Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 17.11.2005, Az.: 2 A 168/04
Auslegung; Baugenehmigung; Bauvoranfrage; Bauvorbescheid; Bindungswirkung; Flächennutzungsplan; Gegenstand; Rechtsauskunft; Rechtsbehelfsbelehrung; Regelung; Verwaltungsakt; Windkraftanlage
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 17.11.2005
- Aktenzeichen
- 2 A 168/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50816
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 35 Abs 3 S 3 BauGB
- § 74 Abs 1 BauO ND
- § 35 VwVfG
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten, ihr einen Bauvorbescheid zur Errichtung einer Windenergieanlage mit einer Nabenhöhe von 100 m in der Gemarkung D. der Gemeinde Nahrendorf zu erteilen.
Am 20. November 2002 stellte die Klägerin beim Beklagten eine Bauvoranfrage. Auf dem Vordruck gab sie als Baumaßnahme „Errichtung einer Windenergieanlage Typ Vestas V 80 - 2000 KW, Nabenhöhe 100 m, Rotorradius 40 m“ auf dem Flurstück E. der Flur F. Gemarkung D. in der Gemeinde Nahrendorf an und als Fragestellung zur Baumaßnahme „Widerspricht die in der Bauvoranfrage näher beschriebene Windkraftanlage öffentlichen Belangen im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB?“.
Mit Schreiben vom 2. Dezember 2002 teilte der Beklagte der Klägerin mit, die in der Bauvoranfrage genannte Fragestellung sei etwas missverständlich, da Windkraftanlagen als Vorhaben, die der Nutzung der Windenergie dienten, unter § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB fielen. Zulässig seien diese nach § 35 Abs. 1 BauGB im Außenbereich, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstünden und die ausreichende Erschließung gesichert sei. Er nehme daher an, dass die Klägerin eine solche Prüfung wünsche. Das geplante Vorhaben werde daher von ihm daraufhin geprüft, ob dieses nach städtebaulichem Planungsrecht zulässig sei. Sollte dies nicht gewollt sein, bitte er um kurzfristige Richtigstellung.
Mit Schreiben vom 9. Januar 2003 erklärte die Beigeladene zu 2., sie verweise auf ihre Stellungnahme zum Antrag der G. H. GmbH I.. Hier habe nur der Antragsteller gewechselt. Deshalb erteile sie auch weiterhin nicht das Einvernehmen.
Mit Schreiben vom 15. Januar 2003 erklärte die Beigeladene zu 1., gegen die Baumaßnahme würden Bedenken erhoben. Die Darstellung im Flächennutzungsplan stehe der geplanten Baumaßnahme nicht entgegen und die wegemäßige Erschließung sei gesichert. Die Anlage solle in der Nähe des Naturparks J. /K. gebaut werden, daher sei zu prüfen, unter Berücksichtigung der bereits genehmigten Anlagen, ob hier eine Beeinträchtigung zu befürchten sei. Des Weiteren könne zu unvollständigen Anträgen sowohl von der Gemeinde als auch von der Samtgemeinde nicht beurteilt werden, ob die Anlage planungsrechtlich zulässig sei. Hierzu verweise sie auf die Anlage der von der Gemeinde geforderten Unterlagen, die Beigeladene zu 2. bereits bei der Stellungnahme vom 29. August 2002 beigefügt habe.
