Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 15.03.2004, Az.: 1 A 329/03

amtsangemessene Alimentation; Prozesszinsen; Zinsen

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
15.03.2004
Aktenzeichen
1 A 329/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50529
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB gilt nicht nur für Verzugszinsen, sondern auch für Prozesszinsen.

2. Für die Berechnung des anzuwendenden Zinsfußes und damit der Höhe der Prozesszinsen i. S. d. §§ 291 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (4 v. H. gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. oder 5 v. H. über dem Basiszinssatz gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB n. F.) ist deshalb nicht der Zeitpunkt der Fälligkeit der Hauptforderung, sondern der Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit i. S. d. § 90 VwGO maßgeblich.

3. In den Fällen, in denen vor dem gemäß Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB maßgeblichen Stichtag des 1. Mai 2000 Klage erhoben worden ist, können mithin Prozesszinsen nur nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. auf der Grundlage eines Zinsfußes in Höhe von 4. v. H. gefordert werden.

Tatbestand:

1

Der Kläger, der anfangs einen Anspruch auf höhere Alimentation geltend gemacht hat, begehrt nunmehr noch die Zahlung zusätzlicher Prozesszinsen in Höhe von 1.249,05 EUR auf der Basis eines Zinsfußes von 5. v. H. über dem Basiszinssatz.

2

Er stand bis 1999 als Beamter im niedersächsischen Landesdienst und ist Vater von vier Kindern, für die er u. a. von Januar 1990 bis Januar 1997 Kindergeld bezog. Mit Schreiben vom 24. Dezember 1990 beantragte er bei der seinerzeit zuständigen Bezirksregierung Lüneburg einen höheren kinderbezogenen Gehaltsbestandteil im Ortszuschlag. Diesen Antrag lehnte das nunmehr zuständige beklagte Landesamt mit Bescheid vom 30. Juni 1998 ab, weil der Gesetzgeber für die hier in Rede stehende Zeit noch keine gesetzliche Regelung getroffen habe, die für die Zahlung eines höheren Ortszuschlages aber erforderlich sei.

3

Hiergegen erhob der Kläger nach erfolglosem Widerspruchsverfahren am 5. Oktober 1998 Klage, die zunächst unter dem Aktenzeichen 1 A 109/98 geführt, im Hinblick auf das zu erwartende erforderliche Gesetz mit Beschluss vom 16. Juni 1999 zum Ruhen gebracht, nach (am 25. November 1999 erfolgtem) Inkrafttreten des Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes 1999 (BBVAnpG 99) vom 19. November 1999 mit Beschluss vom 19. Dezember 2000 wieder aufgenommen und unter dem Aktenzeichen 1 A 413/00 zunächst fortgeführt, im Hinblick auf beim Bundesverwaltungsgericht anhängige Revisionsverfahren aber mit Beschluss vom 22. Februar 2001 wiederum ausgesetzt wurde.

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Nachdem das Bundesverwaltungsgericht in den genannten Revisionsverfahren u. a. mit Urteil vom 28. Juni 2001 (- 2 C 48/00 -, NVwZ 2002, 97) im Hinblick auf Art. 9 § 1 BBVAnpG 99 klargestellt hatte, dass die dort genannten Voraussetzungen schon dann erfüllt seien, wenn der Beamte zum Ausdruck gebracht habe, dass er die ihm gewährte Besoldung im Hinblick auf ihren zu niedrig bemessenen kinderbezogenen Anteil für rechtswidrig halte, gewährte das beklagte Landesamt dem Kläger mit Bescheid vom 7. November 2001 unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 26. August 1998 für den streitgegenständlichen Zeitraum eine Nachzahlung in Höhe von 31.743,60 DM (entspricht 16.230,24 EUR) sowie gemäß §§ 288, 291 BGB in der bis zum 30. April 2000 geltenden Fassung (BGB a. F.) auf der Basis eines Zinsfußes von 4 v. H. Prozesszinsen für die Zeit vom 8. Oktober 1998 bis zum 15. November 2001 in Höhe von 3.837,45 DM (entspricht 1.962,06 EUR).

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Der Kläger legte hiergegen insoweit Widerspruch ein, als die Klageforderung ab dem 1. Mai 2000 nicht mit einem Zinsfuß in Höhe von 5 v. H. über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes verzinst werde. Er habe daher gemäß §§ 288, 291 BGB in der ab dem 1. Mai 2000 geltenden Fassung (BGB n. F.) einen noch ausstehenden Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe von 2.442,93 DM (entspricht 1.249,05 EUR). Auf diesen Widerspruch hin gewährte das beklagte Landesamt dem Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2002 wegen Berechnungsfehlern - aber wiederum nur auf der Grundlage eines Zinsfußes in Höhe von 4 . v. H. - Prozesszinsen in Höhe von 3.950,31 DM (entspricht 2.019,76 EUR) wies den Widerspruch im Übrigen aber zurück.

