Landgericht Göttingen
Beschl. v. 30.11.2006, Az.: 10 T 120/06
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 30.11.2006
- Aktenzeichen
- 10 T 120/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 43140
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2006:1130.10T120.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Göttingen - 11.11.2006 - AZ: 74 IK 158/06
Fundstellen
- NZI (Beilage) 2007, 38 (amtl. Leitsatz)
- ZInsO 2007, 276-277 (Volltext mit amtl. LS)
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Schuldners wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: bis zu 3 000,00 EUR.
Gründe
Der Schuldner hat am 27.03.2006 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt. Ferner hat er den Antrag gestellt, ihm Restschuldbefreiung zu erteilen sowie die Kosten des Verfahrens zu stunden. Mit Beschluss vom 11.04.2006 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet, dem Schuldner Stundung bewilligt und den Rechtsanwalt E. zum Treuhänder bestellt. In seinem Insolvenzantrag hatte der Schuldner angegeben, arbeitslos zu sein und Arbeitslosenunterstützung zu erhalten. Ferner hatte der Schuldner in dem Insolvenzantrag erklärt, Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge nicht an einen Dritten abgetreten oder verpfändet zu haben. In seinem Bericht vom 20.06.2006 hat der Treuhänder ausgeführt, dass der Schuldner seit Mitte Februar 2006, mithin vor der Stellung des Insolvenzantrags, einer Vollzeitbeschäftigung nachgehe und ein Nettofestgehalt in Höhe von 1 347,11 EUR beziehe. Dieser Umstand führe grundsätzlich zu monatlich pfändbaren Einkünften in Höhe von 248,40 EUR. Tatsächlich habe jedoch der Schuldner seine pfändbaren Teile aller Ansprüche aus Arbeitseinkommen, Renten sowie Lohnersatzzahlungen bereits am 08.07.2002 an die F. abgetreten.
Mit Schreiben vom 23.10.2006 hat eine bis dahin am Verfahren noch nicht beteiligte Gläubigerin mitgeteilt, dass sie Forderungen gegen den Schuldner in Höhe von 11 926,26 EUR habe. Diese Forderungen habe sie am 29.06.2005 im Wege eines Mahnbescheids geltend gemacht. Der Schuldner habe am 11.08.2005 gegen den Mahnbescheid Widerspruch eingelegt. Gleichwohl habe der Schuldner sie, die Gläubigerin, - unstreitig - nicht in das Gläubigerverzeichnis aufgenommen.
Der Schuldner hat erklärt, er habe die genannte Gläubigerin im Vorfeld des Insolvenzantrags angeschrieben und aufgefordert, die Forderung zu übermitteln. Hierauf habe die Gläubigerin nicht reagiert, mithin habe sie es selbst verschuldet, dass sie im laufenden Insolvenzverfahren nicht berücksichtigt worden sei. Der Umstand, dass der Schuldner einen von insgesamt 38 Gläubigern vergessen habe, sei jedoch weder vorsätzlich noch grob fahrlässig und könne deshalb keine Auswirkungen in Bezug auf die Kostenstundung haben. Es sei keinesfalls ungewöhnlich, wenn in einem derartigen Verfahren ein oder mehrere Gläubiger vergessen würden.
