Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 23.03.2004, Az.: 4 A 35/03
Einkommen; Wohnrecht; Überleitung
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 23.03.2004
- Aktenzeichen
- 4 A 35/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50526
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 25c Abs 3 BVG
- § 25d BVG
- § 25e Abs 4 BVG
- § 27g BVG
- § 30 Abs 1 Nr 5 KFürsV
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Überleitungsanzeige.
Der Bruder des Klägers, Herr B. C. ist seit dem 1. Dezember 1999 in einem Wohnheim der Lebenshilfe D. in E. untergebracht und in der dortigen Werkstatt für Behinderte tätig. Er erhält hierfür von dem im Namen des Beklagten handelnden Landkreis Harburg Leistungen der Kriegsopferfürsorge, nämlich Eingliederungshilfe nach § 27d Abs. 1 Nr. 6 BVG i.V. mit §§ 39 Abs. 3, 40 BSHG. Der Kläger ist Eigentümer eines Hausgrundstückes in F.. Dieses ist ihm von seinen Eltern am 1. Februar 1984 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen worden. Die Eltern des Klägers erklärten dabei, die Übertragung sei u.a. dadurch veranlasst worden, dass der Kläger sich bereit erklärt habe, entsprechend seinen Möglichkeiten und im Rahmen des Zumutbaren nach ihrem Ableben für seinen Bruder zu sorgen. Mit am 1. Februar 1984 notariell beurkundeter Erklärung räumte der Kläger seinem Bruder ein Wohnrecht ein, dessen jährlicher Wert mit 1.800,-- DM festgestellt wurde.
Mit notarieller Nachtragsurkunde vom 1. August 1985 erklärten der Kläger und die für seinen Bruder (in der Urkunde als Vertretener zu 2) bezeichnet) handelnden Eltern die Aufhebung des Wohnrechtes gegen wiederkehrende Ablösungszahlungen in Form einer dauernden Last mit Wirkung vom 1. Februar 1984. Der Kläger verpflichtete sich, anstelle des Wohnrechts an seinen Bruder auf dessen Lebenszeit als dauernde, durch Eintragung in das Grundbuch gesicherte Last einen monatlichen Betrag in Höhe von 150,-- DM zu zahlen. Vereinbart wurde weiter eine Erhöhung oder Verminderung dieses Betrages entsprechend dem von dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden veröffentlichten Preisindex für die Lebenshaltung privater Haushalte, soweit dies zu einer Veränderung von mindestens 10 % führt. Die Nachtragsurkunde enthält weiter die Erklärung, wonach der Kläger an seinen Bruder ein Zimmer vermietet habe, für das ein monatlicher Mietzins in Höhe von 150,-- DM zu entrichten sei.
Unter Ziff. I der Urkunde heißt es dabei:
„Im Grundbuch von F.... ist zugunsten des Vertretenen zu 2) ... ein lebenslängliches, gegen Vorlage der Sterbeurkunde löschbares Wohnrecht eingetragen. Bei Gestaltung des Vertrages gemäß vorgenannter Urkunde sind die Beteiligten davon ausgegangen, daß entsprechend bisheriger Praxis Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dem Wohnberechtigten zugerechnet werden und der Eigentümer die Werbungskosten sowie die Afa geltend machen kann. Dies ist nach der neuen Rechtsprechung nicht mehr der Fall. Die Beteiligten erklären übereinstimmend, daß bei Kenntnis der nunmehrigen Besteuerungsrichtlinien seinerzeit eine vergleichbare, aber steuerunschädliche Regelung getroffen wäre, nämlich die Vereinbarung einer dauernden Last. Zweck dieses Nachtrages ist die Anpassung der in der vorgenannten Urkunde niedergelegten Vereinbarungen an die geänderte Steuerrechtsprechung und an die neue Besteuerungspraxis nach Maßgabe des Nießbraucherlasses. ...“.