Mit Schreiben vom 2. Januar 2003 teilte der Beklagte der Klägerin mit, die Vorprüfung der Bauvoranfrage habe ergeben, dass zur Beurteilung noch folgende Unterlagen erforderlich seien: Der gewählte Standort der Anlage erfordere die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens. Dazu müsse sich die Klägerin mit dem Amt für Kreisentwicklung in Verbindung setzen. Die Voranfrage sei im Hinblick auf Naturschutz und Landschaftspflege nicht prüffähig. Bei der überschlägigen Einschätzung des Standortes könne eine Beurteilung nach § 11 NNatG nicht ausgeschlossen werden. Zur Abarbeitung der Eingriffsregelung gemäß §§ 7 ff NNatG sei ein landespflegerischer Begleitplan zu erstellen, der insbesondere die im folgenden benannten Punkte zu berücksichtigen habe: 1. Kurzbeschreibung Boden- und Wasserverhältnisse, 2. Biotoptypenkartierung, 3. Landschaftsbild. Bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt wolle er darauf hinweisen, dass im Zuge des Baugenehmigungsverfahrens ein Schallimmissions- und Schattenwurfgutachten einzureichen sei. Diese Gutachten müssten sämtliche Windkraftanlagen im Einwirkungsbereich der geplanten Anlage berücksichtigen, die zum Zeitpunkt der Antragstellung des Bauantrags bereits genehmigt worden seien bzw. sich in einem Genehmigungsverfahren befänden. Er mache darauf aufmerksam, dass es aufgrund der Vielzahl bereits bestehender Anlagen zu immissionsschutzrechtlichen Beschränkungen für den Betrieb der beantragten Anlage kommen könnte, durch die die Wirtschaftlichkeit der Anlage in Frage gestellt sein könnte. Im eigenen Interesse sollte die Klägerin daher bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt durch ein Gutachten sicherstellen, dass eventuell notwendige Einschränkungen die Rentabilität der Anlage nicht gefährdeten.
Mit Schreiben vom 24. Januar 2003 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die Beigeladene zu 2. ihr Einvernehmen verweigert habe. Eine Ersetzung des Einvernehmens käme nur in Betracht, wenn die Auswertung der von ihm nachgeforderten Unterlagen eine städtebauliche Zulässigkeit ergeben würde. Es werde daher empfohlen, diese Unterlagen umgehend nachzureichen. Allerdings weise er darauf hin, dass in Kürze die Änderung des Flächennutzungsplans der Samtgemeinde Dahlenburg zu erwarten sei. Nach Wirksamwerden der Planänderung und der darin dargestellten Vorrangstandorte für Windenergienutzung stünde dieser Flächennutzungsplan dem Vorhaben als öffentlicher Belang nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegen. Die Bauvoranfrage wäre dann negativ zu bescheiden.
Mit Schreiben vom 12. Februar 2003 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, sie beschränke ihre Bauvoranfragen auf die Frage, ob die Bauvorhaben den Darstellungen eines Flächennutzungsplans widersprächen.
Mit einem als „Rechtsaufklärung“ überschriebenen Schreiben vom 21. Februar 2003, betreffend mehrere Bauvoranfragen der Klägerin, teilte der Beklagte der Klägerin daraufhin mit, diese Reduzierung der Bauvoranfragen sei unverständlich und mache wenig Sinn. Nach § 74 Abs. 1 NBauO sei für eine Baumaßnahme auf Antrag über einzelne Fragen, über die im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden wäre und die selbständig beurteilt werden können, durch Bauvorbescheid zu entscheiden. Dies gelte auch für die Frage, ob eine Baumaßnahme nach städtebaulichem Planungsrecht zulässig sei. Nach städtebaulichem Planungsrecht zulässig wären die geplanten Windenergieanlagen nach § 35 Abs. 1 BauGB, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstünden und die ausreichende Erschließung gesichert sei. Über die Zulässigkeit sei im Einvernehmen mit den betroffenen Gemeinden zu entscheiden. Die Klägerin greife jetzt mit dem Flächennutzungsplan einen öffentlichen Belang nach § 35 Abs. 3 BauGB heraus und wünsche darüber eine Aussage. Mit einer solchen ausschnittsweisen Prüfung lasse sich die Frage der städtebaulichen Zulässigkeit, wie sie in § 74 NBauO zur Prüfung freigegeben sei, nicht verbindlich klären. Eine solche Fragestellung gehe nicht über ein Rechtsauskunftsersuchen hinaus und könne daher nicht in der Qualität eines Bauvorbescheides mit der gewünschten Bindungswirkung entschieden werden. Zur Beantwortung der Frage reiche ein Blick in den derzeit noch gültigen Flächennutzungsplan der Samtgemeinde Dahlenburg. In diesem Plan habe die Klägerin bereits wiederholt Einsicht genommen und feststellen können, dass dieser für die betroffenen Standorte derzeit keine entgegenstehenden Festsetzungen enthalte. Der Klägerin sei aber auch bekannt, dass die Samtgemeinde Dahlenburg die Änderung des Flächennutzungsplans und Ausweisung von Vorrangstandorten für Windenergieanlagen mit gleichzeitiger Ausschlusswirkung für andere Standorte beschlossen habe und dieser Plan der Bezirksregierung Lüneburg zur Genehmigung vorliege. Er könne daher nur noch einmal dringend empfehlen, die zur Beurteilung der städtebaulichen Zulässigkeit nachgeforderten Unterlagen nunmehr umgehend zur Prüfung vorzulegen.
