Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 22.03.2006, Az.: VgK-05/2006

Überprüfung der Nebenangebote der Bieter auf ihre Gleichwertigkeit zur ausgeschriebenen Hauptleistung und Berücksichtigung dieser bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots ; Interesse am Auftrag und Geltendmachung einer Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften als Voraussetzung für das Rechtschutzbedürfnis ; Verstoß von Nebenbedingungen gegen die Bewerbungsbedingungen; Verpflichtung, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich zu rügen; Anforderungen an die "positive Kenntins" i. S.d. § 107 Abs. 3 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB); Verstoß gegen das Vergaberechtliche Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 GWB; Möglichkeit von den Bietern abgegebene Nebenangebote auf ihre Gleichwertigkeit zu der mit dem Leistungsverzeichnis ausgeschriebenen Hauptleistung zu überprüfen und im Falle eines positiven Prüfungsergebnisses bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots zu berücksichtigen ; Subjektives Recht auf ausreichende Dokumentation des Vergabeverfahrens und insbesondere der wesentlichen Entscheidungen im Vergabeverfahren gemäß § 97 Abs. 7 GWB; Fertigung eines die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellungen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthaltenden Vermerks über die Vergabe; Pflicht des Auftraggebers, die Auswahlentscheidung als wesentliche Entscheidung in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren, um für den Bewerber die erforderliche Überprüfbarkeit zu gewährleisten ; Fehlende Dokumentation der Durchführung einer Prüfung der Gleichwertigkeit der Nebenangebote in einer Vergabeempfehlung und einem Vergabevermerk; Pflicht des öffentlichen Auftraggebers zur Auswahl desjenigen Anbieters, der den niedrigsten Preis anbietet, oder desjenigen Anbieters, der das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben hat; Nichtberücksichtigung von Nebenangeboten mit der Begründung, es handle sich um bedingte Angebote, die von Festlegungen des Planfeststellungsbeschlusses abweichen; Beurteilung des Erfordernisses von Mindestanforderungen für die Wertung von Nebenangeboten in der Rechtsprechung; Festlegung von Mindestbedingungen in Form eines "Schattenleistungsverzeichnisses" für Nebenangebote

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
22.03.2006
Aktenzeichen
VgK-05/2006
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 13161
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstelle

  • IBR 2006, 346 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)

Verfahrensgegenstand

VOB-Vergabeverfahren

In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Dierks
auf die mündliche Verhandlung vom 16.03.2006
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die Auftraggeberin wird verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Beachtung der aus den Gründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und dabei insbesondere alle mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe bekannt gemachten Zuschlagskriterien bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes zu berücksichtigen und Prüfung und Wertung in einem den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Vergabevermerk zu dokumentieren.

    Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu 2/3, die Auftraggeberin zu 1/3 zu tragen. Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung des auf sie entfallenden Kostenanteils befreit.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 2.999 EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu 1/3 zu erstatten. Die Antragstellerin hat ihrerseits der Beigeladenen zu 1 die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu 2/3 zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war sowohl für die Antragstellerin als auch für die Beigeladene zu 1 notwendig.

Begründung

1

I.

Die Auftraggeberin hat mit EU-Vergabebekanntmachung den Gewässerausbau im Rahmen des Vergabeverfahrens Hochwasserschutz in der Region ..., 1. Planfeststellungsabschnitt von ... bis ..., im europaweiten Verfahren ausgeschrieben. Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass die zu erbringenden Leistungen nicht in Lose aufgeteilt werden. Nebenangebote und Alternativvorschläge sollten berücksichtigt werden.

2

Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit wurden die Bewerber darauf hingewiesen, dass Eignungsnachweise gemäß § 8 VOB/A vorzulegen seien. Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Angebot aufgrund des Preises, der Leistungsfähigkeit, der Fachkunde und der Zuverlässigkeit erteilt werden.

3

In der Aufforderung zur Angebotsabgabe waren als maßgebende Kriterien für die Angebotswertung gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A genannt: Preis, Betriebs- und Folgekosten, technischer Wert und Gestaltung. Als weitere Zuschlagskriterien waren genannt: unbefristete Vertragserfüllungsbürgschaft, gültige Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamtes, der Krankenkasse und der Berufsgenossenschaft. Ferner waren als Zuschlagskriterien genannt: Auszug aus dem Gewerbezentralregister und die Freistellungsbescheinigung zum Steuerabzug bei Bauleistungen.

4

Hinsichtlich Wertung von Nebenangeboten wurden die Bieter darauf hingewiesen, dass bei Nebenangeboten/Änderungsvorschlägen zusätzlich mindestens die technische Gleichwertigkeit mit der geforderten Leistung vorliegen müsse. Es wurde darauf hingewiesen, dass Nebenangebote mit Pauschalierungen für Leistungen im Erdbau nicht gewertet werden.

