Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 16.11.2005, Az.: 1 A 125/04

Anspruch auf Beförderung; Aufstieg; Beamter; Beförderung; Beförderungsamt; Bewährungsaufstieg; höherwertiger Dienstposten; Regierungsdirektor; Verwendungsbereich; Verwendungsbreite; Wahrnehmung des Dienstes

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
16.11.2005
Aktenzeichen
1 A 125/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 50887
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

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Der Kläger erstrebt mit seiner Klage eine Beförderung zum Leitenden Regierungsdirektor.

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Er war von 1962 bis 1970 beim Bundesgrenzschutz tätig, legte am 20. Dezember 1972 die Prüfung für den gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienst ab und war sodann als Beamter im Nds. Justizvollzugsdienst (Verwaltungsinspektor, Oberinspektor, Amtmann, Amtsrat, Oberamtsrat) tätig.

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Am 3. Mai 1995 führte der Kläger im Nds. Ministerium ein Gespräch über seine „weiteren beruflichen Perspektiven im niedersächsischen Justizvollzug“. Er wurde hierauf im April 1996 mit Wirkung vom 1. Juni 1996 zum Aufstieg für besondere Verwendung zugelassen. Durch Beschluss des Unabhängigen Ausschusses zur Feststellung der Befähigung von Beamten für die nächsthöhere Laufbahn gem. § 20 NLVO bei dem Nds. Ministerium der Justiz u. für Europaangelegenheiten vom 19. Dezember 1996 wurde festgestellt, dass der Kläger die Befähigung für die Laufbahn des höheren Vollzugs- und Verwaltungsdienstes im Verwendungsbereich „Vertretung der Anstaltsleitung in einer großen Justizvollzugsanstalt des offenen Vollzuges“ besitzt. Durch Erlass vom 14. Januar 1997 wurde das dem Kläger mitgeteilt und zugleich - vor seiner Ernennung zum Regierungsrat - seine Bewährungszeit auf 3 Monate festgesetzt. Anschließend wurde er zum Regierungsrat, 1999 zum Oberregierungsrat und mit Urkunde vom 18. Juli 2002 zum Regierungsdirektor ernannt. Zuvor war ihm zum 15. Januar 2002 der nach A 16 BBesO bewertete Dienstposten des Leiters der JVA B. übertragen worden.

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Im Juli 2003 suchte er im Justizministerium bei einem persönlichen Gespräch um seine rechtzeitige Beförderung in ein Amt der BesGr. A 16 nach, um aus diesem Amt auch seine Beamtenversorgung erhalten zu können.

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Er beantragte sodann mit Schreiben vom 3. Juli 2003, ihm gem. § 32 e NLVO die uneingeschränkte Befähigung für die Laufbahn des höheren Vollzugs- und Verwaltungsdienstes zuzuerkennen, was mit Erlass vom 13. Oktober 2003 jedoch abgelehnt wurde: Der Kläger sei zwar gem. § 32 a NLVO a.F. im Verwendungsbereich “Vertretung der Anstaltsleitung einer großen Justizvollzugsanstalt des offenen Vollzuges“ zum Verwendungsaufstieg zugelassen, seine entsprd. Befähigung mit Erlass v. 14. Januar 1997 auch festgestellt worden, aber aus dem Einsatz auf dem übertragenen Dienstposten folge nicht etwa, dass der Kläger nunmehr allgemein und uneingeschränkt für den höheren Vollzugs- und Verwaltungsdienst befähigt sei. Diese Befähigung könne nur über das übliche Aufstiegsverfahren nach § 32 und § 31 e NLVO erworben werden, wofür der Kläger allerdings inzwischen zu alt sei.

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Der dagegen gerichtete, ausführlich begründete Widerspruch wurde mit Erlass vom 26. Januar 2004 zurückgewiesen.

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Zur Begründung seiner am 16. Februar 2004 erhobenen Klage trägt der Kläger vor, mit der uneingeschränkten Übertragung eines Dienstpostens der BesGr. A 16 habe das Ministerium selbst die Verwendungseinschränkung des § 32 a Abs. 2 S. 2 NLVO alt. F. aufgehoben und ihm zugleich die uneingeschränkte Befähigung für ein A-16-Amt zuerkannt worden. Mangels Übergangsbestimmungen sei davon auszugehen, dass mit der Übertragung eines A-15-Amtes die Befähigung für alle Ämter der Laufbahn des höheren Dienstes zuerkannt sei. Die nach altem Recht diesen Grundsatz einschränkenden Bestimmungen seien weggefallen, so dass es keine normativen Hindernisse für einen weiteren Aufstieg mehr gebe. Es wäre somit widersprüchlich, ihm die Übertragung eines entsprd. A-16-Amtes dauerhaft zu verweigern, zumal in der JVA B. eine der schwierigsten Insassenstrukturen des Landes anzutreffen sei. Spätestens ab Juli 2003 (Ablauf der Beförderungsfrist von 1 Jahr, § 14 Abs. 2 Ziff. 2 NBG) könne seinem Dienstposten daher auch eine A-16-Stelle zugeordnet werden. Wenngleich es keinen Anspruch auf Beförderung gebe, so folge doch aus Art. 33 Abs. 5 GG, dass die Übertragung eines nach A 16 bewerteten Dienstpostens auch die Übertragung eines entsprechenden Amtes nach sich ziehe. Gemäß der allgemeinen Beförderungspraxis im Lande sei er unmittelbar nach Ablauf der laufbahnrechtlichen Mindest-Wartezeiten, also am 20. Januar 2004, zu befördern gewesen.

