Landgericht Göttingen
Beschl. v. 30.06.2006, Az.: 10 T 25/06
Fall der rechtmäßigen Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen einen Insolvenzverwalter; Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde im Zusammenhang mit insolvenzgerichtlichen Entscheidungen; Dauer von Wohlverhaltensperioden für Insolvenzschuldner; Zeitpunkt des Beginns einer Wohlverhaltensperiode
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 30.06.2006
- Aktenzeichen
- 10 T 25/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 19091
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2006:0630.10T25.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Osterode - 15.03.2006 - AZ: 8 IK 4/99
Rechtsgrundlagen
- § 6 Abs. 1 InsO
- § 287 Abs. 2 InsO
- § 289 Abs. 2 InsO
- Art. 103a EGInsO
- Art. 107 EGInsO
Fundstelle
- ZVI 2007, 86-87 (Volltext mit red. LS)
Amtlicher Leitsatz
Die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen den Insolvenzverwalter in Höhe von 5.000,- EUR ist nicht zu beanstanden, wenn der Insolvenzverwalter über einen Zeitraum von drei Jahren Beanstandungen des Insolvenzgerichts in seinen Berichten nicht vollständig behebt und gegen ihn zuvor schon drei Mal Zwangsgelder in Höhe von 500,-- EUR, 2.000,-- EUR und 3.000,-- EUR festgesetzt worden sind.
Die Festsetzung eines weiteren Zwangsgelds ist auch dann zulässig, wenn der Insolvenzverwalter die von ihm geforderten Handlungen nach der Vollstreckung der vorher festgesetzten Zwangsgelder zwar teilweise, aber nach wie vor nicht vollständig erbringt.
In dem Restschuldbefreiungsverfahren
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht Pape als Einzelrichterin
auf die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 03.04.2006
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Osterode vom 15.03.2006 -8 IK 4/99-
am 30.06.2006 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Schuldners wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: bis zu 6.000,00 EUR.
Gründe
Der Schuldner hat am 16.03.1999 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens Über sein Vermögen sowie die Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt. Mit Beschluss vom 01.02.2000 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren Über das Vermögen des Schuldners eröffnet und den Rechtsanwalt XXX Seesen zum Treuhänder bestellt. In der Folgezeit kam es im Verfahren zu zahlreichen Verzögerungen. Diese beruhten unter anderem darauf, dass der Schuldner zahlreiche Anfragen an das Amtsgericht richtete, mehrfach Anträge auf Heraufsetzung der Pfändungsfreigrenzen stellte, gegen ergangene Beschlüsse des Insolvenzgerichts Rechtsmittel einlegte, gegen Richter und Rechtspfleger Dienstaufsichtsbeschwerden erhob, Strafanzeige gegen den Treuhänder erstattete und mehrere Male beantragte, den Treuhänder aus dem Amt zu entlassen. Darüber hinaus ergaben sich des Öfteren Schwierigkeiten mit der Wehrbereichsverwaltung, die die dem Schuldner zu zahlende Pension leistet. Mit Schreiben vom 27.11.2002 teilte der Treuhänder mit, dass die Masse verwertet sei und erstattete Schlussbericht. Zur Beendigung des Verfahrens kam es im zeitlichen Zusammenhang mit dieser Mitteilung des Treuhänders jedoch nicht. Zum einen erklärte der Schuldner mit Schreiben vom 12.01.2003, dass er seinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurücknehme. Des Weiteren kam es erneut zu umfangreichem Schriftwechsel über die Höhe des pfändungsfreien Betrags, nachdem der Schuldner seinen Stiefsohn adoptiert hatte und nunmehr gegenüber diesem Kind unterhaltsverpflichtet war.
