Landgericht Göttingen
Beschl. v. 16.08.2006, Az.: 10 T 73/06

Möglichkeit der Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Bestellung eines Treuhänders in einem Restschuldbefreiungsverfahren durch den zuvor im Insolvenzverfahren eingesetzten Treuhänder; Erforderlichkeit einer Personenidentität zwischen dem im vereinfachten Verfahren eingesetzten Treuhänder und dem Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
16.08.2006
Aktenzeichen
10 T 73/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 35604
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2006:0816.10T73.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - 20.07.2006 - AZ: 74 IK 211/04

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Es besteht keine zwingende Personenidentität zwischen dem im Verbraucherinsolvenzverfahren und dem im anschließenden Restschuldbefreiungsverfahren ernannten Treuhänder.

  2. 2.

    Hat das Amtsgericht die Entscheidung eines Rechtspflegers bestätigt, in der dieser für das Restschuldbefreiungsverfahren einen anderen Treuhänder bestimmt hat als den ursprünglich für das Verbraucherinsolvenzverfahren bestellten Treuhänder, so kann der ursprüngliche Treuhänder gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel einlegen.

In dem Verbraucherinsolvenzverfahren
...
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
durch
E. als Einzelrichterin
auf die sofortige Beschwerde des Treuhänders vom 28.07./02.08.2006
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 20.07.2006 - 74 IK 211/04 -
am 16.08.2006
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Treuhänders wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: 600,00 EUR.

Gründe

1

Der Schuldner hat am 25.07.2004 beantragt, das Insolvenzverfahren über sein Vermögen zu eröffnen sowie ihm die Restschuldbefreiung zu erteilen. Mit Beschluss vom 13.08.2004 hat das Amtsgericht das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet, dem Schuldner Stundung bewilligt und den Rechtsanwalt F. zum Treuhänder bestellt.

2

Mit Beschluss vom 21.06.2006 hat das Amtsgericht - Rechtspflegerin - dem Schuldner die Erteilung der Restschuldbefreiung angekündigt und den G. H. in Göttingen zum Treuhänder bestimmt.

3

Gegen diesen Beschluss hat der oben genannte Treuhänder Beschwerde eingelegt und ausgeführt, er sei mit seiner Bestellung zum Treuhänder bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugleich auch für das Restschuldbefreiungsverfahren bestellt worden. Indem das Amtsgericht im Beschluss vom 21.06.2006 einen anderen Treuhänder bestimmt habe, sei er, der Beschwerdeführer vom Insolvenzgericht schlicht abberufen beziehungsweise abgewählt worden. Hintergrund dieser Abberufung sei offensichtlich eine unterschiedliche Rechtsauffassung zwischen dem Treuhänder und dem Insolvenzgericht in einem anderen Restschuldbefreiungsverfahren in Bezug auf den vom Treuhänder in jenem Verfahren beantragten Vorschuss auf seine Vergütung. Offensichtlich sei die jetzige Entlassung aus dem Amt eine Reaktion des Amtsgerichts auf die Differenzen in jenem Verfahren.

4

Mit Beschluss vom 20.07.2006 hat das Amtsgericht - Insolvenzrichter - den Rechtsbehelf des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, es könne dahinstehen, ob dieser Rechtsbehelf zulässig sei, jedenfalls sei er unbegründet. Bei der gemäß § 11 Abs. 2 RPflG bestehenden Möglichkeit der sofortigen Erinnerung sei eine Entscheidung des Rechtspflegers allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Ermessensnichtgebrauchs oder Ermessensfehlgebrauchs überprüfbar. Davon könne jedoch im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Das Insolvenzgericht sei durchaus befugt, in der sogenannten Wohlverhaltensperiode einen anderen Treuhänder zu ernennen als im vorhergehenden vereinfachten Insolvenzverfahren. Regelmäßig sei zwar die Person des Treuhänders in beiden Verfahrensabschnitten identisch, zwingend sei dies jedoch nicht. Darüber hinaus erfülle der bisherige Treuhänder nicht mehr die Voraussetzungen, die an eine ordnungsgemäße Ausübung des Amts zu stellen seien. Ein wesentliches Kriterium für die Bestellung zum Insolvenzverwalter und zum Treuhänder sei die Ortsnähe. Der Treuhänder werde jedoch seinen Kanzleisitz mit Wirkung vom 01.09.2006 von I. in das ca. 50 km entfernte J. verlegen. Damit sei die Ortsnähe in der Treuhandphase nicht mehr erfüllt. Im Übrigen ergäben sich Zweifel an der Qualifikation des bisherigen Treuhänders, weil in zwei Regelinsolvenzverfahren gegen ihn eine Vielzahl von Ordnungsgeldern festgesetzt worden sei, weil er seit Jahren die erforderlichen Rechnungslegungen nicht vornehme. Auch dies spreche dagegen, den bisherigen Treuhänder weiter zu beschäftigen.