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Der Kläger beantragt,

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das beklagte Ministerium unter Aufhebung seines Erlasses vom 13. Oktober 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2004 zu verpflichten, dem Kläger das Amt eines Ltd. Regierungsdirektors unter gleichzeitiger Einweisung in eine Planstelle der BesGr A 16 zu übertragen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er trägt vor, es treffe nicht zu, dass durch die Neuregelungen des Aufstiegs in den höheren Dienst keinerlei Beschränkungen mehr bestünden, also denjenigen Bediensteten, die noch nach altem Recht den Verwendungsaufstieg absolviert hätten, nunmehr auch eine umfassende Eignung für die Laufbahn des höheren Dienstes zuzuerkennen wäre. Der Verwendungsaufstieg für den höheren Dienst sei inzwischen entfallen und die Rechtslage für den sonstigen Aufstieg aber deutlich verschärft worden: So sei u.a. ein Assessment-Center-Verfahren eingeführt worden. Damit solle dem Grundsatz der Bestenauslese noch mehr als früher Rechnung getragen und den Bediensteten eine umfangreiche Kompetenz in Management- und Führungsmethoden vermittelt werden. Sinn und Zweck des § 32 e NLVO stünden somit einer Zuerkennung umfassender Eignung an die nach altem Recht aufgestiegenen Beamten entgegen. Durch die Übertragung der Aufgaben eines Leiters der JVA B. sei die Verwendungseinschränkung des § 32 a Abs. 2 S. 2 NLVO alt. F. nicht etwa aufgehoben worden. Hiervon abgesehen sei im Personalhaushalt auch keine Stelle der BesGr. A 16 vorhanden. Schließlich bestehe ein Rechtsanspruch auf Beförderung auch dann nicht, wenn ein Beamter für längere Zeit auf einem höher bewerteten Dienstposten beschäftigt werde.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet.

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Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, das Amt eines Ltd. Regierungsdirektors - unter gleichzeitiger Einweisung in eine Planstelle der BesGr. A 16 - übertragen zu bekommen, § 113 Abs. 4 und Abs. 5 VwGO.

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1. Auch im Lichte eines Verständnisses des Art. 33 Abs. 2 GG, demzufolge ein subjektiv-öffentliches Recht des Bestgeeigneten auf Beförderung besteht, hat der Kläger keinen Anspruch auf Beförderung (vgl. dazu Schnellenbach, NJW-Schriften 40, 5. Auflage, Rdn. 65 m.w.N.). Denn aus der Wahrnehmung eines höherwertigen Dienstpostens allein folgt in der Regel noch kein Anspruch darauf, auch tatsächlich befördert zu werden. Siehe dazu BVerwG, DÖV 1985, 875 [BVerwG 28.02.1985 - BVerwG 2 C 31.84]:

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„Aus der Wahrnehmung der Obliegenheiten eines höherwertigen Dienstpostens folgt in aller Regel kein Anspruch des Beamten auf Verleihung eines entsprechenden Status (vgl. § 19 Abs. 2 BBesG). Vielmehr kann der Dienstherr ´einen Beamten für gewisse, auch längere Zeit in einer höher bewerteten Funktion beschäftigen, ohne dass sich für ihn daraus ohne weiteres eine Verpflichtung zur Beförderung des Beamten ergäbe´ (vgl. Urteil v. 17.4.1975 - 2 C 30.73 - (Buchholz 235 § 1 BBesG Nr. 1 = ZBR 1976, 149); Beschluss v. 15.7.1977 - 2 B 36.76 - (Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 66).“

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Das gilt hier in besonderem Maße deshalb, weil der Kläger nach den Bestimmungen, die für seinen Aufstieg einschlägig waren, nicht die volle Verwendungsbreite zugesprochen bekommen hatte, sondern nur eine solche im Verwendungsbereich „Vertretung der Anstaltsleitung in einer großen Justizvollzugsanstalt des offenen Vollzuges“.