Mi einem weiteren, als „Eingangsbestätigung“ bezeichneten Schreiben vom 21. Februar 2003 bestätigte der Beklagte den Eingang des Schreibens vom 14. Februar 2003 und erklärte u.a., die Klägerin wisse, dass der derzeit gültige Flächennutzungsplan der Samtgemeinde Dahlenburg für die betroffenen Standorte keine entgegenstehenden Festsetzungen enthalte.
Nach weiterer Korrespondenz mit dem Bevollmächtigten der Klägerin hinsichtlich des Umfang der vorzulegenden Unterlagen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 21. Mai 2003 (betreffend das Flurstück E. /F., Az. L.) die Behandlung der Bauvoranfrage ab. Zur Begründung führte er aus, nach § 73 Abs. 2 iVm § 74 Abs. 2 Satz 2 NBauO solle die Bauaufsichtsbehörde die Behandlung der Bauvoranfragen unter Angabe der Gründe ablehnen, wenn die zur Beurteilung erforderlichen Unterlagen wesentliche Mängel aufwiesen. Die von ihm mit Schreiben vom 2. Januar 2003 nachgeforderten Unterlagen seien bis heute nicht vorgelegt worden. Ohne diese Unterlagen sei es ihm nicht möglich, die Behandlung der Bauvoranfragen vorzunehmen. Im Übrigen sei die Änderung des Flächennutzungsplans der Samtgemeinde Dahlenburg nunmehr rechtskräftig, so dass die beantragte Windkraftanlage nach städtebaulichem Planungsrecht unzulässig sei. Eine Baugenehmigung könne somit auch nach Vervollständigung der Bauvoranfragen nicht mehr in Aussicht gestellt werden.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 18. Juli 2003 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, bereits mit Schreiben vom 21. Februar 2003 habe der Beklagte ihre Bauvoranfrage positiv beantwortet. Im Übrigen seien anderen Bauherren Bauvorbescheide erteilt worden, ohne dass derartige umfangreiche Unterlagen angefordert worden seien. Die vom Beklagten gewünschten Gutachten und weiteren Bauvorlagen befänden sich bereits beim Beklagten. Allenfalls das genannte Schallimmissions- und Schattenwurfgutachten läge möglicherweise noch nicht vor, aber diese bauordnungsrechtlichen Fragen blieben dem eigentlichen Baugenehmigungsverfahren vorbehalten. Die Flächennutzungsplanung der Beigeladenen zu 1. sei als Verhinderungsplan unwirksam. Die Beigeladene zu 1. habe lediglich über die bereits vorhandenen Windenergieanlagen Vorrangzonen gestülpt, für den gesamten weiteren beachtlichen Bereich des Flächennutzungsplans sei die weitere Windenergienutzung ausgeschlossen worden. Auch die ursprünglich vorgesehene Vorrangzone „Klein M.“ sei dem planerischen Rotstift zum Opfer gefallen, ohne dass eine ernsthafte Auseinandersetzung zwischen den negativen Darstellungen des Flächennutzungsplans und der an sich gesetzlich privilegierten Nutzung der Windenergie erfolgt sei. Dem Erläuterungsbericht der Planungsgruppe Grün zur 8. Nutzungsplanänderung auf Seite 33 sei nicht zu entnehmen, warum die drei Sondergebiete sich dort und nicht woanders befänden; es sei nicht erkennbar, warum nur die genannten Vorrangzonen ausgewiesen worden seien. Es seien die von der Planungsgruppe Grün für möglich gehaltenen Vorrangzonen von 925 ha auf wenige Hektar bereits einschlägig genutzter Flächen geschrumpft.