5

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit der sofortigen Beschwerde. Er meint, die Auffassung des Amtsgerichts sei nicht zutreffend, vielmehr werde bei Kleininsolvenzen nur eine Person als Treuhänder für das Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren bestimmt. Demzufolge könne das Amtsgericht den für das Verbraucherinsolvenzverfahren bestellten Treuhänder nur unter den Voraussetzungen des § 59 InsO entlassen. Sofern das Amtsgericht nach dieser Vorschrift habe vorgehen wollen, sei ihm jedoch nicht das rechtliche Gehör gewährt worden. Unzutreffend sei auch der Hinweis des Amtsgerichts, dass er, der Beschwerdeführer wegen der zukünftigen Verlegung seines Kanzleisitzes aufgrund der fehlenden Ortsnähe nicht mehr zum Treuhänder geeignet sei. Es sei die Ausnahme, dass die Schuldner persönlich in die Kanzlei des Treuhänders kämen. In der Mehrzahl aller Fälle finde der Kontakt zwischen Schuldner und Treuhänder per Post, per Telefon, Telefax oder E-Mail statt. Darüber hinaus sei es selbstverständlich, dass er, der Beschwerdeführer sich mit einem Schuldner vor Ort treffen werde, falls dies erforderlich sei und der Schuldner nicht in der Lage sei, den Treuhänder an dem neuen Kanzleisitz in J. aufzusuchen. Unbegründet sei auch der Hinweis des Amtsgerichts auf die zwei Regelinsolvenzverfahren, in denen gegen den Beschwerdeführer Zwangsgelder festgesetzt worden seien. Er, der Beschwerdeführer habe in 16 Jahren ca. 1.300 Insolvenzverfahren bearbeitet, lediglich in diesen beiden Verfahren habe es Schwierigkeiten mit der Rechnungslegung gegeben, weil er eine Firma mit der Erstellung der Rechnungslegung beauftragt habe und bei dieser Firma Stockungen im Arbeitsablauf vorkämen.

6

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie der Beschwerdekammer des Landgerichts zur Entscheidung vorgelegt.

7

Die sofortige Beschwerde des Treuhänders ist nicht zulässig. Nach § 6 Abs. 1 InsO unterliegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde vorsieht. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. In dem angefochtenen Beschluss vom 20.07.2006 hat das Amtsgericht - Insolvenzrichter - eine Entscheidung der Rechtspflegerin bestätigt, in der diese für das Restschuldbefreiungsverfahren einen anderen Treuhänder bestimmt hat als den ursprünglich für das Verbraucherinsolvenzverfahren bestellten Treuhänder. Dem Beschwerdeführer steht gegen die Bestellung des G. H. zum Treuhänder im vorliegenden Restschuldbefreiungsverfahren kein Rechtsmittel nach der Insolvenzordnung zu.

