Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 05.01.2006, Az.: VgK 41/05
Anforderungen an die europaweite Ausschreibung von Dienstleistungen; Anforderungen an die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens durch die Vergabekammer; Antrag zur Notwendigkeit der Hinzuziehung des anwaltlichen Bevollmächtigten
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 05.01.2006
- Aktenzeichen
- VgK 41/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 11042
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 98 Nr. 1 GWB
- § 100 Abs. 1 GWB
- § 114 Abs. 2 S. 2 GWB
- § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A
In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR' in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ök. Brinkmann
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin im Zeitpunkt der Stellung des Nachprüfungsantrages in ihren Rechten verletzt gewesen ist, soweit die Auftraggeberin es unterlassen hatte, in Ergänzung der mit der Leistungsbeschreibung zur Verfügung gestellten Objektliste die Werte der zu versichernden Objekte mit der Angabe des Jahres der Feststellung der jeweiligen Werte den Bietern zu Kalkulationszwecken mitzuteilen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens hat die Auftraggeberin zu tragen. Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung der Kosten befreit.
- 3.
Die Kosten werden auf 2.586 EUR festgesetzt.
- 4.
Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.
Gründe
I.
Die Auftraggeberin hat mit Datum vom 17.05.2005 die Schadensversicherungsleistungen europaweit für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 01.01.2011 im offenen Verfahren ausgeschrieben, nachdem sie mit Vorinformation vom 07.01.2005 auf die beabsichtigte Vergabe hingewiesen hat.
Der Vergabeakte ist zu entnehmen, dass die Auftraggeberin sich an das Ausschreibungsmuster "Gebäude- und Inhaltsversicherung für Kommunen" des Nds. Städte- und Gemeindebundes gehalten hat. Dort ist keine Angabe von Versicherungssummen in den Verdingungsunterlagen vorgesehen.
Mit Schreiben vom 08.07.2005 rügte der von der Antragstellerin beauftragte Versicherungsmakler die Ausschreibung und erklärte, dass er eine Kalkulation der Versicherungsprämie auf Grund der ihm vorliegenden Form der Verdingungsunterlagen nicht vornehmen könne. Er führte insbesondere auf, dass in den Verdingungsunterlagen nicht alle tatsächlichen Gegebenheiten und besonderen Einzelheiten enthalten seien, die den Preis beeinflussen würden.
Nachdem die Auftraggeberin die Vorwürfe zurückwies, beantragte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 10.08.2005, eingegangen in der Vergabekammer am selben Tage, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Der Versicherungsmakler, der die Rügen verfasst hat, vertritt die Antragstellerin auch im Nachprüfungsverfahren. Die Antragstellerin ergänzt und vertieft den Vortrag des Versicherungsmaklers in Bezug auf die bereits in den Rügeschreiben gegenüber der Auftraggeberin monierten Vergaberechtsverstöße.
Ferner führt sie aus, dass die Auftraggeberin nicht alle für eine einwandfreie Preisermittlung (hier: Prämienermittlung) erforderlichen Umstände festgestellt und in den Verdingungsunterlagen angegeben habe. Die fehlenden Gebäude- und Inhaltssummen seien jedoch für die notwendige Risikoabschätzung erforderlich. Zur Erbringung einer korrekten Versicherungsleistung müsse sie wissen, welche Gebäude- und Inhaltswerte versichert werden sollen. Nur so ließe sich das Schadenrisiko seriös und einwandfrei ermitteln.
Die Antragstellerin beantragte seinerzeit in der Fassung ihres Schriftsatzes vom 20.09.2005:
- 1.
ein Vergabenachprüfungsverfahren einzuleiten und der Antragsgegnerin aufzugeben, das Vergabeverfahren nicht weiterzuführen und insbesondere die Erteilung des Zuschlags zu unterlassen;
- 2.
die Antragsgegnerin anzuweisen, die erforderlichen Maßnahmen zu erlassen, das Vergabeverfahren in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen und dabei insbesondere die notwendige Korrektur der Verdingungsunterlagen (Nennung der Versicherungssummen) vorzunehmen;
- 3.
der Antragstellerin Akteneinsicht in die Vergabeakten zu gewähren;
- 4.
der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen aufzuerlegen;
- 5.
festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragstellerin notwendig war.
Die Auftraggeberin beantragte seinerzeit
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
Sie wies u.a. darauf hin, dass die Nichtbekanntgabe der Versicherungssummen ihrer Auffassung nach vergaberechtlich unbedenklich sei. Im Übrigen würden die zu erbringenden Versicherungsprämien nicht mehr auf Versicherungssummen gestützt. Wie genau der jetzige Versicherer die Versicherungsprämien berechne, entziehe sich ihrer Kenntnis.
Da ein weiteres Nachprüfungsverfahren mit identischer Sach- und Rechtslage (Az. VgK-38/2005) beim OLG anhängig war, wurde im hier anhängigen Nachprüfungsverfahren nach Rücksprache mit den Verfahrensbeteiligten die Frist zur Entscheidung gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB bis zum 14.01.2006 verlängert.
Zwischenzeitlich hat des OLG Celle die Beschwerde der Auftraggebergemeinschaft in dem Parallelverfahren (dortiges Az. 13 Verg 14/05) gegen den Beschluss der Vergabekammer mit Beschluss vom 15.12.2005 zurückgewiesen.
Es hat in den amtlichen Leitsätzen hervorgehoben:
"Ein Nachprüfungsantrag ist auch dann zulässig, wenn nicht der Antragsteller, sondern ein anderer Bieter den entsprechenden Vergabefehler rechtzeitig gerügt und der Auftraggeber dieser Rüge nicht abgeholfen hat.
Sich notwendige Informationen über preisbeeinflussende Umstände zu verschaffen, darf allenfalls dann dem Bieter überlassen werden, wenn er sich diese Informationen mit verhältnismäßig geringem, jedenfalls geringerem Aufwand als der Auftraggeber besorgen kann und dies die Vergleichbarkeit der Angebote nicht gefährdet.
Zur Verpflichtung des Auftraggebers, in der Ausschreibung einer Gebäudeversicherung Angaben über die Werte der Gebäude zu machen."
Auf Grund der Entscheidung des OLG im Parallelverfahren teilte die Auftraggeberin der Vergabekammer mit Schreiben vom 21.12.2005 mit, dass sie dem Nachprüfungsantrag selbst abhelfen und den Bietern die erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen wolle.
Die Antragstellerin beantragt jetzt
festzustellen, dass sie insoweit in ihren Rechten verletzt gewesen sei, als in dem streitgegenständlichen Nachprüfungsverfahren rechtswidrigerweise die Versicherungssumme nicht genannt wurde.
Ferner weist die Antragstellerin darauf hin, dass sie ihren Kostenantrag und den Antrag zur Notwendigkeit der Hinzuziehung des anwaltlichen Bevollmächtigten aufrechterhält.
Die Auftraggeberin hat keine neuen Anträge gestellt.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
II.
Der Antrag der Antragstellerin ist als Fortsetzungsfeststellungsantrag gem. § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB zulässig und begründet. Da die Auftraggeberin mit Schriftsatz vom 21.12.2005 erklärt hat, dass sie dem Nachprüfungsantrag selbst abhelfen und den Bietern die erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen will, hat sich das Nachprüfungsverfahren in sonstiger Weise erledigt. Auf Antrag der Antragstellerin vom 23.12.2005 war vorliegend jedoch festzustellen, dass durch die ursprüngliche Vorenthaltung der kalkulationsrelevanten Angaben der Objektwerte in den Verdingungsunterlagen eine Rechtsverletzung vorgelegen hat. Das Unterlassen der Bekanntmachung dieser Objektwerte verstieß gegen § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A. Danach ist ein Auftraggeber verpflichtet, alle eine einwandfreie Preisermittlung beeinflussenden Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben.
1.
Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um eine öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Versicherungsleistungen und damit um einen Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1, Abs. 4 GWB, für den gem. § 2 Nr. 3 der Vergabeverordnung (VgV) ein Schwellenwert von 200.000 EUR gilt. Angebote liegen im derzeitigen Stadium des Vergabeverfahrens noch nicht vor. Der Wert des ausgeschriebenen Auftragsüberschreitet jedoch den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert. Gemäß Ziffer II. 2. 1 der Vergabebekanntmachung vom 20.05.2005 umfasst der streitbefangene Auftrag die Gebäude-, Inhalts-, Elektronik-, Maschinen-, Transport-, Ausstellungs-, Musikinstrumenten- und Schlüsselverlustversicherung für den Gebäudebestand der Stadt xxxxxxx (insgesamt 174 Objekte). Die Antragstellerin hat den Jahresauftragswert und damit die Jahresversicherungsprämie in ihrem Antragsschriftsatz vom 10.08.2005 auf 70.000 EUR geschätzt. Die Auftraggeberin ist dieser Schätzung nicht entgegengetreten. Für den gesamten ausgeschriebenen fünfjährigen Vertragszeitraum (01.01.2006 bis 01.01.2011) ist daher vorliegend von einem Auftragswert von 350.000 EUR auszugehen.