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2004 wies die Bezirksregierung Lüneburg den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Ablehnung der Behandlung der Bauvoranfrage sei zu Recht erfolgt. Die vom Beklagten mit Schreiben vom 2. Januar 2003 geforderten Unterlagen seien hinsichtlich der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege für die Beurteilung der städtebaulichen Zulässigkeit des Vorhabens erforderlich gewesen, da das Baugrundstück in der Nähe des Naturschutzparks J. /K. gelegen sei, die Windkraftanlage zum vorhandenen Waldgebiet weniger als 200 m Abstand halte und in dem Bereich Dahlenburg bereits diverse genehmigte Windkraftanlagen errichtet worden seien. Ohne die Klärung der bauplanerisch wichtigen Fragen, ob dem Vorhaben öffentliche Belange des § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB entgegenstünden, sei zu befürchten, dass es bei der Zulassung des Vorhabens im Zusammenwirken mit anderen Windkraftanlagen zu Beeinträchtigungen kommen könne. Die Forderungen der o.a. Untersuchung sei auch deshalb gerechtfertigt, da ein Gutachten, das im Rahmen der 8. Flächennutzungsplanänderung erstellt worden sei, das Erfordernis der jeweiligen Grundstücksbeurteilung ergeben habe. Der Einwand, hier hätte auf andere Untersuchungen benachbarter Grundstücke zurückgegriffen werden können, gehe daher fehl. Das Fehlen der erforderlichen naturschutzfachlichen und landschaftspflegerischen Bauvorlagen stelle einen wesentlichen Mangel dar. Die Ablehnung der Behandlung sei die gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge. Aus dem Verfahrensablauf sei auch zu erkennen gewesen, dass die ursprüngliche Bauvoranfrage nicht nur auf die Vereinbarkeit lediglich mit den Darstellungen des Flächennutzungsplans beschränkt gewesen sei.
Am 26. November 2004 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor, die Entscheidung, die Bauvoranfragen weiter zu behandeln und über diese abschließend zu entscheiden, sei rechtswidrig und verletze sie in ihren subjektiven Rechten. Es sei zulässig, die Bauvoranfrage auf die Frage zu beschränken, ob die Flächennutzungsplanung der Beigeladenen zu 1. dem Bauvorhaben entgegenstehe. Diese Bauvoranfrage sei durch das Schreiben des Beklagten vom 21. Februar 2003 in ihrem - der Klägerin - Sinne beantwortet worden. Darin liege ein feststellender Verwaltungsakt mit dinglicher Wirkung. Der hilfsweise gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag sei ebenfalls zulässig und begründet, da sie beabsichtige, wegen der rechtswidrigen Verweigerung des beantragten Bauvorbescheides Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten geltend zu machen. Spätestens am 21. Februar 2003 wäre ihr beschränkter Antrag verbescheidungsfähig gewesen. Durch die gleichwohl erfolgte Nichtbearbeitung des Antrags seien ihr Schadensersatzansprüche entstanden, da der Beklagte seine Amtspflicht zur unverzüglichen Sachentscheidung verletzt habe. Der gesetzlich gebundene Anspruch auf eine positive Verbescheidung dürfe nicht dadurch vereitelt werden, dass die Entscheidung bis zur Aufstellung eines Bebauungsplans oder Flächennutzungsplans zurückgestellt werde.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass das als „Rechtsaufklärung“ titulierte Schreiben des Beklagten vom 21. Februar 2003 und die Eingangsbestätigung des Beklagten vom 21. Februar 2003 einen rechtskräftigen Bauvorbescheid darstellen,
hilfsweise,
festzustellen, dass die mit Bescheid vom 21. Mai 2003 abgelehnte Behandlung der Bauvoranfrage (Flurstück E.) rechtswidrig war und sie - die Klägerin - spätestens am 21. Februar 2003 einen Rechtsanspruch auf die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides hatte.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, sein Schreiben vom 21. Februar 2003 stelle eine bloße Rechtsauskunft dar. Eine Verfahrensverzögerung sei nicht erfolgt; vielmehr habe die Bauvoranfrage mangels weiterer Unterlagen nicht positiv beschieden werden können.