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2. Nach der alten Fassung der NLVO gab es gem. § 32 a NLVO (v. 28.8.1984, Nds.GVBl. S. 193, idF der 5. Verordnung zur Änderung der NLVO, Nds. GVBl. 1991, S. 345/347) einen „Aufstieg für besondere Verwendungen“. Hiernach war es Beamten des gehobenen Dienstes möglich, unter bestimmten Voraussetzungen zu einem „auf einen bestimmten Verwendungsbereich beschränkten Aufstieg ohne Prüfung“ zugelassen zu werden. Gem. § 32 a Abs. 2 S. 2 NLVO a.F. durften einem „Verwendungsbereich“ nur „Dienstposten des höheren Dienstes bis zum zweiten Beförderungsamt“ zugeordnet werden. Nach Abs. 3 S. 3 der Vorschrift war in der Entscheidung über die Befähigung der „Verwendungsbereich“ (ausdrücklich) zu bezeichnen und festzulegen.

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Nach diesen Bestimmungen ist der Kläger aufgestiegen - unter Bezeichnung des Verwendungsbereichs, so wie er hier vom Unabhängigen Ausschuss festgelegt worden ist. Die Zuordnung von Dienstposten durfte nur bis zum zweiten Beförderungsamt erfolgen, also bis zur BesGr. A 15 (A 13 Eingangsamt, A 14 erstes Beförderungsamt, A 15 zweites Beförderungsamt). So ist beim Kläger verfahren worden. Er ist mit Wirkung vom 1. des Monats, in dem ihm Erlass und Ernennungsurkunde vom Juli 2002 ausgehändigt worden sind, in eine Planstelle der BesGr. A 15 BBesO bei der JVA S. eingewiesen worden.

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3. Dadurch, dass es inzwischen einen geänderten Aufstieg in den Höheren Dienst gibt, wird der nach den gen. Regelungen des § 32 a NLVO a.F. einmal erfolgte und vollzogene Aufstieg nicht mehr berührt. Es handelt sich um einen abgeschlossenen Sachverhalt, der durch veränderte Möglichkeiten des Aufstiegs (§ 32 e NLVO n.F.) nach neueren und anderen Regeln nicht mehr tangiert wird.

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Der Kläger kann nicht damit argumentieren, dass die neueren Vorschriften einen Verwendungsbereich iSv § 32 a NLVO a.F. nicht mehr kennen, ihm daher nachträglich auch das dritte Beförderungsamt der BesGr. A 16 eröffnet werden müsse. Das sahen die genannten (alten) Vorschriften nicht vor. Einen Aufstieg nach neuem Recht - mit den eröffneten Folgen - hat der Kläger jedoch nicht absolviert. Vgl. dazu § 32 e NLVO n.F.:

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§ 32 e Aufstieg in den höheren Dienst

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(1) Beamte des gehobenen Dienstes können zum prüfungsfreien Aufstieg in eine Laufbahn des höheren Dienstes derselben Fachrichtung zugelassen werden, wenn sie sich in einer Dienstzeit von mindestens zwei Jahren in einem Amt der Besoldungsgruppe A 12 bewährt haben.

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(2) Ist die Zulassung zum Aufstieg durch die Aufstiegskommission (§ 32 f) bestätigt worden, so überträgt die Ernennungsbehörde im Einvernehmen mit der Einführungsbehörde dem Beamten für die Dauer von 15 Monaten die Aufgaben von Dienstposten der neuen Laufbahn. Die Beamten sollen mindestens einen Teil der Einführungszeit bei mindestens einer anderen Behörde als der bisherigen Dienstbehörde ableisten; Beamte der mittelbaren Landesverwaltung können stattdessen einen Teil der Einführungszeit in einer anderen Organisationseinheit ihrer Dienstbehörde ableisten. Bis zu vier Monate können bei einer geeigneten Einrichtung außerhalb der öffentlichen Verwaltung abgeleistet werden. Während der Einführungszeit haben die Beamten an Lehrveranstaltungen der Aufstiegsfortbildung teilzunehmen.

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Diese neuen Bestimmungen über einen Bewährungsaufstieg, der unter Geltung der neuen Bestimmungen möglich ist, lassen abgeschlossene Sachverhalte, mithin Aufstiege der Vergangenheit, die sich noch nach den Vorschriften der NLVO a.F. gerichtet haben, unberührt. Sie gelten für solche Beamte, die sich einem Bewährungsaufstieg unter ihrer Geltung unterziehen, nicht für Beamte, die sich in der Vergangenheit einmal einem Bewährungsaufstieg unter anderen Bedingungen und Voraussetzungen unterzogen haben.

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4. Auf den Gleichheitssatz kann sich der Kläger in diesem Zusammenhang nicht berufen (vgl. dazu seinen Widerspruch v. 3.12.2003): Er bestimmt lediglich, dass Gleiches gleich, aber auch Ungleiches ungleich zu behandeln ist. Die aufgezeigten Unterschiede zwischen einem Verwendungsaufstieg nach § 32 a NLVO (a.F.) und einem Bewährungsaufstieg nach § 32 e NLVO (n.F.) rechtfertigen eine differenzierte Behandlung. Auch ein widersprüchliches Verhalten kann dem Beklagten demzufolge nicht vorgehalten werden.

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Auf die Zuordnung einer Planstelle und die Fürsorgepflicht kommt es damit nicht an.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.