Der Treuhänder erstattete unter dem 10.11.2004 erneut Schlussbericht, legte Schlussrechnung und stellte den Antrag auf Bestimmung eines Schlusstermins. Auf Grund einer erneuten Verzögerung des Verfahrens infolge der sofortigen Beschwerde des Schuldners gegen die Festsetzung der Vergütung für den Treuhänder fand am 23.05.2005 der Schlusstermin statt. Mit Beschluss vom selben Tag hat das Amtsgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung angekündigt und In diesem Beschluss ausgesprochen, dass die Wohlverhaltensperiode gemäß Artikel 107 EGInsO auf fünf Jahre festgesetzt werde, beginnend mit der Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses. Dieser Beschluss ist rechtskräftig. Mit Beschluss vom 18.10.2005 hat das Amtsgericht das Verfahren aufgehoben, nachdem die Schlussverteilung vollzogen war. Mit Verfügung vom selben Tag hat das Amtsgericht dem Schuldner mitgeteilt, dass der Aufhebungsbeschluss vom 18.10.2005 seit dem 17.11.2005 rechtskräftig sei, so dass der Zeitraum der Wohlverhaltensperiode nach § 287 InsO vom 17.11.2005 bis 16.11.2010 dauere.
Mit Schriftsatz vom 20.12.2005 hat der Schuldner beantragt, die Wohlverhaltensperiode zu verkürzen und ihm mit sofortiger Wirkung Restschuldbefreiung zu erteilen. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits am 06.04.1999 gestellt. Da er bereits zum 01.01.1997 zahlungsunfähig gewesen sei, habe er entsprechend eine Verkürzung der Wohlverhaltensperiode auf fünf Jahre beantragt. Von Anfang an habe er pfändbare Beträge an die Masse abgeführt. Dem Schuldner sei erst durch den Beschluss vom 23.05.2005, mit dem ihm die Restschuldbefreiung angekündigt worden sei, bekannt geworden, dass die fünfjährige Wohlverhaltensperiode bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal zu laufen begonnen habe. Trotz mehrfacher Anfragen an das Insolvenzgericht sei ihm zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt worden, dass die Wohlverhaltensperiode während der gesamten Dauer des Verfahrens nicht zu laufen begonnen habe. Im Ergebnis bedeute dies für den Schuldner, dass er erst 11 Jahre nach Einreichung seines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit der Erteilung der Restschuldbefreiung rechnen könne. Diese Verfahrensdauer sei in höchstem Maße unverhältnismäßig. Der Schuldner werde hier im Vergleich zu anderen Schuldnern unberechtigterweise ungleich behandelt. Auch könne man dem Schuldner nicht entgegenhalten, dass er durch seine Anträge bzw. Rechtsmittel zur langen Dauer des Verfahrens beigetragen habe. Zum einen sei die Geltendmachung eigener Rechte kein Grund für eine Rechtsverwehrung. Zum anderen sei der Schuldner zu keinem Zeltpunkt vom Gericht darauf hingewiesen worden, dass die Einlegung von Rechtsmitteln die Wohlverhaltensfrist beeinträchtigen würde. Dem Schuldner sei nicht bekannt gewesen, dass die Wohlverhaltensperiode erst nach Abschluss dos Insolvenzverfahrens zu laufen beginne. Bei ordnungsgemäßer Abwicklung des Verfahrens könne man eine Dauer von einem Jahr bis zur Beendigung unterstellen. Demzufolge habe dem Schuldner spätestens im Sommer 2005 Restschuldbefreiung erteilt werden müssen.