6

Bereits mit Schriftsätzen vom 17. Januar 2001 und 12. Februar 2002 an das Gericht hat der Kläger einen weiteren Zinsanspruch in Höhe 1.249 EUR in das Klageverfahren, das mit Beschluss vom 9. Oktober 2003 wieder aufgenommen und seitdem unter dem Aktenzeichen 1 A 329/03 fortgeführt wird, mit einbezogen; im Übrigen hat auch er - wie bereits zuvor sinngemäß das beklagte Landesamt mit Schriftsatz vom 7. November 2001 an das Gericht - den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Zur Begründung seines geltend gemachten Anspruches auf weitere Prozesszinsen trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass es im Rahmen der Gewährung von Prozesszinsen lediglich auf die Rechtshängigkeit und nicht auf die Fälligkeit der Hauptforderung ankomme. Der Anspruch auf Prozesszinsen gemäß § 291 BGB n. F. werde von der Übergangsregelung des Art. 229 § 1 Abs. 1 EGBGB, die es zugunsten des Schuldners nur bei Fälligkeitszinsen in Höhe von 4 v. H. des geschuldeten Betrages belasse, gerade nicht mit umfasst, so dass § 288 BGB n. F. in der seit dem 1. Mai 2000 geltenden Fassung anzuwenden sei.

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Der Kläger beantragt,

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das beklagte Landesamt unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 7. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2002 zu verurteilen, an ihn weitere Prozesszinsen in Höhe von 1.249,05 EUR zu zahlen.

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Das beklagte Landesamt beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung trägt es vor, dass in den Klageverfahren, die - wie hier - vor dem 1. Mai 2000 rechtshängig geworden seien, lediglich 4 v. H. Prozesszinsen bis zum Tage der Auszahlung der Forderung zu berechnen seien. In § 291 Satz 1 Halbsatz 2 BGB n. F. werde auf die Fälligkeit der Schuld verwiesen. In den Fällen, in denen die Fälligkeit erst nach der Rechtshängigkeit eintrete, erfolge eine Verzinsung auch erst ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit. Bei der Gewährung von Prozesszinsen sei mithin auf die Fälligkeit der Hauptforderung abzustellen. Hier sei die Hauptforderung mit Einreichung der Klage am 5. Oktober 1998 rechtshängig geworden. Auch die Fälligkeit der Hauptforderung liege vor dem 1. Mai 2000, so dass nach § 229 Abs. 1 Satz 3 EGBGB i. V. m. § 288 BGB n. F. eine Verzinsung in Höhe von 5 v. H. über dem Basiszinssatz nicht in Frage komme.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Landesamtes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Soweit die Beteiligten das Klageverfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

14

Im Übrigen hat die hinsichtlich des streitigen Anspruches auf weitere Prozesszinsen noch anhängige Klage, über die der Einzelrichter im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), keinen Erfolg. Insoweit ist die Klage zwar zulässig, aber unbegründet.

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Da der Kläger diesen Zinsanspruch erst mit Schriftsatz vom 17. Januar 2001 gerichtlich geltend gemacht hat, liegt insoweit eine Klageerweiterung i. S. d. § 91 Abs. 1 VwGO vor, die zum einen sachdienlich ist; zum anderen hat das beklagte Landesamt eingewilligt hat, weil es sich hierauf eingelassen hat, ohne ihr zu widersprechen (vgl. § 91 Abs. 2 VwGO).

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Die auch ansonsten zulässige Klage hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat auf die Zahlung des geltend gemachten weiteren Zinsanspruches auf der Grundlage eines Zinsfußes in Höhe von 5 v. H. über dem Basiszinssatz keinen Anspruch. Der teilweise angefochtene Bescheid des beklagten Landesamtes vom 7. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2002 ist mithin rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes sind für öffentlich-rechtliche Geldforderungen Prozesszinsen in entsprechender Anwendung des § 291 BGB zu entrichten, wenn das jeweils einschlägige Fachrecht - wie hier - keine gegenteilige Regelung trifft (BVerwG, Urt. v. 22.2.2001 - 5 C 34.00 -, NVwZ 2001, 1057 m. w. N.). Dem steht insbesondere im öffentlichen Dienstrecht die Vorschrift des § 3 Abs. 6 BBesG nicht entgegen, da diese nur Verzugszinsen, nicht aber Prozesszinsen betrifft (Schwegmann/Summer, BBesG, Kommentar, Stand: November 2003, § 3 Rdnr. 31 m. w. N.). Gemäß § 291 Satz 1 Halbsatz 1 BGB n. F. hat der Schuldner eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist. Nach dem Halbsatz 2 dieser Vorschrift ist die Geldschuld, wenn sie erst später fällig wird, von der Fälligkeit an zu verzinsen. Nach § 291 Satz 2 BGB n. F. findet u. a. die Vorschrift des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB n. F. entsprechende Anwendung, so dass der Zinssatz auch für Prozesszinsen für das Jahr bei 5. v. H. über dem Basiszinssatz liegt.

