Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 26.03.2004, Az.: 1 A 67/02
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 26.03.2004
- Aktenzeichen
- 1 A 67/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 43311
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2004:0326.1A67.02.0A
Amtlicher Leitsatz
- 0.
Leitsatz:
- 1.
Kein Dienstunfall bei Heimfahrt mehrere Stunden nach Dienstende.
- 2.
Keine Befugnis, sich für angebliche Dienstgespräche in der Zeit von 3.00 bis 5..30 Uhr in den Dienst zu versetzen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Verkehrsunfalls als Dienstunfall.
Der am 12. August 1946 geborene Kläger ist Verwaltungsbeamter der Beklagten und als Leiter des Hauptamtes tätig. Am Donnerstag, dem 14. Dezember 2000 fand im Veranstaltungszentrum B. der Beklagten eine Gemeinderatssitzung statt, an der der Kläger teilzunehmen hatte. Die Sitzung endete laut Protokoll der Sitzung um 22.30 Uhr. Nach Abschlussarbeiten und Gesprächen nahm der Kläger im Restaurant des Veranstaltungszentrums noch eine kleine Mahlzeit ein und besprach nach seinen Angaben mit dem Pächterehepaar noch einige Dinge betreffend das Veranstaltungszentrum (Heizungs- und Klimaanlage, geplanter Wintergarten) und die Bewirtung bei Veranstaltungen. Am Freitag, dem 15. Dezember 2000 verließ er gegen 5.30 Uhr das Veranstaltungszentrum um mit seinem Pkw zu seinem Wohnhaus in C. zu fahren. Auf dem Heimweg kam er gegen 5.51 Uhr in der Gemarkung D. nach links von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Der Kläger selbst erlitt schwere Verletzungen und das Fahrzeug sowie mitgeführte Gegenstände und die Kleidung wurden beschädigt. Durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts E. vom 5. Juli 2001 (2 CS 2510Js 4786/01) wurde gegen den Kläger aufgrund der Fahrt, die zum Verkehrsunfall führte, wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (Blutalkoholgehalt von mindestens 0,52 g Promille) eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 100,- DM festgesetzt. Die Fahrerlaubnis wurde eingezogen und eine sogenannte Wiedererteilungssperre von 6 Monaten verhängt. Bereits am 22. Januar 2001 hatte der Kläger der Beklagten den Verkehrsunfall gemeldet mit dem Ziel der Anerkennung als Dienstunfall.
Mit Bescheid vom 11. Oktober 2001 lehnte die Beklagte nach Rücksprachen mit der Beigeladenen die Anerkennung des gemeldeten Verkehrsunfalls als Dienstunfall ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Die Fahrt vom Wohnort zur Dienststelle und zurück gelte zwar grundsätzlich ebenfalls als Dienst im Sinne der Unfallfürsorgevorschriften. Bei der Fahrt am morgen des 15. Dezember 2000, die zum Verkehrsunfall geführt habe, sei aber der erforderliche Zusammenhang mit dem Dienst des Klägers nicht mehr gegeben gewesen. Die nach der Ratssitzung zwischen dem Pächterehepaar des Restaurants und dem Kläger zwischen 23.30 Uhr und etwa 5.30 Uhr geführten Gespräche seien nicht mehr durch die Erfordernisse des Dienstes des Klägers maßgebend geprägt gewesen. Darüber hinaus scheide die Anerkennung als Dienstunfall deshalb aus, weil der Verkehrsunfall durch eine alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit verursacht worden sei. Der Kläger legte gegen den Bescheid Widerspruch ein und wies darauf hin, dass es durchaus üblich sei und seiner Dienstauffassung entspreche, nach Ratssitzungen und auch zu so später Stunde noch dienstliche Gespräche zu führen. Ein solches habe er mit dem Pächterehepaar des Restaurants des Veranstaltungszentrums am 15. Dezember 2000 morgens früh geführt, auch wenn diese sich angeblich nicht mehr genau an den Inhalt erinnern würden. Für das Veranstaltungszentrum sei er auch dienstlich zuständig. Eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit habe bei ihm nicht vorgelegen, was der Blutalkoholgehalt belege. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Alkoholgenuss die wesentliche Ursache für den Unfall gewesen sei. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2002 (zugestellt am 23.1.2002) zurück. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das mehrstündige Gespräch im Restaurant der B. in seiner Gesamtheit nicht mehr dem Dienst zuzurechnen sei. Es sei darüber hinaus auch von einer alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit auszugehen. Dies ergebe sich aus dem Blutalkoholwert von 0,52 g Promille der um 11.35 Uhr genommene Blutprobe, was bei Rückrechnung auf den Unfallzeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von über 1,1 g Promille ergebe. Dies stelle nach der Rechtsprechung eine absolute Fahruntauglichkeit dar. Aufgrund der Aussagen des Unfallzeugen F. sei auch bei einem etwas unter 1,0 g Promille liegenden Blutalkoholgehalts von einer absoluten Fahruntüchtigkeit auszugehen. Am 14. Dezember 2002 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Verwaltungsvorverfahren und weist ergänzend nochmals darauf hin, dass zu seinen Aufgaben als Hauptamtsleiter u.a. die organisatorische Abwicklung der Ratssitzungen sowie die administrative Vorbereitung von Veranstaltungen im Veranstaltungszentrum B. gehörten. Da er federführend auch beim Abschluss des Pachtvertrages mit dem jetzigen Pächterehepaar des Restaurants im Veranstaltungszentrum mitgewirkt habe, sei er in allen Belangen betreffend des Restaurants auch der erste Ansprechpartner. Dass der Alkoholgenuss ursächlich für den Unfall gewesen sei, werde bestritten.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, seinen Verkehrsunfall am 15. Dezember 2000 als Dienstunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründungung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen aus den angefochtenen Bescheiden.Die Beigeladene beantragt ebenfalls, die Klage abzuweisen. Sie vertritt ebenfalls die Auffassung, dass die Anerkennung als Dienstunfall allein wegen der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit abzulehnen sei. Darüber hinaus fehle es an einem inneren Zusammenhang zwischen Dienst und Unfall.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch, seinen Verkehrsunfall vom 15. Dezember 2000 als Dienstunfall anerkannt zu bekommen. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2002 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 VwGO).Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußere Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Zum Dienst gehören auch die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen (§ 31 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG). Als Dienst gilt ebenfalls das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges nach und von der Dienststelle (§ 31 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG).Diese Voraussetzungen für das Vorliegen eines Dienstunfalls sind hier nicht gegeben. Der Kläger befand sich zwar auf dem Weg von einer dienstlichen Veranstaltung zu seiner Wohnung; dieser Heimweg stand aber nicht mehr im Zusammenhang mit der dienstlichen Veranstaltung oder einem sonstigen Dienst des Klägers. Der bei diesem Heimweg erlittene Verkehrsunfall kann deshalb nicht als Dienstunfall anerkannt werden. Durch die Regelung in § 31 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG wird der Weg zwischen der Wohnung des Beamten und der Dienststelle oder der dienstlichen Veranstaltung nicht uneingeschränkt, sondern nur dann unter Unfallschutz gestellt, wenn er mit dem Dienst zusammenhängt oder seine wesentliche Ursache im Dienst hat, wenn also die mit dem Dienst nicht zusammenhängenden Ursachen in den Hintergrund treten. Soweit es - wie hier - um Unfälle auf dem Heimweg geht, sind Gründe für das Zurücklegen des Weges in der Regel nur dann wesentlich durch den Dienst bedingt, wenn der Beamte sich auf dem unmittelbaren Weg zwischen seiner Dienststelle und seiner regelmäßigen häuslichen Unterkunft befindet, um in unmittelbarem zeitlichen Anschluss an den Dienst in seinen privaten Lebensbereich zurückzukehren. Tritt der Beamte dagegen die Heimfahrt aus privaten (sogenannten "eigenwirtschaftlichen") Gründen nicht unmittelbar nach Dienstende an, unterbricht er sie aus solchen Gründen oder wählt er um privater Zwecke für die Heimfahrt einen anderen als den unmittelbaren (kürzesten) Weg, unterbricht er dadurch den Zusammenhang zwischen Weg und Dienst (BVerwG, Urteil vom 21.6.1982 - 6 C 90.78 - NJW 1983, 642; OVG Münster, Urteil vom 8.1.1990 - 12 A 1850/87 -, NVwZ 1990, 891; Plog/Wiedow/Beck/Lehmhöfer, BBG mit BeamtVG, Stand: Dezember 2003, § 31 BeamtVG Rn. 118 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall fehlt es an dem erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen dem Dienst des