Die Beigeladenen zu 1. und 2. stellen keinen Antrag. Sie unterstützen den Beklagten.
Der Rat der Beigeladenen zu 1. hat in seiner Sitzung vom 12. Dezember 2001 die Aufstellung der 8. Änderung des Flächennutzungsplanes zur Ausweisung von Sondergebieten für Windkraftanlagen beschlossen und nach Durchführung des Anhörungsverfahrens dann in seiner Sitzung am 10. Februar 2003 die 8. Änderung des Flächennutzungsplans beschlossen, die drei Vorrangflächen für Windenergieanlagen vorsieht.
Mit Verfügung vom 20. März 2003 hat die Bezirksregierung Lüneburg die 8. Änderung des Flächennutzungsplanes mit Ausnahme des Änderungsbereichs bei Klein M. genehmigt. Der Rat der Beigeladenen trat dieser Änderung mit Beschluss vom 7. April 2003 bei. Die Änderung des Flächennutzungsplanes wurde im Amtsblatt für den Landkreis Lüneburg vom 17. April 2003 bekannt gemacht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des Beklagten sowie der Beigeladenen zu 1. und der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Schreiben des Beklagten vom 21. Februar 2003 stellen keinen Bauvorbescheid im Sinne von § 74 Abs. 1NBauO dar und der Beklagte war auch nicht verpflichtet, einen Bauvorbescheid mit dem von der Klägerin gewünschten Inhalt zu erteilen.
1. Der Feststellungsantrag der Klägerin hat keinen Erfolg, denn die Schreiben des Beklagten vom 21. Februar 2003 stellen keinen Bauvorbescheid dar.
Ein Bauvorbescheid setzt nach §§ 74 NBauO, 35 VwVfG eine Regelung mit Bindungswirkung voraus. Der Bauvorbescheid enthält im Umfang seines jeweiligen Kontrollprogramms die verbindliche Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde über die Zulässigkeit des Bauvorhabens, d.h. die Behörde darf hierüber bei der Entscheidung über die Baugenehmigung nicht mehr erneut oder gar anders befinden. Damit nimmt der Bauvorbescheid bereits einen Teil der sachlichen Prüfung des Baugenehmigungsverfahrens vorweg und regelt ihn abschließend. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Bauvorbescheid demgemäß ein Ausschnitt aus dem feststellenden Teil der Baugenehmigung (Vgl. BVerwG, Urt. v. 3.2.1984 - 4 C 39.82 - , BVerwGE 69, 1). Seiner Rechtsnatur nach ist der Vorbescheid also ein feststellender Verwaltungsakt (Grotefels in Hoppe/Grotefels, Öffentliches Baurecht, 1995, § 15 Rn. 56; Schmaltz in Grosse-Suchsdorf u.a., Komm. zur NBauO, 7. Aufl. 2002, § 74 Rn. 7).
Den Schreiben des Beklagten vom 21. Februar 2003 ist jedoch zu entnehmen, dass er keine Regelung, wie sie ein Verwaltungsakt nach § 35 VwVfG voraussetzt, treffen, sondern nur eine Rechtsauskunft erteilen wollte. In dem „Rechtsaufklärung“ titulierten Schreiben des Beklagten heißt es dazu wörtlich : „Eine solche Fragestellung geht nicht über ein Rechtsauskunftsersuchen hinaus und kann daher nicht in der Qualität eines Bauvorbescheides mit der gewünschten Bindungswirkung entschieden werden.“ Dieser Wortlaut lässt die von der Klägerin vorgenommene Auslegung, darin sei ein Bauvorbescheid zu sehen, nicht zu. Vielmehr ist dem Schreiben der unmissverständliche Willen des Beklagten zu entnehmen, keinen Bauvorbescheid zu erteilen.