5

In den beigefügten Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau sind unter Ziffer 4 "Nebenangebote oder Änderungsvorschläge" nur die vorgedruckten allgemeinen Hinweise (formelle Anforderungen an Nebenangebote) enthalten:

"4.
Nebenangebote und Änderungsvorschläge

4.1
Nebenangebote oder Änderungsvorschläge müssen auf besonderer Anlage gemacht und als solche deutlich gekennzeichnet sein; deren Anzahl ist an der im Angebotsschreiben bezeichneten Stelle aufzuführen.

4.2
Der Bieter hat die in Nebenangeboten und Änderungsvorschlägen enthaltenen Leistungen eindeutig und erschöpfend zu beschreiben; die Gliederung des Leistungsverzeichnisses ist, soweit möglich, beizubehalten.

Nebenangebote oder Änderungsvorschläge müssen alle Leistungen umfassen, die zu einer einwandfreien Ausführung der Bauleistungen erforderlich sind.

Soweit der Bieter eine Leistung anbietet, deren Ausführung nicht in allgemein technischen Vertragsbedingungen oder in den Verdingungsunterlagen geregelt ist, hat er im Angebot entsprechende Angaben über Ausführung und Beschaffenheit dieser Leistung zu machen.

4.3
Nebenangebote oder Änderungsvorschläge, die in technischer Hinsicht von der Leistungsbeschreibung abweichen, sind auch ohne Abgabe eines Hauptangebotes zugelassen. Andere Nebenangebote oder Änderungsvorschläge sind nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zugelassen.

4.4
Nebenangebote oder Änderungsvorschläge sind, soweit sie Teilleistungen (Position) des Leistungsverzeichnisses beeinflussen (ändern, ersetzen, entfallen lassen, zusätzlich erfordern), nach Mengenansätzen und Einzelpreisen aufzugliedern (auch bei Vergütung durch Pauschalsummen).

4.5
Nebenangebote oder Änderungsvorschläge, die den Nummern 4.1 erster Halbsatz, 4.2, 4.3 und 4.4 nicht entsprechen, werden von der Wertung ausgeschlossen."

6

Darüber hinaus waren in den beigefügten Ergänzungen für den Straßen- und Brückenbau zu dem Punkt Nebenangebote oder Änderungsvorschläge weitere vorgedruckte Musteranforderungen bzgl. einer eventuell vom Bieter gewünschten weiteren Pauschalierung der Vergütung und über ausdrücklich erwünschte Nebenangebote oder Änderungsvorschläge über eine kostengünstigere oder umweltverträglichere Vermeidung, Wiederverwendung, Wiederverwertung oder Beseitigung von Abfällen gemäß Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz enthalten.

7

Weitere Mindestanforderungen an Nebenangebote sind in den Verdingungsunterlagen nicht enthalten.

8

Ein Hinweis auf die Einhaltung der Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses ist weder der EU-weiten Bekanntmachung, der Aufforderung zur Angebotsabgabe noch den Verdingungsunterlagen zu entnehmen. Es sind allerdings einzelne Planunterlagen des Planfeststellungsbeschlusses der Aufforderung zur Angebotsabgabe beigefügt.

9

Lediglich in der Baubeschreibung gemäß DIN 18299 ist auf Seite 6 unter Ziffer 0.1.9 "Besondere umweltrechtliche Vorschriften" im vierten Absatz festgelegt:

"Der AN hat den dem AG vorliegenden Planfeststellungsbeschluss, insbesondere die Schutzauflagen zu beachten. Der Planfeststellungsbeschluss basiert auf dem bauseitigen Entwurf. Sofern bei Sondervorschlägen davon und von dem ausgeschriebenen Bauverfahren abgewichen werden soll, hat der AN die entsprechende Genehmigung dafür einzuholen.

Bei Arbeiten an Gewässer hat der AN das Einbringen von Stoffen ins Gewässer über den dem Planfeststellungsbeschluss zu Grunde liegenden Umfang hinaus zu unterlassen."

10

Bei der Verdingungsverhandlung am 20.01.2006 ergab sich, dass zehn Bieter ein Angebot abgegeben hatten. Es wurde dabei von Seiten des Auftraggebers vermerkt, dass die Beigeladene zu 2 die ausgeschriebenen Leistungen für eine rechnerisch geprüfte Angebotssumme in Höhe von 1.689.737,40 EUR angeboten hatte. Ferner wurde vermerkt, dass sie 5 Nebenangebote abgegeben hat. Die Beigeladene zu 1 hatte die Leistungen für eine rechnerisch geprüfte Angebotssumme in Höhe von 1.649.801,14 EUR angeboten. Sie hatte dazu noch 4 Nebenangebote eingereicht. Die Antragstellerin hatte die ausgeschriebenen Leistungen für eine rechnerisch geprüfte Angebotssumme in Höhe von 1.674.509,90 EUR angeboten. Ferner wurde vermerkt, dass sie 1 Nebenangebot abgegeben hat und 2% Preisnachlass ohne Bedingungen gewährt.