Unter Ziff. II erklären die Erschienenen, dass sie in den wiederkehrenden Ablösezahlungen einen Ersatz für das ursprüngliche Altenteilsrecht sähen, so dass die Ablösung ein Surrogat des Wohnrechts sei. Unter Ziff. VII heißt es:
„ Die Vertragsteile gehen bei der in dieser Nachtragsurkunde gewählten Vertragsgestaltung übereinstimmend davon aus, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die Werbungskosten und die Abschreibung für die Abnutzung (Afa) in vollem Umfang beim Eigentümer erfasst werden und die als dauernde Last zu entrichtende Zahlungen vom Eigentümer gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EstG in voller Höhe (nicht nur mit dem Ertragsteil) als Sonderausgaben abgezogen werden können. Sofern die Finanzverwaltung eine von dieser Geschäftsgrundlage abweichende Besteuerung vornimmt, sind die Vertragsteile verpflichtet, eine dem Vertragsgedanken entsprechende Änderung des Vertrages in der Weise vorzunehmen, dass die gewünschten steuerlichen Wirkungen weitgehend eintreten.“
Mit Bescheid vom 11. Januar 2000 leitete der Landkreis Harburg „die Geldrente in Höhe von 150,-- DM monatlich“ auf sich über. Mit Bescheid vom 3. Juni 2002 änderte er die Überleitungsanzeige und leitete den Geldrentenanspruch auf das Land Niedersachsen über. Gegen die Überleitung erhob der Kläger am 25. Januar 2000 Widerspruch. Die monatliche Geldrente beziehe sich auf das ursprünglich eingetragene Wohnrecht. Der von ihm seinem Bruder zur Verfügung gestellte Wohnraum sei nach wie vor vorhanden und werde von seinem Bruder an den arbeitsfreien Tagen regelmäßig genutzt.
Mit Bescheid vom 29. November 2002 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Überleitung sei nach § 27g BVG zu Recht erfolgt. Der Geldrentenanspruch des Bruders des Klägers stelle im Unterschied zu einem freien Wohnrecht Einkommen dar, das von dem Bruder des Klägers zur Deckung seines Bedarfs einzusetzen gewesen wäre. Es sei nicht notwendig, dass der Bruder des Klägers in dessen Haus noch ein Zimmer unterhalte, weil er auf Dauer in dem Wohnheim untergebracht sei. Es sei von ihm zu verlangen, die Einkommensteile, die er bisher für die Miete aufgewandt habe, nunmehr für die Kosten des Wohnheims einzusetzen. Mit dem Anspruch auf die Geldrente sei auch das Recht übergegangen, entsprechend der Entwicklung des Preisindexes eine Erhöhung zu verlangen. Es seien keine Gründe erkennbar, die die Fürsorgestelle hätten veranlassen können, von der Überleitung abzusehen.
Der Kläger hat am 3. Januar 2003 Klage erhoben. Sein Bruder habe keinen Geldrentenanspruch. Dieser erlösche jeweils im Zeitpunkt der Fälligkeit durch Aufrechnung mit der Mietzinsforderung, die ihm, dem Kläger, gegenüber seinem Bruder zustehe. Im Übrigen sei der Geldrentenanspruch einem Wohnrecht gleichzustellen, weil er als Ersatz hierfür eingeräumt worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Landkreises Harburg vom 11. Januar 2000 in der Gestalt des Bescheides vom 3. Juni 2002 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 29. November 2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen die Gründe des Widerspruchsbescheides.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und des Landkreises Harburg Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Überleitung des Geldrentenanspruches des Herrn B. C. ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Rechtsgrundlage hierfür ist § 27g BVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 (BGBl. I S. 21), geändert durch Gesetz vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674). Haben Beschädigte oder Hinterbliebene für die Zeit, für die Leistungen der Kriegsopferfürsorge gewährt werden, einen Anspruch gegen einen anderen, der kein Leistungsträger im Sinne von § 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch ist, kann der Träger der Kriegsopferfürsorge nach § 27g Abs. 1 Satz 1 BVG durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht. Der Übergang des Anspruchs darf nur insoweit bewirkt werden, als die Hilfe bei rechtzeitiger Leistung des anderen nicht gewährt worden wäre oder als der Hilfeempfänger nach § 25c Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 die Aufwendungen zu ersetzen oder zu tragen hat (§ 27g Abs. 1 Satz 2 BVG). Nach § 27g Abs. 2 BVG bewirkt die schriftliche Anzeige den Übergang der Ansprüche für die Zeit, für die den Beschädigten oder Hinterbliebenen Leistungen der Kriegsopferfürsorge ohne Unterbrechung gewährt werden; als Unterbrechung gilt ein Zeitraum von mehr als zwei Monaten.
