Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.07.2024, Az.: 11 LC 51/23

Maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt bei einer Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Reisepasses nach § 7 PassG und bei einer Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Personalausweises nach § 6 a Abs. 1 PAuswG; Ausreise eines Deutschen zum Zwecke der Unterstützung des militanten Jihad; Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.07.2024
Aktenzeichen
11 LC 51/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 20982
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0718.11LC51.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 11.01.2023 - AZ: 4 A 572/18

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der maßgebliche Entscheidungszeitpunkt bei einer Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Reisepasses nach § 7 PassG ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. 2. Der maßgebliche Entscheidungszeitpunkt bei einer Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Personalausweises nach § 6 a Abs. 1 PAuswG ist der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung, welcher im Falle der Erstellung eines Ersatz-Personalausweises der Zeitpunkt der letzten Ausstellung eines solchen nach § 6 a Abs. 3 PAuswG ist.

  2. 2.

    Bei der Ausreise eines Deutschen zum Zwecke der Unterstützung des militanten Jihad können "sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland" im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG betroffen sein.

  3. 3.

    Die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen "bestimmten Tatsachen" im Sinne dieses Eingriffstatbestands. Diese Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind; für sie verbverbleibt es bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (anschließend an: OVG NW, Urt. v. 4.5.2015 - 19 A 2097/14 - juris Rn. 40, m.w.N.).

  4. 4.

    Wird die angenommene Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG mit länger zurückliegenden Anknüpfungstatsachen begründet, ist zu prüfen, ob diese länger zurückliegenden Anknüpfungstatsachen zwischenzeitlich Relativierungen durch weitere Umstände erfahren haben und sie in einer Gesamtschau noch das erforderliche Gewicht haben, um die Annahme des Gefahrenverdachts zu tragen.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 4. Kammer - vom 11. Januar 2023 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerinnen begehren jeweils die Ausstellung eines Reisepasses sowie eines Personalausweises.

Die am ... 1987 in L., Polen, geborene Klägerin zu 1) besitzt die deutsche und die polnische Staatsangehörigkeit. Bei der Klägerin zu 2) handelt es sich um das am ... 2017 in Syrien geborene dritte gemeinsame Kind der Klägerin zu 1) und des am ... 1987 in Tunesien geborenen, tunesischen Staatsangehörigen M. C.. Beide Klägerinnen besitzen keine ausländischen Ausweispapiere.

Im Jahr 2007 reiste M. C. erstmalig auf der Basis eines Visums in die Bundesrepublik Deutschland ein, um an der Universität A-Stadt ein Studium aufzunehmen. Anschließend erhielt er eine befristete Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausbildung nach § 16 Abs. 1 AufenthG, die wiederholt verlängert wurde.

Im Jahr 2011 konvertierte die im christlichen Glauben erzogene Klägerin zu 1) zum Islam. Am 26. März 2012 heiratete sie den M. C. standesamtlich nach deutschem Recht und vollzog überdies eine rituelle Trauung nach islamischer Sitte.

Ausweislich eines Vermerks des Landeskriminalamtes Niedersachsen (nachfolgend: LKA) vom 27. Dezember 2017 in den Akten der Generalstaatsanwaltschaft N. (nachfolgend: GenStA) bezüglich eines im Jahr 2019 gegen die Klägerin zu 1) zum Aktenzeichen O. eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens u.a. wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland (hier: Islamischer Staat, nachfolgend: IS), habe der Ehemann/Vater der Klägerinnen die Moschee "P." (nachfolgend: Q.) in A-Stadt im April 2012 regelmäßig besucht. Die Q. Moschee wurde durch den Verfassungsschutz beobachtet und galt als salafistischer Anlaufpunkt in Niedersachsen.

Am 14. September 2012 wurde das erste gemeinsame Kind der Klägerin zu 1) und des M. C., R. C., in S. geboren.

Unter dem 7. März 2013 teilte das Landesamt für Verfassungsschutz S. der Stadt S. mit, dass über den Ehemann der Klägerin zu 1) Erkenntnisse vorlägen. Dieser habe nach seinem Zuzug nach S. fußläufig zum - später bestandskräftig verbotenen - "T. e.V." (nachfolgend: U.) gewohnt. Der Ehemann/Vater der Klägerinnen soll Besucher dieser Moschee gewesen sein, welche im Jahr 2014 bundesweit aufgrund seiner radikal salafistischen und extremistischen Ausrichtung in den Fokus der Sicherheitsbehörden und in weiterer Folge in die verstärkte Wahrnehmung der Öffentlichkeit geraten sei. Erkenntnissen der Staatsschutzbehörden zufolge seien mehrere Personen in diesem Verein entsprechend indoktriniert und in weiterem Verlauf zu einer Ausreise zwecks des Anschlusses an eine Terrororganisation bewogen, beziehungsweise insoweit in unterschiedlicher Art und Weise unterstützt worden.

Ferner wurde in den Akten der GenStA vermerkt, dass der Ehemann der Klägerin zu 1) am 13. März 2013 am Flughafen V. in Begleitung des W. X. angetroffen wurde. W. X. soll als Kämpfer für die Organisation IS in Syrien ums Leben gekommen sein.

Der Ehemann der Klägerin zu 1) reiste am 21. April 2013 zurück nach Tunesien und stellte am 28. August 2013 bei der Ausländerbehörde in Y. aus Tunis heraus einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland, welche ihm in weiterer Folge befristet zum Zwecke des Familiennachzugs nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gewährt wurde. Am 1. Oktober 2013 nahm die Klägerin zu 1) mit ihrem Ehemann und dem gemeinsamen ersten Kind einen Wohnsitz in der Nähe von Y.. Der Ehemann/Vater der Klägerinnen wurde am 2. Oktober 2013 für das Wintersemester an der Hochschule Z. zugelassen.

Am 29. Juni 2014 wurde durch AA. AB. das Kalifat des IS ausgerufen.

Am 30. Juni 2014 zog die Klägerin zu 1) mit ihrem Ehemann und dem ersten gemeinsamen Kind nach AC. in die "AD. Straße", welche sich etwa 450 Meter entfernt von der Moschee des "AE. AC. e.V." (nachfolgend: AF. Moschee) befindet, die vor dessen rechtskräftigem Verbot "ein salafistisches bzw. jihadistisches Objekt mit bundesweiter Anziehungskraft" und einen Schwerpunkt "niedersächsischer Ausreisen des jihadbereiten Personenkreises" dargestellt haben soll.

In den Akten der GenStA wurde durch das LKA unter dem 27. Dezember 2017 vermerkt, der Ehemann/Vater der Klägerinnen habe vom 8. Juli 2014 bis zum 27. Juli 2014 täglich die AF. Moschee in AC. besucht und während der letzten zehn Tage dieser Zeitspanne an einem Seminar des Islampredigers AG. AH. (Alias und nachfolgend: AI. AJ.) teilgenommen. AI. AJ. wurde später durch das Oberlandesgerichts N. - Urteil vom 24. Februar 2021 / AK. - wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Entscheidung ist rechtskräftig. Gegenstand dieser Verurteilung war u.a. der Ausreisefall AL. AM., wobei zu AL. AM. (Alias: AN. AO. sowie Alias: AP.) festgestellt wurde, dass dieser Ende 2014 nach Syrien ausreiste und dort für den Geheimdienst des IS tätig wurde. Durch das LKA wurde in den Akten der GenStA weiter vermerkt, der Ehemann/Vater der Klägerinnen sei am 9. Juli 2014 Beifahrer in dem Fahrzeug des AL. AM. gewesen, zu dem er am 21. Juli 2014 erneut Kontakt gehabt haben soll. Ferner sei er am 16. Juli 2014 Beifahrer im Fahrzeug des AI. AJ. gewesen.

Am 10. Oktober 2014 wurde das zweite gemeinsame Kind der Klägerin zu 1) und des M. C., AQ. C., in AC. geboren.

Ferner wurde in den Akten der GenStA ein Vermerk gefertigt, wonach die Klägerin zu 1) zunächst gemeinsam mit ihrem Ehemann und später auch ohne ihn in einem Kraftfahrzeug mit AR. AS. während einer Verkehrskontrolle angetroffen worden sei. Die Klägerin zu 1) sei seinerzeit vollverschleiert gewesen. Das LKA Niedersachsen nimmt an, dass AR. AS. Ende 2014 in das Kriegs- und Krisengebiet Irak/Syrien ausgereist sei, sich dort mutmaßlich einer jihadistischen Terrororganisation angeschlossen habe und dort getötet worden sei.

Die Klägerin zu 1), ihr Ehemann sowie die zwei gemeinsamen Kinder reisten am 17. November 2014 über den Flughafen AT. in die Türkei ein. Am 15. Mai 2015 wurden sie von Amts wegen von ihrer letzten Wohnanschrift in AC. abgemeldet. Eigenen Angaben der Klägerin zu 1) zufolge, sei sie gemeinsam mit ihrem Ehemann und den beiden Kindern im Januar/Februar 2015 nach Syrien eingereist.

Mitte 2016 wandte sich u.a. die Klägerin zu 1) fernmündlich aus Syrien u.a. an ihre in Deutschland lebenden Familienmitglieder und bat um Hilfe bei der Ausreise aus Syrien und ihrer Rückkehr nach Deutschland.

Ausweislich eines entsprechenden Vermerks in den Akten der GenStA, wurden die Eltern der Klägerin (AU. und AV. A.) sowie ihr Onkel (Herr AW.) am 11. August 2016 durch Beamte der Polizeiinspektion A-Stadt zu Hause aufgesucht und befragt. Über den Gesprächsinhalt fertigten die eingesetzten Beamten einen Vermerk, dem im Wesentlichen zu entnehmen ist, der Ehemann/Vater der Klägerinnen habe zunächst einen westlichen Lebensstil gepflegt. Im Laufe der Zeit hätten er und die Klägerin zu 1) ihr Verhalten geändert. Der Ehemann/Vater der Klägerinnen habe der Mutter der Klägerin zu 1) plötzlich nicht mehr die Hand zur Begrüßung gereicht und sie immer weniger beachtet. Ferner habe er sich salafistisch gekleidet. Die Klägerin zu 1) habe nach und nach ebenfalls ihr äußeres Erscheinungsbild verändert, bis zur Vollverschleierung. Eine standesamtliche Trauung der beiden sei ihnen bis zum damaligen Zeitpunkt unbekannt gewesen. Sie hätten lediglich Kenntnis über eine islamische Trauung gehabt. Die Eltern der Klägerin zu 1) hätten erklärt, der Kontakt zu ihrer Tochter sei etwa Ende 2013/Anfang 2014 abgebrochen. Erst im Jahr 2016 - vermutlich im Mai - habe die Klägerin zu 1) über WhatsApp wieder den Kontakt zu ihrer Mutter gesucht. Bis zu diesem Zeitpunkt hätten sie nicht gewusst, wo sich ihre Tochter aufgehalten habe. Aus dem Kontakt im Mai 2016 sei deutlich geworden, dass sich die gesamte Familie in Syrien befände. Ferner sei deutlich geworden, dass die Klägerin zu 1) und ihre Familie den Wunsch gehabt hätten, Syrien in Richtung Deutschland zu verlassen. Die Eltern der Klägerin zu 1) hätten ferner deutlich gemacht, dass ihre Tochter sowie deren Ehemann in Syrien an keinerlei Kampfhandlungen teilgenommen hätten. Sie hätten sich in Syrien an ihrem Aufenthaltsort lediglich versteckt gehalten. Der Onkel der Klägerin zu 1) habe mitgeteilt, neben der Klägerin zu 1) am 11. August 2016 auch durch deren Ehemann kontaktiert worden zu sein.

Darüber hinaus wurde die Mutter von AR. AS. vernommen und erklärte im Wesentlichen, von ihrem Sohn mit einer ausländischen Rufnummer angerufen worden zu sein. Die eingehende Telefonnummer konnte später dem Mobiltelefon des Ehemannes/Vaters der Klägerinnen zugeordnet werden.

Am 22. August 2016 kontaktierte der Ehemann/Vater der Klägerinnen fernmündlich die deutschen Ausländerbehörden mit dem Ansinnen, eine Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland zu erhalten. Die Klägerin zu 1) stellte am 9. November 2016 aus Syrien heraus für sich und ihre Familie bei der deutschen Botschaft einen Antrag auf Einreise in die Türkei.

Im Rahmen eines gegen den Ehemann der Klägerin zu 1) eingeleiteten Gefahrenermittlungsvorgangs wurde dieser mit Stand 15. November 2016 als Gefährder eingestuft.

Die Klägerin zu 1) und ihre Familie reisten schließlich Anfang 2018 mit Hilfe eines Schleusers über den Flughafen AT. zurück in die Türkei ein und wurden dort zunächst in Abschiebehaft genommen.

Unter dem 5. Januar 2018 verfasste das LKA an die GenStA eine Erkenntnissammlung zu dem Ehemann der Klägerin zu 1) mit der Bitte um Prüfung und rechtliche Würdigung. Das LKA Niedersachsen hielt es unter Einbeziehung bislang vorhandener staatsschutzpolizeilicher Erkenntnisse für höchst wahrscheinlich, dass M. C. sich einer auf dem syrisch/irakischen Staatsgebiet terroristisch operierenden Organisation angeschlossen habe. Eine in S. als Gefährder eingestufte Person habe in einem durch das LKA S. geführten Ermittlungsverfahren einmal angegeben, C. als Kämpfer/Angehörigen des IS in Syrien gesehen zu haben, diese Aussage auf Nachfrage allerdings nicht wiederholt. Das Verfahren gegen die Klägerin zu 1) und ihren Ehemann wurde bei der GenStA am 8. Januar 2018 wegen der Prüfung eines Anfangsverdachts gemäß § 129 a, 129 b StGB unter dem Geschäftszeichen AX. eingetragen und zunächst an die Generalbundesanwaltschaft zur Prüfung weitergeleitet.

Am 7. Februar 2018 wies die Stadt AC. den Ehemann der Klägerin zu 1) mit der Begründung aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus, es sei von einem überwiegenden Ausweisungsinteresse auszugehen. Polizeilichen Erkenntnissen sei zu entnehmen, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass er eine terroristische Vereinigung unterstütze oder unterstützt habe, und dass die Gefahr, dass er bei einer Rückkehr in das Bundesgebiet eine religiös motivierte Straftat oder einen terroristischen Anschlag ausübe, erheblich sei. Zugleich verhängte die Stadt AC. gegenüber dem Ehemann der Klägerin zu 1) ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren. Dieser öffentlich zugestellte Bescheid wurde bestandskräftig.

Unter dem 9. Mai 2018 teilte das LKA gegenüber der Beklagten mit, dem LKA lägen Erkenntnisse vor, wonach sich der Ehemann/Vater der Klägerinnen im gesamten Bundesgebiet an Örtlichkeiten der radikal salafistisch jihadistisch geprägten Szene, unter anderem in der Q. Moschee A-Stadt, der AF. Moschee AC. sowie der U. Moschee S., aufgehalten habe. In Niedersachsen gehörten insbesondere die Q. Moschee sowie die AF. Moschee zu den zentralen salafistischen Anlaufpunkten mit überregionalen Strukturanbindungen und einer besonders ausgeprägten, radikal salafistisch jihadistisch behafteten Ideologie- und Interpretationsvermittlung des Islam. So entfielen etwa 1/3 der Ausreisefälle in das Kriegs- und Krisengebiet Syrien/Irak auf den Raum AC.. Ähnliche Aussagen ließen sich in Bezug auf die U. Moschee in S. treffen. Zudem habe der Ehemann/Vater der Klägerinnen in einem direkten Kontakt zu diversen Personen gestanden, denen aus staatsschutzpolizeilichem Blickwinkel die Durchführung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten oder anderer Straftaten seitens der Sicherheitsbehörden zugetraut werde, bzw. gegen welche bereits staatsschutzpolizeiliche Ermittlungen betrieben worden seien oder aktuell betrieben würden. Eine salafistisch orientierte Veränderung der Klägerin zu 1) habe sich in der Vergangenheit vor dem Hintergrund ihres veränderten äußeren Erscheinungsbildes ergeben, nicht zuletzt durch das Tragen einer im salafistisch geprägten Umfeld vielfach vorzufindenden Vollverschleierung. Zudem habe auch die Klägerin zu 1) selbst Kontakt zu Personen der radikal salafistisch jihadistischen Szene gepflegt. So sei es im Oktober 2014 zu einer Verkehrskontrolle gekommen, bei der die Klägerin zu 1), ihr Ehemann sowie eine dritte Person angetroffen worden seien, über die bereits umfangreiche staatspolizeiliche Erkenntnisse vorlägen (wird näher ausgeführt). Ferner seien die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann im Jahr 2014 im unmittelbaren Nahbereich der AF. Moschee in AC. wohnhaft gewesen. In dieser Moschee sei der Ehemann/Vater der Klägerinnen regelmäßig Besucher gewesen. Zu den tatsächlichen Aktivitäten der Klägerin zu 1) in Syrien könnten derzeit keine verlässlichen Informationen mitgeteilt werden. Ähnlich gelagerte Fälle aus der Vergangenheit hätten jedoch gezeigt, dass sogenannte Rückkehrerinnen aus Jihadgebieten nach wie vor von der salafistischen Ideologie überzeugt seien und ihren Alltag sowie ihre Lebensweise (Erziehung der Kinder, Umgang mit Menschen etc.) nach den Prinzipien einer salafistischen Überzeugung fortsetzten.

Am 26. Juni 2018 reisten die Klägerinnen aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland ein. Der Ehemann/Vater der Klägerinnen reiste mit den beiden älteren Kindern nach Tunesien. Am 2. Juli 2018 beantragten die Klägerinnen die Erteilung von Personaldokumenten. Ihre abgelaufenen Personaldokumente waren am 27. Juni 2018 beschlagnahmt worden.

Unter dem 3. Juli 2018 verfasste das Bundesamt für Verfassungsschutz (nachfolgend: BfV) ein sogenanntes Behördenzeugnis folgenden Inhalts, das zu den Akten der GenStA genommen wurde:

Im Rahmen der Aufgabenerfüllung des Bundesamtes für Verfassungsschutz wurde bekannt, dass A., geb. ...1987, aktueller Aufenthalt in der elterlichen Wohnung im AY., A-Stadt, mit der Absicht nach Syrien gereist ist, am Jihad teilzunehmen. Sie vertritt die Ideologie des "Islamischen Staates" (IS) und sympathisierte mit dessen Zielen. A. hatte regelmäßig Kontakt zu Mitgliedern des IS sowie zu Mitgliedern der Terrororganisation "Al Quaida" (AQ) in Syrien (vgl. Bl. 132 Beiakte GenStA Bd. I).

Am 6. Juli 2018 hörte die Beklagte die Klägerinnen zur beabsichtigten Versagung der Ausstellung eines Reisepasses und Personalausweises, der Ausstellung eines Ersatz-Personalausweises sowie der Ausreiseuntersagung an.

Auf dem Passfoto des am 10. Juli 2018 ausgestellten und bis zum 9. Juli 2019 gültigen Ersatz-Personalausweises ist die Klägerin zu 1) ohne Kopftuch oder sonstige Kopfbedeckung zu sehen.

Die Klägerin zu 1) gab mit Schreiben vom 17. Juli 2018 eine Stellungnahme gegenüber der Beklagten ab. Sie erklärte im Wesentlichen, die Behörde habe bei der Entscheidung ihre aktuelle familiäre Situation zu berücksichtigen. So befinde sich ihr Ehemann sowie die beiden älteren Kinder in Tunesien. Weder sie noch ihr Ehemann seien Unterstützer oder Befürworter einer militant salafistisch jihadistischen oder radikalen Gruppe. Ihr Ehemann habe keinen Kontakt zu der radikal salafistischen Szene und habe auch zu keinem Zeitpunkt zu dieser Szene gehört. Er habe sich von dieser Szene distanziert, was auch ein Grund für die vielen Umzüge gewesen sei. So habe ihr Ehemann lediglich anfangs gelegentlich in den einschlägigen Moscheen sein Gebet verrichtet, da ihm die Umgebung und die Menschen fremd gewesen seien. Sobald ihr Mann jedoch festgestellt habe, dass es sich um Gruppierungen gehandelt habe oder er mit ihnen in Konflikt geraten sei, aufgrund ihrer radikalen Ausrichtung, habe er sich von den jeweiligen Moscheen wieder distanziert. Der letzte Umzug nach AC. sei nicht erfolgt, um einen engeren Kontakt zu Mitgliedern der AF. Moschee in AC. zu ermöglichen, sondern um ihrer Familie wieder näher zu sein. In AC. hätten sie niemanden persönlich gekannt und auch keine freundschaftlichen Bekanntschaften gepflegt. Sie stünden bis heute zu den ihr dort bekannt gewordenen Personen in Distanz, wenngleich sie sich mit ihren Inhalten nicht vertieft beschäftigt hätten. Dies gelte insbesondere für sie - die Klägerin zu 1) - als Mutter und Ehefrau und Tochter ihrer Eltern. Sie interessiere sich nicht für diese Leute und habe weder Interesse noch Zeit sich mit deren Unstimmigkeiten auseinanderzusetzen. Ferner sei bei ihrer Ausreise 2014 geplant gewesen, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Dies werde bereits dadurch deutlich, dass sie sich weder abgemeldet noch Verträge, wie etwa das Mietverhältnis, gekündigt hätten. So sei auch die eigene Wohnung noch vollständig möbliert gewesen und habe weiterhin wichtige persönliche Dokumente enthalten. Ihre Intention für die Reise sei gewesen, mehr als lediglich Sach- und Geldspenden für Flüchtlinge, Kriegsopfer und anderweitig Bedürftige zu leisten. Sie hätten mehr tun wollen und ihr schlechtes Gewissen beruhigen wollen, um das Mitleid zu mindern. Sie hätten auch an das Wohl anderer denken und ihnen helfen wollen, ihre Situation zu verbessern, zum Beispiel indem sie Kinder aus Krisen- oder Kriegsgebieten oder Obdachlosenverhältnissen zu Hause aufnähmen, sie ernährten und beschäftigten und ablenkten, von ihrem schweren Schicksal und sie mit Freude unterrichteten mit Sprache in Wort und Schrift und Mathematik. Dies gelte auch für Kinder, die sich in der Türkei oder in Deutschland wiedergefunden hätten und sich in einer neuen Umgebung, die ihnen fremd sei und in der sie sich vielleicht verloren fühlten. Ihre Absicht sei gewesen, Kontakt zu seriösen Hilfsorganisation aufzunehmen, die anerkannte humanitäre Hilfe und ehrliche Arbeit leisteten, um diese dann auch weiter von zu Hause aus unterstützen zu können. Sie seien zwar keine ausgebildeten Lehrer und Pädagogen, hätten aber eine gute Ausbildung von der Schulzeit/Fachhochschule bis zur Ausbildung/Studium erlangt, die sie im Grundsatz an andere Personen hätten weitergeben können, die schlechte oder größtenteils gar keine Schulbildung erhalten hätten. Es sei zunächst geplant gewesen, eine kurze Hin- und Rückreise vorzunehmen, um eine Organisation zu finden, die weder etwas mit der radikal salafistischen Szene, noch mit Menschen- oder Organhandel zu tun habe. Entgegen der vorstehend beschriebenen Erwartungen, habe sich die Reise bereits in der Türkei zu einem "Horrortrip" entwickelt. Im Winter 2014/2015 sei der Durchgang von Syrien in die Türkei und umgekehrt jedoch noch sicher gewesen. Die Grenzen seien täglich von Lieferanten, Händlern und humanitären Helfern passiert worden. Ferner habe es in Syrien seinerzeit auch sichere Ortschaften gegeben. So hätten sie sich für kurze Zeit in der Ortschaft AZ. aufgehalten, um die Arbeit der dort und in der Umgebung tätigen Organisationen zu beobachten. Bereits kurze Zeit nach ihrer Ankunft in Syrien hätten sie gesehen, dass man nicht ehrlich mit ihnen gewesen sei und sie hätten schreckliche Dinge, wie Diebstahl sowie Gefahr vor Entführungen, erfahren. An erster Stelle habe die große Angst vor dem Krieg gestanden, der zwar fern, aber gleichwohl wahrnehmbar gewesen sei. Ferner hätten sie Angst vor dem großen Unbekannten, der Mafia, den Menschenhändlern und der Nacht gehabt. In Syrien sei es nachts sehr dunkel gewesen, entweder aus Gründen von Stromausfall oder Sicherheitsgründen. Ferner sei der Durchgang zwischen Syrien und der Türkei plötzlich nicht mehr sicher gewesen. Diese Lage habe sich auch nach einer längeren Wartephase nicht verbessert. Sie hätten mehrfach versucht, das Kriegsgebiet wieder zu verlassen, seien aber gescheitert. So hätten sie bereits seit dem Frühjahr 2016 Kontakt übers Internet zu ihrer Familie und zu Anwälten sowie der deutschen Botschaft gesucht, um wieder nach Deutschland einreisen zu können. Im Sommer 2016 habe die Türkei ihnen jedoch die Einreise verweigert. Selbst vor dem Hintergrund, dass sie sich schwangerschaftsbedingt in einer schlechten gesundheitlichen Verfassung befunden habe, sei durch die Türkei keine humanitäre Hilfe geleistet worden. Sie hätten sich zuletzt lediglich in den Grenzgebieten zwischen der Türkei und Nordsyrien aufgehalten. Sie hätten nachts die türkischen Lichter sehen können, ihnen sei aber die Einreise in die Türkei verboten worden. Ihre Kontakte - auch innerhalb Syriens - hätten sich ausschließlich auf humanitäre Hilfskräfte der freien syrischen Armee, einheimische freie Helfer und syrische Zivilisten beschränkt. Sie hätten keinerlei Kontakt zu einer militant salafistischen Gruppe gepflegt. Sie seien auch nie bereit gewesen, sich in riskante Situationen zu begeben, um humanitäre Hilfe zu leisten. Sie hätten geplant, Hilfe aus sicheren Gebieten heraus zu leisten. Doch auch dieses Kapitel sei gescheitert und demnach für sie abgeschlossen. In Zukunft würde sich die Familie lediglich um das Wohl ihrer Kinder bemühen.

Am 6. August 2018 wandte sich die Klägerin zu 1) per E-Mail an die Beklagte und teilte im Wesentlichen mit, ihr Ehemann sei in Tunesien ohne Beweise inhaftiert worden und ihre zwei dort befindlichen Kinder könnten nicht unbegleitet nach Deutschland fliegen. Favorisiert sei, dass die gesamte Familie künftig in Deutschland lebe. Sollte dies aufgrund der Einreisesperre ihres Ehemannes nicht möglich sein, würde die Familie zunächst in Tunesien leben wollen. Deshalb müsse ihr eine Ausreise nach Tunesien gestattet werden.

Auf eine entsprechende Anfrage der Beklagten, teilte die deutsche Botschaft unter dem 7. August 2018 mit, dass die derzeit in Tunesien lebenden Kinder der Klägerin zu 1) auch ohne Begleitung der Eltern aus Tunesien ausreisen könnten.

Am 9. August 2018 kontaktierte die Klägerin zu 1) die Beklagte fernmündlich, worüber ein Vermerk mit dem wesentlichen Inhalt erstellt wurde, dass die Klägerin zu 1) mitgeteilt habe, ihr Ehemann sei in Tunesien ohne bekannten Haftgrund inhaftiert worden und die Kinder befänden sich bei ihrer Schwiegermutter, die jedoch alt und krank sei und sich nicht um die Kinder kümmern könne. Die Ausreise der Kinder sei nur mit richterlichem Beschluss möglich und ihr fünfjähriges Kind dürfe nicht alleine fliegen. Deshalb müsse sie zeitnah nach Tunesien reisen.

Unter dem 9. August 2018 verfasste das LKA eine Stellungnahme an die Beklagte hinsichtlich der geplanten Versagung der Ausstellung von Reisepässen und Personalausweisen und der Untersagung der Ausreise der Klägerinnen. Es bestünden weiterhin Bedenken gegen eine Passausstellung für die Klägerinnen. Untermauert würden diese Bedenken durch den Inhalt des Behördenzeugnisses des BfV vom 3. Juli 2018. Hervorzuheben seien ferner die widersprüchlichen Angaben der Klägerin zu 1) (wird ausgeführt). Wie bereits in dem Schreiben des LKA vom 9. Mai 2018 dargestellt, lägen dem LKA Erkenntnisse vor, wonach sich der Ehemann/Vater der Klägerinnen im gesamten Bundesgebiet an Örtlichkeiten der radikal salafistischen Szene aufgehalten habe (wird ausgeführt). Ferner sei auch die globale Perspektive im Jahr 2014 zu berücksichtigen, wonach am 29. Juni 2014 durch den Anführer des IS das sogenannte Kalifat ausgerufen worden sei, was der eben benannten Terrororganisation seine maximale Ausdehnungskraft beschert habe. Die darauffolgende Zeit habe den Höhepunkt der Kampfhandlungen in den betreffenden Gebieten dargestellt. Das Bombardieren mehrerer Stellungen des IS durch die USA und anderer Verbündeter sowie Luftangriffe Russlands im September 2015 stünden nur beispielhaft für das Kriegsgeschehen in Syrien und dem Irak. Aufgrund der folgenden Kriegsgeschehen sei in Syrien keinerlei funktionierende Infrastruktur vorhanden gewesen, sodass sich bereits der Reiseweg nach Syrien, insbesondere mit einem Säugling, entsprechend problematisch dargestellt haben dürfe. Die in Syrien und dem Irak vorherrschende Situation sei zudem weltweit bekannt gewesen, sodass der Klägerin zu 1) unterstellt werden könne, sich vor ihrer Ausreise der Gefahren bewusst gewesen zu sein, denen sie sich selbst und ihren zu dem Zeitpunkt knapp zwei Jahre bzw. vier Monate alten Kindern ausgesetzt habe. Dementsprechend seien die Angaben der Klägerin zu 1), wonach sie unmittelbar nach ihrer Ankunft in Syrien von den Umständen überrascht gewesen sei, äußerst kritisch zu betrachten. Ferner sei zu bedenken, dass beide in Tunesien lebenden Kinder der Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit besäßen und aus polizeilicher Sicht keinerlei Gründe ersichtlich seien, die dagegen gesprochen hätten, dass die Klägerin zu 1) am 26. Juni 2018 gemeinsam mit ihren drei Kindern aus der Türkei nach Deutschland hätte einreisen können.

Weitere Stellungnahmen durch die Klägerin zu 1) erfolgten mit E-Mail Nachrichten vom 20. bis 22. August 2018. Sie erklärte im Wesentlichen, erst durch einen Konsum der hiesigen Medien sei ihr bewusst geworden, welches Bild von ihr entstanden sein möge. Dieses Bild sei jedoch nicht zutreffend. Wie sie bereits mitgeteilt habe, sei sie weit von der salafistischen Ideologie entfernt. Die Handlungen der entsprechenden Akteure machten sie teilweise sogar wütend, wenn es etwa um die Radikalisierung von Kindern gehe. Die Glaubenssache sei eine Herzensangelegenheit und die Religionswahl sei eine Entscheidung jedes einzelnen Menschen und niemand habe das Recht, darüber zu urteilen oder sich in die individuelle Lebensentscheidung eines anderen Individuums einzumischen. Sie habe keine Probleme mit ihrer Familie, die einen christlich römischen Glauben pflege. Das gleiche gelte für die Familie ihres Mannes, der eine islamische Erziehung genossen habe. Sie plane, ihre Kinder auf die besten Schulen zu schicken und gerne auch in den Kindergarten, damit sie Kontakt zu anderen Kindern bekämen, um ihnen die Möglichkeit eines sozialen Umfeldes zu geben. Sie habe keine Vorbehalte ihren Mitmenschen gegenüber, weder wegen ihres Glaubens noch wegen ihrer Abstammung oder ihres Aussehens. Sie habe immer gern in Deutschland gelebt wegen der Freiheit jedes Menschen und der Rechte in diesem Land. Sie hätten auch nie Deutschland langfristig verlassen wollen. Leider sei es nun so, dass in Deutschland scheinbar alle Muslime als gleich angesehen würden, obwohl es unter ihnen sehr viele Unterschiede gebe. Unter der Trennung der Familie litten die Kinder stark. Das Jugendamt in A-Stadt sei zudem bereit, eine Auskunft über den Eindruck, den sie von ihr als Mutter erlangt hätten, zu erteilen.

Mit Bescheid vom 17. September 2018 lehnte die Beklagte, die Anträge der Klägerin zu 1) auf Ausstellung von Reisepässen für sie und ihre Tochter - der Klägerin zu 2) - ab (Ziffer 1 d. angefochtenen Bescheides). Die Beklagte lehnte ferner die Anträge auf Ausstellung von Personalausweisen für die Klägerinnen ab (Ziffer 2 d. angefochtenen Bescheides), stellte der Klägerin zu 1) einen Ersatz-Personalausweis aus (Ziffer 3 d. angefochtenen Bescheides) und untersagte den Klägerinnen die Ausreise aus dem Bundesgebiet (Ziffer 4 d. angefochtenen Bescheides). Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG sei ein Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründeten, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährde. Es lägen Tatsachen vor, welche die Annahme begründeten, dass von den Klägerinnen eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland ausgehe. Die Unterstützung des militanten Jihad durch einen deutschen Staatsangehörigen erfülle den Tatbestand der Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland. Sie tangiere massiv die Sicherheitsinteressen der davon betroffenen Länder sowie der internationalen Staatengemeinschaft und sei geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik nachhaltig zu beeinträchtigen. Es lägen Tatsachen vor, die eine entsprechende Annahme begründeten: So sei die Klägerin zu 1) mit ihrer Familie bis zur Ausreise nach Syrien im Jahr 2014 in der Nähe der AF. Moschee in AC. wohnhaft gewesen. Ferner lägen Erkenntnisse vor, dass sich der Ehemann/Vater der Klägerinnen bis zur gemeinsamen Ausreise im Bundesgebiet in der salafistisch jihadistisch geprägten Szene und den entsprechenden Moscheen mehrerer Städte (Q. Moschee A-Stadt, U. Moschee S., AF. Moschee AC.) aufgehalten und radikalisiert habe. Neben dem Besuch dieser Moscheen habe der Ehemann/Vater der Klägerinnen direkten Kontakt zu diversen Personen gepflegt, gegen die bereits staatsschutzpolizeiliche Ermittlungen betrieben worden seien. Es bestehe der begründete Verdacht, dass der Ehemann/Vater der Klägerinnen eine terroristische Vereinigung unterstütze bzw. unterstützt habe. In Niedersachsen gehörten insbesondere die Q. und die AF. Moschee zu den zentralen salafistischen Anlaufpunkten mit einer besonders ausgeprägten radikal salafistisch jihadistischen Ideologie- und Interpretationsvermittlung des Islam. Die Q. Moschee A-Stadt gelte als zentraler Anlaufpunkt für die salafistische Szene über den dortigen Prediger BA. und seine direkte Anbindung an salafistische Kreise im Ausland. Der 2017 verbotene Verein AF. Moschee AC. habe Personen auf konspirative Art und Weise zielgerichtet radikalisiert und für eine Ausreise in die Krisengebiete unter anderem nach Syrien rekrutiert. Die AF. Moschee AC. gelte als Anziehungspunkt im bundesweiten salafistisch und pro-jihadistisch geprägten Spektrum. Besonders auffällig sei, dass sich ein niedersächsischer Schwerpunkt mit mehr als 1/3 der Ausreisefälle in das Jihadgebiet Syrien/Irak im Raum AC. /BB. befinde, in dem sich die Klägerin zu 1) mit ihrer Familie bis zur Ausreise nach Syrien aufgehalten habe. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin zu 1) den Radikalisierungsprozess ihres Ehemannes begleitet und unterstützt habe sowie mit den von den oben angegebenen Moscheen vermittelten radikal salafistischen Inhalten vertraut sei und die Ansichten teile. Bis zu der Ausreise der Klägerin zu 1) aus dem Bundesgebiet habe sich ihr optisches Erscheinungsbild verändert. Die Polizei habe bei ihr mehrfach eine Vollverschleierung festgestellt und entsprechend dokumentiert. Zudem sei sie anlässlich einer Verkehrskontrolle Ende Oktober 2014 in Begleitung einer männlichen Person angetroffen worden, die selbst umfangreiche staatsschutzpolizeiliche Erkenntnisse vorweise. Da die Klägerin zu 1) bei dieser Kontrolle allein mit dieser Person angetroffen worden sei, müsse aufgrund der militant salafistischen Sichtweise des Islam, wonach Frauen in der Öffentlichkeit keine persönliche Verbindung zu nicht verwandten Männern unterhalten dürften, davon ausgegangen werden, dass sie mit dem radikal salafistischen Personenkreis eng verbunden sei. Ende des Jahres 2014 sei die Klägerin zu 1) sodann freiwillig mit ihrem Ehemann und zwei Kindern im Alter von knapp zwei Jahren bzw. vier Wochen nach Syrien ausgereist. Die Ausreise sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, nachdem im Juni 2014 das sogenannte Kalifat ausgerufen worden sei und eine vermehrte polizeilich festgestellte Ausreisetendenz aus dem gesamten Bundesgebiet in Richtung Syrien/Irak festgestellt worden sei. Es sei daher davon auszugehen, dass die Ausreise dem Anschluss des Ehemannes der Klägerin zu 1) an den bewaffneten Jihad gedient habe. Damit habe die Klägerin zu 1) ihren Ehemann bei dessen Anschluss an den bewaffneten Jihad zumindest mittelbar unterstützt. Zudem lägen mittlerweile Hinweise vor, dass die Klägerin zu 1) gemeinsam mit ihrer Familie nach Syrien mit der Absicht der eigenen Teilnahme am Jihad ausgereist sei. Sie vertrete die Ideologie des IS und sympathisiere mit dessen Zielen. Außerdem werde bestätigt, dass sie regelmäßig Kontakt zu Mitgliedern des IS sowie der Terrororganisation "Al Quaida" in Syrien gepflegt habe. Die Angaben der Klägerin zu 1) im Rahmen ihrer Stellungnahmen seien in weiten Teilen nicht glaubhaft. So sei nicht glaubhaft, dass sie sich stetig von der radikal salafistischen Szene distanziert habe. Wie bereits dargelegt, habe sich ihr Ehemann im gesamten Bundesgebiet an Örtlichkeiten der radikal salafistisch jihadistisch geprägten Szene aufgehalten. Er habe zudem selbst in direktem Kontakt zu diversen Personen gestanden, denen aus staatsschutzpolizeilichem Blickwinkel die Durchführung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten und anderer Straftaten seitens der Sicherheitsbehörden zugetraut werde. Auch die Klägerin zu 1) selbst habe jedenfalls Kontakt zu einer solchen Person gehabt. Es sei somit davon auszugehen, dass die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann diese Szene eher gezielt gesucht hätten, als den Versuch zu unternehmen, diese zu meiden. Die angeblichen humanitären Gründe für die Ausreise nach Syrien seien nicht glaubhaft. Dagegen spreche bereits der Zeitpunkt der Ausreise. Zudem sei im höchsten Maße unglaubhaft, dass man sich und seine beiden Kinder - davon ein neugeborenes Kind - lediglich aus humanitären Gründen den Gefahren einer Reise in Kriegsgebiete aussetzte. Spätestens nach dem von der Klägerin zu 1) geschilderten "Horrortrip" in die Türkei, wäre sodann eine Umkehr zu erwarten gewesen. Unter diesen Umständen sei die Entscheidung der Klägerin zu 1), mit zwei kleinen Kindern in ein Kriegsgebiet weiter zu reisen, nicht nachvollziehbar. Nachdem sie - eigenen Angaben zufolge - bereits kurz nach ihrer Ankunft in Syrien Diebstählen, sowie der Gefahr der Entführung und der Angst vor dem dortigen Krieg ausgesetzt gewesen sei, habe dies die Familie normalerweise zu einer Rückkehr bewegen müssen. Tatsächlich habe sich die Familie aber erst Anfang 2016 einen Weg der Flucht bzw. Ausreise aus Syrien gesucht. Generell sei nach Ansicht des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport davon auszugehen, dass Reiseabsichten radikal islamistisch geprägter Personen in die Jihadkampfgebiete grundsätzlich nicht mit der Zielrichtung humanitärer Hilfestellung verbunden seien. Jede dieser Ausreisen erhöhe die Gefahr von schwersten Straftaten gegen Leib und Leben von Dritten. Es lägen keinerlei Hinweise vor, dass sich die Klägerin zu 1) zwischenzeitlich von den Zielen des IS distanziert habe und diese Ansichten nicht mehr teile. Es müsse vielmehr davon ausgegangen werden, dass sie die Ziele weiterhin verfolge und gemeinsam mit ihrem Ehemann in Tunesien oder einem anderen Land durchsetzen und weiterhin den militanten Jihad unterstützen wolle. Auch eine Rückkehr nach Syrien könne nicht ausgeschlossen werden. In alledem begründeten sich Tatsachen, die die Annahme rechtfertigten, dass die Klägerin zu 1) erhebliche sonstige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährde. Nach § 7 Abs. 2 PassG sei von der Passversagung abzusehen, wenn sie unverhältnismäßig sei, besonders wenn es genüge, unter anderem den Geltungsbereich des Passes zu beschränken. Ein milderes Mittel in Form der Beschränkung des Geltungsbereiches des Passes, zum Beispiel auf Tunesien, komme hier nicht in Betracht (wird ausgeführt). Der mit der Passversagung verbundene Eingriff in die grundrechtlich geschützte Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG sei angesichts der hohen Bedeutung der hier zu schützenden Rechtsgüter gerechtfertigt. Auch der Antrag, für die Klägerin zu 2) einen Reisepass auszustellen, werde abgelehnt, da die Ausstellung erst nach Vorlage einer Geburtsurkunde bzw. eines Auszugs aus dem Personenstandsregister erfolgen könne. Entsprechende Unterlagen seien bislang nicht vorgelegt worden (Anmerkung: zwischenzeitlich ist ein Auszug aus dem Geburtenregister vorgelegt worden). Zudem sei auch von einer Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland auszugehen. Für den Fall einer Ausreise der Klägerin zu 2) nach Tunesien würde diese in einem salafistisch geprägten Umfeld aufwachsen. Es bestehe hier der begründete Verdacht, dass die Klägerin zu 2) entsprechend der salafistischen Ideologie und zur Ablehnung der "ungläubigen" Gesellschaft erzogen werde. Zugunsten der Klägerin zu 2) sei zu berücksichtigen, dass ihr Vater und die beiden älteren Geschwister aktuell in Tunesien lebten. Der Vater befinde sich aber in Tunesien zurzeit in Haft. Der Zeitpunkt der Entlassung sei nicht bekannt. Die beiden älteren Geschwister lebten daher aktuell bei der Mutter des Vaters. Die Großmutter sei für die Klägerin zu 2) jedoch eine vollkommen fremde Person. Im Falle einer alleinigen Ausreise würde diese folglich durch eine ihr vollkommen fremde Person betreut und versorgt werden müssen. Dies stelle eine Kindeswohlgefährdung dar. Eine Beschränkung des Geltungsbereichs oder der Gültigkeit des Passes sei nicht ausreichend. Es werde auf die Ausführungen hinsichtlich der Mutter verwiesen. Die Versagung des Personalausweises beruhe auf § 6 a Abs. 1 PAuswG, der auf § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG verweise. Der IS stelle eine Vereinigung im Sinne des § 129 a i.V.m. § 129 b Satz 1 StGB dar (wird ausgeführt). Da die Klägerinnen die Ideologie des IS verträten, unterstützten sie auch die Gewaltanwendung des IS zur Durchsetzung der oben angegebenen religiösen Ziele. Über die Versagung des Personalausweises sei nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Im Rahmen der Ermessensausübung sei zu prüfen, ob ein milderes geeignetes Mittel in Betracht komme, was hier nicht der Fall sei (wird ausgeführt). Nach § 6 a Abs. 3 PAuswG sei ein Ersatz-Personalausweis auszustellen, wenn - wie hier - ein Personalausweis versagt werde. Da die Klägerinnen neben der deutschen Staatsangehörigkeit noch die polnische bzw. tunesische Staatsangehörigkeit besäßen, werde ihnen zudem nach § 46 Abs. 2 Satz 1 AufenthG die Ausreise aus dem Bundesgebiet untersagt (wird ausgeführt).

Am 6. Oktober 2018 reisten auch die beiden älteren Kinder der Klägerin zu 1) in Begleitung ihres Großvaters, des Vaters der Klägerin zu 1), unter Verwendung ihrer Kinderreisepässe wieder in die Bundesrepublik Deutschland ein.

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 17. September 2018 haben die Klägerinnen am 17. Oktober 2018 die vorliegende Klage erhoben.

Ferner erhob die Klägerin zu 1) Klage (VG Braunschweig, 4 A 83/19) gegen einen weiteren Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2019, mit dem die Kinderreisepässe ihrer beiden älteren Kinder entzogen wurden und den beiden älteren Kindern die Ausreise aus der Bundesrepublik untersagt wurde. Das Verfahren 4 A 83/19 wurde mit dem vorliegenden Verfahren verbunden.

Am 26. September 2019 erließ der Bundesgerichtshof in dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin zu 1) zwei Beschlüsse - BC.. BD. - zur Überwachung der Telekommunikation der Klägerin zu 1), welche sodann ab dem 27. September 2019 umgesetzt wurden.

Am 21. Oktober 2019 übersandte der Bundesnachrichtendienst (nachfolgend: BND) zu den Akten der GenStA die Behördenerklärung BE. folgenden Inhalts:

Dem Bundesnachrichtendienst liegen nachrichtendienstliche Hinweise vor, die ihrer Herkunft nach glaubwürdig und ihrem Inhalt nach glaubhaft sind, wonach sich die deutsche Staatsangehörige A., geboren am ...1987 in L. /Polen, in Syrien aufgehalten hat. Die Beschuldigte ist mit dem tunesischen Staatsangehörigen M. C., geboren am ...1987 in BG. /Tunesien, verheiratet.

Den nachrichtlichen Hinweisen zufolge wollte das Ehepaar den vom bewaffneten Konflikt in Syrien betroffenen Kindern humanitäre Hilfe leisten und stellte in diesem Zusammenhang Kontakt zu der Organisation "Helfen in Not" her. Im Jahr 2013 nahmen die Beschuldigte und C. an einer Veranstaltung von "Helfen in Not" in BH. /Deutschland feil.

Die Beschuldigte reiste mit C. und ihren zwei Kindern Ende 2014 nach BI. /Türkei, wo sich die Familie ein bis zwei Monate aufhielt, bevor sie sich mit dem Bus über BJ. /Türkei nach BK. /Türkei begab. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Familie 2.000,00 Euro Bargeld bei sich. Die Beschuldigte und C. wollten zunächst von der Türkei aus humanitäre Hilfe leisten. Hierfür gingen sie auf Hilfsorganisationen zu, waren von diesen allerdings enttäuscht und begannen sodann, eigenverantwortlich humanitäre Hilfe zu organisieren.

Mit Hilfe einer Kontaktperson gelangte die Familie sodann über die "grüne Grenze" nach Syrien, wo sie sich zunächst temporär aufhalten wollte. Nachdem die Grenze durch türkische Sicherheitskräfte nach einiger Zeit geschlossen wurde, war die Familie gezwungen, in Syrien zu bleiben. Die Familie lebte fortan im Ostteil der Provinzhauptstadt BL. /Syrien, den zum damaligen Zeitpunkt regimefeindliche bewaffnete Gruppierungen dominierten. C. unterrichtete dort Kinder. Die Familie stand unter dem Schutz eines Anführers einer dieser regimefeindlichen bewaffneten Gruppierungen. Nachdem dieser Anführer das Gebiet verlassen hatte, zog die Familie nach BM. /Syrien.

Während ihres Aufenthalts in Syrien bekam die Beschuldigte ein weiteres Kind. Die Lebensbedingungen der Familie waren schwierig, da kaum Geld für den Lebensunterhalt zur Verfügung stand. Die Familie wurde von Nachbarn mit Lebensmittelspenden unterstützt. Die Miete für die Wohnung der Familie betrug ca. zehn US-Dollar monatlich.

Einem der vorgenannten nachrichtendienstlichen Hinweise zufolge plante C. schließlich die Flucht aus Syrien in Richtung Türkei. Für die Flucht erhielt er 3.000 US-Dollar von seiner Familie in Tunesien. Mit diesem Geld wurde ein Schleuser bezahlt.

' Der Grenzübertritt der Beschuldigten und ihrer Familienangehörigen in die Türkei erfolgte bei BN. /Türkei. Im Anschluss reiste die Familie nach BO. und quartierte sich in einem Hotel ein. Aus Kostengründen zog die Familie kurze Zeit später in eine kleinere Wohnung in BP. /Türkei.

In BP. wurden die Beschuldigte und C. im Januar 2018 von türkischen Behörden festgenommen, als sie sich bei der dortigen Ausländerbehörde meldeten und um Unterstützung bei ihrer Ausreise nach Deutschland baten (vgl. Bl. 189 ff. Beiakte GenStA Bd. II).

Am 23. Januar 2020 wurde auf der Basis eines Durchsuchungsbeschlusses des Oberlandesgerichts N. vom 8. Januar 2020 - BQ. - die Durchsuchung der Wohnung der Klägerinnen vorgenommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Wohnungsdurchsuchung wird Bezug genommen auf den Inhalt des polizeilichen Berichts.

Ferner wurde durch die Ermittlungsbehörden am 24. Januar 2020 eine Kontaktperson der Klägerin zu 1) befragt, die im Wesentlichen erklärte, die Klägerin zu 1) trete auch aktuell noch teilweise verschleiert auf.

Am 29. Januar 2020 informierte das LKA die Beklagte über das seit dem 20. August 2019 bei der GenStA wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland (IS) laufende Ermittlungsverfahren BR. gegen die Klägerin zu 1).

Am 13. Oktober 2020 hat das Verwaltungsgericht das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf das bei der GenStA gegen die Klägerin zu 1) laufende Ermittlungsverfahren angeordnet.

Der Ehemann der Klägerin zu 1) wurde am 26. Juni 2021 aus der tunesischen Haft entlassen und lebt seither bei seinen Eltern in Tunesien.

Am 1. Oktober 2021 ist das Verfahren durch das Verwaltungsgericht wieder aufgenommen worden.

Das LKA verfasste unter dem 18. Februar 2022 einen Schlussbericht in dem Ermittlungsverfahren der Klägerin zu 1) sowie einen zusammenfassenden Auswertebericht hinsichtlich der bei der Durchsuchung sichergestellten Asservate unter dem 7. Januar 2022.

Am 25. Mai 2022 wurde das Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin zu 1) - O. - bei der GenStA gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Mit Stellungnahme vom 13. Dezember 2022 teilte das LKA mit, dass die in der Stellungnahme vom 9. August 2018 benannten Gründe weiterhin gegen die Ausstellung eines Passes für die Klägerin zu 1) sprächen. Im Übrigen sei polizeilich bekannt geworden, dass dem Urteil des zwischenzeitlich aus der Haft entlassenen M. C. ein Terrorismusbezug zugrunde liege.

Zur Begründung ihrer Klage haben die Klägerinnen im Wesentlichen geltend gemacht, der Bescheid vom 17. September 2018 sei rechtswidrig und verletze die Klägerinnen in ihrem Recht aus Art. 6 GG, da die Passversagung unter Berücksichtigung der Einreisesperre ihres Ehemannes/Vaters dazu führe, dass die Familie langfristig voneinander getrennt leben müsse. Darüber hinaus sei nicht berücksichtigt worden, dass die Klägerin zu 1) selbst kaum die Moschee besucht habe. Ihr Ehemann/Vater habe die Moschee regelmäßig lediglich zu den Freitagsgebeten aufgesucht, wobei er dies auch unterlassen habe, nachdem er Kenntnis der dort vorherrschenden Einstellungen erhalten habe. Die häufigen Umzüge hätten nicht den Hintergrund gehabt, in der salafistischen Szene Kontakte knüpfen zu wollen, sondern seien mit Problemen in der Ursprungsfamilie der Klägerin zu 1) zu begründen. Zu Beginn hätten die Eltern der Klägerin zu 1) die Konvertierung ihrer Tochter zum Islam abgelehnt. Ferner habe die Mutter der Klägerin zu 1) es nicht gutgeheißen, dass diese sich verschleiert gezeigt habe. Nach S. sei die Familie seinerzeit umgezogen, damit der Ehemann/Vater dort studieren könne. Im Anschluss sei beabsichtigt gewesen, in Tunesien zu bleiben. Diese Pläne seien allerdings gescheitert, da die Klägerin zu 1) keine Aufenthaltserlaubnis für Tunesien erhalten habe. Die Entscheidung über den Umzug nach AC. habe der Ehemann/Vater der Klägerinnen getroffen. Der Klägerin zu 1) sei es bei dem Umzug im Wesentlichen darauf angekommen, wieder in der Nähe ihrer Familie zu leben. Jedenfalls heute sei bei der Klägerin zu 1) keine salafistische Einstellung mehr vorhanden. Sie habe mittlerweile ein gutes Verhältnis zu ihrer Ursprungsfamilie und trage keine Vollverschleierung mehr. Darüber hinaus habe sie zu keiner Zeit den Wunsch gehabt, am Jihad teilzunehmen. Dies gelte auch für den Ehemann/Vater der Klägerinnen. Sie hätten zu keiner Zeit Kontakt zu Unterstützern des IS unterhalten. Hinsichtlich der Verkehrskontrolle im Oktober 2014 in AC. sei anzumerken, dass die dritte Person im Fahrzeug der Fahrer des Wagens gewesen sei, der sie und ihren Ehemann zum Amt gefahren habe. Während der zweiten Kontrolle habe sich der Ehemann/Vater der Klägerinnen im Amt aufgehalten und die Klägerin zu 1) habe währenddessen kein Wort mit dem Fahrer gewechselt. Der Name des Fahrers sei ihr bis heute unbekannt. Gleiches gelte für etwaige staatsschutzpolizeiliche Ermittlungen gegen den Fahrer. Hinsichtlich der im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung ihres Mobiltelefons vorgefundenen "Chatgruppen" sei zu erwähnen, dass sie dort lediglich Mitglied gewesen sei, um sich über den Islam zu informieren. Wegen ihrer Kleinkinder habe sie keine anderweitige Möglichkeit gehabt, sich mit Glaubensschwestern zu treffen. Es habe zu keiner Zeit ein Treffen mit Mitgliedern dieser "Chatgruppen" gegeben. Es sei beabsichtigt gewesen, die Reise in der Türkei enden zu lassen. Während der Zeit in der Türkei habe der Ehemann/Vater der Klägerinnen versucht, Kontakte zu knüpfen. Ihnen sei stets suggeriert worden, in Syrien würden ihre Fragen beantwortet werden. Ihnen sei versichert worden, eine Einreise nach Syrien sei problemlos möglich und sicher. Die Reise habe lediglich wenige Wochen dauern sollen. Einige Wochen nach ihrer Einreise nach Syrien sei der Grenzübergang zur Türkei jedoch geschlossen worden. Die Klägerin zu 1) habe in Syrien das Haus kaum verlassen und keine Kenntnis darüber, was ihr Ehemann getan habe. Entsprechendes gelte während der noch in Deutschland verbrachten Zeit. Nach ihrem eigenen Selbstverständnis stünde es ihr - der Klägerin zu 1) - nicht zu, zu erfragen, welche Moscheen ihr Mann besuche oder mit welchen Menschen er Kontakt pflege. Seit 2016 hätten sie versucht, mithilfe ihrer Familienmitglieder, zurück in die Bundesrepublik Deutschland zu gelangen. Ferner sei auch Kontakt zu einer Mitarbeiterin der deutschen Botschaft - Frau BS. - aufgenommen worden. Es sei ein Antrag auf Grenzöffnung für sie am Übergang BT. gestellt worden. Gleichwohl hätten sie erst im Jahr 2018 - mithilfe eines Schleusers - die Möglichkeit erhalten, von Syrien in die Türkei zu reisen. Die Klägerinnen sind der Auffassung, die durch die Beklagte gelieferte Tatsachengrundlage genüge nicht, da sich lediglich auf Ermittlungen des LKA bezogen werde, ohne konkrete Tatsachen zu benennen. Ferner sei der Bescheid bereits formell rechtswidrig, da tragende Gründe im Bescheid nicht benannt worden seien und somit ein Verstoß gegen die Begründungspflicht bestehe. Die hier gegebene reine Vermutung reiche im Hinblick auf die starke Einschränkung der Grundrechte der Klägerinnen nicht aus. Deutschland sei ihre Heimat und sie könnten sich ein Leben außerhalb Deutschlands nicht vorstellen. Der Ehemann/Vater der Klägerinnen sei mittlerweile aus der Haft entlassen worden und es bestehe ein reger fernmündlicher Kontakt zwischen ihnen. Gleichwohl sei beabsichtigt, die Kinder im Kindergarten bzw. in der Schule in Deutschland zu belassen. Jedoch sei es der Familie wichtig, dass wenigstens Besuche beim Vater in Tunesien möglich seien, damit der Vater weiter am Leben und der Entwicklung seiner Kinder teilnehmen und auch das Ehepaar sich wiedersehen könne.

Das Klagebegehren hinsichtlich des die beiden älteren Kinder der Klägerin zu 1) betreffenden Bescheids der Beklagten vom 21. Januar 2019 wurde in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts zurückgenommen. Die Klägerinnen haben zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 17. September 2018 aufzuheben, sowie sie zu verpflichten, den Klägerinnen zu 1) und 2) Reisepässe und Personalausweise auszustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen und ihren Klageabweisungsantrag im Übrigen im Wesentlichen wie folgt begründet: Rechtsgrundlage für die Passversagung sei § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Demnach sei ein begründeter Verdacht einer Gefährdung ausreichend. Hierbei sei es angesichts des erheblichen Gewichts der Gefährdung auch möglich, auf allgemeine Erkenntnisse zur Unterstützung des bewaffneten Jihad zurückzugreifen. Es liege ein Verdacht der Gefährdung sonstiger Belange der Bundesrepublik Deutschland, in Form der Beteiligung der Klägerinnen am militanten Jihad, vor. Dass dies ein ausreichender Passversagungsgrund sei, ergebe sich bereits aus der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 24. September 2014 Nr. 2178 (2014), welche die Mitgliedstaaten verpflichte, Personen, die im Ausland terroristische Taten begehen wollten, an der Einreise, Ausreise und dem Transit zu hindern. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Grenze zwischen politischem und jihadistischem Salafismus fließend sei. Insoweit könne auf allgemeine Erkenntnisse zur Unterstützung des bewaffneten Jihad zurückgegriffen werden. Auch die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen die Klägerin zu 1) führe nicht zu einer anderen Bewertung, da der Bescheid nicht von einer Mitgliedschaft der Klägerin zu 1) selbst in einer terroristischen Vereinigung ausgegangen sei. Es gäbe keine Hinweise auf eine zwischenzeitliche Distanzierung der Klägerin zu 1) von radikal salafistischen Inhalten. Damit bestehe weiterhin die Gefahr, dass sie bei Ausstellung von Reisedokumenten derartige Ziele in Tunesien oder einem anderen Land erneut verfolgen wolle. Soweit im Behördenzeugnis des BND angegeben sei, dass die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann in Syrien lediglich humanitäre Hilfe für betroffene Kinder hätten leisten wollen und sie in diesem Zusammenhang in Deutschland mit der Organisation "Helfen in Not" Kontakt gehabt hätten, sei darauf hinzuweisen, dass dieser Organisation im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2016 eine feste Einbindung in die salafistische Szene attestiert worden sei, in der auch der "Kampf gegen die Feinde des Islams", also der militante Jihad, gutgeheißen würde. Im Juli 2014, während des damaligen Ramadan, sei der Ehemann/Vater der Klägerinnen täglich in der AF. Moschee in AC. gewesen. Ferner hätten zuvor mehrfach Personen, die ausreisewillig gewesen seien bzw. später ausgereist seien, unter der Adresse gewohnt, unter der auch die Klägerin zu 1) und ihre Familie vor der Ausreise gelebt hätten. Auch habe der Ehemann/Vater der Klägerinnen die AA. Moschee in Z. besucht und in diesem Zuge im Jahr 2014 an der "LIES" Koranverteilung teilgenommen. Dabei sei auffällig, dass es in allen Städten, in denen der Ehemann/Vater der Klägerinnen salafistisch geprägte Moscheen aufgesucht habe, auch Moscheen gegeben habe, die einen gemäßigten Islam gepredigt hätten. Ferner habe der Ehemann/Vater der Klägerinnen Kontakt zu Personen gepflegt, denen schwere staatsgefährdende Taten zugetraut würden bzw. gegen die bereits in diese Richtung ermittelt worden sei. Beispielhaft sei hier BU. BV. zu nennen, der sich für den IS mit Sprengstoff in die Luft gesprengt habe. Zudem seien AR. AS. sowie BW. BX. zu benennen. BW. BX. habe sich, laut Aussage seiner Frau, in Syrien aufgehalten. Die Klägerin zu 1) habe an dem Radikalisierungsprozess ihres Ehemannes mit großer Wahrscheinlichkeit partizipiert. Ferner sei dem sogenannten Behördenzeugnis des BfV zu entnehmen, dass die Klägerin zu 1) in Syrien regelmäßig Kontakt zu Mitgliedern des IS und "Al Quaida" gepflegt habe und mit der Absicht ausgereist sei, am Jihad teilzunehmen, und ferner die Ideologien des IS vertrete. Es sei zudem anzunehmen, dass eine Abmeldung der Wohnung lediglich nicht erfolgt sei, um die Behörden nicht auch noch auf die geplante Ausreise aufmerksam zu machen. Ferner habe mithilfe der stattgefunden Überwachung der Telefonkommunikation der Klägerin zu 1) festgestellt werden können, dass diese salafistische Begriffe wie "Hijra" und "Kuffar" verwendet habe. Die sichergestellten Chat-IDs seien ferner mit namentlichen Bezeichnungen von szenetypischen Hasspredigern, die dem militanten salafistischen Gedankengut zuzuordnen seien, versehen gewesen. Zudem seien gelöschte Chat-Gruppen vorgefunden worden, in denen zur Solidarität mit verurteilten IS Terroristen aufgerufen worden sei. So zum Beispiel mit Bruder BY. und seiner Frau, wobei es sich bei diesem mutmaßlich um den in BH. verurteilten Islamisten BZ. H. handele. Darüber hinaus sei bei der Hausdurchsuchung im Besitz der Klägerin zu 1) das Buch "Kindererziehung nach dem Vorbild des Propheten" vorgefunden worden und die ältere Tochter sei im Januar 2020 wochenlang unentschuldigt nicht zur Schule erschienen. Damit lasse auch das Verhalten der Klägern zu 1) nach ihrer Wiedereinreise nach Deutschland im Juni 2018 keine abweichende Gefahrenprognose zu. Eine glaubhafte innere Abkehr von salafistischen Einstellungen sei nicht feststellbar.

In der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2023 hat das Verwaltungsgericht die Klägerin zu 1) persönlich angehört, eine Beamtin des LKA - Frau CA. -, des Jugendamtes - Frau CB. - sowie die Eltern der Klägerin zu 1) als Zeugen vernommen.

Mit Urteil vom 11. Januar 2023 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen wurde, und die Beklagte im Übrigen unter Aufhebung des Bescheides vom 17. September 2018 verpflichtet, den Klägerinnen Pässe und Personalausweise auszustellen, und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Passversagung gegenüber den Klägerinnen sei rechtswidrig, diese hätten einen Anspruch auf die Ausstellung der beanspruchten Dokumente. Keiner der in § 7 Abs. 1 PassG benannten Versagungsgründe sei erfüllt. Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (wird erläutert). Zu diesem Zeitpunkt sei die Fallkonstellation der "sonstigen erheblichen Belange der Bundesrepublik Deutschland" im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, auf den die Beklagte abgehoben habe, nicht gegeben. Zu solchen, erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdenden Handlungen zählten auch der Anschluss an den militanten Jihad bzw. die Teilnahme an oder jedenfalls die Förderung von Kampfhandlungen des IS. Die Beteiligung am militanten Jihad könne die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik schädigen (wird ausgeführt). Es komme daher darauf an, ob bestimmte Tatsachen die Annahme begründeten, dass die Klägerinnen sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland durch den Anschluss an den militanten Jihad gefährdeten bzw. in Bezug auf die Klägerin zu 2) eine solche Gefährdung durch eine salafistisch jihadistische Erziehung künftig bestehe. Hinsichtlich dieser Gefahreneinschätzung erfordere § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise. Es genüge, wenn der begründete Verdacht einer Gefährdung der Belange der Bundesrepublik Deutschland bestehe (wird ausgeführt). Den Nachweis, dass ein Grund für die Versagung des Passes vorliege, müsse die Passbehörde führen. Es sei nicht etwa Sache des Passbewerbers, einen Negativbeweis zu erbringen. Gemessen an diesen Maßstäben sei die Passversagung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtswidrig, da keine hinreichenden Tatsachen vorlägen, welche die Annahme begründeten, die Klägerin zu 1) werde sich, wenn sie einen neuen Reisepass erhielte, nach Tunesien begeben, um sich dort dem militanten Jihad anzuschließen. Entsprechende Tatsachen hätten zwar zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses vorgelegen (wird ausgeführt), nicht aber zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Insoweit sei von erheblicher Bedeutung, ob sich die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann, nach der damals höchstwahrscheinlich erfolgten Radikalisierung, tatsächlich in Syrien dem IS angeschlossen und am militanten Jihad partizipiert bzw. diesen jedenfalls unterstützt hätten und ob die Klägerin zu 1) seit ihrer Rückkehr nach Deutschland weiterhin eine entsprechende Ideologie verfolge. Insoweit habe die Beklagte keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen, aufgrund derer es hinreichend wahrscheinlich erscheine, dass die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann sich tatsächlich nach ihrer Ausreise in die Türkei und von dort nach Syrien dem militanten Jihad angeschlossen hätten. Es sei der Beklagten insoweit nicht gelungen, die von der Klägerin zu 1) vorgetragene Erklärung, dass sie und ihr Ehemann in Syrien lediglich humanitäre Hilfe hätten leisten wollten, entsprechend zu widerlegen (wird ausgeführt). Hinsichtlich der Klägerin zu 2) hätten die Voraussetzungen für eine Passversagung weder zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorgelegen. Soweit die Beklagte geltend mache, die Gefährdung läge darin, dass die Klägerin zu 2) in einem salafistisch jihadisstischen Umfeld aufwachse und dadurch indoktriniert werde und später selbst Straftaten von erheblichem Ausmaß begehen könne, die die Belange der Bundesrepublik Deutschland erheblich gefährden könnten, so fehle es hierbei bereits aufgrund des geringen Alters der Klägerin zu 2) an belastbaren Tatsachen, die ausreichten, um eine entsprechende Entwicklung der Klägerin zu 2) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu prognostizieren. Etwaige kinder- und jugendschutzrechtliche Bedenken, die gegen eine Ausreise der Klägerin zu 2) sprechen könnten, seien nicht vom Anwendungsbereich des Passgesetzes umfasst. Auch die Versagung der Personalausweise gegenüber den Klägerinnen sei rechtswidrig, da keiner der in § 6 a Abs. 1 PAuswG i.V.m. § 7 Abs. 1 PassG benannten Versagungsgründe erfüllt sei und die Klägerinnen damit einen Anspruch auf die Ausstellung der Personalausweise hätten. Der für die Beurteilung maßgebliche Zeitpunkt sei hier der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (wird ausgeführt). Der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung sei im vorliegenden Fall jedoch nicht der Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 17. September 2018, sondern der Zeitpunkt der letzten Ausstellung eines Ersatz-Personalausweises für die Klägerin zu 1) am 17. Januar 2022. Dies ergebe sich nach Maßgabe des materiellen Rechts, denn nach § 6 Abs. 4 a PAuswG sei die Gültigkeitsdauer des Ersatz-Personalausweises auf den Zeitraum zu beschränken, der für das Erreichen des Zweckes nach § 6 a PAuswG erforderlich sei; sie dürfe einen Zeitraum von drei Jahren nicht überschreiten. Werde nach Ablauf des alten Ersatz-Personalausweises ein neuer Ersatz-Personalausweis ausgestellt, beinhalte dies die Entscheidung der Behörde, dass die Voraussetzungen für die Versagung weiterhin gegeben seien. Im danach maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung im Januar 2022 seien keine hinreichenden Tatsachen nachgewiesen, die die Annahme begründeten, dass die Klägerin zu 1) einer terroristischen Vereinigung angehöre oder diese unterstütze oder dass sie Gewalt als Mittel zur Durchsetzung international ausgerichteter politischer oder religiöser Belange anwende oder eine solche Gewaltanwendung unterstütze oder vorsätzlich hervorrufe. Hinsichtlich der Klägerin zu 2) sei zudem festzustellen, dass eine Erfüllung des Tatbestandes für diese durch die Verengung in § 6 Abs. 1 Satz 2 PAuswG ohnehin von vornherein nicht in Betracht komme, denn nach dem Wortlaut der Vorschrift sei hier eine Gefährdung durch ein aktives Handeln des Ausweisbewerbers erforderlich. Zu den benannten Handlungen sei die 2017 geborene Klägerin zu 2) bereits aufgrund ihres Alters nicht in der Lage. Das von der Beklagten verfügte Verbot der Ausreise aus dem Bundesgebiet verbunden mit der Anordnung, gegebenenfalls vorliegende ausländische Ausweisdokumente vorzulegen, sei rechtswidrig.

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung hat die Beklagte fristgerecht eingelegt, soweit es die Aufhebung von Ziffern 1.-3. ihres Bescheids vom 17. September 2018 und die Verpflichtung zur Ausstellung von Pässen und Personalausweisdokumenten betraf, und im Wesentlichen wie folgt begründet: Auch zum aktuellen Zeitpunkt lägen hinreichende Anhaltspunkte vor, die die Annahme begründeten, dass die Klägerin zu 1) erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährde. Nach einer Gesamtschau der vorliegenden Fakten sei weiterhin zu befürchten, dass die Klägerin zu 1), bei Ausstellung von Reisedokumenten, die Ziele des IS in Tunesien oder einem anderen Land verfolgen werde. So hätten die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann vor der Ausreise nach Syrien im Jahr 2014 einen Radikalisierungsprozess durchgemacht. Insoweit wiederholt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Vortrag und macht ergänzend im Wesentlichen geltend: Die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann seien im Jahr 2013 nach Y. gezogen. Laut Verfassungsschutzbericht 2016 des Landes Rheinland-Pfalz sei unter anderem die Stadt Y. in den vergangenen Jahren Ort der groß angelegten Verteilaktion "LIES!" der Vereinigung "Die wahre Religion" gewesen, an der sich M. C. auch beteiligt habe. Ferner habe der Ehemann/Vater der Klägerinnen in AC. im Jahr 2014 während des Ramadan die AF. Moschee täglich aufgesucht. An zehn Tagen habe dort ein Seminar des AI. AJ. stattgefunden, der mittlerweile rechtskräftig wegen unter anderem mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt worden sei. Dieser AI. AJ. sei auch Kontaktperson des Ehemannes/Vaters der Klägerinnen gewesen. Darüber hinaus vertritt die Beklagte die Auffassung, angesichts der nachgewiesenen Anknüpfungstatsachen für die Ausreisemotivation der Klägerin zu 1) müsse der letztendliche Anschluss an den IS nicht nachgewiesen werden, da nicht erforderlich sei, dass die ursprüngliche Absicht auch tatsächlich verwirklicht worden sei. Ebenso wie missglückte Ausreiseversuche seien auch die hinreichend nachgewiesene Ausreisemotivation verbunden mit der tatsächlich erfolgten Ausreise als Anknüpfungstatsachen geeignet, selbst wenn diese Absicht später nicht verwirklicht worden oder dies jedenfalls nicht nachweisbar sei. Ferner sei das Verwaltungsgericht von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen, da es sich an der strafrechtlichen Rechtsprechung zu IS Rückkehrern orientiert habe, obschon im Rahmen des § 7 PassG eine Mitgliedschaft nicht erforderlich sei, sondern eine Unterstützung genüge. Soweit das Verwaltungsgericht das Behördenzeugnis des BfV zur Anstellung der Gefahrenprognose als ungeeignet beurteilt habe, sei das Verwaltungsgericht seiner Aufklärungspflicht nicht hinreichend nachgekommen. So sei weder die Verfahrensakte des BfV beigezogen worden, noch der zuständige Mitarbeiter als Zeuge geladen worden. Es sei nicht davon auszugehen, dass das Behördenzeugnis des BfV ohne Tatsachengrundlage ausgestellt worden sei und es könne auch nicht ohne einen entsprechenden Versuch der Beweiserhebung davon ausgegangen werden, dass die vorhandenen Tatsachengrundlagen vom BfV unter Hinweis auf § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht offengelegt werden würden. Die Beweiserhebung sei, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts, auch nicht aufgrund der Anfrage des Generalbundesanwalts vom 24. Juli 2018 und der Antwort des BfV vom 20. August 2018 entbehrlich, da in dem Schreiben des Generalbundesanwaltes gerade nicht nach konkreten Tatsachen gefragt worden sei. Es werde daher die Beiziehung der Verfahrensakte des BfV sowie die Vernehmung der sich aus der Verfahrensakte gegebenenfalls ergebenden zuständigen Mitarbeiter des BfV als Zeugen beantragt. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 1) weiterhin keine Angaben zu Art, Zeit oder Umständen angeblicher Hilfeleistungen in Syrien getätigt habe. Die Absicht oder tatsächliche Leistung humanitärer Hilfe sei auch nicht durch das Behördenzeugnis des BND vom 20. November 2019 nachgewiesen. Auch dieses Behördenzeugnis erfülle nicht die Anforderungen, die das Verwaltungsgericht für Gefahreneinschätzungen von Sicherheitsbehörden formuliert habe. Insoweit sei eine unterschiedliche Behandlung der beiden Behördenzeugnisse rechtsfehlerhaft. Ferner benenne das Behördenzeugnis des BND die Organisation "Helfen in Not", welche durch Anknüpfungstatsachen hinreichend nachgewiesene salafistische Einstellungen aufweise. Die Organisation "Helfen in Not" werde im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2016 als fest in die salafistische Szene eingefügte Organisation bezeichnet. Weiterhin habe das Verwaltungsgericht die Beweislast hinsichtlich der von der Klägerin zu 1) behaupteten Ausreisemotivation, der Leistung humanitärer Hilfe, verkannt. Zwar sei im Ausgangspunkt zutreffend, dass die Behörde den Nachweis führen müsse, dass ein Grund für die Versagung des Passes vorliege. Durch sie - die Beklagte - seien aber hinreichende Tatsachen nachgewiesen worden, die die Annahme rechtfertigten, dass die Klägerin zu 1) mit ihrem Ehemann mit dem Ziel des Anschlusses an den IS nach Syrien gereist sei. Sodann obliege es der Klägerin zu 1) andere Zwecke darzulegen und nachzuweisen. Ferner sprächen die durch die Überwachung der Telekommunikation sowie der Durchsuchung vorgefundenen Daten beziehungsweise Informationen für eine fortbestehende salafistische Einstellung der Klägerin zu 1) (wird ausgeführt). Darüber hinaus sei der Klägerin zu 1) auch nicht zuzugestehen, dass sie sich nicht habe selbst belasten müssen, da sie darauf verzichtet habe, indem sie eine Aussage getätigt habe. Zudem sei im Hinblick auf das nach ihrer Rückkehr veränderte Erscheinungsbild der Klägerin zu 1) zu berücksichtigen, dass dies vermutlich verfahrensbedingt geschehen sei. Darüber hinaus müsse im Falle einer Ausreise nach Tunesien berücksichtigt werden, dass der Ehemann/Vater der Klägerinnen sodann ebenfalls Einfluss auf die Kindererziehung nehmen würde. Insgesamt sei die Aussage der Zeugin CB. nicht repräsentativ, da sie die Familie - eigenen Angaben zufolge - lediglich zweimal je Halbjahr für eine halbe Stunde aufgesucht habe. Darüber hinaus werde das Stellen eines Rechtshilfeersuchens an die tunesische Botschaft beantragt, mit dem Ziel, die Hintergründe der Inhaftierung des Ehemannes/Vaters der Klägerinnen zu erfahren. Soweit das Verwaltungsgericht darüber hinaus darauf abgestellt habe, dass aktuell salafistische Kleinstparteien in Tunesien keinen relevanten Einfluss hätten, könne sich dies jederzeit ändern. Auch die Einschätzung des Verwaltungsgerichts in Bezug auf die Klägerin zu 2) sei unzutreffend. In Staaten mit islamischer Rechtsordnung stehe die gesetzliche Vertretung eines Kindes dem Vater zu. Die tatsächliche Betreuung stehe der Kindesmutter zu, stehe aber unter dem Vorbehalt der korrekten islamischen Erziehung. Im Falle einer Ausreise der Kinder nach Tunesien, könne der Vater demnach seine eigenen Einstellungen auf seine Kinder übertragen. Auch der Ehemann/Vater der Klägerinnen habe sich von seiner Ideologie bisher nicht distanziert. Ihre Begründung für eine Passversagung trügen darüber hinaus auch die Versagung des Personalausweises.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 11. Januar 2023 abzuändern, soweit der Bescheid der Beklagten vom 17. September 2018 zu Ziffern 1., 2. und 3. aufgehoben und die Beklagte verpflichtet wird, den Klägerinnen zu 1) und zu 2) Pässe und Personalausweise auszustellen, und die Klage insoweit abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerinnen berufen sich im Wesentlichen auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts und halten insbesondere weitere Ermittlungen nicht für erforderlich.

Der Senat hat sowohl das BfV als auch den BND um Offenlegung ihrer Erkenntnisquellen gebeten, was jeweils abgelehnt worden ist. Darüber hinaus hat das BfV auf eine ergänzende Nachfrage des Senats mit Schreiben vom 25. Juni 2024 sowie vom 8. Juli 2024 mitgeteilt, dass in Bezug auf die Klägerin zu 1) und ihren Ehemann dort keine aktuellen Erkenntnisse vorlägen. Mit Schreiben vom 13. Juni 2024 und 3. Juli 2024 hat die GenStA mitgeteilt, dass die Botschaft vom türkischen Justizministerium mit Schreiben vom 26. Oktober 2020 (Gz:...) die Mitteilung erhalten habe, dass der tunesische Staatsangehörige M. C., geb. am ...1987, am 26. Juni 2018 über den Flughafen CC. in Istanbul nach Tunesien mit dem Vermerk "Gefahr für die allgemeine Sicherheit und illegale Einreise" abgeschoben worden sei. Weitere Erkenntnisse zur Person gebe es nicht. Im Übrigen seien die an die Türkei und Tunesien gerichteten Rechtshilfeersuchen weiterhin ergebnislos und es sei mit einer Antwort, nach den dortigen Erfahrungen des Rechtshilfedezernenten, auch nicht mehr zu rechnen. In der Berufungsverhandlung vom 12. Juli 2024 hat der Senat die Klägerin zu 1) persönlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses wird Bezug genommen auf die entsprechende Niederschrift.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung, den Inhalt der Gerichtsakte, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der beigezogenen Beiakten (Ausländerakte des C. bei der Stadt AC., Akte über das Visumverfahren des C. der Beklagten, Ermittlungsakte der GenStA zur Klägerin zu 1) inklusive des Sonderbands Auswertung, Beiakte Urteil OLG) Bezug genommen. Der wesentliche Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Bescheid der Beklagten vom 17. September 2018 hinsichtlich der Ziffern 1.-3. rechtswidrig ist. Die Klägerinnen haben einen Anspruch auf die Ausstellung von Reisepässen (dazu unter A.) und Personalausweisen (dazu unter B., vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Die als Anfechtungsklage zulässige Klage gegen die Ausstellung eines Ersatz-Personalausweises für die Klägerin zu 1) ist ebenfalls begründet (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, dazu unter C.).

A. Die Passversagungen (Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides) sind rechtswidrig. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (dazu unter I.) ist keiner der in § 7 Abs. 1 PassG benannten Versagungsgründe erfüllt, sodass die Klägerinnen somit jeweils einen Anspruch auf die Passerteilung haben (dazu unter II.).

I. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung, ob ein Anspruch auf Erteilung eines Passes besteht, ist im Streitfall - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat (vgl. Seite 26 ff. d. Urteilsbegründung) - der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, hier durch das Berufungsgericht (vgl. im Ergebnis bereits BVerwG, Urt. v. 6.10.1966 - 1 C 19/66 - Buchholz 402.00, § 7 PassG Nr. 6; VGH BW, Urt. v. 28.11.1988 - 1 S 3045/87 - juris Rn. 14; VG Ansbach, Urt. v. 23.2.2017 - AN 5 K 15.01676 - juris Rn. 63; a.A.: OVG BB, Beschl. v. 9.5.2016 - OVG 5 N 27.14 - juris Rn. 8 sowie Beimowski/Gawron, in: Beimowski/Gawron, Kommentar zum Passgesetz/Personalausweisgesetz, 1. Aufl. 2018, § 7 Rn. 29; Luch/Neidert/Schulz, Kommentar zum Personalausweis- und Passgesetz, Stand 2022, § 7 Rn. 10 - die beiden letztgenannten jeweils ohne Bezugnahme auf die prozessuale Situation).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts richtet sich der maßgebliche Zeitpunkt, auf den im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Rechtmäßigkeitsprüfung eines Verwaltungsakts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage abzustellen ist, in erster Linie nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht (BVerwG, Urt. v. 29.5.2019 - 6 C 8/18 - juris Rn. 16, m.w.N.). Darüber hinaus ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Entscheidung über - wie hier - Verpflichtungsklagen grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz maßgeblich, es sei denn, das materielle Recht regelt etwas Abweichendes (BVerwG, Beschl. v. 17.6.2003 - 4 B 14/03 - juris Rn. 9, m.w.N., Urt. v. 21.3.1986 - 7 C 71/83 - juris Rn. 11 u. Urt. v. 28.7.1989 - 7 C 39/87 - juris Rn. 8). Ausnahmen gelten mithin, soweit das in der Sache anzuwendende Recht ausdrücklich oder nach seinem Zweck etwas anderes bestimmt oder sich die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunktes aus der Natur der Sache ergibt (vgl. VGH BW, Beschl. v. 13.2.2020 - 9 S 3359/19 - juris Rn. 9, m.w.N.). Danach bleibt es hier bei dem für Verpflichtungsklagen grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Das in der Sache anzuwendende Recht bestimmt weder ausdrücklich noch nach seinem Zweck einen abweichenden Entscheidungszeitpunkt (dazu unter 1.). Die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts ergibt sich auch nicht aus der Natur der Sache (dazu unter 2.).

1. Das hier für die Prüfung einer Versagung der Ausstellung von Reisepässen anzuwendende Recht ist der § 7 Abs. 1 PassG. Die Behörde stützt sich hier konkret auf den § 7 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 PassG, wonach ein Pass zu versagen ist, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland verletzt.

Wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, ergeben sich hinsichtlich der vorliegend zu prüfenden Passversagung keine Anhaltspunkte aus dem anzuwendenden Recht in Bezug auf einen von den sonstigen Fällen der Verpflichtungsklage abweichenden Entscheidungszeitpunkt. Diese Ausführungen macht sich der Senat gemäß § 130 b VwGO zu Eigen.

2. Die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts als dem der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz ergibt sich auch nicht aus der Natur der Sache.

a) Dass es sich bei einer Passversagung um eine gefahrenabwehrrechtliche Maßnahme handelt, führt hier nicht zu einem Abstellen auf den Sach- und Erkenntnisstand in dem Zeitpunkt, in dem die Maßnahme getroffen wurde (vgl. demgegenüber für die Passbeschränkung BVerwG, Urt. v. 29.5.2019 - 6 C 8/18 - juris Rn.18). Im Rahmen einer Verpflichtungsklage rechtfertigt dieser Aspekt es für sich genommen nicht, vom Regelfall abzuweichen und auf den Zeitpunkt des Erlasses der behördlichen Maßnahme abzustellen. Auch in anderen ordnungsrechtlichen Erlaubniserteilungsverfahren wird, sofern sich - wie hier - aus dem materiellen Recht keine anderweitige Regelung ergibt, im Streitfall auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der jeweiligen gerichtlichen Entscheidung abgestellt. Dies gilt etwa im Falle der Beantragung einer erlaubnispflichtigen gaststättenrechtlichen Erlaubnis (Metzner/Thiel, in: Metzner/Thiel, Kommentar zum Gaststättenrecht, 7. Aufl. 2023, § 4 Rn. 8), der Beantragung bzw. Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis (BVerwG, Urt. v. 22.9.2022 - 3 C 10/21 - juris Rn. 11, Urt. v. 12.7.2001 - 3 C 14/01 - juris Rn. 8; BVerwG, Urt. v. 17.12.1976 - VII C 69/74 - juris Rn. 16, jew. m.w.N.), der Beantragung der Verlängerung eines Waffenscheins (BVerwG, Beschl. v. 23.9.1997 - 1 B 188/97 - juris Rn. 8) und der Beantragung eines Jagdscheins (BayVGH, Urt. v. 29.6.2016 - 21 B 16.527 - juris Rn. 21). Ebenso ist auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bei einem Antrag auf Ausstellung eines Reiseausweises für Staatenlose (NdsOVG, Urt. v. 6.3.2024 - 13 LB 207/23 - juris Rn. 22) und bei einem Antrag auf Einbürgerung (vgl. OVG SH, Urt. v. 5.2.2015 - 4 LB 15/13 - juris Rn. 56; VGH BW, Urt. v. 12.1.2005 - 13 S 2549/03 - juris Rn. 22) abzustellen. Im vorliegenden Fall gilt nichts anderes.

b) Der vorstehenden Wertung, wonach der maßgebliche Entscheidungszeitpunkt hier der der gerichtlichen Entscheidung ist, steht auch der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Oktober 1989 (- 1 A 110/89 - juris Rn. 3) nicht entgegen. Diese Entscheidung stellt lediglich darauf ab, dass für eine Passversagung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG eine steuerliche Verpflichtung zum Zeitpunkt der Passversagung gegeben sein muss. Für die hier in Rede stehende Konstellation ergibt sich hieraus nichts Weiterführendes.

c) Dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Passversagung auf den Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen ist, legt zudem die Berücksichtigung der durch eine Passversagung betroffenen subjektiven Rechte nahe (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 103). Die Versagung eines Passes greift in die verfassungsrechtlich garantierte Ausreisefreiheit, die von der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG umfasst ist, ein (vgl. BVerfG, Urt. v. 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 - juris Rn. 35 f.). Die Passversagung führt dazu, dass ein Verlassen des Schengen Raumes für die Klägerinnen unmöglich wird. Dies stellt eine erhebliche Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit der Klägerinnen dar, da die für den regulären Bürger selbstverständlichen Reisemöglichkeiten stark eingeschränkt werden. Darüber hinaus sind im Falle der Klägerinnen nicht lediglich ihre Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG betroffen, sondern überdies ihre Rechte aus Art. 6 GG, da eine Passversagung im Falle der Klägerinnen - vor dem Hintergrund des zehnjährigen Einreise- und Aufenthaltsverbotes ihres Ehemannes/Vaters - bedeutet, dass sie zu ihm während der Zeit der versagten Passerteilung keinen persönlichen Kontakt werden pflegen können. Vor dem Hintergrund der Erheblichkeit der Grundrechtseingriffe erscheint es allein sachgerecht, im Rahmen einer Verpflichtungsklage die Passbehörde, sofern die Voraussetzungen für eine Passversagung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht (mehr) vorliegen, unmittelbar zu verpflichten, dem Antragsteller den begehrten Pass zu erteilen. Den Passbewerber in dieser Situation auf ein nunmehr neu zu betreibendes behördliches Verfahren zu verweisen, wird den im Raum stehenden erheblichen verfassungsrechtlichen Gütern nicht gerecht. Umgekehrt dürfen die Gerichte die Behörden zum Erlass eines Verwaltungsaktes lediglich verurteilen, wenn sich im Zeitpunkt der Verurteilung ein entsprechender Anspruch ergibt (vgl. Decker, in: BeckOK VwGO, Stand: 1.4.2024, § 113 Rn. 74.1.6).

II. Die Klägerinnen haben einen Anspruch auf die Ausstellung von Reisepässen. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung liegen die Voraussetzungen einer Passversagung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG nicht vor.

Die Beklagte stützt ihre Entscheidung, den Klägerinnen die Ausstellung von Reisepässen zu versagen, auf § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG.

Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist ein Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere und äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wobei die Beklagte ihre Entscheidung insoweit auf die letzte Variante dieser Vorschrift, mithin "sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland" mit der Begründung gestützt hat, es lägen Tatsachen vor, welche die Annahme begründeten, die Klägerinnen könnten zur Unterstützung des militanten Jihad ausreisen. Dem folgt der Senat, wie zuvor bereits das Verwaltungsgericht, letztlich nicht.

Zwar stellt die Ausreise eines Deutschen zum Zwecke der Unterstützung des militanten Jihad, worauf sich die Beklagte beruft, grundsätzlich eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der dritten Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG dar (dazu 1.). Im Streitfall liegen jedoch zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im hiesigen Berufungsverfahren keine bestimmten Tatsachen vor, welche die Annahme begründen, dass die Klägerinnen tatsächlich zum Zwecke der Unterstützung des militanten Jihads ausreisen würden (dazu 2.).

1. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, können "sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland" betroffen sein bei der Ausreise eines Deutschen zum Zwecke der Unterstützung des militanten Jihads.

Der Begriff "sonstige erhebliche Belange" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Vorliegen der Senat in vollem Umfang nachzuprüfen hat. Er erfasst Tatbestände, die in ihrer Erheblichkeit den beiden anderen Tatbestandsvarianten des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG (innere und äußere Sicherheit) nahekommen. Sie müssen so gewichtig sein, dass die Passbehörde sie aus zwingenden staatspolitischen Gründen der freiheitlichen Entwicklung in der Bundesrepublik voranstellen muss (vgl. BVerfG, Urt. v. 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 - juris Rn. 38). Der Passinhaber gefährdet sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen. Die Beteiligung am militanten Jihad ist geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu schädigen. Terroranschläge des militanten Jihad, an denen deutsche Staatsangehörige mitwirken, tangieren massiv die Sicherheitsinteressen der davon betroffenen Länder sowie der internationalen Staatengemeinschaft und sind geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig zu beeinträchtigen. Dies unterstreicht der Umstand, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der am 24. September 2014 verabschiedeten Resolution 2178 (2014) die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Personen, die im Ausland terroristische Taten begehen wollen, an der Einreise, dem Transit und der Ausreise zu hindern und entsprechende Taten unter Strafe zu stellen. Dabei werden sämtliche Vorbereitungs-, Unterstützungs- und Finanzierungshandlungen erfasst. Zudem gibt eine Vielzahl der militanten Kämpfer seine Herkunft und seine Staatsangehörigkeit in Videobotschaften in den sozialen Netzwerken öffentlich bekannt und kokettiert nicht selten sogar damit, Bürger eines westlichen Staates zu sein, den dieser Staat eingebürgert hat (vgl. OVG NW, Urt. v. 4.5.2015 - 19 A 2097/14 - juris Rn. 28 ff., m.w.N.).

2. Im hiesigen Streitfall liegen jedoch zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine bestimmten Tatsachen vor, welche die Annahme tragen, die Klägerinnen würden zum Zwecke der Unterstützung des militanten Jihad ausreisen.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, setzt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG voraus, dass bestimmte Tatsachen vorliegen, welche die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Hinsichtlich dieser Gefahreneinschätzung erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise. Es reicht aus, wenn der begründete Verdacht einer Gefährdung der Belange der Bundesrepublik Deutschland besteht. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen hingegen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen. Diese Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen "die Annahme" einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss (OVG NW, Urt. v. 4.5.2015 - 19 A 2097/14 - juris Rn 36, m.w.N.). Die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen "bestimmten Tatsachen" im Sinne dieses Eingriffstatbestands. Diese Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind; für sie verbleibt es bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (OVG NW, Urt. v. 4.5.2015 - 19 A 2097/14 - juris Rn. 40, m.w.N.). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann dabei auch auf länger zurückliegende Tatsachen zurückgegriffen werden und sind rechtskräftige Verurteilungen nicht erforderlich.

Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Unterstützung des bewaffneten Jihad kommen als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z.B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften, bei denen Koransuren mit zentralen Leitsätzen des militanten Jihad besprochen werden; Teilnahme an einem Ausbildungscamp für Terroristen im Ausland; missglückte Ausreiseversuche; Auffinden eines USB-Speichersticks mit demokratiefeindlichen digitalisierten Büchern; eigene Äußerungen des Passinhabers über einen konkret geplanten Grenzübertritt nach Syrien mit Sprengstoffübergabe, vgl. etwa OVG NW Beschl. v. 16.4.2014 - 19 B 59/14 - juris Rn. 12 u. Urt. v. 4.5.2015 - 19 A 2097/14 - juris Rn. 42, jew. m.w.N.). Anknüpfungstatsachen sind gegebenenfalls jeweils einer Gesamtwürdigung zu unterziehen und daraufhin zu überprüfen, ob sie in ihrer Gesamtheit den Prognoseschluss einer Ausreise zur Unterstützung des bewaffneten Jihad zulassen (vgl. OVG NW, Urt. v. 4.5.2015 - 19 A 2097/14 - juris Rn. 45).

Die vorzunehmende Gesamtwürdigung von Anknüpfungstatsachen lässt sowohl im Falle der Klägerin zu 1) (dazu unter a)) als auch im Falle der Klägerin zu 2) (dazu unter b)) nicht die Prognose zu, diese würden ausreisen, um den militanten Jihad zu unterstützen.

a) Die im Fall der Klägerin zu 1) gegebenen Anknüpfungstatsachen (dazu aa)) haben bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mehr das erforderliche Gewicht, um die Annahme tragen zu können, die Klägerin zu 1) werde ausreisen, um den militanten Jihad zu unterstützen (dazu bb)). Dabei kommt es auf die Frage, wie das "Unterstützen" in diesem Sinne zu definieren ist, nicht entscheidungserheblich an (dazu cc)).

aa) Im Fall der Klägerin zu 1) liegen zur Überzeugung des Senats nach Zeit, Ort und Inhalt konkret gefasste Anknüpfungstatsachen in Form der "Einbindung des Ehemannes der Klägerin zu 1) in einen radikal salafistischen Personenkreis vor der Ausreise nach Syrien" und der "Ausreise der Familie A./C. im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausruf des Kalifats nach Syrien" vor. Dazu im Einzelnen:

Zur Überzeugung des Senats war der Ehemann der Klägerin zu 1) vor der Ausreise der Familie A./C. in einen Personenkreis radikaler Salafisten eingebunden. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat im Wesentlichen aufgrund der festgestellten Besuche von Moscheen, die dem salafistischen Spektrum zuzuordnen sind, dem seinerzeitigen veränderten äußeren Erscheinungsbild der Klägerin zu 1) und ihres Ehemannes sowie im Wesentlichen aufgrund der festgestellten Kontakte des Ehemannes/Vaters der Klägerinnen zu AL. AM. und AI. AJ..

So war der Ehemann/Vater der Klägerinnen nach dem unbestrittenen Akteninhalt im April 2012 regelmäßig Besucher der Q. Moschee in A-Stadt, welche seinerzeit bereits vom Verfassungsschutz beobachtet wurde, da sie als salafistischer Anlaufpunkt gegolten hat. Vom 8. Juli 2014 bis zum 27. Juli 2014 besuchte der Ehemann/Vater der Klägerinnen zudem täglich die AF. Moschee in AC., deren Trägerverein am 14. März 2017 bestandskräftig vereinsrechtlich verboten wurde, nachdem sie zuvor wegen Verdachts der Zugehörigkeit zur salafistisch jihadistischen Szene und einem dort gesehenen Schwerpunkt der niedersächsischen Ausreisefälle des jihadbereiten Personenkreises unter staatspolizeilicher Beobachtung stand. Ferner war der Ehemann/Vater der Klägerinnen dem unbestrittenen Akteninhalt zufolge Besucher der U. Moschee in S., deren Trägerverein schließlich ebenfalls im März 2015 vereinsrechtlich verboten wurde. Insofern ist auffällig, dass der Ehemann/Vater der Klägerinnen sich vor der Ausreise nach Syrien wiederholt in Moscheen aufhielt, die der salafistischen Szene zuzuordnen sind, wenngleich in Städten wie A-Stadt, AC. und S. anderweitige Moscheen zur Auswahl gestanden hätten. In dieses Bild passt auch das seinerzeit veränderte äußere Erscheinungsbild der Klägerin zu 1) und ihres Ehemannes. So hat der Ehemann/Vater der Klägerinnen, nach Aussage der Eltern der Klägerin zu 1) im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, begonnen, sich salafistisch zu kleiden, und ihre Tochter sei zuletzt vollverschleiert aufgetreten. Dass die Klägerin zu 1) vor ihrer Ausreise nach Syrien u.a. einen Gesichtsschleier trug, räumte diese auch in der hiesigen Berufungsverhandlung ein. Es kann darüber hinaus angenommen werden, dass der Ehemann/Vater der Klägerinnen nicht lediglich in rein salafistischen Kreisen verkehrte, sondern überdies in radikal salafistische Kreise eingebunden war. Dies ergibt sich aus den festgestellten Kontakten insbesondere zu AI. AJ. und AL. AM., wobei der Ehemann/Vater der Klägerinnen - wie bereits ausgeführt - vom 7. Juli 2014 bis zum 27. Juli 2014 täglich die AF. Moschee besucht hat, als dort durch AI. AJ. ein zehntägiges Seminar abgehalten wurde. Es kann durchaus angenommen werden, dass der Ehemann/Vater der Klägerinnen dieses Seminar besuchte, zumal am 16. Juli 2014 auch ein persönlicher Kontakt zu AI. AJ. festgestellt werden konnte, da der Ehemann/Vater der Klägerinnen seinerzeit Beifahrer in dessen PKW war. AI. AJ. wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts N. vom 24. Februar 2021 - AK. - wegen u.a. Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt. Gegenstand dieser Verurteilung war u.a. der Ausreisefall AL. AM.. Zu AL. AM. hatte der Ehemann/Vater der Klägerinnen im Juli 2014 ebenfalls zweimal Kontakt.

Das Oberverwaltungsgericht N. hat in seiner vorbenannten Entscheidung u.a. die folgenden Feststellungen getroffen:

AL. AM. war nach seiner Konvertierung zum Islam in der CD. Moschee in CE., deren Imam CF. war, aktiv und hing bereits dort einer salafistisch- islamistischen Religionsauslegung mit mindestens jihadistischen Tendenzen an. Deshalb begab sich AM. im Juli 2014, angezogen vom Ruf des AI. AJ. von seinem damaligen Wohnort CE. nach AC., wo er sich in den folgenden Monaten im Umfeld der dortigen AF. Moschee bewegte. Spätestens hier wurde er Anhänger des IS und plante unter dem Einfluss des Angeklagten AI. AJ., in das Herrschaftsgebiet des IS auszureisen und dort für die Vereinigung tätig zu werden. In AC. stand AM., der auch "AN. AO." beziehungsweise "AP." genannt wurde, in engem Kontakt mit dem Angeklagten AI. AJ., der ihn wegen seines Engagements schätzte. Der Angeklagte AI. AJ. befürwortete die Ausreise AM. s in das Herrschaftsgebiet des IS und dessen beabsichtigten Anschluss an den IS. Er ermunterte - seiner Funktion als vom IS eingesetzter Rekrutierer entsprechend -AM. zur Umsetzung seiner Pläne und förderte diese. Der Angeklagte AI. AJ. entschloss sich, nicht nur dessen Reisepläne logistisch - durch Vermittlung von Schleuserkontakten - zu unterstützen, sondern ihm darüber hinaus mithilfe seines Einflusses innerhalb des IS eine bedeutende Position in der Organisation zu verschaffen und wurde entsprechend tätig, indem er AM. beim IS ankündigte und für eine herausgehobene Tätigkeit empfahl. Zudem gab der Angeklagte AI. AJ. dem AM. mindestens 2.000,00 EUR, um dessen Ausreise in das Herrschaftsgebiet des IS zu finanzieren. Dabei ging es dem Angeklagten AI. AJ. darum, die ihm vom IS übertragenen Aufgaben zu erfüllen und die Organisation des IS in Syrien und im Irak zu stärken. Der damals 24 Jahre alte AL. AM. flog am 2. November 2014 gemeinsam mit seiner französischen Frau CG. CH. - genannt "CI." bzw. "CJ." - und dem gemeinsamen Sohn von CK. nach Istanbul und begab sich von dort weiter nach Syrien. Dort schloss er sich - wie geplant - dem IS an. Anders als ein Großteil der aus Deutschland zum islamischen Staat ausgereist IS Anhänger wurde AM. anschließend nicht dauerhaft als einfacher militärischer Kämpfer eingesetzt. Vielmehr kam er aufgrund der erfolgten Fürsprache und Unterstützung des Angeklagten AI. AJ. zeitnah in Kontakt zu hochrangigen IS Anführern. Dies ebnete ihm den Weg in den Sicherheitsapparat des IS, letztlich zum "Amniyat", dem dortigen Geheimdienst. Schon im Herbst 2015 war AM. in CL. für die Überwachung der aus Deutschland stammenden IS Mitglieder zuständig. Er verfügte in CL. über mehrere Wohnungen und einen Pkw. Seine, mithilfe des Angeklagten AI. AJ. erlangte, hohe Stellung beim IS ermöglichte ihm, obwohl er im IS Gebiet mit der Russin CM. CN. aus CO. bereits eine Zweitfrau hatte, 2015 die aus CP. in Sachsen-Anhalt stammende, damals 15 Jahre alte, CQ. CR. als Drittfrau nach islamischen Ritus zu ehelichen sowie alle drei Frauen und letztlich mehrere von ihm abstammende Kinder zu unterhalten. Zudem kaufte er sich eine vom IS verschleppte Jezidin als Sklavin. AM. wurde gemeinsam mit seinen Ehefrauen CM. und CQ. - seine Ehefrau CG. war 2018 durch Kriegseinwirkungen ums Leben gekommen, Ende Januar 2019 von kurdischen YPG Kämpfern der "Syrischen Demokratischen Kräfte" (SDF) im Osten Syriens an der Grenze zum Irak im Zuge der dortigen Kämpfe festgenommen und befindet sich seither bei CS. im Norden Syriens in kurdischen Gewahrsam (vgl. Bl. 35 ff. Beiakte 008).

Der Ehemann/Vater der Klägerinnen hatte vor seiner Ausreise mehrfach und in relativ kurzen zeitlichen Abständen Kontakt zu Personen, die den nachvollziehbaren und schlüssigen Feststellungen des Oberlandesgerichts N. zufolge - insoweit wird auf den gesamten Inhalt der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Urteilsbegründung Bezug genommen - für den IS tätig waren, mithin dem radikal salafistischen Spektrum zuzuordnen sind. Soweit der Ehemann/Vater der Klägerinnen darüber hinaus noch Kontakte zu Personen hatte, bei denen der Verdacht besteht, dass diese dem radikal salafistischen Spektrum zugeordnet werden könnten, fällt dies neben den festgestellten Kontakten zu Personen, die nachweislich für den IS tätig wurden, nicht mehr maßgeblich ins Gewicht. Gleiches gilt, soweit Kontakte der Klägerin zu 1) zu AR. AS. in Rede stehen.

Darüber hinaus steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Familie A./C. - darunter zwei Kinder im damaligen Alter von zwei Jahren und wenigen Monaten - im zeitlichen Zusammenhang zum Ausruf des Kalifats nach Syrien ausreiste.

Dass die Familie A./C. Anfang 2015 nach Syrien einreiste ergibt sich aus den eigenen Angaben der Klägerin zu 1), die dies einräumte. Zudem ist gerichtsbekannt, dass AB. am 29. Juni 2014 das Kalifat ausrief. Das Alter der Kinder ergibt sich aus der Gerichtsakte.

bb) Die so festgestellten Anknüpfungstatsachen haben jedoch jedenfalls im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der hiesigen Berufungsverhandlung nicht mehr das erforderliche Gewicht, um in einer Gesamtschau die Annahme tragen zu können, die Klägerin zu 1) werde künftig ausreisen, um den militanten Jihad zu unterstützen.

So ist es ist zwar - wie bereits ausgeführt - zutreffend, dass sich die Behörde auch auf länger zurückliegende Anknüpfungstatsachen stützen kann (vgl. OVG NW, Beschl. v. 8.6.2017 - 19 B 89/17 - juris Rn. 6). Dies kann aber nicht ungeschmälert gelten, wenn diese länger zurückliegenden Anknüpfungstatsachen zwischenzeitlich Relativierungen durch weitere Umstände erfahren haben. So liegt es hier. Denn, trotz Ausschöpfung aller erkennbaren Ermittlungsansätze, bestehen keine nach Zeit, Ort und Inhalt konkret gefassten Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die befürchtete Handlung (hier: Unterstützung des militanten Jihad) in der Vergangenheit bereits einmal durch die Familie A./C. vollzogen wurde, obschon sich der Klägerin zu 1) und ihrem Ehemann hierzu bereits eine gute Gelegenheit (hier: in Form der Ausreise nach Syrien) geboten hat (dazu unter (1)). Zu berücksichtigen sind ferner die freiwillige Rückreise der Klägerin zu 1) in die Bundesrepublik Deutschland, allgemeine Erkenntnisse zu "Rückkehren" aus Verfassungsschutzberichten sowie ihre in der mündlichen Verhandlung glaubhaft geschilderten negativen Erfahrungen in Syrien, welche der Senat insgesamt als Kontraindikatoren hinsichtlich der im Falle einer Ausreise befürchteten Unterstützung des militanten Jihad durch die Klägerin zu 1) sieht (dazu unter 2)). Zudem fehlen im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung hinreichend gewichtige aktuelle Anknüpfungstatsachen im o.g. Sinne in Bezug auf die Klägerin zu 1) (dazu unter (3)), sodass in einer Gesamtschau keine zureichend tragfähigen Anhaltspunkte mehr gegeben sind, welche die Annahme begründen könnten, die Klägerin zu 1) werde künftig ausreisen, um den militanten Jihad zu unterstützen (dazu unter (4)). Im Einzelnen:

(1) Der Klägerin zu 1) bot sich eine gute Gelegenheit, den militanten Jihad zu unterstützen, als die Familie A./C. Anfang 2015 nach Syrien reiste. Seinerzeit hatte der IS, welcher zweifelsohne als militant jihadistische Organisation einzustufen ist, wesentliche Teile des syrischen Staatsgebietes erobert. Mit der Einreise nach Syrien bot sich der Klägerin zu 1) und ihrem Ehemann folglich eine unmittelbare Möglichkeit, sich dieser Organisation anzuschließen, zumal der Ehemann/Vater der Klägerinnen - mit AL. AM. - sogar eine Person kannte, die später in herausgehobener Position für den IS in Syrien tätig wurde und sich zur selben Zeit in Syrien aufhielt, wie die Familie A./C..

Für die Annahme, dass die Klägerin zu 1) oder ihr Ehemann in Syrien den IS oder eine andere jihadistische Vereinigung unterstützt haben oder dies jedenfalls geplant hatten, ergeben sich jedoch keine tragfähigen nach Zeit, Ort und Inhalt konkret gefassten Tatsachen und zwar trotz der Ausschöpfung aller zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt ersichtlichen Ermittlungsansätze.

Eine geplante oder vollzogene Unterstützung des militanten Jihad oder ein geplanter beziehungsweise vollzogener Anschluss an den IS wurde durch die Klägerin zu 1) stets bestritten und es gibt auch keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Behauptungen der Klägerin zu 1) unzutreffend sind.

Zunächst kann Gegenteiliges nicht der seit dem 27. September 2019 durchgeführten Überwachung der Telekommunikation der Klägerin zu 1) entnommen werden, da diese im Rahmen der überwachten Kommunikation nie erklärt hat, sich in Syrien dem IS angeschlossen zu haben. Vielmehr beruft sie sich sowohl im hiesigen Verfahren als auch im Rahmen der durch das LKA überwachten Telekommunikation konstant darauf, mit der Intention nach Syrien gereist zu sein, die Möglichkeiten humanitärer Hilfe ausloten zu wollen, um sodann wirksam von Deutschland aus tätig werden zu können. Zwar erweckt der Inhalt der durch das LKA überwachten Telekommunikation der Klägerin zu 1) durchaus den Eindruck, dass die Klägerin zu 1) sich in Bezug auf Angaben zu ihrer Zeit in Syrien aus prozesstaktischen Gründen bedeckt hielt. Das ändert aber nichts daran, dass der Überwachung letztlich keine nach Zeit, Ort und Inhalt konkret gefassten Tatsachen entnommen werden konnten, welche der behaupteten geplanten Leistung von humanitärer Hilfe in Syrien konkret entgegenstünden.

Im Zuge der Durchsuchung bei der Klägerin zu 1) wurde eine handschriftliche Notiz gefunden (Ass. 2.4.4), die mutmaßlich von der Klägerin zu 1) selbst gefertigt wurde. Dort hieß es sinngemäß zum Grund der Ausreise nach Syrien, dass man eine seriöse Hilfsorganisation in der Türkei habe finden wollen, die man von Deutschland aus habe unterstützen wollen. Nach Syrien sei sie mitgereist, da sie Angst gehabt habe, alleine in der Türkei zu bleiben. Sie habe die Vorstellung gehabt, lediglich eine Woche in Syrien zu bleiben. Dann seien die Grenzen geschlossen worden. Sie habe sich in BL. /CT. bei der Familie eines "CU." aufgehalten und das Ziel sei AZ. gewesen. Ob diese Aufzeichnungen als eine Art Tagebuch oder als Gedankenstütze für eventuelle Fragen der Sicherheitsbehörden gedacht waren, kann nicht abschließend bewertet werden. Sie erhalten aber jedenfalls ebenfalls keine Anhaltspunkte, die tragfähig darauf hindeuten könnten, dass die Familie A./C. nach Syrien gereist ist, um dort den militanten Jihad zu unterstützen.

Soweit die Beklagte sich darauf gestützt hat, dass eine Unterstützung des militanten Jihad bereits vor dem Hintergrund anzunehmen sei, dass andernfalls nicht erklärlich sei, weshalb sich eine Mutter mit zwei Kindern - davon einem Säugling - sehenden Auges in ein Kriegsgebiet begebe, greift diese Argumentationslinie letztlich - vor dem Hintergrund der anderslautenden Angaben der Klägerin zu 1), welchen keine konkreten Anhaltspunkte entgegenstehen - zu kurz. Die Klägerin zu 1) hat insoweit nämlich erklärt, es sei nie beabsichtigt gewesen, sich mit den Kindern in ein Kriegsgebiet zu begeben. Ursprünglich sei geplant gewesen, die Hilfsmöglichkeiten für Syrien von der Türkei her auszuloten. Das Überqueren der Grenze zu Syrien sei lediglich spontan erfolgt, da ihnen versichert worden sei, die Gegend sei sicher. In jedem Fall hätten sie nie vorgehabt, längerfristig von Syrien aus Hilfe zu leisten. Es sei lediglich geplant gewesen, vor Ort geeignete Hilfsmöglichkeiten zu ermitteln, um dann von Deutschland aus tätig zu werden. Sie hätten darauf vertraut, dass der geplante kurze Aufenthalt in Syrien sicher sei. Auch diesen Angaben der Klägerin zu 1) stehen keine konkreten Anhaltspunkte für Gegenteiliges entgegen. Ungeachtet dessen folgen auch aus der von der Beklagten angeführten Unerklärlichkeit des Vorgangs keine nach Zeit, Ort und Inhalt hinreichend konkret gefassten tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Familie A./C. in Syrien den militanten Jihad unterstützt hätte.

Soweit die Beklagte die behauptete Unterstützung des militanten Jihad damit begründet, dass der Ehemann/Vater der Klägerinnen Kontakt zu dem Verein "Helfen in Not" hergestellt habe, der ausweislich des Verfassungsschutzberichtes des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2016 (dort Seite 195), eine feste Einbindung in die salafistische Szene zeige und auch den militanten Jihad als Kampf gegen die Feinde des Islam gutgeheißen habe, kann dies einen geplanten oder vollzogenen Anschluss der Familie A./C. oder eine anderweitige Unterstützung einer militanten jihadistischen Organisation nicht stützen. So macht die Beklagte lediglich geltend, der Ehemann/Vater der Klägerinnen habe Kontakt zu der Organisation "Helfen in Not" aufgenommen. Ob und inwieweit er letztlich für diese Organisation überhaupt in Syrien tätig wurde, bleibt hingegen offen. Zudem fügt sich die Information über die Kontaktaufnahme des Ehemannes/Vaters der Klägerinnen in die Angaben der Klägerin zu 1), wonach Hilfsmöglichkeiten hätten ausgelotet werden sollen, was eine Kontaktaufnahme zu der Organisation "Helfen in Not" plausibel erscheinen lässt, ohne dass damit tragfähig auf die Unterstützung des militanten Jihad geschlossen werden kann.

Auch kann der Argumentation der Beklagten letztlich nicht gefolgt werden, wonach jedenfalls die lange Aufenthaltsdauer der Klägerin zu 1) in Syrien nahelege, dass man sich dort dem IS angeschlossen habe. Die Klägerin zu 1) benannte auch insoweit eine aus Sicht des Senats hinreichende Begründung für die späte Ausreise. So hat die Klägerin zu 1) erklärt, die Ausreise sei bereits nach wenigen Wochen des Aufenthaltes in Syrien zu gefährlich gewesen. Nach Zeit, Ort und Inhalt hinreichend konkret gefasste tatsächliche Anhaltspunkte für Gegenteiliges vermag der Senat nicht zu erkennen. Festzustellen ist insoweit, dass sich die Familie von Anfang 2015 bis Anfang 2018 in Syrien aufgehalten hat, was einem Zeitraum von etwa drei Jahren entspricht. Für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin zu 1), wonach eine Ausreise aus Syrien zu einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen sei, spricht, dass die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann - ausweislich der polizeilichen Befragung der Eltern der Klägerin zu 1) sowie ihres Onkels - seit etwa Mitte 2016 bekundet haben, wieder nach Deutschland zurück reisen zu wollen und die Klägerin zu 1) am 9. November 2016 einen Antrag bei der deutschen Botschaft in BO. auf die Gestattung der Einreise von Syrien in die Türkei stellte. Gleichwohl gelang es der Familie A./C. erst Anfang 2018 illegal mithilfe eines Schleusers aus Syrien in die Türkei einzureisen. Demzufolge erscheint glaubhaft, dass eine Ausreise der Familie aus Syrien jedenfalls seit Mitte 2016 auf legalem Wege nicht mehr möglich war. Dass es davor für die Familie A./C. Möglichkeiten gegeben hätte, aus Syrien auszureisen, wurde von der Beklagten nicht plausibel geltend gemacht und ist für den Senat auch im Übrigen nicht ersichtlich.

Zudem kann in dem Umstand, dass der Ehemann der Klägerin zu 1) jedenfalls von August 2018 bis zum 26. Juni 2021 in Tunesien inhaftiert gewesen ist, kein tragfähiger Anhaltspunkt entnommen werden, der auf dessen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung bzw. dessen Unterstützung deuten würde, da keine Erkenntnisse zum Haftgrund vorliegen. Auf ein entsprechendes Rechtshilfeersuchen der Bundesrepublik Deutschland an Tunesien, das seitens der GenStA eingeleitet wurde und darauf gerichtet war, den Grund der dortigen Inhaftierung des Ehemannes der Klägerin zu 1) zu erfahren, erfolgte keine Reaktion, wobei eine Reaktion aus Tunesien - zur Überzeugung des zuständigen Rechtshilfedezernenten bei der Generalstaatsanwaltschaft - auch nicht mehr zu erwarten sei.

Gegen einen Anschluss der Familie A./C. an den IS in Syrien spricht überdies, dass die Familie, den insoweit glaubhaften Angaben der Klägerin zu 1) in der Berufungsverhandlung zufolge, ihren Lebensunterhalt in Syrien über Ersparnisse bestritten hat und auch in gewissem Umfang in die syrische Bevölkerung, und damit eine vom IS unabhängige Gemeinschaft, eingebunden war.

So hat die Klägerin zu 1) in der Berufungsverhandlung dargelegt, dass sie in Syrien ihren Lebensunterhalt über eigene Ersparnisse bestritten hätten. Sie hat erklärt, sie hätten Ersparnisse von etwa 1.200 Dollar besessen, was ausreichend gewesen sei, da das Leben in Syrien seinerzeit sehr billig gewesen sei. Sie hätten lediglich eine monatliche Miete von etwa zehn bis elf Dollar entrichten müssen und Lebensmittel, wie etwa Obst, Gemüse und Joghurt, hätten lediglich ein paar Cent gekostet. Ferner hat die Klägerin zu 1) in der Berufungsverhandlung erklärt, dass sie an ihre Mietswohnung über Erkundigungen gekommen seien. Ihr Mann spreche arabisch und habe sich in der Nachbarschaft umgehört. Freunde hätten sie in Syrien zwar keine gehabt, aber sie hätten die Nachbarschaft gehabt. Die Menschen dort hätten gewusst, wer sich in ihrem Dorf aufhalte, und sie seien sehr hilfsbereit gewesen. Teilweise seien sie von den Menschen sogar mit Essen versorgt worden.

Die vorstehenden Angaben der Klägerin zu 1) erachtet der Senat insbesondere als glaubhaft, da sie schlüssig erscheinen und von der Klägerin zu 1) detailliert ohne mehrfache Nachfrage berichtet wurden und die Klägerin zu 1) bei dem Senat den persönlichen Eindruck hinterlassen hat, dass sie von der Hilfsbereitschaft ihrer Nachbarschaft durchaus nachhaltig beeindruckt war.

Die vorstehenden Feststellungen sprechen gegen einen Anschluss der Familie A./C. an den IS, da sie im Falle des Anschlusses - nach den nachvollziehbaren Feststellungen in dem Urteil des Oberlandesgerichts N. vom 24. Februar 2021 - AK., denen sich der Senat nach eigener Würdigung anschließt - einen Sold bezogen hätten (Urteilsabdruck Seite 20, Beiakte 008). Auch wäre im Falle des Anschlusses an den IS ein vertrauter Kontakt zu Einheimischen samt entsprechender Lebensmittelspenden wohl nicht zu erwarten gewesen.

Dabei sind auch Erkenntnisse über den behaupteten Aufenthaltsort der Familie A./C. zu berücksichtigen. Insoweit ist der durch die Klägerin zu 1) behauptete Aufenthaltsort zu Grunde zu legen, da es keine nach Zeit, Ort und Inhalt hinreichend konkret gefasste Tatsachen gibt, die ihrer Behauptung entgegen stünden. Die Klägerin zu 1) hat konstant erklärt, sich stets im Raum BL. /AZ. und Umgebung aufgehalten zu haben. Das Gebiet BL. /AZ. und Umgebung ist - ausweislich der in das Verfahren eingeführten Medienberichte - während des gesamten Aufenthaltszeitraumes der Familie A./C. umkämpft geblieben, sodass ein Aufenthalt dort auch ohne einen Anschluss an den IS oder andere extremistische Gruppen möglich war. Anders wäre die Situation möglicherweise zu bewerten gewesen, wenn nachweisbar gewesen wäre, dass die Familie A./C. sich während ihrer Zeit in Syrien in der seinerzeit als IS Hauptstadt geltenden Stadt CL. aufgehalten hätte. Dafür gibt es aus dem gesamten Inhalt des Verfahrens jedoch keinerlei Anhaltspunkte.

Im Übrigen macht sich der Senat ergänzend die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts, zur Prüfung eines Anschlusses der Familie A./C. an den IS in Syrien zu Eigen (§ 130 b Satz 2 VwGO), soweit es die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den in Syrien erstellten Zeugnissen beziehungsweise der Geburtsurkunde (Seite 36 des Urteilsabdrucks, erster Absatz) betrifft. Bei aller Fragwürdigkeit dieser Umstände folgen indes auch daraus keine nach Zeit, Ort und Inhalt hinreichend konkret gefassten tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Familie A./C. in Syrien den militanten Jihad unterstützt hätte.

Zusammenfassend liegen somit keine i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG bestimmten Tatsachen aus der Zeit der Familie A./C. in Syrien und danach vor, welche die Annahme rechtfertigten, dass die Familie A./C. in Syrien den militanten Jihad unterstützt hätte, wobei es in Bezug auf einen Anschluss an den IS sogar Gesichtspunkte gibt, die gegen eine solche Annahme sprechen (Ersparnisse und gewisse Einbindung in einheimische Gemeinschaft). Demzufolge bleibt die Annahme, die Familie A./C. sei Anfang 2015 nach Syrien ausgereist, um dort den militanten Jihad zu unterstützen, eine Vermutung.

Dies berücksichtigend konnte auch der Inhalt des Behördenzeugnisses des BfV vom 3. Juli 2018, wonach die Klägerin zu 1) mit der Absicht nach Syrien gereist sei, am Jihad teilzunehmen, durch den Senat nicht zu einer Überzeugungsbildung herangezogen werden. Auf nachrichtendienstlichen Erkenntnissen und Einschätzungen beruhende Tatsachenbehauptungen, die gerichtlicher Beweiserhebung wegen der Verweigerung der Vorlage der entsprechenden Vorgänge nicht zugänglich sind, können lediglich eine durch andere Erkenntnisse gestützte Überzeugung des Gerichts im Sinne einer Abrundung des Gesamtbilds bestätigen. Sie können für sich genommen indes nicht für eine gerichtliche Überzeugungsbildung ausschlaggebend sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 3.12.2004 - 6 A 10/02 - juris Rn. 16). Das BfV hat mit Schreiben vom 24. Juni 2024 mitgeteilt, die ihrer Einschätzung zugrundeliegenden Erkenntnisse könnten nicht offengelegt werden.

Der Senat sieht zudem keine weiteren Ermittlungsansätze und den Sachverhalt durch die Generalstaatsanwaltschaft als ausermittelt an. Dafür spricht auch, dass das BfV mit Schreiben vom 25. Juni 2024 sowie vom 8. Juli 2024 erklärt hat, weder zu der Klägerin zu 1) noch zu ihrem Ehemann lägen aktuelle Erkenntnisse vor.

Folgerichtig wurde das Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin zu 1) durch die GenStA durch Verfügung vom 25. Mai 2022 mit überzeugender Begründung gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Auch dies berücksichtigt der Senat bei seiner Überzeugungsbildung.

(2) Zu berücksichtigen sind ferner die freiwillige Rückreise der Klägerin zu 1) in die Bundesrepublik Deutschland, allgemeine Erkenntnisse zu "Rückkehren" aus Verfassungsschutzberichten sowie ihre in der mündlichen Verhandlung glaubhaft geschilderten negativen Erfahrungen in Syrien, welche der Senat insgesamt als Kontraindikatoren hinsichtlich der im Falle einer Ausreise befürchteten Unterstützung des militanten Jihad durch die Klägerin zu 1) sieht.

Wie ausgeführt, hat sich die Familie A./C. von Anfang 2015 bis Anfang 2018 in Syrien aufgehalten, wobei davon auszugehen ist, dass seit etwa Mitte 2016 versucht wurde, wieder nach Deutschland zurückzureisen.

Dem Verfassungsschutzbericht des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat aus dem Jahr 2021 (Seite 186) ist das Folgende zu entnehmen:

Bezüglich der von Rückkehrern ausgehenden Gefährdung ergibt sich ein heterogenes Bild. Die Spanne bei der Einschätzung dieser Personen reicht von "Desillusionierten", deren szenetypische Aktivitäten nach der Rückkehr deutlich abnehmen oder nicht mehr feststellbar sind, bis hin zu gewaltbereiten Personen mit Kampferfahrung.

Die Klägerin zu 1) ist zur Überzeugung des Senats eher in die Gruppe der Desillusionierten einzuordnen. Zur Überzeugung des Senats ist glaubhaft, dass sie seit etwa Mitte 2016 versucht hat, freiwillig wieder aus Syrien auszureisen, was ihr Anfang 2018 gelungen ist. Die Klägerin zu 1) hat in der Berufungsverhandlung zudem erklärt, die Zeit in Syrien sei für sie absolut beängstigend gewesen. Man habe dort nicht nur die Flugzeuge gehört, sondern auch Schüsse wahrnehmen können. Sie werde so etwas nie wieder tun und auch ihr Ehemann werde so etwas nie wieder tun.

Der Senat sieht diese Angaben als glaubhaft an. Die Klägerin zu 1) hat die Umstände konstant - seit ihrer ersten Anhörung im Passverfahren - geschildert. Der Senat hat zudem in der Berufungsverhandlung den persönlichen Eindruck gewonnen, dass sie diese Angaben mit Nachdruck und emotionsbetont getätigt hat, was ihre Angaben insgesamt glaubhaft erscheinen ließ.

Dies berücksichtigend geht der Senat auch nicht davon aus, dass die Klägerin zu 1) künftig in Richtung der Unterstützung des militanten Jihad beeinflussbar sein wird, aus der Richtung ihres Ehemannes kommend mit eingeschlossen. Die Klägerin zu 1) brachte glaubhaft zum Ausdruck, die Erfahrungen in Syrien nichtwiederholen zu wollen, und in diesem Punkt ihrem Ehemann gegenüber und auch überhaupt kritischer geworden zu sein.

(3) Darüber hinaus sieht der Senat keine hinreichenden aktuellen Anknüpfungstatsachen, welche die Annahme stützen könnten, die Klägerin zu 1) werde ausreisen, um den militanten Jihad zu unterstützen. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist der Senat insbesondere nicht davon überzeugt, dass nach Zeit, Ort und Inhalt hinreichend konkret gefasste tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Klägerin zu 1) aktuell eine mit den Zielen des militanten Jihad sympathisierende Gesinnung aufweist.

Die Auswertung der Telekommunikationsüberwachung der Fest- sowie Mobilfunknummern der Klägerin zu 1) - entsprechend der Beschlüsse des Bundesgerichtshofes vom 26. September 2019 - BC. sowie BD. -, die seit dem 27. September 2019 vollzogen wurden, ergab zwar, dass sich die Klägerin zu 1) durchaus einer salafistisch geprägten Sprache bedient. So verwendete sie den Begriff "Hijra". Ausweislich der insoweit unbestritten gebliebenen Feststellungen des LKA, bedeutet der Begriff "Hijra" wörtlich "Auswanderung" und wird im jihadistischen Kontext in Anlehnung an die überlieferte Auswanderung (Hijra) des islamischen Propheten Muhammads und seiner Gefolgsleute von Mekka nach Medina für die Ausreise sogenannter Foreign Fighters in die jihadistischen Kampfgebiete verwendet. Insbesondere der sogenannte IS nutzt den Begriff in seinen Verlautbarungen, um zur Ausreise in sein Herrschaftsgebiet aufzurufen und dieser eine religiöse Bedeutung zu verleihen. Als (vermeintliche) Voraussetzungen zur Teilnahme am militanten Jihad wurde die "Hijra" durch den sogenannten IS für einige Personengruppen (zumindest implizit) sogar zu religiösen Pflicht erklärt. Obschon die Klägerin zu 1) diesen Begriff verwendete, wird aus dem Kontext der Gesprächsführung nicht deutlich, wie sie zu der "Hijra" steht bzw. dass sie ihre eigene Ausreise nach Syrien in diesem Sinne verstanden hat, sodass ein tragfähiger Schluss auf ihre Gesinnung nicht möglich ist. Die Auswertung der Telekommunikationsüberwachung ergab ferner, dass eine Gesprächspartnerin der Klägerin zu 1) den Begriff "Kuffar" (arab. "Ungläubige") verwendete. Da der Begriff durch die Klägerin zu 1) selbst nicht genutzt wurde und auch aus dem übrigen Kontext des Gespräches keine weitergehenden Schüsse gezogen werden können, ist auch nicht ersichtlich, wie die Klägerin zu 1) zu dem Begriff "Kuffar" steht.

Die Auswertung gelöschter Chats beziehungsweise gelöschter Chatfragmente hat zwar ergeben, dass die Klägerin zu 1) Mitglied in Chatgruppen war, in denen Solidaritätsbekundungen zu verurteilten Islamisten oder auch Inhalte bekannter "Hassprediger" geteilt wurden, hingegen konnten Wortbeiträge der Klägerin zu 1) in den jeweiligen Chatgruppen nicht ermittelt werden, sodass auch insoweit ein tragfähiger Schluss auf die Gesinnung der Klägerin zu 1) nicht möglich wird.

Im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung der Klägerinnen - auf Basis des Beschlusses des OLG N. v. 8. Januar 2020 - BQ. - am 23. Januar 2020 sind Bücher zur Kindererziehung mit Inhalten wie "Mütter ermutigen ihre Kinder zur Ausführung des ,Jihad'" aufgefunden worden. Dass die Klägerin zu 1) ihre Kinder tatsächlich auf diese Art und Weise erzogen hat beziehungsweise erzieht, bestreitet sie, wobei hinreichend konkrete Anhaltspunkte für Gegenteiliges nicht gegeben sind.

Auch aus dem äußeren Erscheinungsbild der Klägerin zu 1) können jedenfalls aktuell keine Schlüsse auf eine radikale Gesinnung der Klägerin zu 1) mehr gezogen werden, da es jedenfalls aktuell keine Erkenntnisse gibt, dass die Klägerin zu 1) sich in der Öffentlichkeit noch mit einem Gesichtsschleier zeigt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie aktuell allenfalls noch ein Kopftuch trägt. Die Befragung einer weiblichen Kontaktperson der Klägerin zu 1) - der Frau CV. CW. - vom 24. Januar 2020 hat ergeben, dass die Klägerin zu 1) bei den etwa fünf Zusammentreffen lediglich noch teilweise verschleiert - also wohl mit einem Kopftuch bedeckt - auftrat, wobei aus dem Tragen eines Kopftuches erkennbar nicht auf eine militant jihadistische Einstellung geschlossen werden kann. Da die Klägerin zu 1) im Vorfeld nicht wissen konnte, dass Frau CV. CW. polizeilich befragt werden würde, kann ein prozesstaktisches Agieren, wie die Beklagte annimmt, als fernliegend bewertet werden.

Im Übrigen macht sich der Senat die darüber hinaus gehenden zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Prüfung der Gesinnung der Klägerin zu 1) zu Eigen (§ 130 b Satz 2 VwGO), soweit es die Frage der Distanzierung der Klägerin zu 1) von einer Einbindung ihres Ehemannes in die militant jihadistische Szene betrifft (Seite 37 des Urteilsabdrucks) sowie die Angaben des Verwaltungsgerichts zur Plausibilität ihres Ausreisewunsches (Seite 38 des Urteilsabdrucks) und zudem in Bezug auf die Erziehung der Kinder (Seite 37 des Urteilsabdrucks) mit der Maßgabe, dass sich die Erkenntnisse zur Erziehung der Kinder der Klägerin zu 1) mit ihren Angaben in der Berufungsverhandlung deckten, aus denen ersichtlich wurde, dass die Klägerin zu 1) ihre Kinder am hiesigen Sozialleben teilhaben lässt. So hat die Klägerin zu 1) glaubhaft erklärt, ihre älteste Tochter habe sich für den Besuch einer Realschule entschieden, da eine Freundin von ihr dort hingehe. Auch hat sie erklärt, ihre Kinder verbrächten ihre Freizeit mit Freunden. Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben nicht zutreffend sein könnten, sind nicht ersichtlich. Vielmehr fügen sich diese Angaben in das Gesamtbild.

(4) In einer Gesamtschau der vorstehenden Gesichtspunkte vermag der Senat im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung keine nach Zeit, Ort und Inhalt konkret gefasste Tatsachen dafür zu erkennen, dass die Klägerin zu 1) im Falle einer Passerteilung ausreisen werde, um den militanten Jihad zu unterstützen. Die ursprünglich gegebenen Anknüpfungstatsachen der "Einbindung des Ehemannes/Vaters der Klägerinnen in einen Personenkreis militanter Jihadisten vor der Ausreise nach Syrien" und der "Einreise der Familie A./C. nach Syrien im zeitlichen Zusammenhang zum Ausruf des Kalifats" haben sich zwischenzeitlich relativiert beziehungsweise aus den dargelegten Gründen maßgeblich an Gewicht verloren. So sprechen letztlich für eine geplante oder vollzogene Unterstützung des militanten Jihad oder Anschlusses an den IS während der Zeit der Familie A./C. in Syrien keine bestimmten Tatsachen. Zudem ist keine aktuelle Anknüpfungstatsache gegeben (entsprechende Gesinnung der Klägerin zu 1)), welche die Annahme begründen könnte, die Klägerin zu 1) werde bei einer Ausreise den militanten Jihad unterstützen. Ferner stellen die Erlebnisse der Klägerin zu 1) in Syrien letztlich sogar Kontraindikatoren in Bezug auf eine befürchtete Unterstützung des militanten Jihad dar. In einer Gesamtschau besitzen die festgestellten Anknüpfungstatsachen nicht mehr das erforderliche Gewicht, um die Annahme, die Klägerin zu 1) werde im Falle einer Ausreise den militanten Jihad unterstützen, tragfähig stützen können.

cc) Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen kommt es streitentscheidend nicht mehr darauf an, wie eine "Unterstützung" des militanten Jihad konkret zu definieren, ab welchem Einsatz diese also anzunehmen wäre. Selbst bei einer weiten Auslegung des Unterstützungsbegriffs etwa in Anlehnung an § 11 Satz 1 Nr. 1 Staatsangehörigkeitsgesetz, wonach eine Unterstützung jede Handlung ist, die objektiv vorteilhaft ist, sich also in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt (vgl. Schneider, in: BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Decker/Bader/Kothe, Stand: 15.1.2024, § 11 StAG Rn. 17 m.w.N.), wäre eine in diesem Sinne verstandene Unterstützung nicht zu befürchten.

b) Auch die Klägerin zu 2) hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung einen Anspruch gegen die Beklagte auf Ausstellung eines Reisepasses. Soweit die Beklagte die Passversagung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG darauf gestützt hat, es sei von einer Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, da für den Fall einer Ausreise der Klägerin zu 2) nach Tunesien zu befürchten sei, dass diese in einem salafistisch jihadistisch geprägten Umfeld aufwachse und zur Ablehnung der "ungläubigen" Gesellschaft erzogen werde, insbesondere wenn die Eltern - wie vorliegend - eine jihadistische Ideologie verträten, bestehe die Gefahr, dass ihre Kinder schon früh mit gewaltverherrlichenden Inhalten in Kontakt kämen und selbst entsprechende Ambitionen zum Kampf gegen sogenannte "Ungläubige" entwickelten, sodass eine spätere Beteiligung an aktiven Handlungen des IS bzw. eventuellen Nachfolgerorganisationen nicht ausgeschlossen werden könne, kann dem vor dem Hintergrund der vorstehenden Erörterungen zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht gefolgt werden. Wie bereits ausgeführt, kann dem gesamten Inhalt des Verfahrens (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) keine nach Zeit, Ort und Inhalt hinreichend konkret gefasste Tatsache dafür entnommen werden, dass die Klägerin zu 1) ihre Kinder nach jihadistischen Grundsätzen erzieht. Dafür, dass sich dies im Falle einer Ausreise nach Tunesien ändern würde, gibt es derzeit ebenso keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte. Im Übrigen wird auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen (§ 130 b VwGO), welche sich der Senat nach eigener Würdigung zu Eigen macht (vgl. Seite 38 f. Urteilsabdruck).

B. Die Personalausweisversagungen der Klägerinnen (Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides) sind rechtswidrig. Zum hier maßgeblichen behördlichen Entscheidungszeitpunkt, welcher im Falle der Erstellung eines Ersatz-Personalausweises der Zeitpunkt der letzten Ausstellung eines solchen nach § 6 a Abs. 3 PAuswG ist (dazu unter I.), hatten die Klägerinnen einen Anspruch auf die Ausstellung von Personalausweisen (dazu unter II.).

I. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, ist im Falle der Personalausweisversagung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung und, im Fall der Ausstellung eines Ersatz-Personalausweises nach § 6 a Abs. 3 PAuswG, auf den Zeitpunkt der letzten Ausstellung eines solchen abzustellen. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts, welche sich der Senat gemäß § 130 b Satz 2 VwGO zu Eigen macht (vgl. Seite 39 Urteilsabdruck).

1. Der maßgebliche Entscheidungszeitpunkt in Bezug auf die Klage der Klägerin zu 1) ist demnach im hiesigen Berufungsverfahren der 16. Januar 2024. Der Klägerin zu 1) wurde an diesem Tag letztmalig ein Ersatz-Personalausweis ausgestellt.

2. Mit Blick darauf, dass der Klägerin zu 2) kein Ersatz-Personalausweis ausgestellt wurde, ist die Frage nach dem maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt in Bezug auf das Begehren der Klägerin zu 2) auf Ausstellung eines Personalausweises nicht wie bei der Klägerin zu 1) zu beantworten. Ungeachtet dieser Frage geht der Senat indessen, wie aus den Ausführungen unter B.II.2. folgt, davon aus, dass das Klagebegehren aus den untenstehenden Gründen zu allen in Betracht kommenden Entscheidungszeitpunkten Erfolg hat.

II. Die Klägerinnen haben einen Anspruch auf die Ausstellung von Personalausweisen. Die Voraussetzungen des § 6 a Abs. 1 PAuswG i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG für die Versagung eines Personalausweises lagen weder in Bezug auf die Klägerin zu 1) (dazu unter 1.) noch in Bezug auf die Klägerin zu 2) (dazu unter 2.) vor.

1. Zu dem im Falle der Klägerin zu 1) maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des 16. Januar 2024 lagen die Voraussetzungen des § 6 a Abs. 1 PAuswG i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG nicht vor.

Gemäß § 6 a Abs. 1 PAuswG i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG kann die Passbehörde beim Vorliegen eines Passversagungsgrundes i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG den Personalausweis oder den vorläufigen Personalausweis versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik gefährdet sind, soweit diese Gefährdung darauf beruht, dass der Betroffene einer terroristischen Vereinigung nach § 129a StGB oder einer terroristischen Vereinigung nach § 129 a i.V.m. § 129 b StGB mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland angehört oder diese unterstützt (Nr. 1), oder rechtswidrig Gewalt gegen Leib oder Leben als Mittel zur Durchsetzung international ausgerichteter politischer oder religiöser Belange anwendet oder eine solche Gewaltanwendung unterstützt oder vorsätzlich hervorruft (Nr. 2).

Diese Voraussetzungen lagen im Januar 2024 in Bezug auf die Klägerin zu 1) nicht vor. Vielmehr ist davon auszugehen, dass im Januar 2024 dieselbe Sachlage bestand wie im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats. Insoweit wird auf die Ausführungen zur Rechtswidrigkeit der Reisepassversagung gegenüber der Klägerin zu 1) unter A.II.2.a) Bezug benommen, welche auf die vorliegende Prüfung übertragbar sind.

2. Hinsichtlich der Klägerin zu 2) schließt sich der Senat den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (Seite 40 des angefochtenen Urteils) an und macht sich diese gemäß § 130 b VwGO zu Eigen. Danach ist davon auszugehen, dass eine Erfüllung des - ein aktives Handeln des Ausweisbewerbers erfordernden - Tatbestands des § 6 a Abs. 1 PAuswG i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG durch die 2017 geborene Klägerin zu 2) bereits aufgrund ihres Alters zu keinem Zeitpunkt in Betracht kommt.

C. Darüber hinaus war auch die Entscheidung der Beklagten zur Ausstellung eines Ersatz-Personalausweises für die Klägerin zu 1) aufzuheben. Mit der Verpflichtung der Beklagten zur Ausstellung eines Personalausweises für die Klägerin zu 1) liegen die Voraussetzungen des § 6 a Abs. 3 PAuswG für die Ausstellung eines Ersatz-Personalausweises nicht mehr vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht ersichtlich.