11

Bei der Angebotsprüfung ergab sich, dass die Beigeladene zu 2 alle erforderlichen Formblätter ausgefüllt hatte.

12

Ferner wurde festgehalten, dass die Beigeladene zu 1 einen Auszug aus dem Gewerbezentralregister nicht abgegeben, ein selbst gefertigtes Blatt "EFB-Preis 1 b - Kalkulation über die Endsumme" eingereicht hatte und beabsichtigt, wesentliche Teile an Nachunternehmer zu vergeben.

13

Zum Angebot der Antragstellerin wurde vermerkt, dass sie das Formblatt "EFB-Preis 1a - Kalkulation mit vorbestimmten Zuschlägen" nicht ausgefüllt hatte. Eine Bewertung dieser Feststellung durch die Auftraggeberin ist der Vergabeakte nicht zu entnehmen.

14

Sodann befindet sich in der Vergabeakte ein Vergabevermerk des von der Auftraggeberin beauftragten Ingenieurbüros, in dem dieses zu den eingereichten Nebenangeboten der einzelnen Bieter Stellung nimmt. Zu den Nebenangeboten 1 und 3 der Beigeladenen zu 2 hält es wörtlich fest:

"Nebenangebot 1
(geänderte Trassenführung der Spülleitung) weicht von den Festlegungen der Verdingungsunterlagen ab. Es wird nicht gewertet, da es ein Nebenangebot mit Bedingungen darstellt.

Nebenangebot 3
(Flanschverbindung des Spülrohrs in neuer Trasse in Verbindung mit Nebenangebot 1) weicht von den Festlegungen der Verdingungsunterlagen ab. Es wird nicht gewertet, da es ein Nebenangebot mit Bedingungen darstellt."

15

Zu den Nebenangeboten der Beigeladenen zu 1 heißt es:

"Nebenangebot 1
(Unterfahrung des Fahrdamms Zubringer B 214 mit Stahlspülrohr) ist nicht gleichwertig. Es wird nicht gewertet.

Nebenangebot 2 (Unterfahrung des Fahrdamms Zubringer B 214 mit PE-Rohr) ist gleichwertig. Somit beträgt die Angebotssumme 1.624.349,12 EUR brutto.

Nebenangebot 3
(geänderte Holzpfahlwand) ist gleichwertig. Somit beträgt die Angebotssumme 1.617.932 EUR brutto.

Nebenangebot 4
(Einleitung des Rückspülwassers in die ...) weicht von den Festlegungen der Verdingungsunterlagen ab. Es wird nicht gewertet, da es ein Nebenangebot mit Bedingungen darstellt."

16

Zu dem Nebenangebot der Antragstellerin stellt das Ingenieurbüro fest:

"Nebenangebot 1
(Bodentransport auf Lkw) weicht von den Festlegungen der Verdingungsunterlagen ab. Es wird nicht gewertet, da es ein Nebenangebot mit Bedingungen darstellt."

17

Ob die von den Bietern in der Pos. 02.01.0011 angebotenen Materialien für die behelfsmäßige Baustraße den Vorgaben der Auftraggeberin entsprechen, ist dem Vergabevermerk ebenso wenig zu entnehmen wie die von den Bietern in der Pos. 02.05.0008 genannten Vortriebsverfahren für das Unterfahren des Zubringers B 214 mit Schutzrohr.

18

Das Ingenieurbüro hält lediglich fest, dass drei preislich beieinander liegende Angebote in die engere Wahl kommen. Die Antragstellerin gehört mit ihrem Hauptangebot dazu. Das beauftragte Ingenieurbüro vertritt die Auffassung, dass diese Bieter selbst, über eine Bietergemeinschaft oder ihre Nachunternehmer die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit aufweisen und über ausreichend technische und wirtschaftliche Mittel verfügen. Es schlägt vor, mit der Beigeladenen zu 1 ein Aufklärungsgespräch zu führen, in dem die Auskömmlichkeit zu erklären ist, und den Zuschlag auf das Angebot des preisgünstigsten Bieters, der Beigeladenen zu 1 zu erteilen.

19

Dem Protokoll über das Aufklärungsgespräch ist u.a. zu entnehmen, dass die Beigeladene zu 1 einen Bauzeitenplan und ihre Urkalkulation vorgelegt hat. Ferner wurde festgehalten, dass das Nachtragsangebot 4 (gemeint ist offenbar das Nebenangebot 4) ebenfalls mit beauftragt werden soll. Dieses erfordere eine Abstimmung mit NLWKN, UWB und WSA. Die Pos. 02.05.0008 bzw. Nebenangebot 2 würde sich entsprechend halbieren.

20

Nachdem das zuständige Rechungsprüfungsamt dem Vergabevorschlag zugestimmt hatte, informierte die Auftraggeberin mit Schreiben vom 14.02.2006 die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollten, dass ein wirtschaftlicheres Angebot vorläge. Ferner teilte sie der Antragstellerin mit, dass ihr Nebenangebot nicht gewertet werden konnte, da es sich um ein bedingtes Nebenangebot handelt. Die Auftraggeberin wies darauf hin, dass das Nebenangebot eine wesentliche Änderung der Ausschreibung gegenüber der Planfeststellung darstelle.

