Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.07.2024, Az.: 5 ME 31/24

Antrag gegen den Abbruch des Auswahlverfahrens zur Besetzung der Stelle des Präsidenten einer Hochschule; Zuständigkeit für den Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
11.07.2024
Aktenzeichen
5 ME 31/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 18565
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0711.5ME31.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 21.03.2024 - AZ: 2 B 5534/23

Fundstelle

  • IÖD 2024, 209-216

Amtlicher Leitsatz

Zuständig für den Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens ist, wer bei dessen Durchführung die Auswahlentscheidung zu treffen hätte. Für das Verfahren zur Besetzung des Amtes des Präsidenten an einer niedersächsischen Hochschule in staatlicher Trägerschaft ist das Fachministerium zuständig. Die Hochschule kann die Zuständigkeit ihres Senats nicht durch eine Ordnung der Hochschule selbst begründen. Zu den Anforderungen eines rechtsaufsichtlichen Selbsteintrittsrechts des Präsidiums gegenüber dem Senat der Hochschule. Die Empfehlung der Findungskommission ist für den Senat nicht bindend. Der Arbeit der Findungskommission kommt lediglich eine den Senat unterstützende Funktion zu. Sie erfolgt unter ständiger Aufsicht und unter ständiger Interventionsmöglichkeit des Senats. Der Senat hat daher insbesondere das Recht auf Einsicht in die Bewerbungsunterlagen aller Bewerber. Die Rechte gegenüber der Findungskommission muss der Senat nach Sinn und Zweck des § 38 Abs. 2 NHG und mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zur wirkungsvollen Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht nur bis zum Zeitpunkt der Abgabe der Empfehlung durch die Findungskommission, sondern zumindest bis zum Abschluss des Verfahrens im Senat ausüben können.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 2. Kammer - vom 21. März 2024 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes des Beschwerdeverfahrens wird auf 41.476,26 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Auswahlverfahren zur Besetzung der Stelle des Präsidenten der Hochschule abzubrechen.

Die Antragsgegnerin schrieb die Position des Präsidenten bzw. der Präsidentin (Besoldungsgruppe Gr. W 3 NBesO W zuzüglich Funktionsleistungsbezug) aus. Hierauf bewarb sich unter anderem der Antragsteller.

Die Findungskommission fasste in der Sitzung vom 19./20. Juni 2023 nach persönlicher Vorstellung der Bewerber den Beschluss, dem Senat der Hochschule den Antragsteller und einen weiteren Bewerber als geeignete Kandidaten vorzuschlagen. Auf der gemeinsamen Sitzung von Senat und Hochschulrat vom 28. Juni 2023 berichtete der Vorsitzende der Findungskommission über deren Empfehlung. Dem Senat wurde eine Einsichtnahme in die Bewerbungsunterlagen - trotz eines hierauf gerichteten Wunsches einiger Senatsmitglieder - nicht gewährt. Der Senat beschloss, beide vorgeschlagenen Kandidaten zur hochschulöffentlichen Anhörung einzuladen. Am 5. Juli 2023 fand die hochschulöffentliche Anhörung der beiden Bewerber statt. Der Senat beschloss in einer sich hieran anschließenden Sitzung, die aber weder von der Präsidentin noch ihrem Vertreter geleitet wurde, in geheimer Abstimmung, den Antragsteller "als neuen Präsidenten zu wählen". Der Hochschulrat äußerte sich nach entsprechender Unterrichtung befürwortend.

Das Präsidium kam laut Protokoll in seiner Sitzung vom 15. August 2023 "einvernehmlich zum Schluss, das Verfahren auf die Sitzung vom 5. Juli [2023] zurückzusetzen", weil u. a. die Sitzung des Senats vom 5. Juli 2023 bei dessen Abstimmung über den Besetzungsvorschlag (Tagesordnungspunkt 1) weder von der Präsidentin noch ihrem Vertreter, sondern von einem sogenannten "Senatssprecher" geleitet worden sei, und hierin ein Rechtsfehler zu sehen sei (Bl. 76 f. der Beiakte). Hierüber informierte die Präsidentin die Mitglieder des Senats mit Schreiben vom 16. August 2023 (Bl. 81 f. der Beiakte). Der Senat befasste sich hiermit in seinen Sitzungen vom 6. September 2023 und 11. Oktober 2023 und beschloss, das Auswahlverfahren nicht abzubrechen, das Verfahren nicht an die Findungskommission zurückzugeben, seinen Beschluss vom 5. Juli 2023 (über die Wahl eines Kandidaten) aufzuheben und das (Besetzungs-)Verfahren auf den Stand vom 5. Juli 2023 zurückzusetzen (Protokoll über die Sitzung des Senats vom 11. Oktober 2023, Tagesordnungspunkt 4, Bl. 130 der Beiakte).

Das Präsidium der Antragsgegnerin beschloss am 17. Oktober 2023, das Auswahlverfahren abzubrechen. Im Sitzungsprotokoll (Bl. 137 ff. der Beiakte) wird hierzu ausgeführt: Weder die Findungskommission noch der Senat hätten einen den rechtlichen Anforderungen entsprechenden Auswahlvermerk erstellt. Das Präsidium sei zu dem Ergebnis gekommen, der Senat sei dazu auch nicht in der Lage. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragssteller unter dem 17. Oktober 2023 mit, dass das Präsidium in seiner Sitzung vom 17. Oktober 2023 zu der Überzeugung gelangt sei, dass das Auswahlverfahren nicht rechtmäßig zu Ende geführt werden könne, und es deshalb entschieden habe, das Auswahlverfahren abzubrechen (Bl. 12 der Gerichtsakte).