Die Antragstellerin war im Zeitpunkt der Stellung des Nachprüfungsantrags auch antragsbefugt im Sinne des§ 107 Abs. 2 GWB, da sie als potenzielle Bewerberin ein Interesse am Auftrag hat. Sie hat zwar bislang kein eigenes Angebot abgegeben, machte jedoch die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend, indem sie darauf hingewiesen hat, dass sie sich an einer Angebotsabgabe gehindert sieht, weil die aus ihrer Sicht für eine Kalkulation maßgeblichen Versicherungssummen der zu versichernden Gebäude in den Verdingungsunterlagen nicht genannt werden. Damit habe die Auftraggeberin gegen ihre Pflicht gem. § 8 Nr.1 Abs. 2 VOL/A verstoßen, alle kalkulationsrelevanten Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat zumindest schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht erforderlicher Ergänzung der Verdingungsunterlagen in der Lage wäre, sich mit einem konkurrenzfähigen Angebot erfolgreich am Vergabeverfahren zu beteiligen. Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten der Auftraggeberin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten würde (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin diese Rügen nicht unmittelbar selbst, sondern über die von ihr bevollmächtigte Versicherungsmaklerfirma xxxxxxx, xxxxxxx, erhoben hat. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Die Versicherungsmaklerfirma xxxxxxx hatte mit Schreiben vom 20.05.2005 die Verdingungsunterlagen ursprünglich lediglich namens und in Vollmacht der xxxxxxx Versicherung angefordert. Mit Schreiben vom 28.06.2005 zeigte die Versicherungsmaklerfirma jedoch unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 20.05.2005 darüber hinaus auch die Vertretung der xxxxxxx und der xxxxxxx Versicherung (Antragstellerin) an. Die Auftraggeberin wurde darauf hingewiesen, dass sich die xxxxxxx und die xxxxxxx Versicherung (Antragstellerin) ggf. am Angebot der xxxxxxx Versicherung beteiligen werden. Eine zusätzliche Versendung der Unterlagen sei nicht erforderlich. Die von der Antragstellerin bevollmächtigte Versicherungsmaklerfirma erhielt die Verdingungsunterlagen am 07.07.2005 (Eingangsstempel). Bereits mit Schreiben vom 08.07.2005 rügte sie vermeintliche Mängel der Verdingungsunterlagen. Es sei den Versicherern nicht möglich, ein Angebot zu unterbreiten, weil für die Kalkulation des Angebotes für die Gebäude- und Inventarversicherung die Gebäudesummen eine unverzichtbare Grundlage seien. Dies gelte umso mehr, da für die Festlegung der Inhaltswerte ebenfalls in den Verdingungsunterlagen auf pauschale Prozentsätze bezogen auf Gebäudewerte verwiesen werde, die aber in den Verdingungsunterlagen eben nicht enthalten seien. Dies verstoße gegen die Vorgaben des § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A. Die Rüge ist auch der Antragstellerin zuzurechnen. Die Maklerfirma xxxxxxx hatte der Auftraggeberin mit Schreiben vom 28.06.2005 angezeigt, dass sich auch die Antragstellerin neben der xxxxxxx ggf. an einem Angebot der xxxxxxx Versicherung beteiligen wolle und der Auftraggeberin entsprechende Vollmachten vorgelegt. Der Auftraggeberin war somit bekannt, dass die Maklerfirma auch für die Antragstellerin tätig war und dass diese gemeinsam mit zwei weiteren von der Maklerfirma betreuten Versicherungen am streitbefangenen Auftrag Interesse hatte. Die Rüge, die nur einen Tag nach Erhalt der Verdingungsunterlagen von der bevollmächtigten Versicherungsmaklerfirma abgesetzt wurde, erfolgte unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.
Der ursprüngliche Nachprüfungsantrag war somit zulässig.
Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Fortsetzungsfeststellungsantrags gem. § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB ist weiterhin, dass sich das Nachprüfungsverfahren vor der Entscheidung der Vergabekammer erledigt hat. Dies ist vorliegend der Fall. § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB spricht von einer Erledigung durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder durch Einstellung des Vergabeverfahrens oder von einer Erledigung in sonstiger Weise. Eine Erledigung in sonstiger Weise liegt - ebenso wie bei den gesetzlich ausdrücklich genannten Fällen - dann vor, wenn das Nachprüfungsverfahren gegenstandslos wird. Dies kommt vor allem bei einer Nachbesserung des Vergabeverfahrens durch die Vergabestelle vor Abschluss des Nachprüfungsverfahrens in Betracht, durch die dem Antragsteller seine Beschwer genommen wird (vgl. Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB, Rdnr. 50, m.w.N.). Die Auftraggeberin hat mit Schriftsatz vom 21.12.2005 auf die Anfrage der Vergabekammer vom 20.12.2005 und im Hinblick auf die Entscheidung des OLG Celle vom 15.12.2005, Az.: 13 Verg 14/05, erklärt, dass sie dem Nachprüfungsantrag selbst abhelfen und den Bietern die erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen will. Daraufhin hat auch die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 23.12.2005 erklärt, dass sich das Verfahren damit in sonstiger Weise gem. § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB erledigt habe. Gleichzeitig hat sie nunmehr beantragt, festzustellen, dass die Antragstellerin insoweit in ihren Rechten verletzt gewesen ist, als in dem streitgegenständlichen Nachprüfungsverfahren rechtswidrigerweise die Versicherungssummen nicht genannt wurden und im Übrigen ihren Kostenantrag aus dem Nachprüfungsantrag vom 10.08.2005 sowie den Antrag zur Notwendigkeit der Hinzuziehung der anwaltlichen Bevollmächtigung aufrechterhalten. Mit diesem Antrag hat sie das ursprüngliche Nachprüfungsverfahren auf ein Fortsetzungsfeststellungsverfahren umgestellt.
Der Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB setzt nach überwiegender Auffassung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein Feststellungsinteresse voraus (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse v. 14.02.2001, Az.: Verg 14/00, und vom 22.05.2002, Az.: Verg 6/02 = VergabeR 2002, S. 668; OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 06.02.2003, Az.: 11 Verg 3/02 = NZBau 2004, S. 174 [OLG Frankfurt am Main 20.02.2003 - 11 Verg 1/02]; Byok in: Byok/Jaeger, VergabeR, 2. Aufl., § 114, Rdnr. 1078; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, VergabeR, 2. Aufl., § 114 GWB, Rdnr. 58; Boesen, VergabeR, § 114 Rdnr. 73). Dieses Interesse ergibt sich für einen Antragsteller häufig aus der Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches, da die Entscheidung der Vergabekammer für einen solchen Sekundäranspruch gem. § 124 GWB ausdrücklich Bindungswirkung entfaltet. Ferner ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse immer dann in Betracht zu ziehen, wenn eine (konkrete) Wiederholungsgefahr in Bezug auf einen nach Auffassung des Antragstellers vor Erledigung begangenen Vergabeverstoß zu besorgen ist (vgl. Reidt, a.a.O., § 114 GWB, Rdnr. 58, m.w.N.). Für diese beiden Fallkonstellationen gibt es im vorliegenden Fall jedoch keine Anhaltspunkte. Insbesondere scheidet eine Wiederholungsgefahr aus, da die Auftraggeberin gegenüber der Vergabekammer ausdrücklich erklärt hat, dass sie den Bietern die fehlenden Informationen zu den Gebäudewerten nachreichen und der Beschwer der Antragstellerin abhelfen wird.
Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist jedoch nicht auf diese beiden Fallkonstellationen beschränkt. Vielmehr genügt darüber hinaus jedes nach Lage des Falles anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition des Antragstellers in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern (vgl. Byok, a.a.O., § 114 GWB, Rdnr. 78). Vorliegend ergibt sich das in diesem Sinne anzuerkennende wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin aus der Tatsache, dass die Antragstellerin durch die Erledigung des Nachprüfungsverfahrens auf Grund des Regelungsgehalts des § 128 GWB und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ihre eigenen Rechtsanwaltskosten selbst tragen müsste, wenn sie keinen Fortsetzungsfeststellungsbeschluss der Vergabekammer herbeiführt. Der BGH hat in seinem Beschluss vom 09.12.2003 (Az. X ZB 14/03) grundsätzlich entschieden, dass im Falle einer Verfahrensbeendigung ohne Entscheidung der Vergabekammer zur Sache der Antragsteller die für die Tätigkeit der Vergabekammer entstandenen Kosten zu tragen hat und eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligung nicht stattfinde. Auf die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags komme es für die Kostenentscheidung nicht an. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat die Kosten abweichend von
§ 128 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG der Beteiligte zu tragen, der im Verfahren unterliegt. Ein solcher Tatbestand liegt nach Auffassung des BGH im Falle der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens ohne Entscheidung der Vergabekammer aber nicht vor.