Auch dem vom Beklagten als „Eingangsbestätigung“ überschriebenen Schreiben lässt sich nicht die Absicht entnehmen, eine hoheitliche Regelung zu treffen. Abgesehen von der äußeren Form - das Schreiben enthält weder einen Tenor noch eine Rechtsbehelfsbelehrung - weisen sowohl die Überschrift als auch der Inhalt des Schreibens darauf hin, dass der Beklagte gerade keine Regelung zu der Frage treffen, sondern die Antwort in das Wissen der Klägerin stellen ( „Sie wissen, dass der derzeitig gültige Flächennutzungsplan ...,“) wollte.
Eine Regelung mit Bindungswirkung wollte der Beklagte mit keinem der beiden Schreiben treffen.
Im übrigen teilt das Gericht die Einschätzung des Beklagten, dass die isolierte Frage, ob ein Bauvorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplanes widerspricht, nicht Gegenstand eines Bauvorbescheides sein kann, weil eine solche Aussage kein abtrennbarer Prüfungsschritt der Baugenehmigung und keiner Bindungswirkung zugänglich ist.
Nach § 74 Abs. 1 NBauO ist für eine Baumaßnahme auf Antrag (Bauvoranfrage) über einzelne Fragen, über die im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden wäre und die selbständig beurteilt werden können, durch Bauvorbescheid zu entscheiden. Dies gilt auch für die Frage, ob eine Baumaßnahme nach städtebaulichem Planungsrecht zulässig ist.
Angesichts der Funktion des Bauvorbescheides, der als „vorweggenommener Teil“ der späteren Baugenehmigung die Bauaufsichtsbehörde bei der Entscheidung über einen späteren Bauantrag auch im Falle einer zwischenzeitlichen Rechtsänderung bindet (vgl. Schmaltz in Grosse-Suchsdorf, a.a.O., § 74 Rn. 12), können zum Gegenstand einer Bauvoranfrage nur solche Fragen gemacht werden, denen auch eine solche Bindungswirkung zu Teil werden kann. Hier kann allein die Frage der Zulässigkeit nach städtebaulichem Planungsrecht Gegenstand eines Bauvorbescheides sein, während die Frage, ob die (jeweils geltende) Darstellung im Flächennutzungsplan dem Vorhaben nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegensteht, einer isolierten Bindungswirkung nicht zugänglich ist.
So bestimmt § 74 Abs. 1 Satz 2 NBauO ausdrücklich, dass Gegenstand des Bauvorbescheides die Frage sein kann, ob eine Baumaßnahme nach städtebaulichem Planungsrecht zulässig ist. Damit hat der Gesetzgeber für das Bauplanungsrecht eine verbindliche und zugleich abschließende Regelung darüber getroffen, was zum Gegenstand eines Bauvorbescheides gemacht werden kann. Eine weitere Abspaltung einzelner planungsrechtlicher Fragen ist demzufolge bei einer Bauvoranfrage in Niedersachsen nicht mehr möglich. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage nach den Regelungen des Flächennutzungsplanes bedarf auch keiner selbständigen Prüfung und Entscheidung, wie § 74 Abs. 1 NBauO sie vorsieht, sondern stellt ihrem Inhalt nach ein bloßes Auskunftsersuchen dar, das auch von anderen Stellen wie etwa den Beigeladenen beantwortet werden könnte.
2. Auch der Hilfsantrag, festzustellen, dass die abgelehnte Behandlung der Bauvoranfrage rechtswidrig war und die Klägerin spätestens am 21. Februar 2003 einen Rechtsanspruch auf Erteilung eines Bauvorbescheides hatte, ist nicht begründet.
Ein Bauvorbescheid mit der von der Klägerin gewünschten Aussage allein über den (damaligen) Flächennutzungsplan ist rechtlich nicht möglich, da diese Frage nicht Gegenstand einer selbständigen Prüfung im Sinne von § 74 Abs. 1 Satz 1 NBauO sein kann, sondern eine bloße Auskunft erfordert, wie sie der Beklagte auch gegeben hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§ 124 a Abs. 1 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO).