Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 30.03.2004, Az.: 4 B 32/04
Eingliederungshilfe; Heim; Hilfe zur Erziehung
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 30.03.2004
- Aktenzeichen
- 4 B 32/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 50530
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 27 SGB 8
- § 30 SGB 8
- § 34 SGB 8
- § 35a SGB 8
Gründe
Die Antragstellerinnen begehren, den Antragsgegner durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, für die Unterbringung der Tochter der Antragstellerin zu 1., der Antragstellerin zu 2., in dem Internat Schloss A. Hilfe zur Erziehung oder Eingliederungshilfe zu gewähren.
Der dafür gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung von wesentlichen Nachteilen oder drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) voraus, dass der Hilfesuchende mit Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf die begehrte Regelung hat (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Die Antragstellerinnen haben keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
So hat die Antragstellerin zu 1. nicht glaubhaft gemacht, dass ihr aus §§ 27,34 SGB VIII ein Anspruch auf Unterbringung ihrer Tochter in dem Internat Schloss A. zusteht. Nach § 27 Abs. 1 SGB VIII hat ein Personensorgeberechtigter bei der Erziehung eines Kindes Anspruch auf Hilfe, wenn eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder Jugendlichen einbezogen werden ( § 27 Abs. 2 SGB VIII). Dass die Antragstellerin zu 1. danach Hilfe zur Erziehung beanspruchen kann, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Streit besteht allerdings darüber, welche konkrete Hilfe in Bezug auf die Erziehung der Antragstellerin zu 2. zu leisten ist. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin zu 1. mit Bescheid vom 21. August 2003 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 2. März 2004 Hilfe zur Erziehung in Form einer Erziehungsbeistandsschaft gem. § 30 SGB VIII gewährt. Diese Hilfe hat die Antragstellerin zu 1. jedoch nicht angenommen sondern ihre Tochter seit Beginn des Schuljahres 2003/2004 im Internat Schloss A. untergebracht. Die Entscheidung des Antragsgegners, der Antragstellerin zu 1. Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 30 SGB VIII zu gewähren, ist nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin zu 1. hat nicht glaubhaft gemacht, dass Heimerziehung nach § 34 SGB VIII für die Entwicklung ihrer Tochter notwendig ist. Voraussetzung für die Gewährung der Hilfe nach § 34 SGB VIII ist, dass familienunterstützende Maßnahmen nicht mehr ausreichen oder dass geeignete Hilfen dafür nicht zur Verfügung stehen. Der Antragsgegner ist hier nach Durchführung der fachlichen Gespräche und Beratungen und unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen zu der Einschätzung gelangt, dass Gegenstand der Jugendhilfemaßnahme insbesondere die Beziehung zwischen der Mutter und der Tochter sowie das Angehen der schulischen Probleme und anderer sozialer Bezüge und nicht die Trennung von der Familie sein müsse. Dies könne durch eine Erziehungsbeistandsschaft erreicht werden. Eine Unterbringung außerhalb des Haushaltes komme nicht in Betracht, weil der familiäre Rahmen tragfähig und die Problemlage nicht derart gravierend sei, dass eine familienersetzende Maßnahme in Form der Heimerziehung notwendig sei. Auch die von den Antragstellerinnen vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen belegen nicht die Notwendigkeit, die Antragstellerin zu 2. außerhalb ihrer Familie unterzubringen. So befürwortet die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie B. in ihrer Stellungnahme vom 7. August 2003 zwar die Kostenübernahme für das Internat, da die Antragstellerin zu 2. eine intensive Betreuung, Zuwendung und Kontrolle benötige, sie Abstand gewinnen könne von schadenden Einflüssen und die Trauer- und Verzichtsarbeit, die sie leisten müsse, unter den erzieherischen Maßnahmen und Voraussetzungen, die das Internat biete, sicher besser möglich sei. Dass es für die Entwicklung der Antragstellerin zu 2. notwendig wäre, diese in einem Heim unterzubringen, weil andere Hilfeformen nicht erfolgversprechend wären, ergibt sich daraus aber nicht. Der Stellungnahme des Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. C. vom 29. September 2003 lassen sich keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Heimerziehung entnehmen. Dies gilt auch für den Entwicklungsbericht des Internats vom 29. Oktober 2003. Danach hat die Antragstellerin zu 2. regelmäßigen Kontakt zu ihrer Mutter und ihrer Schwester und verbringt die Wochenenden regelmäßig zu Hause, wobei das Zusammenleben meist gut verlaufe. Die nach dem Entwicklungsbericht verfolgten Ziele wie Förderung der emotionalen Beziehung zu ihrer Mutter und den Geschwistern, regelmäßige Besuche bei der Mutter, Sicherung der schulischen Leistungen, Unterstützung bei der psychologischen Behandlung und Aufarbeitung der Drogenproblematik sind als ambulante Hilfemaßnahmen durchführbar und erfordern keine Heimerziehung.
Die Antragstellerin zu 2. hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihr für ihre Unterbringung im Internat Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII zu gewähren ist. Nach § 35 a SGB VII haben Kinder oder Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn 1. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und 2. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Soweit die die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie B. in einer nachträglichen Stellungnahme vom 20. November 2003 diese Voraussetzungen bei der Antragstellerin zu 2. als erfüllt ansieht, ist dies nicht überzeugend, zumal sich in der Stellungnahme vom 7. August 2003 keine Anhaltspunkte für eine seelische Behinderung der Antragstellerin zu 2. finden und die Ärztin diese seit ihrer Aufnahme in das Internat im August 2003 auch nicht mehr behandelt hat. Weder der die Antragstellerin zu 2. nunmehr psychotherapeutisch behandelnde Arzt noch das Internat gehen in ihren Stellungnahmen von einer seelischen Behinderung der Antragstellerin zu 2. aus. Vielmehr ergibt sich aus dem Entwicklungsbericht des Internats vom 29. Oktober 2003, dass die Antragstellerin zu 2. gut in die Mädchengruppe integriert sei, dass sie sich positiv entwickelt habe und ihre schulischen Leistungen nach kurzer Zeit so gut gewesen seien, dass sie in die nächste Klasse habe versetzt werden können. Im Übrigen wäre bei einer seelischen Behinderung der Antragstellerin zu 2. die Unterbringung in dem Internat Schloss A. keine geeignete Eingliederungshilfemaßnahme, da dort nach der Leistungsbeschreibung keine Leistungen nach § 35 a SGB VIII für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche erbracht werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.