Mit Erlass vom 28. November 2023 informierte das Niedersächsische Ministerium für F. die Antragsgegnerin darüber, dass es von aufsichtsrechtlichen Maßnahmen gegen die Entscheidung des Präsidiums vom 17. Oktober 2023 über den Abbruch des Auswahlverfahrens absehe, weil diese Entscheidung "rechtlich vertretbar" sei, insbesondere Ermessensfehler nicht ersichtlich seien (Bl. 164 f. der Beiakte).

Der Antragsteller hat am 16. November 2023 beim Verwaltungsgericht Hannover um vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel nachgesucht, das Auswahlverfahren fortzuführen.

Das Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin durch Beschluss vom 21. März 2024 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, das Auswahlverfahren zur Besetzung der Stelle einer Präsidentin oder eines Präsidenten fortzuführen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es keinen sachlichen Grund gebe, das Auswahlverfahren abzubrechen. Der Fehler, dass weder die Präsidentin noch deren Vertreter die Sitzung des Senats vom 5. Juli 2023 geleitet habe, sei heilbar und rechtfertige deshalb nicht den Abbruch des Auswahlverfahrens; hierfür müsse das Verfahren nur in den Stand vor der Abstimmung des Senats am 5. Juli 2023 zurückversetzt und die Abstimmung ordnungsgemäß wiederholt werden. Im Übrigen habe der Senat seinen Beschluss vom 5. Juli 2023 aufgehoben, so dass auch aus diesem Grunde eine etwaige Fehlerhaftigkeit dieses Beschlusses für das weitere Verfahren keine Rolle mehr spiele. Hiernach bedürfe es keiner Klärung, ob das Präsidium befugt gewesen sei, über den Abbruch des Stellenversetzungsverfahrens zu entscheiden. Insoweit merke es an, dass ein Abbruch des Verfahrens nur auf einen Beschluss des Senats im Einvernehmen mit dem Fachministerium erfolge könne. Die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Tätigwerden des Präsidiums im Rahmen der Rechtsaufsicht dürften nicht vorgelegen haben.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde, der der Antragsteller entgegentritt.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet. Die von ihr dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen eine Änderung des angegriffenen Beschlusses nicht.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist das Auswahlverfahren fortzuführen, weil der Beschluss ihres Präsidiums vom 17. Oktober 2023, das Auswahlverfahren abzubrechen, rechtswidrig ist und dadurch den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragsstellers verletzt.

Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Das hierin zum Ausdruck kommende Leistungsprinzip eröffnet dem Einzelnen keinen Anspruch auf Beförderung bzw. auf Übertragung des begehrten Amtes, sondern gibt ihm lediglich Anspruch darauf, dass über seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei nach Maßgabe dieser Kriterien entschieden wird (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch). Nach Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG kann der unterlegene Bewerber in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen lassen, ob er durch die Auswahlentscheidung in seinem subjektiv-öffentlichen Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt worden ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.11.2011 - 2 BvR 1181/11 -, juris Rn. 20). Die konkrete Stellenausschreibung und das daran anschließende Auswahlverfahren dienen der verfahrensmäßigen Absicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs der Bewerber (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.2.2007 - 2 BvR 2494/06 -, juris Rn. 7). Um eine Durchsetzung der in Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten Rechte sicherstellen zu können, erfordert der Bewerbungsverfahrensanspruch eine angemessene Gestaltung des Auswahlverfahrens (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.11.2011 - 2 BvR 1181/11 -, juris Rn. 21; Nds. OVG, Beschluss vom 19.1.2012 - 5 ME 464/11 -; Beschluss vom 27.5.2014 - 5 ME 60/14 -; Beschluss vom 28.6.2021 - 5 ME 50/21 -, juris Rn. 21).