Die Voraussetzungen für eine Überleitung liegen hier vor. Dabei hängt die Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige wie bei der Überleitung nach § 90 BSHG nicht davon ab, ob der behauptete bürgerlich-rechtliche Anspruch tatsächlich in der geltend gemachten Höhe besteht. Diese Prüfung bleibt den Zivilgerichten vorbehalten. Eine Aufhebung der Überleitungsanzeige wegen Fehlern, die den übergeleiteten Anspruch betreffen, kommt nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der übergeleitete Anspruch nach materiellem Recht offensichtlich ausgeschlossen ist (vgl. NdsOVG, Urt. v. 25.3.1998 - 4 L 6803/95 - ). Das ist hier nicht der Fall. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer monatlichen Geldrente folgt aus dem notariellen Vertrag vom 1. August 1985 und ist durch die Eintragung einer Reallast gesichert. Er ist auch mit Rücksicht auf den von dem Kläger geltend gemachten Anspruch gegen seinen Bruder auf Zahlung des monatlichen Mietzinses nicht offensichtlich ausgeschlossen. Soweit der Kläger vorträgt, der Anspruch auf Geldrente erlösche jeweils im Zeitpunkt der Fälligkeit durch Aufrechnung, trifft dies nicht zu, denn die Aufrechnung vollzieht sich nicht von selbst sondern muss erklärt werden (§ 388 BGB). Inwieweit derartige Aufrechnungserklärungen in der Vergangenheit erfolgt sind, kann hier offen bleiben. Jedenfalls ist ein überleitungsfähiger Anspruch des Bruders des Klägers nicht offensichtlich ausgeschlossen.
Der Beklagte wäre bei rechtzeitiger Erfüllung des Geldrentenanspruches des Bruders des Klägers von der Leistungspflicht in Höhe des übergeleiteten Betrages frei gewesen. Bei der Geldrente handelt es sich um Einkommen, das nach §§ 25d, 25e Abs. 4 BVG i.V. mit § 30 der Verordnung zur Kriegsopferfürsorge (KFürsV) v. 16. Januar 1979 (BGBl. I S. 80), in der Fassung v. 1.1.2002 (BAnz Nr. 215a v. 17.11.2001) vorrangig zur Deckung des Bedarfs des Bruders des Klägers einzusetzen gewesen wäre. Zwar gilt nach § 30 Abs. 2 Nr. 5 KFürsV ein freies Wohnrecht nicht als Einkommen. Um ein solches handelt es sich hier aber nicht, denn das Wohnrecht des Herrn B. C. wurde mit Vertrag vom 1. August 1985 ausdrücklich aufgehoben und statt dessen ein Geldrentenanspruch bestellt. Der Einsatz des Geldrentenanspruches hat ungeachtet dessen zu erfolgen, dass durch die Vertragsgestaltung vom 1. Februar 1985, nämlich die Bestellung einer Geldrente in Verbindung mit dem Abschluss eines Mietvertrages, die gleichen tatsächlichen Wirkungen erzielt werden sollten, wie durch ein Wohnrecht. Denn angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift ist im Rahmen des § 30 Abs. 2 Nr. 5 KFürsV allein die rechtliche Gestaltung maßgebend. Auf den Umstand, dass diese deshalb gewählt wurde, um dem Kläger steuerrechtlich einen Abzug der als dauernden Last zu entrichtenden Zahlungen als Sonderausgabe zu ermöglichen, kommt es nicht an.
Nach § 25e Abs. 4 2. Halbsatz BVG kann von dem auf Dauer in einer stationären Einrichtung untergebrachten Bruder des Klägers der Einsatz des Einkommens auch unterhalb einer Einkommensgrenze (§ 25e Abs. 1 - 2 i.V. mit § 27d Abs. 5 BVG) verlangt werden. § 25e Abs. 4 2. Halbsatz BVG entspricht im Wesentlichen der Regelung des § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG (Wilke/Fehl/Förster/Leisner/Sailer, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl. 1992, § 25e BVG Rn. 5). Dabei sind hier keine Gründe ersichtlich, nach denen es als unangemessen anzusehen wäre, von dem Bruder des Klägers den Einsatz des Geldrentenanspruches zu verlangen. Da er stationär in dem Wohnheim untergebracht ist, ist es ihm insbesondere zuzumuten, das im Haus seines Bruders gemietete Zimmer aufzugeben oder dieses ggf. aus der Grundrente zu finanzieren, die - wie der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung unbestritten vorgetragen hat - von diesem nicht als Einkommen berücksichtigt wird.
Der Einsatz des Geldrentenanspruches ist zuletzt nicht im Sinne des § 25c Abs. 3 BVG i.V. mit §§ 41ff KFürsV unbillig. Dies gilt auch mit Blick auf den Zweck des Geldrentenanspruches, in Verbindung mit dem Mietvertrag faktisch die Wohnung des Bruders des Klägers in dessen Haus zu sichern. Wenn der Kläger und sein Bruder bzw. dessen Vertreter bewusst eine bestimmte rechtliche Form der Leistung wählen, ist es nicht unbillig, wenn sie sich hinsichtlich aller rechtlichen Konsequenzen daran festhalten lassen müssen.
Ermessensfehler des Beklagten bei der Entscheidung über die Überleitung sind ebenfalls nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung (§§ 124 Abs. 1, 124a Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.