsanlage bereits Anfang Juli 1984 (27. Kalenderwoche) installiert worden und mit der Herstellung des neuen Produktes begonnen worden ist. Daß nach ca. drei Monaten bereits hinreichend Erkenntnisse über das neue Produkt vorhanden waren, erscheint dem Senat plausibel, zumal dieses Produkt nicht nur von der KG, sondern schon seit längerer Zeit von einem Konkurrenzunternehmen hergestellt und vertrieben worden ist, über dessen Marktsituation der Kläger informiert war. Damit erklärt sich auch die Zahlung des Betrages von 247.000,00 DM an P. im Oktober 1984. Denn nach den glaubhaften Schilderungen des Klägers stand bereits zu diesem Zeitpunkt fest, daß das für die Neuinvestition eingeplante Kapital nicht mehr benötigt wurde. Da P. das gezahlte Aufgeld fremdfinanziert hatte, ist es nachvollziehbar, daß der Kläger seinem Mitgesellschafter bereits zu diesem Zeitpunkt den anteilig auf diesen entfallenden Ausschüttungsbetrag zurückgezahlt hat, damit dieser seine Zinsbelastungen hat reduzieren können.

30

Anders als in dem vom Bundesfinanzhof mit Urteil vom 13.10.1992 (VIII R 3/89, BStBl II 1993, 477) entschiedenen Fall liegen im Streitfall damit zur Überzeugung des Senates wirtschaftliche Gründe für die Ausschüttung des Betrages von 370.200,00 DM an den Kläger am 2. Januar 1985 vor. Die Vermutung des Finanzamtes, die Überlassung des Aufgeldes an die GmbH habe nur eine "Alibifunktion" gehabt, vermag der Senat danach nicht zu teilen. Da der Kläger für die gewählte Gestaltung eine plausible Erklärung hat geben können, ist für die Anwendung des § 42 AO kein Raum.

31

III.

Die Nichtanwendung des § 42 AO führt allerdings entgegen der Auffassung des Klägers nicht zur völligen Steuerfreiheit des an ihn von der GmbH ausgezahlten Betrages von 370.200,00 DM.

32

1.

Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 letzter Satz Einkommensteuergesetz (EStG) gehören u.a. Gewinnanteile nicht zu den Einnahmen i.S.d. Satzes 1, soweit sie aus Ausschüttungen einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft stammen, für die Eigenkapital i.S.d. § 30 Abs. 2 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes als verwendet gilt (kurz: aus dem EK 04 stammende Gewinnanteile). Die Regelung gilt zwar unmittelbar nur für den Bereich der "Einkünfte aus Kapitalvermögen". Sie ist jedoch auf Gewinnanteile nach Art des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG entsprechend anzuwenden, die aus einer zu einem Betriebsvermögen gehörenden Beteiligung erzielt werden (BFH-Urteil vom 07.11.1990 I R 68/88, BStBl II 1991, 177).

33

Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 07.11.1990 (a.a.O.) entschieden, die Rechtsfolge des § 20 Abs. 1 Nr. 1 letzter Satz EStG bestehe darin, daß der aus dem EK 04 stammende Gewinnanteil beim Anteilseigner als eine nicht steuerbare Einnahme zu behandeln sei; die Vorschrift begründe keine Steuerfreiheit von Einkünften. Vollzogen wird § 20 Abs. 1 Nr. 1 letzter Satz EStG bei den nach den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleiches zu ermittelnden Gewinneinkünften dadurch, daß der aus den EK 04 stammende Gewinnanteil den Buchwert der Beteiligung mindert (vgl. BFH-Urteile vom 07.11.1990 a.a.O.; vom 19.07.1994 VIII R 58/92, BStBl II 1995, 362 (367); vom 16.03.1994 I R 70/92, BStBl II 1994, 528; Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Kommentar zum KStG und zu den einkommensteuerlichen Vorschriften des Anrechnungsverfahrens Band III, Rdz. 74 ff.).

34

Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an und verweist auf die ausführliche Begründung des Bundesfinanzhofes in seinem o.g. Urteil vom 07.11.1990.

35

2.

Der Bundesfinanzhof hat sich in den zitierten Urteilen nicht dazu geäußert, wie bei Anteilen im Betriebsvermögen eine über den Buchwert der Beteiligung hinausgehende EK 04-Ausschüttung steuerlich zu behandeln ist.

36

Allerdings hat er in seinem Urteil vom 14.10.1992 (I R 1/91, BStBl II 1993, 189) für eine Kapitalrückzahlung nach Kapitalherabsetzung die Auffassung vertreten, daß der den Buchwert der Beteiligung übersteigende Rückzahlungsbetrag als Betriebseinnahme anzusetzen sei (so auch BMF vom 09.01.1987 IV B 2 S 2143 - 24/86, BStBl I 1987, 171; Dötsch, a.a.O.). Er hat damit die Möglichkeit negativer Anschaffungskosten und damit die Bildung eines passiven Ausgleichspostens inzidenter abgelehnt.