Mit Beschluss vom 15.03.2006 hat das Amtsgericht den Antrag des Schuldners auf Verkürzung der Wohlverhaltensperiode und Erteilung der sofortigen Restschuldbefreiung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass nach dem Gesetz die Wohlverhaltensperiode erst mit Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses mithin hier am 17.11.2005 beginne. Darauf, ob der Schuldner von Anfang an pfändbare Beträge abgeführt habe, komme es nicht an. Eine Verkürzung der Wohlverhaltensperiode sei nur insofern möglich, als nach Artikel 107 EGInsO die Dauer der Wohlverhaltensperiode von sieben Jahre auf fünf Jahre erfolge, was hier auch ausgesprochen worden sei. Es sei auch nicht erkennbar, dass das Gericht eine Aufklärungspflicht verletzt habe, denn die Gesetzeslage sei eindeutig in Bezug auf den Beginn der Wohlverhaltensperiode. Darüber hinaus habe der Schuldner gegen den Beschluss vom 23.07.2005, mit dem ihm die Restschuldbefreiung angekündigt und die Dauer der Wohlverhaltensperiode mitgeteilt worden sei, kein Rechtsmittel eingelegt.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Schuldner mit der sofortigen Beschwerde. Er meint nach wie vor, dass er gegenüber anderen Schuldnern ungleich behandelt werde, wenn ihm trotz der frühen Antragstellung im Jahre 1999 erst im Jahre 2010 die Restschuldbefreiung erteilt werde. Das Insolvenzverfahren, das hier insgesamt sechs Jahre gedauert habe, verletze in hohem Maße die Rechte des Schuldners. Bei ordnungsgemäßem Ablauf des Verfahrens sei davon auszugehen, dass dieses spätestens im Jahr 2001 abgeschlossen gewesen wäre. Hierauf habe sich der Schuldner verlassen dürfen. Auf Grund der dem Gericht obliegenden Fürsorge habe es den Schuldner darauf hinweisen müssen, dass er die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen könne. Dieser hätte dann spätestens nach dem Prüfungstermin im Jahr 2000 den Antrag auf Beendigung des Insolvenzverfahrens gestellt. Im Übrigen habe das Insolvenzgericht seine Aufsichtspflichten nicht ordnungsgemäß wahrgenommen, andernfalls sei es nicht zu erklären, dass das Verfahren ab dem Jahr 2000 praktisch nicht mehr gefördert worden sei.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Beschwerdekammer des Landgerichts zur Entscheidung vorgelegt.
Die sofortige Beschwerde ist unzulässig. Gegen den Beschluss des Amtsgerichts findet das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nicht statt. Gemäß § 6 Abs. 1 InsO unterliegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde vorsieht. Dieser Fall liegt hier nicht vor. Anträge des Schuldners auf Verkürzung der Wohlverhaltensfrist dergestalt, dass der Beginn der Wohlverhaltensperiode anders als Im Gesetz geregelt festgelegt wird, sieht die Insolvenzordnung nicht vor. Dementsprechend fehlt auch eine Regelung in der Insolvenzordnungüber Rechtsmittel gegen entsprechende Beschlüsse des Insolvenzgerichts. Nach § 289 Abs. 2 InsO ist die sofortige Beschwerde statthaft gegen den Beschluss, mit dem das Insolvenzgericht über die Ankündigung der Restschuldbefreiung entscheidet. Hierüber ist der Beschluss des Insolvenzgerichts vom 23.05.2005 ergangen. In diesem Beschluss hat das Amtsgericht ausgesprochen, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung erteilt werden wird, und dass die Wohlverhaltensperlode auf fünf Jahre festgesetzt wird, beginnend mit der Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses. Dieser Beschluss ist vom Schuldner nicht angefochten worden und demzufolge rechtskräftig.