Dem Bewerbungsverfahrensanspruch ist auch bei der Entscheidung über den Abbruch eines laufenden Auswahlverfahrens Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.4.2005 - 1 BvR 2231/02 u. a. -, juris Rn. 40; Kammerbeschluss vom 28.11.2011 - 2 BvR 1181/11 -, juris Rn. 22). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die vom Bundesverfassungsgericht gebilligt worden ist, kommt dem Dienstherrn hinsichtlich der Beendigung eines eingeleiteten Bewerbungs- und Auswahlverfahrens ein weites organisatorisches und verwaltungspolitisches Ermessen zu; der Abbruch des Auswahlverfahrens erfordert jedoch einen sachlichen Grund (BVerwG, Urteil vom 25.4.1996 - BVerwG 2 C 21.95 -, juris Rn. 21; Urteil vom 22.7.1999 - BVerwG 2 C 14.98 -, juris Rn. 26; Urteil vom 31.3.2011 - BVerwG 2 A 2.09 -, juris Rn. 16; Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 15; Urteil vom 3.12.2014 - BVerwG 2 A 3.13 -, juris Rn. 19; Urteil vom 10.12.2020 - BVerwG 2 C 12.20 -, juris Rn. 26; vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 14.9.2006 - 5 ME 219/06 -, juris Rn. 14; Beschluss vom 30.9.2010 - 5 ME 169/10 -, juris Rn. 17; Beschluss vom 16.6.2011 - 5 ME 199/11 -; Beschluss vom 19.1.2012 - 5 ME 464/11 -; BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.12.2008 - 2 BvR 627/08 -, juris Rn. 8 f.), welcher grundsätzlich - d. h. sofern er sich nicht evident aus dem Vorgang selbst ergibt - in den Akten schriftlich dokumentiert sein muss (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.11.2011 - 2 BvR 1181/11 -, juris Rn. 23; BVerwG, Urteil vom 26.1.2012 - BVerwG 2 A 7.09 -, juris Rn. 29; Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 19; Urteil vom 3.12.2014 - BVerwG 2 A 3.13 -, juris Rn. 20; Nds. OVG, Beschluss vom 28.6.2021 - 5 ME 50/21 -, juris Rn. 22). Ein Bewerber wird grundsätzlich nur durch die schriftliche Fixierung der wesentlichen (Abbruch-)Erwägungen in die Lage versetzt, etwa anhand von Akteneinsicht sachgerecht darüber befinden zu können, ob die Entscheidung des Dienstherrn seinen Bewerbungsverfahrensanspruch berührt und ob Rechtsschutz in Anspruch genommen werden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.1.2012 - BVerwG 2 A 7.09 -, juris Rn. 28 f.; Urteil vom 3.12.2014 - BVerwG 2 A 3.13 -, juris Rn. 34). Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation des Grundes für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens dem Gericht die Möglichkeit, die Beweggründe für den Abbruch nachzuvollziehen. Die Annahme, die maßgeblichen Erwägungen könnten auch erstmals im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens dargelegt werden, mindert die Rechtsschutzmöglichkeiten der Bewerber in unzumutbarer Weise (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.12.2014 - BVerwG 2 A 3.13 -, juris Rn. 34). In formeller Hinsicht setzt der Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens weiter voraus, dass die Bewerber von dem Abbruch rechtzeitig und in geeigneter Form - etwa durch die erneute Ausschreibung der betreffenden Stelle oder durch Mitteilung - Kenntnis erlangen (BVerwG, Urteil vom 26.1.2012 - BVerwG 2 A 7.09 -, juris Rn. 28; Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 19).

Ein sachlicher Grund für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens kann sich aus der Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsgewalt des Dienstherrn ergeben. So kann der Dienstherr etwa das Verfahren abbrechen, wenn er die Stelle, die dem erfolgreichen Bewerber übertragen werden sollte, nicht mehr besetzen will. Ebenso stellt es einen sachlichen, dem Organisationsermessen zugehörigen Grund für einen Abbruch dar, wenn der Dienstherr sich entschlossen hat, die Stelle neu zuzuschneiden (BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 16; Nds. OVG, Beschluss vom 28.6.2021 - 5 ME 50/21 -, juris Rn. 23). Darüber hinaus ist der Dienstherr berechtigt, ein Stellenbesetzungsverfahren aus Gründen abzubrechen, die aus Art. 33 Abs. 2 GG hergeleitet werden. So kann er aufgrund seines Beurteilungsspielraums bei der Bewerberauswahl das Verfahren abbrechen, wenn kein Bewerber seinen Erwartungen entspricht (BVerwG, Urteil vom 26.1.2012 - BVerwG 2 A 7.09 -, juris Rn. 27; Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 17; Urteil vom 3.12.2014 - BVerwG - 2 A 3.13 -, juris Rn. 19) oder wenn nachträglich ein wesentlich besser geeigneter Interessent auftritt, der dem zunächst ausgewählten Bewerber nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG vorgeht (BVerwG, Urteil vom 10.12.2020 - BVerwG 2 C 12.20 -, juris Rn. 23). Der Dienstherr kann das Stellenbesetzungsverfahren aber auch abbrechen, weil er erkannt hat, dass es vor dem Hintergrund des Art. 33 Abs. 2 GG fehlerhaft ist (BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 17; Urteil vom 3.12.2014 - BVerwG 2 A 3.13 -, juris Rn. 19; Urteil vom 10.12.2020 - BVerwG 2 C 12.20 -, juris Rn. 30). Dementsprechend ist der Abbruch regelmäßig gerechtfertigt, wenn dem Dienstherrn im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt worden ist, den von ihm ausgewählten Bewerber zu ernennen und/oder einen ausgeschriebenen Dienstposten zu übertragen, denn daraus kann regelmäßig der Schluss gezogen werden, dass die bisherige Verfahrensweise im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG erheblichen Zweifeln begegnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 20; vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 13.3.2012 - 5 ME 41/12 -). Unsachlich sind demgegenüber solche Gründe, die das Ziel verfolgen, einen unerwünschten Kandidaten aus leistungsfremden Erwägungen von der weiteren Auswahl für die Stelle auszuschließen oder einen bestimmten Bewerber bei der späteren Auswahlentscheidung zu bevorzugen (BVerwG, Urteil vom 26.1.2012 - BVerwG 2 A 7.09 -, juris Rn. 27; Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 20).

Wird der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens diesen formellen und materiellen Anforderungen gerecht, ist der Bewerbungsverfahrensanspruch der ursprünglichen Bewerber erloschen (BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 11; Beschluss vom 27.2.2014 - BVerwG 1 WB 7.13 -, juris Rn. 28; Nds. OVG, Beschluss vom 27.5.2014 - 5 ME 60/14 -; Nds. OVG, Beschluss vom 28.6.2021 - 5 ME 50/21 -, juris Rn. 24) und ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Ziel, den Dienstherrn zur Fortführung des Stellenbesetzungsverfahrens zu verpflichten, bleibt ohne Erfolg.

Die Entscheidung des Präsidiums, das Auswahlverfahren abzubrechen, erweist sich als rechtswidrig, weil sie bereits nicht den formellen Anforderungen genügt. Denn die Entscheidung wurde von der nicht zuständigen Stelle getroffen. Zuständig für den Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens ist, wer bei dessen Durchführung die Auswahlentscheidung zu treffen hätte (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 11.8.2015 - 6 CE 15.1379 -, juris Rn. 18). Gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 und 6 NHG entscheidet das Fachministerium über die Ernennung des Präsidenten einer Hochschule in staatlicher Trägerschaft auf Vorschlag des Senats. Hiernach ist das Fachministerium, das Niedersächsische Ministerium für F., für einen Abbruch des Auswahlverfahrens über die Stelle eines Präsidenten einer Hochschule in staatlicher Trägerschaft zuständig. Eine hiervon abweichende gesetzliche Zuständigkeitsregelung für den Abbruch eines Auswahlverfahrens nach § 38 NHG fehlt.

Ob abweichend hiervon - etwa aus verfassungsrechtlichen Gründen aufgrund der Besonderheiten im Wissenschaftsbereich - eine Zuständigkeit des Senats der Hochschule gegeben ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung.

Eine Zuständigkeit des Senats kann nicht der "Ordnung über die Erstellung des Senatsvorschlags für die Ernennung oder Bestellung der Präsidentin/des Präsidenten der C." vom 22. November 2022 - im Folgenden: Ordnung - entnommen werden. Soweit das Verwaltungsgericht unter Verweis auf § 8 der Ordnung von einer Zuständigkeit des Senats ausgegangen ist, vermag diese Begründung schon deshalb nicht zu überzeugen, weil diese Vorschrift allein den Fall regelt, dass ein Abbruch des (Auswahl-)Verfahrens "auf Grundlage eines Beschlusses des Senats nach § 6 Abs. 1 Satz 5 lit. c) der Ordnung" im Einvernehmen mit dem Fachministerium erfolgen soll. Nach der letztgenannten Vorschrift kann der Senat beschließen, den Abbruch des Auswahlverfahrens zu empfehlen, wenn bei dem zweiten Abstimmungsgang der Einzelkandidat oder keiner der mehreren vorgeschlagenen Kandidaten die erforderliche Mehrheit im Senat erreicht hat. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil es nicht zu einem gescheiterten Abstimmungsgang im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 5 lit. c) der Ordnung gekommen ist.

Daneben stellt die Ordnung keine taugliche rechtliche Grundlage für die Zuständigkeit des Senats der Antragsgegnerin dar, weil eine solche die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für den Abbruch des Auswahlverfahrens voraussetzte. Die Antragsgegnerin kann ihre Zuständigkeit nicht selbst durch den Erlass einer Ordnung begründen und dadurch die Zuständigkeit des Fachministeriums verdrängen, denn ein solches Vorgehen wäre eine rechtlich unzulässige Selbstermächtigung. Eine gesetzliche Befugnis, eine eigene Zuständigkeit begründen zu können, besteht nicht.

Ob eine Zuständigkeit des Senats aus verfassungsrechtlichen Gründen zur Gewährleistung des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) anzunehmen ist, kann offenbleiben.

Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt, dass der Schutz der Wissenschaftsfreiheit gewährleistet, dass die erforderliche Mitwirkung der Wissenschaftler im wissenschaftsorganisatorischen Gesamtgefüge nicht entwertet werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.6.2014 - 1 BvR 3217/07 -, juris Rn. 83; Nds. OVG, Beschluss vom 2.9.2014 - 5 ME 104/14 -, juris Rn. 37). Vor diesem Hintergrund wird auch die herausgehobene Bedeutung des Senats der Hochschule bei der Auswahlentscheidung und dem begleitenden Verfahren bei der Besetzung der Hochschulleitung betont (vgl. Masoud/Seckelmann, in: Epping, NHG, 2. Aufl. 2024, § 38 Rn. 21: "Herrin des Auswahlverfahrens") und ferner daraus abgeleitet, dass bei verfassungskonformer Auslegung des § 38 Abs. 2 Satz 6 NHG der Entscheidungs- und Zurückweisungsspielraum des Fachministeriums über den Besetzungsvorschlag des Senats eng darauf bemessen sei, ob rechtliche Hindernisse (etwa nach §§ 38 Abs. 3 NHG, 45 Abs. 1 StGB) der Ernennung des vorgeschlagenen Kandidaten entgegenstehen (vgl. Masoud/Seckelmann, a.a.O., Rn. 25); mithin kann die Auswahlentscheidung des Fachministeriums nicht beliebig nach Maßstäben der eigenen Personalpolitik getroffen werden (kein freies politisches Ermessen des Fachministeriums, vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.6.2014 - 1 BvR 3217/07 -, juris Rn. 83). Dies spricht aus verfassungsrechtlichen Gründen zur Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit dafür, bei der Entscheidung, ein Auswahlverfahren für die Besetzung der Stelle des Präsidenten der Hochschule abzubrechen, einem Votum des Senats eine maßgebliche Bedeutung beizumessen, um dessen Mitwirkung an der Entscheidung zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit wirkungsvoll Geltung zu verschaffen. Dies kann aber auch dadurch gewährleistet werden, dass dem Senat ein durchsetzbarer Anspruch gegenüber dem zuständigen Fachministerium zuerkannt wird, das Auswahlverfahren abzubrechen, mithin die bestehende Zuständigkeit des Fachministeriums unberührt lässt.

Aber selbst wenn man eine Zuständigkeit des Senats für einen Abbruch des Auswahlverfahrens annehmen wollte, hätte das Präsidium den Abbruch des Auswahlverfahrens nicht rechtmäßig in Ausübung rechtsaufsichtlicher Befugnisse verfügt.

Gemäß § 37 Abs. 3 Satz 2 NHG obliegt dem Präsidium die Rechtsaufsicht über die Organe der Hochschule. Die Regelungen über die rechtsaufsichtlichen Befugnisse des Trägers der Hochschule gegenüber der Hochschule (§ 51 Abs. 1 und 2 NHG) gelten entsprechend, § 37 Abs. 3 Satz 3 NHG. Danach kann das Präsidiums nach Anhörung rechtswidrige Maßnahmen eines Organs beanstanden (die Rechtswidrigkeit der Maßnahme förmlich feststellen) und ihre Aufhebung oder Änderung verlangen. Eine Beanstandung hat aufschiebende Wirkung. Erfüllt ein Organ seine Pflicht nicht, die ihm aufgrund eines Gesetzes, einer Beanstandung oder einer fachaufsichtlichen Weisung obliegt, so kann das Präsidium unter Fristsetzung anordnen, dass das Erforderliche veranlasst wird. Erst dann, wenn das Organ auch dieser Anordnung nicht innerhalb der festgesetzten Frist nachgekommen ist, kann das Präsidium die notwendigen Maßnahmen an seiner Stelle treffen (Selbsteintrittsrecht/Ersatzvornahme anstelle des Organs). Die Aufsicht soll die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung des Organs fördern.

Entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist das Vorgehen der Rechtsaufsicht gestuft. Vor einer Beanstandung einer bestimmten Maßnahme ist das betreffende Organ zu hören (1. Stufe: Hinweis auf eine etwaige Rechtswidrigkeit). Hält das Präsidium hiernach an seiner Auffassung fest, dass die betreffende, weiterhin bestehende Maßnahme des Organs rechtswidrig ist, kann es - nach entsprechender Beschlussfassung - eine Beanstandung aussprechen, ggf. verbunden mit einem Aufhebungs- oder Änderungsverlangen (2. Stufe: förmliche Feststellung der Rechtswidrigkeit, ggf. mit der Aufforderung, diese zu beseitigen). Erst wenn das betreffende Organ untätig geblieben ist, kann das Präsidium - wiederum nach entsprechender Beschlussfassung - die aus seiner Sicht erforderliche Maßnahme, die hinreichend bestimmt sein muss, unter Setzung einer angemessenen Frist gegenüber dem Organ anordnen (3. Stufe: Erlass einer vollstreckungsfähigen Anordnung unter Fristsetzung). Erst nach Ablauf dieser Frist ist das Präsidium befugt, in Ausübung des Selbsteintrittsrechts die angeordnete Maßnahme anstelle des Organs zu treffen (4. Stufe: Selbsteintritt/Ersatzvornahme).