18

Aufgrund der Überleitungsvorschrift zum Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen des Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB ist § 288 BGB n. F. in der seit dem 1. Mai 2000 geltenden Fassung indes nur auf Forderungen anzuwenden, die von diesem Zeitpunkt an - also ab dem Stichtag des 1. Mai 2000 - fällig werden. Dies bedeutet, dass für alle vor diesem Stichtag des 1. Mai 2000 fällig gewordenen Forderungen § 288 BGB a. F. mit dem bisherigen Zinsfuß in Höhe von 4 v. H. weitergilt. Es handelt sich hierbei um eine aus einer Interessenabwägung resultierende Privilegierung des Schuldners in der Weise, dass sein Vertrauen darauf geschützt werden soll, ein einmal eingegangenes Zinsrisiko werde sich nicht während der Laufzeit zu seinen Ungunsten verschlechtern. Dies gilt entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur unmittelbar für den Anwendungsbereich des § 288 BGB (Verzugszinsen), sondern angesichts der vergleichbaren Interessenlage und über die Rechtsfolgenverweisung des § 291 Abs. 1 Satz 2 BGB auch für den Anwendungsbereich des § 291 BGB, also für die Prozesszinsen (VGH München, Beschl. v. 27.2.2003 - 3 B 02.1968 -).

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Für die Berechnung des anzuwendenden Zinsfußes und damit der Höhe der Prozesszinsen ist daher nicht der Zeitpunkt der Fälligkeit der Hauptforderung - dies ist hier der 25. November 1999 -, sondern der Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit i. S. d. § 90 VwGO - dies ist hier der 5. Oktober 1998 - maßgeblich. Auszugehen ist von dem Grundgedanken, dass für die Höhe der Prozesszinsen die einschlägigen Vorschriften in der zu diesem Zeitpunkt gültigen Fassung maßgeblich sind. Vorliegend waren das am Tage der Rechtshängigkeit des 5. Oktober 1998 die Vorschriften der §§ 291, 288 BGB a. F. mit einem Zinsfuß in Höhe von 4 v. H. Der Kläger beruft sich zu Unrecht auf den genannten Beschluss des VGH München vom 27. Februar 2003. Denn in dem vom VGH München entschiedenen Fall trat die Rechtshängigkeit - gerade abweichend vom hier vorliegenden Fall - (erst) am 13. Juni 2000 ein; dieser Zeitpunkt lag zeitlich nach dem maßgeblichen Stichtag des 1. Mai 2000. Folgerichtig haben das Verwaltungsgericht Hannover und das Verwaltungsgericht Braunschweig in den vom beklagten Landesamt angeführten Urteilen ausgehend von diesem maßgeblichen Stichtag des 1. Mai 2000 die Höhe der Prozesszinsen vom Zeitpunkt der Rechtshängigkeit abhängig gemacht, ohne dies im Einzelnen ausdrücklich näher auszuführen: Im vom VG Hannover entschiedenen Fall (1 A 6587/95) hatte der dortige Kläger im November 1995 Klage erhoben, während der Kläger des vom VG Braunschweig (7 A 17/02) ausgeurteilten Falles erst am 9. Januar 2002 Klage erhoben hatte.

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Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des aufgrund der beiderseitigen Erledigungserklärungen eingestellten Teils auf § 161 Abs. 2 VwGO; insoweit ist es nach Billigkeitsgesichtspunkten gerechtfertigt, die Kosten des Verfahrens dem beklagten Landesamt aufzuerlegen, da es den Kläger insoweit klaglos gestellt hat. Hinsichtlich des noch streitgegenständlichen Zinsanspruches beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO; diese Kosten hat der Kläger zu tragen, da die Klage insoweit keinen Erfolg hat. Die Kostenquote entspricht dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

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Gründe, die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.