Ungeachtet der Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde wäre das Rechtsmittel aber auch unbegründet. Das Amtsgericht hat den Antrag des Schuldners auf Neufestsetzung der Wohlverhaltensperiode und auf Erteilung der sofortigen Restschuldbefreiung zutreffend zurückgewiesen. Für den Schuldner beginnt der Lauf der Wohlverhaltensperiode mit dem Eintritt der Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses. Das ist hier der 17.11.2005. Eine Möglichkeit, den Beginn der Wohlverhaltensperiode auf einen früheren Zeitpunkt vorzuverlegen, sieht das Gesetz nicht vor. Nach § 287 Abs. 2 InsO n.F. beträgt die Wohlverhaltensperiode sechs Jahre und beginnt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Diese Vorschrift ist indes auf das hier vorliegende Insolvenzverfahren nicht anwendbar. § 207 Abs. 2 Satz 1 InsO ist in dieser Form durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz vom 26. Oktober 2001 geändert worden. Auf so genannte Altfälle, das heißt auf Verfahren, die - wie das vorliegende - vor dem 01.12.2001 eröffnet worden sind, ist jedoch diese Vorschrift nicht anwendbar, vielmehr gilt für die so genannten Altverfahren die bisher gehende Fassung des § 287 Abs. 1 und 2 InsO. Diese alte Fassung sieht nicht vor, dass die Wohlverhaltensperiode mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt. Die Anwendbarkeit der geänderten Fassung des § 287 Abs. 2 auf den Schuldner ergibt sich auch nicht aus Artikel 107 EGInsO. Diese Regelung kann auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden (vgl. BGH Entscheidung vom 21.05.2004 - IX 2B 274/03 - NJW-RR 2004, 1192 [BGH 21.05.2004 - IX ZB 274/03] = NZI 2004 452). Entsprechend der Regelung in Artikel 103 a EGInsO ist deshalb auf den vorliegenden Fall § 287 Abs. 2 InsO a.F. uneingeschränkt anwendbar. Weder der Wortlaut des Gesetzes noch die Motivation des Gesetzgebers noch systematische Überlegungen rechtfertigen es, entsprechend dem Antrag des Schuldners den Beginn der Wohlverhaltensphase entgegen der eindeutigen gesetzlichen Regelung auf einen Zeitpunkt während der Laufzeit des Insolvenzverfahrens festzusetzen. Der Gesetzgeber hat ausweislich der Diskussion um die Frist der Entschuldungsverfahren sowohl die Länge der Wohlverhaltensphase als auch die unterschiedliche Länge der gesamten "Entschuldungsphase" bei Beginn der Laufzeit der Abtretung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gesehen und bewusst eine Übergangsregelung geschaffen, bei der die Laufzeit des Entschuldungsverfahrens einmal mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und einmal mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens beginnt. Deshalb wird in Rechtsprechung und Literatur auch einhellig vertreten, dass ungeachtet der Länge des Insolvenzverfahrens bei den Fällen der vorliegenden Art die Laufzeit der Wohlverhaltensphase mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens beginnt (BGH NJW-RR 2004, 1192, 1193 [BGH 21.05.2004 - IX ZB 274/03]; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 12. Auflage, § 287 Rdnr. 42; LG Duisburg, NZI 2005, 640 [LG Duisburg 29.08.2005 - 7 T 199/05]; BGH Beschluss vom 17.02.2005 -IX ZB 237/04-( nicht veröffentlicht).
Entgegen der Auffassung des Schuldners ist eine abweichende Festsetzung des Beginns der Wohlverhaltensperiode auch nicht deshalb möglich, weil sich das Verfahren hier über einen ungewöhnlich langen Zeitraum erstreckt hat. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass die Verzögerungen überwiegend durch den Schuldner selbst verursacht worden sind und nicht durch die Bearbeitungsweise des Gerichts. Der Einwand des Schuldners, das Gericht habe ihn darauf hinweisen müssen, dass sich durch seine Eingaben, Anträge und Rechtsmittel das Verfahren verzögere und damit der Beginn der Wohlverhaltensperiode, liegt völlig neben der Sache. Zum einen war für den Schuldner klar zu erkennen, dass jeder seiner Anträge bzw. jedes von ihm eingelegte Rechtsmittel die Verfahrensdauer verlängert. Zum anderen musste das Gericht auch nicht darauf hinweisen, dass der Eintritt der Wohlverhaltensperlode erst mit dem Abschluss des Insolvenzverfahrens eintritt. Auf diesen Umstand, der sich aus dem Gesetz ergibt, erstreckt sich die Hinweispflicht des Gerichts nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: bis zu 6.000,00 EUR.
Den Beschwerdewert hat die Kammer nach § 3 ZPO festgesetzt und ist dabei vom Interesse des Schuldners an der sofortigen Erteilung der Restschuldbefreiung ausgegangen.