Diesen rechtlichen Anforderungen für rechtsaufsichtliche Maßnahmen genügt das Vorgehen des Präsidiums nicht. Das Präsidium hat zunächst in Bezug auf den Beschluss des Senats vom 5. Juli 2023 keinen Beschluss gefasst, eine Beanstandung gegenüber dem Senat auszusprechen. Das Präsidium ist in seiner Sitzung vom 15. August 2023 lediglich "zu dem Schluss [gekommen], das Verfahren auf die Sitzung vom 5. Juli 2023 zurückzusetzen und zu einer von [der Präsidentin] geleiteten außerordentlichen Senatssitzung ... einzuladen, den Senat über den aktuellen Stand und ggf. vorhandene Optionen zu informieren und die ... genannten fünf Punkte zu klären und die Arbeit des Senats an der Verschriftlichung im Sinne einer transparenten Darlegung der Entscheidungsfindung nachzuholen." Eine Beschlussfassung, eine rechtsaufsichtliche Beanstandung des Beschlusses des Senats vom 5. Juli 2023 auszusprechen, ist darin nicht zu sehen. Denn insoweit ist rechtlich zwischen der bloßen (internen) Feststellung, dass eine bestimmte Maßnahme eines Organs rechtswidrig und damit die Grundvoraussetzung für ein rechtsaufsichtliches Einschreiten gegeben ist, und der daran anknüpfenden Ermessensscheidung des Präsidiums unter Berücksichtigung der in § 51 Abs. 2 NHG niedergelegten Grundsätze, tatsächlich gegen ein Organ rechtsaufsichtsrechtlich vorzugehen, zu unterscheiden. Auch findet sich in dem Schreiben der Präsidentin an die Mitglieder des Senats vom 16. August 2023 (Bl. 81 der Beiakte) kein Hinweis darauf, dass das Präsidium beschlossen hätte, gegen den Senat wegen der für rechtswidrig erachteten Maßnahme im Wege der rechtsaufsichtlichen Beanstandung einzuschreiten. In diesem Zusammenhang kommt dem Verweis auf den Tagungsordnungspunkt 3 der Einladung der Präsidentin vom 30. August 2023 zu der Senatssitzung am 6. September 2023 mit der Bezeichnung "rechtliche Beanstandung nach § 41 Abs. 4 Satz 5 NHG zum Vorsitz bei den Senatssitzungen am 28. Juni und 5. Juli 2023" und ihren Erörterungen in der Sitzung des Senats vom 6. September 2023 - entgegen der Ansicht des Präsidiums (vgl. Protokoll der Sitzung vom 26. September 2023, S. 1 zu Tagesordnungspunkt 1 [Bl. 108 der Beiakte]) - keine rechtliche Bedeutung in Bezug auf ein rechtsaufsichtliches Einschreiten des Präsidiums zu. Ferner hat es das Präsidium versäumt, vor der Abbruchentscheidung vom 17. Oktober 2023 dem Senat unter Fristsetzung aufgegeben, das Auswahlverfahren selbst abzubrechen (§ 37 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 51 Abs. 1 Satz 5 NHG).

Die Antragsgegnerin macht des Weiteren geltend, eines Vorgehens nach § 37 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 51 Abs. 1 NHG habe es ausnahmeweise vor dem Hintergrund der Tatsache, dass keine andere Entscheidung als der Abbruch des Auswahlverfahrens habe rechtmäßig sein können, nicht mehr bedurft, um weitere Verzögerungen zu verhindern. Es verletze nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die einzig denkbare rechtmäßige Entscheidung des Senats, nämlich den Abbruch des Auswahlverfahrens zu beschließen, im Rahmen der Rechtsaufsicht vorwegzunehmen. Denn der Senat habe nicht anders entscheiden dürfen. Das Selbsteintrittsrecht des Präsidiums im konkreten Fall habe ferner auf der Gefahr einer Fortführung des rechtsfehlerhaften Auswahlverfahrens und der Vergrößerung der Gefahr weiterer Schäden für die Hochschule beruht. Es sei für die Eilbedürftigkeit weiter darauf Bezug genommen worden, dass durch die Berichterstattung der Konflikt zwischen zwei Lagern innerhalb des Senats allgemein bekannt gemacht worden sei. Darin sei zusätzliches Potential erkannt worden, das Ansehen der Hochschule zu schädigen.

Dem folgt der erkennende Senat - selbst unter der Annahme einer Zuständigkeit des Senats der Hochschule für einen Abbruch des Auswahlverfahrens - nicht. Eine Offensichtlichkeit der Rechtswidrigkeit einer gerügten Maßnahme eines Organs und eine Alternativlosigkeit, in welcher Weise der gerügte Rechtsfehler beseitigt werden kann, rechtfertigen für sich nicht, von dem gesetzlich vorgegebenen Verfahren der Rechtsaufsicht nach § 37 Abs. 3 Satz 3 NHG in Verbindung mit § 51 Abs. 2 NHG abzuweichen. Im Übrigen kann die von der Antragsgegnerin geltend gemachte Eilbedürftigkeit einer Entscheidung über den Abbruch des Auswahlverfahrens bei der Entscheidung über die Länge der zu setzenden Frist nach §§ 37 Abs. 3 Satz 3, 51 Abs. 1 Satz 5 NHG berücksichtigt werden. Es ist ferner weder dargelegt noch ersichtlich, dass ein Fall des § 37 Abs. 2 Satz 2 NHG vorgelegen hat. Nach dieser Bestimmung kann das Präsidium für den Fall, dass die Entscheidung des Senats nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann, die erforderlichen Maßnahmen selbst treffen. Angesichts dessen, das die Fortsetzung der Sitzung des Senats vom 11. Oktober 2023 bereits für den 25. Oktober 2023 anberaumt war, ist eine solche Eilbedürftigkeit für eine Entscheidung über den Abbruch des Auswahlverfahrens zu verneinen. Dass eine etwaige Verzögerung der Entscheidung um wenige Wochen mit der Gefahr weiterer (erheblicher) Schäden, insbesondere eines gravierenden Ansehensverlustes für die Hochschule verbunden wäre, ist weder nachvollziehbar dargelegt noch ersichtlich, zumal zwischen der Entscheidung des Senats vom 5. Juli 2023 und der Entscheidung des Präsidiums vom 17. Oktober 2023 bereits mehrere Monate vergangen waren. Auch der Einwand der Gefahr einer Fortführung des rechtsfehlerhaften Auswahlverfahrens greift nicht durch, denn eine (den o. a. Anforderungen genügende) rechtsaufsichtliche Beanstandung des Beschlusses des Senats über die Auswahl eines dem Fachministerium vorzuschlagenden Kandidaten durch das Präsidium hätte gemäß § 37 Abs. 3 Satz 3 in Verbindungmit § 51 Abs. 1 Satz 4 NHG aufschiebende Wirkung mit der Folge, dass das Auswahlverfahren nicht ohne Weiteres hätte fortgesetzt werden können.