21

Mit Schreiben vom 21.02.2006, eingegangen bei der Auftraggeberin am 22.02.2006, rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Vergabe. Sie vertritt die Auffassung, dass sie das wirtschaftlichste Angebot unter Berücksichtigung des 2%igen Nachlasses unterbreitet habe. Soweit sich das Absageschreiben allein auf die Beauftragung eines oder mehrerer Nebenangebote der Beigeladenen zu 1 beziehe, rüge sie die Wertung von Nebenangeboten als vergaberechtsfehlerhaft. Dieser Auffassung läge die Überlegung zu Grunde, dass die Ausschreibung keine Mindestbedingungen für Nebenangebote enthalte. Die Folge von fehlenden Nebenbedingungen sei zum Beispiel auch, dass ihr Nebenangebot nicht gewertet werden konnte, weil es angeblich von der Planfeststellung abweiche. Für sie war aber nicht ersichtlich, dass ein solches Nebenangebot nicht (mehr) zulässig sei.

22

Die in A Ziffer 4 der Bewerbungsbedingungen enthaltenen formellen Anforderungen an Nebenangebote oder Änderungsvorschläge würden keine Mindestbedingungen darstellen. Dies gelte auch für die unter B Ziffer 4 der Bewerbungsbedingungen enthaltenen Hinweise. Auch der Hinweis, dass Nebenangebote oder Änderungsvorschläge mindestens mit der geforderten Leistung gleichwertig sein müssen (vgl. Ziffer 9 der Aufforderung zur Angebotsabgabe), enthalte keine transparenten Mindestbedingungen für Nebenangebote.

23

Ergänzend weist sie darauf hin, dass die Auftraggeberin in Ziffer 4 der Bewerbungsbedingungen an die formelle Gestaltung von Nebenangeboten hohe Anforderungen stelle. Es stünde zu befürchten, dass die Nebenangebote der für den Zuschlag vorgesehenen Beigeladenen zu 1 diesen strengen Anforderungen nicht genügen.

24

Nachdem die Auftraggeberin erklärte, dass sie bei ihrem Ergebnis bleibe, beantragte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27.02.2006 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie begründet ihren Antrag im Wesentlichen unter der Argumentation des Rügeschreibens gegenüber der Auftraggeberin. Eine Besserbewertung des Angebotes der für den Zuschlag vorgesehenen Beigeladenen zu 1 bei den Zuschlagskriterien erschien ihr wegen der genauen Vorgaben des Amtsentwurfs unwahrscheinlich.

25

Sie weist darauf hin, dass ihr erst aufgrund der rechtlichen Beratung durch die Bevollmächtigten nach der Information gem. § 13 VgV bewusst geworden sei, dass Bewertungskriterien für die Nebenangebote fehlen. Danach habe sie dies unverzüglich gerügt. Ihr sei bis dato nicht bekannt gewesen, dass zwingende Voraussetzung für die Wertung von Nebenangeboten die Angabe von Mindestkriterien ist. Sie habe daher auch nicht die Nichtberücksichtigung ihres Nebenangebotes gerügt, sondern gehe vielmehr davon aus, dass sämtliche Nebenangebote nicht gewertet werden dürfen.

26

Ferner führt sie aus, dass der Baubeschreibung durch Auslegung zu entnehmen war, dass Sondervorschläge durchaus vom ausgeschriebenen, planfestgestellten Bauverfahren abweichen können. Insoweit mussten die Nebenangebote nicht den Planvorgaben entsprechen. Es fehle aber eine Angabe, in welchen Bereichen und in welchem Ausmaß abgewichen werden dürfe. Es sei daher für einen verständigen Bieter nicht erkennbar, welchen inhaltlichen Anforderungen ein Nebenangebot entsprechen müsse. Die in den Verdingungsunterlagen enthaltenen Vorgaben seien für den konkreten Beschaffungsvorgang viel zu unbestimmt, bezögen sich auf die Abgabe von Hauptangeboten und ließen keinen inhaltlichen Rahmen für zulässige Nebenangebote erkennen.

27

Sie weist nach Durchführung der eingeschränkten Akteneinsicht darauf hin, dass unabhängig von den vorstehenden Ausführungen das Angebot der Beigeladenen zu 1, der Firma ..., auszuschließen sei, da diese wesentliche Leistungen an einen Nachunternehmer vergeben und selbst nur noch weniger als 30% in Eigenleistung ausführen wolle. Diese Vorgehensweise ginge nicht konform mit der Ergänzung der Bewerbungsbedingungen zu Ziffer 6.