Ein Antragsteller kann diese für ihn negative Kostenfolge des § 128 GWB daher nur im Wege eines stattgebenden Fortsetzungsfeststellungsbeschlusses abwenden (vgl. auch OLG Celle, Beschluss v. 18.08.2005, Az.: 13 Verg 10/05).
Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist damit zulässig.
2.
Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist auch begründet. Das Versäumnis der Auftraggeberin, den Bietern mit den Verdingungsunterlagen in Ergänzung der zur Verfügung gestellten Objektliste auch die Werte der einzelnen zu versichernden Objekte mit der Angabe des Jahres der Feststellung der jeweiligen Werte zu Kalkulationszwecken mitzuteilen und die ursprüngliche Weigerung, diese entsprechenden Daten den Bietern im laufenden Vergabeverfahren nachzuliefern, war vergaberechtswidrig und verletzte die Antragstellerin in ihren Rechten. Wie die Vergabekammer in ihrer Entscheidung vom 07.09.2005 zum Parallelverfahren VgK-38/2005 festgestellt hat, verstößt ein derartiges Unterlassen gegen die Verpflichtung des Auftraggebers gem. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A, den Bietern eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen und alle spekulationsrelevanten Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben. Das OLG Celle hat diese Entscheidung der Vergabekammer mit Beschluss vom 15.12.2005 (Az.: 13 Verg 14/05) bestätigt und die Bedeutung der Werte der zu versichernden Objekte für die Bieter als wesentlichen Kalkulationsfaktor hervorgehoben. Danach darf es allenfalls dann dem Bieterüberlassen werden, sich notwendige Informationen über preisbeeinflussende Umstände zu verschaffen, wenn er sich diese Informationen mit verhältnismäßig geringem, jedenfalls geringerem Aufwand als der Auftraggeber besorgen kann und dies die Vergleichbarkeit der Angebote nicht gefährdet. Diese Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor, wenn sich die Bieter die Werte von einer Vielzahl von Objekten (im dortigen Fall 566) selbst feststellen müssten. In dem den Bietern bis zur Angebotsabgabe zur Verfügung stehenden Zeitraum (dort wie im vorliegenden Fall max. 3 Monate) sei dies ohnehin nicht zu bewerkstelligen. Der Arbeitsaufwand für die Hergabe der Werte sei andererseits für die Auftraggeber nicht so groß, dass es rechtfertigen könnte, den Bietern zu überlassen, sich die Informationen selbst zu beschaffen. Auch aus Gründen der Vergleichbarkeit der Angebote sei es unverzichtbar, dass die Auftraggeberin den Bietern die nachgefragten Werte zur Verfügung stellt.
Auf der Grundlage dieser zutreffenden Rechtsprechung im Parallelverfahren ist daher auch im vorliegenden Fall festzustellen, dass die ursprüngliche Vorenthaltung der Gebäudewerte gegen die Pflicht der Auftraggeberin aus § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A verstoßen hat und die Bieter und damit auch die Antragstellerin in ihren Rechten im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB verletzt hat.
III.
Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art.7 Nr. 5 des 9. Euro- Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, sodass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR bzw. in Ausnahmefällen 50.000 EUR beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.586 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert für den streitbefangenen Gesamtauftrag beträgt 350.000 EUR. Zwar liegen im gegenwärtigen Stadium der Ausschreibung weder Angebotssummen vor noch enthalten die Vergabebekanntmachung, die Verdingungsunterlagen oder die Vergabeakte Angaben zu einer Kostenschätzung der Auftraggeberin. Dieser Betrag entspricht aber den von der Antragstellerin in ihrem Antragsschriftsatz vom 10.08.2005 unter B I. 1 (Seite 5) geschätzten voraussichtlichen Kosten für eine Versicherungsprämie für die 174 zu versichernden Objekte über die gesamte ausgeschriebene Vertragslaufzeit (70.000 EUR p. a. X 5 Jahre) und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 350.000 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.586 EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 2 des Tenors getroffene Kostenregelung folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Fortsetzungsfeststellungsantrag der Antragstellerin begründet ist.
Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung der Gebühr gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG von der Kostentragungspflicht befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).
Die Auftraggeberin hat aber der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten und damit die Anwaltskosten zu erstatten. Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.
IV.
[...]
Schulte
Brinkmann