Die Antragsgegnerin kann ferner nicht mit ihrem Einwand durchdringen, ein Zuständigkeitsmangel des Präsidiums hätte keine rechtlichen Auswirkungen. Sie ist der Ansicht, selbst wenn man eine Eilbedürftigkeit der Sache und ein Selbsteintrittsrecht des Präsidiums im Verhältnis zum Senat nicht annähme und einen Verfahrensfehler nicht entsprechend § 1 Abs. 1 NVwVfG in Verbindung mit § 46 VwVfG für unbeachtlich hielte, hätte der Zuständigkeitsmangel wegen des offenkundig fehlenden Einflusses auf die Sachentscheidung keine rechtlichen Auswirkungen, und verweist auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. März 2005 - 6 C 3.04 -. Denn der Senat der Hochschule hätte aus Gründen der Nichtbehebbarkeit des Fehlers der Auswahlentscheidung (fehlende Dokumentation schon für die Gründe der Empfehlung der Findungskommission) keine andere Entscheidung treffen dürfen.

Dieser Auffassung folgt der erkennende Senat nicht. Die sachliche Unzuständigkeit des Präsidiums für die Entscheidung über den Abbruch des Auswahlverfahrens ist nicht in Anwendung des Rechtsgedankens des § 1 Abs. 1 NVwVfG in Verbindung mit § 46 VwVfG unbeachtlich. Die Voraussetzungen des § 46 VwVfG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Mit Blick auf die Zuständigkeit kann - unter den beschriebenen Voraussetzungen - von dem Adressaten des Verwaltungsakts nur dann nicht die Aufhebung des Verwaltungsaktes beansprucht werden, wenn es um die Verletzung der örtlichen, nicht aber der sachlichen Zuständigkeit geht. Gegenteiliges kann auch dem von der Antragsgegnerin angeführten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. März 2005 - BVerwG 6 C 3.04 - nicht entnommen werden. Vielmehr führt das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung selbst aus, dass der Verweis auf den Rechtsgedanken des § 46 VwVfG bei Verstößen gegen die sachliche Zuständigkeit nicht weiterführt, weil die Vorschrift sich nach ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut nicht auf die Verletzung von Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit erstreckt, sondern lediglich Fehler hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit in den Blick nimmt (BVerwG, Urteil vom 9.3.2005 - BVerwG 6 C 3.04 -, juris Rn. 28). Die nachfolgenden Ausführungen, dass hinzukomme, dass in dem entschiedenen Fall auch nicht von einem offenkundig fehlenden Einfluss des Zuständigkeitsmangels auf die Sachentscheidung gesprochen werden könne, kommt lediglich als Hilfserwägung für den Fall Bedeutung zu, dass der Mangel der sachlichen Zuständigkeit berücksichtigungsfähig gewesen wäre.

Unabhängig davon kann hier nicht angenommen werden, dass die Verletzung der sachlichen Zuständigkeit sich nicht habe auswirken können. Eine Unbeachtlichkeit eines Verfahrensfehlers kann regelmäßig bei gebundenen Entscheidungen angenommen werden. Bei Ermessensentscheidungen kann der Rechtsgedanke des § 46 VwVfG eingreifen, wenn das materielle Recht letztlich keinen Spielraum eröffnet. Das ist hier nicht der Fall. Bei der Entscheidung, das Auswahlverfahren abzubrechen, handelte es sich weder um eine gebundene Entscheidung noch lag ein sonstiger Fall rechtlicher Alternativlosigkeit vor. Vielmehr bestand insoweit ein Entscheidungsspielraum für die zuständige Stelle. Dies schließt die Annahme aus, es sei offensichtlich, dass die trotz fehlender Zuständigkeit getroffene Entscheidung des Präsidiums die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

Die Ansicht der Antragsgegnerin, dass angesichts dessen, dass die Findungskommission mit der Abgabe ihrer Empfehlung ihren temporären Zweck erfüllt habe und damit aufgelöst sei, der Fehler der mangelnden Dokumentation der Auswahlerwägungen sich hier als ein solcher Fehler darstelle, der nicht mehr in dem aktuellen Auswahlverfahren geheilt werden könne, für den vielmehr der Abbruch des Auswahlverfahrens und ein "Neustart" notwendig seien, weil zunächst eine neue Findungskommission gebildet werden müsse, die eine erneute Empfehlung zu erarbeiten und die einzelnen Verfahrensschritte und ihre Entscheidungsfindung nachvollziehbar zu dokumentieren habe, vermag nicht zu überzeugen