28

Ihrer Auffassung nach können die wettbewerbsentscheidenden Nebenangebote der Beigeladenen zu 1 den strengen formalen Anforderungen, die an die Wertbarkeit von Nebenangeboten gestellt werden, unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung bei der Angebotsabgabe nicht genügen. Sie genügten auch nicht den Anforderungen der Rechtsprechung, da wichtige Erläuterungen zur Prüfbarkeit der Gleichwertigkeit fehlen würden.

29

Ferner sei das Nebenangebot 2 der Beigeladenen zu 1 nicht wertbar, da die Einsparung nur durch einen Materialwechsel von einem Stahlrohr zu einem PE-Schutzrohr nachvollziehbar sei. Die Verlegung von nur einem Spülrohr aus Kunststoff sei nicht gleichwertig zur ausgeschriebenen Leistung.

30

Zum gewerteten Nebenangebot 3 der Beigeladenen zu 1 vertritt die Antragstellerin die Auffassung, dass das Nebenangebot nicht plausibel sei, da die Einsparung höher sei als ihr gesamter Materialanteil für diese Position. Auch würden jegliche Eingriffe in die Abmessungen der Holzpfahlwand der ausgeschriebenen Leistung nicht entsprechen. Zudem habe die Beigeladene zu 1 offenbar auch nicht die statische Gleichwertigkeit ihres Nebenangebotes nachgewiesen.

31

Zu den Nebenangeboten der Beigeladenen zu 2 führt sie aus, dass diese zu Recht nicht gewertet worden seien, da für die Änderung der Trassenführung der Spülleitung eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses sei und deshalb eine zeitnahe Genehmigung nicht in Aussicht gestellt werden könne.

32

Auch vertritt die Antragstellerin die Auffassung, dass die Auftraggeberin die bekannt gemachten Vergabekriterien nicht in ihre Wertung einbezogen hat. Zur Begründung ihrer Entscheidung habe die Auftraggeberin sich bei der Wertung nur auf den Preis beschränkt und nicht die anderen Kriterien berücksichtigt. Ferner läge auch ein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht vor, da aus dem Vergabevermerk weder die einzelnen Wertungsstufen noch die wesentlichen Feststellungen und Begründungen für die Entscheidung hervorgehen würden.

33

Die Antragstellerin beantragt,

  • der Antragsgegnerin wird untersagt, bei dem Vorhaben Hochwasserschutz in der Region ..., 1. Planfeststellungsabschnitt von ... bis ..., Teil 2: Gewässerausbau, den Zuschlag an die Fa. ... zu erteilen;
  • der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Wertung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen;
  • die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigen auf Seiten der Antragstellerin wird für erforderlich erklärt;

34

Die Auftraggeberin beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

35

Sie vertritt die Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig sei, da die Antragstellerin den Verstoß gegen Vergabevorschriften nicht rechtzeitig gerügt habe. Sie vermutet, dass die Antragstellerin von Anfang an die Mindestbedingungen für die Nebenangebote anfechten wollte, falls sie mit ihrem Angebot nicht zum Zuge käme.

36

Ferner sei der Nachprüfungsantrag auch unbegründet, da die Ausschreibung insbesondere die erforderlichen Mindestbedingungen für Nebenangebote enthalte. Auch habe sie gerade auch für Nebenangebote/Änderungsvorschläge die Kriterien "Preis, Betriebs- und Folgekosten, technischer Wert und Gestaltung" festgelegt. Zusätzlich sei auch das Kriterium "mindestens Gleichwertigkeit mit der geforderten Leistung" maßgebend. Schließlich habe sie auch darauf hingewiesen, dass Nebenangebote mit Pauschalierungen für Leistungen im Erdbau ausgeschlossen würden.

37

Die Beigeladene zu 1 beantragt,

  • den Nachprüfungsantrag kostenpflichtig zurückzuweisen;
  • auszusprechen, dass die Antragstellerin auch die Kosten der Beigeladenen zu 1) zu tragen hat und
  • die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Beigeladenen zu 1) für notwendig zu erklären.

38

Sie unterstützt den Vortrag der Auftraggeberin hinsichtlich der Unzulässigkeit bzw. Unbegründetheit des Nachprüfungsantrages.

39

Ferner weist sie darauf hin, dass die Antragstellerin nach ihrem eigenen Vortrag sehr wohl gewusst habe, dass die Ausschreibungsunterlagen hinsichtlich der Anforderungen an die Wertbarkeit von Nebenangeboten fehlerhaft seien. Dies hätte sie seinerzeit rügen müssen.

40

Soweit die Antragstellerin behaupte, dass sie, die Beigeladene zu 1 die Positionen 2.1.1 bis 2.13, 2.1.5 und 2.4.11 nicht selber ausführe, sei diese Behauptung unzutreffend. Ihr Eigenanteil an den zu erbringenden Leistungen würde bei über 41% liegen.

41

Die Beigeladene zu 2 hat keine Anträge gestellt.

42

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Vergabeakte, die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 16.03.2006 Bezug genommen.