Mit Beschluss vom 11.11.2006 hat das Amtsgericht die bewilligte Stundung aufgehoben. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Stundung sei gemäß § 4c Nr. 1 InsO aufzuheben. Der Schuldner habe seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zumindest grob fahrlässig verletzt. Dies stelle einen Versagungsgrund gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO dar und rechtfertige die Aufhebung der bewilligten Stundung. Der Schuldner habe die Forderung der Gläubigerin über 11 926,96 EUR nicht angegeben. Dieses Verhalten des Schuldners sei auch grob fahrlässig. Bei der Nichtangabe einer Forderung komme es auf die Höhe der Forderung, deren Anteil an der Gesamtverschuldung, die Anzahl der Gläubiger und den Zeitpunkt des letzten Vollstreckungsversuchs beziehungsweise der letzten Korrespondenz an. Hier mache die Forderung der nicht angegebenen Gläubigerin ca. 5 % der Gesamtverschuldung aus. Zu berücksichtigen sei, dass die Gläubigerin über diese Forderung einen Mahnbescheid beantragt habe und der Schuldner nur ca. sieben Monate vor der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Widerspruch gegen den Mahnbescheid eingelegt habe. Auch habe der Schuldner im Vorfeld des Insolvenzantrags die Gläubigerin aufgefordert, den Schuldsaldo mitzuteilen. Wenn der Schuldner angesichts dieser Umstände die Gläubigerin nicht in die Verzeichnisse aufnehme, handele er grob fahrlässig.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Schuldner mit der sofortigen Beschwerde. Er meint, das bloße Vergessen einer Forderung sei kein grob fahrlässiges Verhalten. Zwar sei dem Schuldner diese Forderung bekannt gewesen, offensichtlich sei sie jedoch bei der Erstellung des Gläubigerverzeichnisses vergessen worden. Dieses bloße Vergessen seine keine grobe Pflichtverletzung.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Beschwerdekammer des Landgerichts zur Entscheidung vorgelegt.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 6 Abs. 1, 4d Abs. 1 InsO zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Das Amtsgericht hat zutreffend die bewilligte Stundung aufgehoben. Gemäß § 4c Nr. 1 kann das Gericht die Stundung aufheben, wenn der Schuldner vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Angaben über Umstände gemacht hat, die für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Stundung maßgebend sind. Hier hat der Schuldner gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO mit seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens versichert, dass die in dem eingereichten Gläubiger- und Forderungsverzeichnis enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind. Tatsächlich war jedoch das Gläubiger- und Forderungsverzeichnis unrichtig beziehungsweise unvollständig, denn der Schuldner hat eine Gläubigerin mit einer Forderung in Höhe von 11 926,96 EUR nicht aufgeführt. Dieses Verhalten des Schuldners war auch grob fahrlässig. Von einem Schuldner, der Restschuldbefreiung begehrt, kann erwartet werden, dass er seinen gesetzlichen Pflichten zur Auskunft und Mitwirkung genau nachkommt (Kübler/Prütting/Wenzel, Kommentar zur Insolvenzordnung, 22. Lfg. 2/05). Wie das Amtsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, spielen dabei die Höhe der Forderung, die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten, die Anzahl der Gläubiger und der Zeitpunkt des letzten Vollstreckungsversuchs beziehungsweise der letzten Korrespondenz mit dem Gläubiger eine Rolle. Hier hat die Gläubigerin Forderungen in Höhe von ca. 12 000,00 EUR geltend gemacht. Schon dieser Betrag ist nicht so unbedeutend, als dass er für den Schuldner in Vergessenheit geraten konnte. Darüber hinaus hat der Schuldner gegen den Mahnbescheid über diese Forderung am 11.08.2005 Widerspruch eingelegt. Im Oktober 2005 hat der Schuldner im Rahmen der Vorbereitung des Insolvenzantrags die Gläubigerin angeschrieben und aufgefordert, ihre Forderung mitzuteilen. Der Schuldner hat sich also in unmittelbar zeitlichem Zusammenhang mit dem Insolvenzantrag mit dieser Forderung beziehungsweise dieser Gläubigerin beschäftigt. Wenn er es dann unterlässt, diese Gläubigerin in seinem Gläubiger- und Forderungsverzeichnis zu erwähnen, ist das Verhalten des Schuldners grob fahrlässig. Der Schuldner kann sich nicht darauf berufen, dass er diese Gläubigerin schlicht vergessen habe, in die Verzeichnisse aufzunehmen. Wie bereits oben erwähnt, muss von einem Schuldner, der die Restschuldbefreiung begehrt, verlangt werden, dass er seinen Mitwirkungspflichten außerordentlich sorgfältig nachkommt. Das bloße Vergessen entschuldigt nicht, wenn - wie hier - die Forderung eine erhebliche Höhe aufweist und sich der Schuldner im Zusammenhang mit dem Insolvenzantrag mit der Forderung beschäftigt hat.