Es ist nicht davon auszugehen, dass der von der Antragsgegnerin für erforderliche erachtete "Neustart" aus Rechtsgründen nicht auch im laufenden Auswahlverfahren möglich wäre. Hinsichtlich der Bildung und Aufgaben einer Findungskommission sieht § 38 Abs. 2 Satz 2, 4, 5 NHG vor, dass zur Vorbereitung des Vorschlags des Senats gegenüber dem Fachministerium der Senat und der Hochschulrat bzw. der Stiftungsrat eine gemeinsame Findungskommission einrichten, die eine Empfehlung abgibt, die Findungskommission dem Senat und dem Hochschulrat bzw. Stiftungsrat die Empfehlung zur gemeinsamen Erörterung zuleitet und der Senat danach über die Empfehlung entscheidet. Regelungen über die Auflösung der Findungskommission enthalten diese Bestimmungen nicht. Es wird im Regelfall zwar so sein, dass die Aufgabe der Findungskommission mit der Abgabe ihrer Empfehlung de facto erfüllt ist und damit die Findungskommission nicht mehr fortbestehen muss. Diese Sicht ist rechtlich aber nicht zwingend. Aufgrund der verfassungsrechtlich herausgehobenen Bedeutung des Senats bei der Auswahl des künftigen Präsidenten der Hochschule kommt der Findungskommission lediglich eine den Senat unterstützende Funktion zu (vgl. Masoud/Seckelmann, a. a. O., Rn. 21: "Hilfskommission des Senats"). Die Empfehlung der Findungskommission ist deshalb für den Senat in keiner Weise verbindlich, weil der Wille des Senats in allen Phasen des Findungsprozesses maßgeblich Berücksichtigung finden muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.6.2014 - 1 BvR 3217/07 -, juris Rn. 83; Nds. OVG, Beschluss vom 2.9.2014 - 5 ME 104/14 -, juris Rn. 37). Dementsprechend erfolgt die Arbeit der Findungskommission unter der ständigen Aufsicht und der ständigen Interventionsmöglichkeit des Senats. Der Senat hat daher insbesondere das Recht auf Einsicht in die Bewerbungsunterlagen aller Bewerber (vgl. Masoud/Seckelmann, a. a. O., Rn. 21). Diese Rechte gegenüber der Findungskommission muss der Senat nach Sinn und Zweck des § 38 Abs. 2 NHG und mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zur wirkungsvollen Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht nur bis zum Zeitpunkt der Abgabe der Empfehlung durch die Findungskommission, sondern zumindest bis zum Abschluss des Auswahlverfahrens im Senat ausüben können. So muss der Senat die Möglichkeit haben, die Findungskommission aufzufordern, ihren Bericht bzw. ihre Begründung für die Empfehlung und die zugrunde liegenden Erwägungen zu ergänzen, ggf. klar- oder richtigzustellen sowie Unterlagen nachzureichen, die der Senat für seine Auswahlentscheidung für notwendig erachtet. Für diese Auslegung spricht ferner, dass in dem Ausnahmefall, dass das Fachministerium den Personalvorschlag des Senats zurückweist, der Senat die Möglichkeit behält, dem Fachministerium - ggf. unter Heranziehung der Findungskommission - einen neuen Vorschlag zu unterbreiten, ohne dass das Auswahlverfahren rechtlich zwingend abgebrochen werden müsste.

Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Nds. OVG, Beschluss vom 7.5.2018 - 5 ME 41/18 -, juris) obliege es dem Dienstherrn nicht, vor dem Abbruch eines Auswahlverfahrens möglicherweise aufwendig zu prüfen, ob, wie und wann alle gerichtlich beanstandeten Mängel im bisherigen Auswahlverfahren beseitigt werden könnten, so kann hieraus nicht gefolgert werden, dass in einem solchen Fall der Abbruch des Auswahlverfahrens rechtlich zwingend wäre. Nach der zitierten Senatsrechtsprechung ist der Dienstherr in solchen Fällen vielmehr berechtigt, aber nicht verpflichtet, bei beachtlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung oder des bisherigen Auswahlverfahrens zur Vermeidung eines Prozessrisikos ein Auswahlverfahren abzubrechen. Diese Entscheidung obliegt im vorliegenden Fall - wie vorstehend ausgeführt - aber nicht dem Präsidium.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Hinsichtlich der Höhe des festzusetzenden Streitwertes in Bezug auf den Abbruch eines Auswahlverfahrens gelten dieselben Maßstäbe wie für das Auswahlverfahren selbst (vgl. etwa Nds. OVG, Beschluss vom 18.1.2018 - 5 ME 224/17 -; Beschluss vom 2.5.2019 - 5 ME 68/19 -; Beschluss vom 21.6.2022 - 5 ME 44/22 -). Damit beruht die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren auf §§ 40, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 in Verbindung mit Satz 1 Nr. 1 GKG in der zum Zeitpunkt der Einleitung des zweiten Rechtszugs (5. April 2024) geltenden Fassung, bemisst sich also nach der Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen. Auszugehen ist insoweit von einem Grundgehalt der Besoldungsgruppe W 3 in Höhe von 6.912,71 EUR mit der Folge, dass der Halbjahresbetrag 41.476,26 EUR beträgt; eine Halbierung dieses Wertes findet für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Fällen des Abbruches eines Auswahlverfahrens nicht statt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.5.2013 - 5 ME 92/13 -, juris Rn. 28).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).