Klägers und dem Heimweg, auf welchem sich der Unfall ereignet hat. Die dienstliche Veranstaltung, an der der Kläger teilzunehmen hatte, war die Ratssitzung am 14. Dezember 2000. Diese endete laut Protokoll der Sitzung um 22.30 Uhr. Im unmittelbaren zeitlichen Anschluss an dieses Ende ist der Kläger nicht nach Hause gefahren, so dass die Heimfahrt am nächsten morgen um 5.30 Uhr dem ersten Anschein nach nicht mehr im Zusammenhang mit der dienstlichen Veranstaltung oder dem Dienst steht. Ein Dienstunfall kann sich allerdings auch außerhalb der festgesetzten Dienststunden oder außerhalb einer anberaumten dienstlichen Veranstaltung ereignen, wenn sich der Beamte selbst in den Dienst versetzt hat, wenn er also aufgrund eigenen Entschlusses eine für diesen Zeitpunkt und an diesem Ort nicht vorgeschriebene dienstliche Handlung vornimmt. Ein solcher Entschluss kann zum Beispiel bei einem Beamten mit leitender Funktion zur Wahrnehmung der Dienstaufsichtspflicht oder von einem Polizisten zur Durchführung einer Fahndungsmaßnahme gefasst werden. Die Tätigkeit muss aber im Rahmen des Amtes oder des dienstlichen Auftrages des Beamten liegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.2.1971 - VI C 36.66 - DVBl 1972, 36). Die Grenzen der Befugnis, sich selbst in den Dienst zu versetzen, können sich ergeben aus der Art und Weise der durchgeführten Maßnahme, den allgemein dienstlichen Obliegenheiten des Beamten, dem Ort der dienstlichen Handlung, den objektiven (erkennbaren) dienstlichen Interessen des Dienstherrn, der Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Mittel sowie der besonderen Eilbedürftigkeit der dienstlichen Maßnahme. Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze kann auch bei Zugrundelegung der Angaben des Klägers, er habe noch mit dem Pächterehepaar des Restaurants des Veranstaltungszentrums über die Heizungs- und Klimaanlage des Veranstaltungszentrums, den dort geplanten Wintergarten sowie die Qualität der Bewirtung gesprochen, die Wahrnehmung einer dienstlichen Obliegenheit im Anschluss an die Ratssitzung nicht mehr angenommen werden.
Es ist offenkundig und bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass ein objektives dienstliches Interesse des Dienstherrn daran, dass ein leitender Beamter, auch wenn er für das Veranstaltungszentrum zuständig ist, im Anschluss an eine Ratssitzung auch noch in der Zeit von 3.00 bis 5.30 Uhr (so der Kläger) dienstliche Gespräche mit dem Pächter des Restaurants des gemeindlichen Veranstaltungszentrums führt, nicht besteht. Dies gilt um so mehr, als es sich um Themen handelte, die weder dringlich noch besonders gewichtig waren. Im Übrigen ergibt auch eine Gesamtwürdigung des vom Kläger geschilderten Ablaufs des Abends am 14. Dezember 2000 und der frühen Morgenstunden am 15. Dezember 2000, dass er sich spätestens nach Abschluss der Wiederherrichtung des Saales nicht mehr im Dienst befand. Zur weiteren Begründung wird auf die zur Frage des Dienstes gemachten ausführlichen Darlegungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen, denen die Kammer folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO). Im Hinblick darauf, dass hier bereits eine mit dem Dienst im Zusammenhang stehende Heimfahrt nicht vorgelegen hat, kann offen bleiben, ob die Anerkennung des Verkehrsunfalls als Dienstunfall auch deshalb ausgeschlossen ist, weil der Kläger infolge des Genusses von Alkohol fahruntauglich gewesen ist und deshalb den Verkehrsunfall verursacht hat. Angesichts eines Blutalkoholgehaltes von 0,52 g Promille in der Blutprobe, die erst knapp 6 Stunden nach dem Unfall entnommen wurde, und den Aussagen des Zeugen F. zum Unfallhergang spricht zwar einiges dafür, dass der Kläger infolge des Alkoholgenusses fahruntüchtig war und dies möglicherweise die wesentliche Ursache des Unfalls gewesen ist. Allerdings kann ohne Gutachten nicht ausgeschlossen werden, dass eine Übermüdung des Klägers wesentlich mitursächlich für den Unfall gewesen ist. Eine bloße Übermüdung als Unfallursache würde die Annahme eines Dienstunfalls aber nicht ausschließen (vgl. Plog/Wiese/Beck/Lehmhöfer, aaO, Rn 121).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und Abs. 4, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.Gründe, die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.