43

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Die Auftraggeberin hat gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 GWB verstoßen. Der Vergabevermerk genügt nicht den Anforderungen an die Dokumentationspflichten des § 30 VOB/A. Es ist insbesondere aus der Vergabeakte nicht ersichtlich, ob und ggf. mit welchem Ergebnis die Auftraggeberin bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes außer dem Kriterium des niedrigsten Preises auch die übrigen gemäß § 25 a VOB/A mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe bekannt gemachten Zuschlagskriterien berücksichtigt hat. Nur in dieser Hinsicht ist die Antragstellerin in ihren Rechten gemäß §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Auftraggeberin ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin jedoch nicht gehindert, die Nebenangebote der Bieter auf ihre Gleichwertigkeit zur ausgeschriebenen Hauptleistung zu überprüfen und diese bei positivem Prüfungsergebnis bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots gemäß § 25 Abs. 3 und 5 VOB/A zu berücksichtigen. Die Vergabeunterlagen genügen den Anforderungen des für diese Ausschreibung noch geltenden Artikel 19 Abs. 1 der BKR (Richtlinie 93/37 EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Abl. L 199 v. 09.08.1993) an die Wertbarkeit von Nebenangeboten und damit auch der von der Antragstellerin zitierten Rechtsprechung des EuGH.

44

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

45

Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag im Sinne des § 1 VOB/A. Für Bauaufträge gilt gemäß § 2 Nr. 4 der Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 5 Mio. EUR. Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, gilt gemäß § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. EUR oder bei Losen unterhalb 1 Mio. EUR deren addierter Wert ab 20% des Gesamtwertes aller Lose. Die ausgeschriebene Leistung ist unstreitig Teil einer Gesamtbaumaßnahme mit einem geschätzten Auftragswert von mehr als 5 Mio. EUR netto. Bereits auf der Grundlage des von der Auftraggeberin als preisgünstigstes Angebot ermittelten Angebotes der Beigeladenen zu 1) beträgt der Wert der hier ausgeschriebenen Teilbaumaßnahme 1.617.932 EUR brutto.

46

Die Antragstellerin ist auch gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Sie trägt vor, dass in dem Vergabeverfahren Nebenangebote nicht hätten gewertet werden dürfen, weil es die Auftraggeberin unterlassen habe, Mindestbedingungen festzulegen; bei ausschließlicher Wertung der Hauptangebote habe sie selbst das wirtschaftlichste Angebot abgegeben, so dass das Angebot der Beigeladenen zu 1) ihrem Angebot nicht hätte vorgezogen werden dürfen; die Nebenangebote der Beigeladenen zu 1) verstießen darüber hinaus gegen die Bewerbungsbedingungen und seien daher auszuschließen; verschiedene Nebenangebote seien ferner dem Amtsentwurf nicht gleichwertig; die Vergabestelle habe darüber hinaus ihre eigenen Wertungskriterien nicht beachtet.

47

Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Aufl., § 107 GWB, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Nichtwertung aller Nebenangebote zumindest eine Chance für den Zuschlag hätte, denn die Vergabeverstöße würden, falls sie vorlägen, zu einer neuen Wertung aller Angebote führen. In diesem Fall erscheint es möglich, dass die Antragstellerin den Zuschlag erhielte. Der Antragsbefugnis der Antragstellerin steht auch nicht entgegen, dass sie ihrem Angebot vom 19.01.2006 lediglich das Formblatt EFB-Preis 1b ("Kalkulation über die Endsumme") ausgefüllt, das vom Auftraggeber mit den Vergabeunterlagen gleichfalls übersandte Formblatt EFB-Preis 1a ("Kalkulation mit vorbestimmten Zuschlägen") dagegen unausgefüllt beigefügt hat. Die Voraussetzungen für einen zwingenden Ausschluss des Angebots der Antragstellerin gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A, der u.U. einen Entfall der Antragsbefugnis zur Folge haben kann (vgl. Boesen/Upleger, Die Antragsbefugnis eines Antragstellers bei zwingendem Ausschlussgrund, NZBau 12/2005, S. 672 ff., S. 675, m.w.N.), liegen nicht vor. Zwar hat der BGH mit Beschluss vom 07.06.2005, Az.: X ZR 19/02 entschieden, dass die Nichtabgabe von geforderten Erklärungen nach den Formblättern EFB-Preis 1a, 1b und 2 zwingend zum Ausschluss eines Angebotes von der Wertung nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A führt. Zur Begründung hat der BGH darauf hingewiesen, dass der Ausschlusstatbestand nicht erst dann gegeben ist, wenn das betreffende Angebot wegen fehlender Erklärungen im Ergebnis nicht mit den anderen abgegebenen Angeboten verglichen werden kann. Denn ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Verfahren ist nur zu erreichen, wenn lediglich in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden. Dies erfordere, so der BGH, dass hinsichtlich jeder Position der Leistungsbeschreibung alle zur Kennzeichnung der insoweit angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet und ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert war, so dass sie als Umstände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen (vgl. auch BGH, Beschluss v. 18.05.2004 - X ZB 7/04 = NJW-RR 2004, S. 1570). Für Angebote, die in den Ausschreibungsunterlagen geforderte Erklärungen zu den Formblättern EFB-Preis 1a, 1b und 2 nicht enthalten, gilt danach nichts anderes. Werden in den Ausschreibungsunterlagen Erklärungen nach diesen Formblättern gefordert, dann sind diese Erklärungen als Umstände ausgewiesen, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen, so dass die Nichtabgabe dieser Erklärungen mit dem Angebot zwingend zum Ausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A führt.