Die Aufhebung der Stundung ist hier darüber hinaus nach § 4c Nr. 5 InsO begründet. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Stundung aufheben, wenn die Restschuldbefreiung versagt oder widerrufen wird. Zwar greift nach dem Gesetzeswortlaut diese Vorschrift nur ein, wenn die Restschuldbefreiung versagt oder widerrufen wird, das heißt, diese Entscheidung über die Restschuldbefreiung entweder schon ergangen ist oder gleichzeitig mit der Aufhebung der Kostenstundung ergeht. Gleichwohl muss diese Vorschrift auch dann eingreifen, wenn - wie hier - die Entscheidung über die Versagung der Restschuldbefreiung noch nicht ansteht, die Restschuldbefreiung jedoch letztlich versagt werden wird und sich dieser Umstand deutlich abzeichnet. Dabei greift die Vorschrift des § 4c Nr. 5 InsO auch im bereits eröffneten Verfahren ein und ist nicht nur in dem Verfahrensstadium anwendbar, in dem sich die Frage stellt, ob Stundung zu bewilligen ist (I. Pape NZI 2005, 594, 597). Dass über den Gesetzeswortlaut des § 4a Abs. 1 Satz 3 und 4 InsO hinaus zu prüfen ist, ob auch andere der in § 290 Abs. 1 InsO aufgeführten Gründe heranzuziehen sind, um eine Stundung der Kosten zu versagen, wird inzwischen von der Literatur überwiegend vertreten (vergleiche Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Auflage § 4a Rdnr. 10; Jaeger/Eckardt, Insolvenzordnung, § 4a Rdnr. 36; Becker in: Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung Stand Juli 2002, § 4a Rdnr. 32 ff.; G. Pape ZVI 2003, 377, 381). Dabei steht die Überlegung im Vordergrund, dass öffentliche Mittel im Rahmen der Stundung nicht eingesetzt werden sollen, wenn letztlich die Restschuldbefreiung versagt werden wird und sich dieser Umstand schon vor der Stundung der Kosten abzeichnet. Dem hat sich der BGH insoweit angeschlossen, als auch dann die Stundung der Kosten zu versagen ist, wenn in dem Verfahrensstadium, in dem die Frage zu prüfen ist, ob Stundung zu bewilligen ist, zweifelsfrei feststeht, dass die Restschuldbefreiung aus anderen Gründen des § 290 Abs. 1 InsO scheitert ( BGH NJW-RR 2005, 697 = NZI 2005 232 [BGH 16.12.2004 - IX ZB 72/03]; BGH NZI 2005, 273 [BGH 27.01.2005 - IX ZB 270/03]). Mithin müssen die in § 290 Abs. 1 Nr. 1 - 6 InsO aufgeführten Versagungsgründe für die Frage der Bewilligung der Stundung geprüft werden. Wie bereits oben ausgeführt, hat der Schuldner hier gegen § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO verstoßen, weil das von ihm vorgelegte Gläubiger - und Forderungsverzeichnis unrichtig beziehungsweise unvollständig war und diese Unrichtigkeit/Unvollständigkeit auch auf ein grob fahrlässiges Verhalten des Schuldners zurückzuführen ist. Darüber hinaus hat der Schuldner in dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens angegeben, Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge nicht an einen Dritten abgetreten oder verpfändet zu haben. Auch diese Erklärung des Schuldners war unrichtig, denn im Verlauf des Insolvenzverfahrens hat sich herausgestellt, dass der Schuldner schon im Jahr 2002 die pfändbaren Teile seiner Ansprüche aus Arbeitseinkommen an die Sparkasse Göttingen abgetreten hatte. Im Hinblick auf diese Sachverhalte steht zu erwarten, dass ein Gläubiger im Schlusstermin beziehungsweise bei Anordnung des schriftlichen Verfahrens innerhalb der sodann vom Gericht bestimmten Frist den Antrag stellen wird, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Dies folgt auch daraus, dass die oben genannte Gläubigerin, die der Schuldner nicht in das Gläubiger- und Forderungsverzeichnis aufgenommen hat, einen solchen Antrag bereits angekündigt hat. Nach dem bisherigen Sachstand wird der Antrag der Gläubiger auf Versagung der Restschuldbefreiung erfolgreich sein, so dass es nicht zu vertreten ist, dem Schuldner weiterhin durch die Kostenstundung das Verfahren mit dem Ziel der Restschuldbefreiung zu ermöglichen, wenn die Vorausschau hier die begründete Annahme erlaubt, dass ein Gläubiger zu gegebener Zeit den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung stellen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Den Beschwerdewert hat die Kammer nach § 3 ZPO festgesetzt und ist dabei vom Interesse des Schuldners an der Kostenstundung ausgegangen.