37

Der Senat hält mit dem Bundesfinanzhof (vgl. Urteil vom 16.4.1994 I R 70/92, BStBl II 1994, 528) eine Ausschüttung aus dem EK 04 mit einer Kapitalrückzahlung nach Kapitalherabsetzung für vergleichbar. Damit führt die über den Buchwert der Beteiligung hinausgehende Ausschüttung aus dem EK 04 zu einem Gewinn in dieser Höhe (ebenso: Dötsch, a.a.O., Rdz. 78). Diese Einschätzung entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 20 Abs. 1 Nr. 1 letzter Satz EStG, wonach Rückzahlungen von Gesellschaftereinlagen mit der Rückzahlung von gezeichnetem Kapital steuerlich gleich behandelt werden sollen (vgl. Wassermeyer in Kirchhoff/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 20 C 101).

38

3.

In Anwendung dieser Grundsätze ist der Sonderbilanzgewinn des Klägers wie folgt zu ermitteln:

Ausschüttungsbetrag370.200,00 DM
./. Buchwert der Beteiligung120.000,00 DM
laufender Gewinn:250.200,00 DM.
39

IV.

Dieser Gewinn ist im Streitjahr 1984 zu erfassen.

40

1.

Ansprüche auf Gewinne (Dividenden) aus Beteiligungen sind im allgemeinen erst dann zu aktivieren, wenn ein Gewinnverwendungsbeschluß der Kapitalgesellschaft vorliegt und hierdurch ein verfügbarer Rechtsanspruch auf einen Gewinnanteil in bestimmter Höhe endgültig begründet ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 02.04.1980 I R 75/76, BStBl 1980, 702; vom 21.05.1986 I R 199/84, BStBl II 1986, 794).

41

2.

Allerdings hat der X. Senat des Bundesfinanzhofes in seinem Urteil vom 08.03.1989 (X R 9/86, BStBl II 1989, 714, m.w.N.) hiervon eine Ausnahme für den Fall einer gewerblichen Mehrheitsbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft gemacht. Er hat die Ansicht vertreten, daß Gewinnausschüttungsansprüche eines Mehrheitsgesellschafters unter bestimmten Voraussetzungen bereits vor Fassung des Gewinnverteilungsbeschlusses als selbständiges Wirtschaftsgut entstehen und zu aktivieren sind. Dies ist der Fall, wenn der Mehrheitsgesellschafter der Kapitalgesellschaft kraft seiner beherrschenden Stellung es weitgehend in der Hand hat, zu bestimmen, daß der Gewinn ganz oder teilweise an ihn ausgeschüttet wird. Der Gewinnverwendungsbeschluß verdeutlicht im Regelfall die schon am Bilanzstichtag bestehende Absicht des Mehrheitsgesellschafters, sich Gewinne der Gesellschaft durch Ausschüttung zuzuführen.

42

3.

Nach diesen Grundsätzen mußte der Ausschüttungsanspruch des Klägers in Höhe des den Buchwert der Beteiligung übersteigenden Betrages im Streitjahr gewinnerhöhend aktiviert werden. Denn der Kläger war aufgrund seiner 60%igen Beteiligung beherrschender Gesellschafter der GmbH. Er hatte es damit in der Hand, die geplante Ausschüttung durchzusetzen. Der einen Tag nach dem Bilanzstichtag gefaßte Beschluß verdeutlicht nur die zuvor bereits bestehende Absicht des Klägers, sich aus dem EK 04 Ausschüttungen zuzuführen. Wirtschaftlich war der Ausschüttungsanspruch damit bereits am Bilanzstichtag vorhanden. Die innere Einstellung des Klägers zur Ausschüttung und ihre Höhe sind durch den Beschluß in einer objektiv nachprüfbaren Weise erhellt worden.

43

V.

Für das Streitjahr ergibt sich folgende Gewinnfeststellung und Gewinnverteilung:

Gewinn bisher:341.716,- DM
Kürzung des Sonderbilanzgewinns:./. 120.000,- DM
Gewinn neu:221.716,- DM
Gewinnanteil des Klägers bisher:338.386,- DM
Kürzung des Sonderbilanzgewinns:./. 120.000,- DM
Gewinnanteil des Klägers neu:218.386,- DM
Sonderbilanzgewinn des Klägers:250.200,- DM
44

Die übrigen Feststellungen im Bescheid vom 06.10.1987 bleiben unverändert.

45

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. § 708 Abs. 10, 711 ZPO.

46

Einer Entscheidung über die Kosten des Beigeladenen bedurfte es nicht. Da nicht mehr die KG, sondern der durch den Feststellungsbescheid beschwerte Beteiligte an der KG, mithin der Beigeladene, selbst Kläger ist, geht der Beiladungsbeschluß ins Leere.

47

VII.

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.