8

Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde folgt auch nicht aus § 59 Abs. 2 InsO. Nach dieser Vorschrift steht dem Verwalter gegen seine Entlassung die sofortige Beschwerde zu. Das Amtsgericht hat jedoch den Beschwerdeführer hier weder ausdrücklich noch konkludent aus dem Amt des Treuhänders entlassen. Einer solchen Entlassung bedurfte es auch nicht, denn mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung für den Schuldner und der damit beginnenden Tätigkeit des Treuhänders in der Wohlverhaltensperiode endete das Amt des Treuhänders für das vereinfachte Insolvenzverfahren. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers wirkte seine Bestellung zum Treuhänder für das eröffnete Insolvenzverfahren gemäß dem Beschluss vom 13.08.2004 nicht automatisch fort für die Zeit der Wohlverhaltensperiode. Nach § 291 Abs. 2 InsO bestimmt das Gericht in dem Beschluss, in dem es dem Schuldner die Restschuldbefreiung ankündigt den Treuhänder, auf den die pfändbaren Bezüge des Schuldners nach Maßgabe der Abtretungserklärung übergehen. Daraus folgt, dass zwischen dem Treuhänder des vereinfachten Verfahrens und dem des Restschuldbefreiungsverfahrens keine Personenidentität bestehen muss. Zwar soll nach der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu § 357 j Abs. 1 (= § 313) gewährleistet sein, dass bei Kleininsolvenzen nur eine Person für die Wahrnehmung der Verwalter- und Treuhänderaufgaben bestellt wird. Dies soll zu einer Vereinfachung des Verfahrens führen und dazu beitragen, das Verfahren kostengünstiger abzuwickeln (BT-Drucks 12/7302 S. 193). Zwingend ist jedoch die Personenidentität zwischen dem Treuhänder des vereinfachten Verfahrens und dem des Restschuldbefreiungsverfahrens nicht (Uhlenbruck/Vallender, Insolvenzordnung, 12. Auflage § 288 Rdnr. 6; § 291 Rdnr. 12; Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung/Ahrens, 4. Auflage § 291 Rdnr. 8; Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht/Streck § 291, Rdnr. 7; Kübler/Prütting/Wenzel, Kommentar zur Insolvenzordnung, 22. Lfg. 2/05 § 291 Rdnr. 3; Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung Landfermann, 4. Auflage § 219 Rdnr. 7; Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung/Stephan, § 291 Rdnr. 29). Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird, dass der im Verbraucherinsolvenzverfahren ernannte Treuhänder auch im anschließenden Restschuldbefreiungsverfahren die Treuhänderfunktion wahrnimmt, mithin eine Personenidentität besteht (vgl. Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz, 3. Auflage Rdnr. 1050; Smid, Insolvenzordnung, § 313 Rdnr. 1), vermag die Kammer dieser Auffassung nicht zu folgen. Dagegen spricht zum einen der Wortlaut des § 291 Abs. 2 InsO, wonach das Gericht in dem Beschluss, mit dem es dem Schuldner die Restschuldbefreiung ankündigt, den Treuhänder bestimmt. Wenn die Bestellung des Treuhänders, die im Eröffnungsbeschluss erfolgt, auch für das Restschuldbefreiungsverfahren fortwirken würde, wäre die Regelung in § 291 Abs. 2 InsO überflüssig. Der Regelung, dass in dem Beschluss, mit dem die Restschuldbefreiung angekündigt wird, auch der Treuhänder bestimmt wird, bedürfte es für diesen Fall nicht. Zwar wird es regelmäßig so sein, dass der Treuhänder, der im Eröffnungsbeschluss bestimmt worden ist, auch die Aufgaben des Treuhänders im Restschuldbefreiungsverfahren übernimmt. Aus der Wortwahl des Gesetzes ergibt sich jedoch nicht, dass diese Folge automatisch mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung eintritt. Dagegen spricht im Übrigen auch, dass sowohl der Schuldner als auch die Gläubiger nach § 288 InsO dem Insolvenzgericht einen Treuhänder vorschlagen können, den das Gericht bei der Entscheidung nach § 291 Abs. 2 InsO berücksichtigt. Auch diese Vorschrift ginge ins Leere, wenn die Person des Treuhänders bereits mit der Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens festgeschrieben würde. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Treuhänder im Verbraucherinsolvenzverfahren und derjenige im Restschuldbefreiungsverfahren zwei unterschiedliche Ämter mit zwei verschiedenartigen Funktionen ausübt, die sachlich zu trennen sind (Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung/Ahrens, 4. Auflage, § 291 Rdnr. 8; Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung/Stephan, § 291 Rdnr. 29; Uhlenbruck/Vallender, Insolvenzordnung, 12. Auflage § 291 Rdnr. 12; Kübler/Prütting/Wenzel, Kommentar zur Insolvenzordnung, 22. Lfg. 2/05 § 291 Rdnr. 3). Auch vergütungsrechtlich ist das Amt des Treuhänders im Verbraucherinsolvenzverfahren von dem des Treuhänders im Restschuldbefreiungsverfahren zu unterscheiden (BGH ZVI 2004, 57). Auch dies spricht dafür, dass keine Personenidentität bestehen muss. Wenn jedoch das Insolvenzgericht mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung einen anderen Treuhänder bestellen kann als denjenigen, der für das Verbraucherinsolvenzverfahren bestimmt worden war, folgt daraus der Schluss, dass das Amt des Treuhänders aus dem Verbraucherinsolvenzverfahren zunächst endet, wenn das Verfahren in die Restschuldbefreiung übergeht. Will also das Insolvenzgericht für das Restschuldbefreiungsverfahren einen anderen Treuhänder bestimmen, braucht es den ersten Treuhänder nicht aus dem Amt zu entlassen. Auf die Gründe, die das Amtsgericht bewogen haben, für das Restschuldbefreiungsverfahren hier einen anderen Treuhänder zu bestimmen, kommt es nicht an.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

10

Den Beschwerdewert hat die Kammer nach § 3 festgesetzt und ist dabei vom Interesse des Beschwerdeführers ausgegangen.