48

Der dem Beschluss des BGH vom 07.06.2005 zu Grunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem hier zu entscheidenden Fall jedoch dadurch, dass im dortigen Fall der Bieter keines der drei abgeforderten Formblätter (EFB-Preis 1a, 1b und 2) seinem Angebot beigefügt hatte, so dass die Auftraggeberin nicht in der Lage war, die Kalkulation des Bieters anhand des Angebotes überhaupt nachzuvollziehen. Ähnlich lag der Sachverhalt in einer Entscheidung der Vergabekammer Thüringen (Beschluss v. 07.02.2006, Az. 360-4002.20-063/05-EF-S, zitiert nach VERIS). Dort hatte der Bieter das EFB-Preisblatt 1a nur in seinen Ziffern 1 und 2 ausgefüllt. Zu Ziffer 3 "Ermittlung der Angebotssumme" hatte er gar keine Angaben gemacht. Bei dem - nach dem Wortlaut der dortigen Ausschreibungsunterlagen - ausdrücklich alternativ auszufüllenden EFB-Preisblatt 1b fehlte es, mit Ausnahme der Angabe des Bieters, an jeglicher Erklärung. Auch dort war somit die Kalkulation anhand des Angebotes für den Auftraggeber nicht nachvollziehbar, so dass die Vergabekammer Thüringen ebenfalls entschieden hat, dass das dortige Angebot zwingend auszuschließen ist.

49

Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin dagegen zwar das EFB-Preisblatt 1a unausgefüllt beigefügt. Vollständig ausgefüllt beigefügt hatte sie jedoch das EFB-Preisblatt 1b (Angaben zur Kalkulation über die Endsumme). Zur Begründung hat die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren schriftsätzlich und auch in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass sie aus den Vergabeunterlagen den Schluss gezogen hatte, dass sie die vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten EFB-Preisblätter alternativ ausfüllen musste. Der Auftraggeber hat diese Auffassung der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt. Die Vergabekammer teilt diese Auffassung. Sie findet ihre Grundlage in den den Ausschreibungsunterlagen beigefügten Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau - Ausgabe September 2002. Dort heißt es unter A Ziffer 3.5:

"Wenn den Verdingungsunterlagen Formblätter zur Preisaufgliederung beigefügt sind, hat der Bieter die seiner Kalkulationsmethode entsprechenden Formblätter ausgefüllt mit seinem Angebot abzugeben. Die Nichtabgabe der ausgefüllten Formblätter kann dazu führen, dass das Angebot nicht berücksichtigt wird."

50

Diese Formulierung konnte aus dem Bieterhorizont nur so verstanden werden, dass die Auftraggeberin je nach gewählter Kalkulationsmethode des Bieters entweder Angaben zur Kalkulation mit vorbestimmten Zuschlägen (dann: Vordruck EFB-Preis 1a) oder eben, wozu sich die Antragstellerin entschieden hatte, Angaben zur Kalkulation über die Endsumme (dann: Formblatt EFB-Preis 1b) verlangte. Dem steht nicht entgegen, dass die Beigeladene zu 1 und die Beigeladene zu 2 sich die Mühe gemacht haben, ein Übriges zu tun und die Kalkulation ihres Angebotes sowohl unter Verwendung des Preisblattes EFB 1a als auch unter Verwendung des Preisblattes EFB 1b darzulegen. Zutreffend geht auch das OLG Düsseldorf (vgl. Beschluss v. 09.02.2006, Az.: VII-Verg 4/06) davon aus, dass die beiden Preisblätter 1a und 1b unterschiedliche Kalkulationsmethoden zum Gegenstand haben und deshalb alternativ auszufüllen sind. Endgültig entschieden hat das OLG die Frage im dortigen Beschluss allerdings nicht, weil es dort maßgeblich auf das nicht ordnungsgemäß ausgefüllte Preisblatt 1c ("Angaben zur Kalkulation mit vorbestimmten Zuschlägen bei Leistungen des Ausbaugewerbes") ankam. Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass sich das von ihm zugestandene Alternativverhältnis zwischen den EFB-Preisblättern 1a und 1b keinesfalls jedoch auf das Preisblatt 1c erstreckt. Nach der Rechtsprechung des OLG Schleswig (vgl. Beschluss v. 10.03.2006, Az.: 1 (6) Verg 13/05, zitiert nach ibr-online) kann sich die Anwendung des § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A und § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A nicht darin erschöpfen, eine schematische "Vollständigkeitskontrolle" der Bietererklärungen vorzunehmen. Ob eine "geforderte Erklärung" so, wie sie von der Vergabestelle für einen transparenten und dem Gleichbehandlungsgebot entsprechenden Angebotsvergleich benötigt wird, abgegeben worden ist, sei vielmehr inhaltlich danach zu prüfen, ob die Vergabestelle sich über die Erfüllung der maßgeblichen Kriterien der Vergabeentscheidung hinreichende Gewissheit verschaffen kann. Auch die Zugrundelegung dieser Rechtsprechung führt im Ergebnis dazu, dass das Angebot der Antragstellerin nicht als unvollständig auszuschließen ist, da die Auftraggeberin ausweislich der den Verdingungsunterlagen beigefügten Bewerbungsbedingungen nur die Vorlage des ausgefüllten Formblattes verlangte, das der vom Bieter gewählten Kalkulationsmethode entsprach.

51

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Vergabeverstoßes.

52

Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs hatte die Vergabekammer zu prüfen, ob die Antragstellerin hinsichtlich ihres in diesem Nachprüfungsverfahren hauptsächlich verfolgten Vortrags, die Auftraggeberin sei mangels Definition und Bekanntmachung ausreichender Mindestbedingungen überhaupt gehindert, Nebenangebote im streitbefangenen Vergabeverfahren zu berücksichtigen, präkludiert ist, zumal sie ihrerseits auch ein Nebenangebot abgegeben hat. Zumindest die Tatsache selbst, dass die Verdingungsunterlagen über die besonderen formellen Anforderungen hinaus jedenfalls keine ausdrücklichen, gesonderten technischen Mindestanforderungen an Nebenangebote enthielten, war der Antragstellerin - wie allen anderen Bietern auch - spätestens bei der Kalkulation ihres Angebotes und ihres Nebenangebotes bewusst. In der Rechtsprechung wird daher zum Teil die Auffassung vertreten, dass fehlende Mindestbedingungen spätestens bei Angebotsabgabe erkennbar und zu rügen sind (vgl. OLG Schleswig, Beschluss v. 15.02.2005 - 6 Verg 6/04; VK Münster, Beschluss v. 10.02.2005 - VK 35/04). In anderen obergerichtlichen Entscheidungen wurde der Zeitpunkt der positiven Kenntnis von fehlenden Mindestbedingungen bisher nicht problematisiert, da der eigentliche Vergaberechtsverstoß - nämlich die Wertung und Bezuschlagung eines Nebenangebotes in wettbewerbsentscheidender Weise - sich erst bei der tatsächlichen Berücksichtigung von Nebenangeboten realisiert, was wiederum erst aufgrund der Bieterinformation erkennbar ist (vgl. Ebert, Nebenangebote im Wettbewerb, VergabeNews 6/2005, S. 52 ff., 55).

53

Im vorliegenden Fall kann zumindest der Vortrag der Antragstellerin, sie habe das Fehlen ausreichender, technischer Mindestbedingungen für die Wertbarkeit von Nebenangeboten erst nach anwaltlicher Beratung und nach Erhalt des Informationsschreibens der Auftraggeberin gemäß § 13 VgV als vergaberechtswidrig erkannt, nicht widerlegt werden. Ein Bieter muss im Grundsatz jedoch nur solche Vergabeverstöße unverzüglich rügen, die ihm als Rechtsverstoß auch bewusst werden (vgl. Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, Mannheim 2004, Rdnr. 1125). Dazu muss er zumindest den Schluss gezogen haben, dass in der erkannten Tatsache ein Rechtsverstoß liegen kann. Dafür, dass die Antragstellerin den erforderlichen Schluss seinerzeit nicht gezogen hat, spricht, dass sie selbst ein Nebenangebot abgegeben hat. Ihre am 21.02.2006 abgesetzte Rüge erfolgte daher angesichts der Tatsache, dass sie das Informationsschreiben der Auftraggeberin nach § 13 VgV vom 14.02.2006 erst am 17.02.2006 (Eingangsstempel der Antragstellerin) erhalten hat, und angesichts der Tatsache, dass sie vor Absetzung der Rüge eine Rechtsanwältin konsultierte, unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 1 Satz 1 GWB.

54

Hinsichtlich der anderen von der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren behaupteten Vergabeverstöße, insbesondere hinsichtlich der Pflicht zur Berücksichtigung sämtlicher nach § 25 a VOB/A bekannt gemachten Zuschlagskriterien und die Dokumentationspflichten des § 30 VOB/A war eine Rüge gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nicht erforderlich, da die Antragstellerin von diesen Verstößen erst im Rahmen der Akteneinsicht Kenntnis erlangen konnte.

55

2.

Der Nachprüfungsantrag ist aber nur zum Teil begründet. Die Auftraggeberin hat gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 GWB verstoßen. Der Vergabevermerk genügt nicht den Anforderungen an die Dokumentationspflichten des § 30 VOB/A. Es ist insbesondere aus der Vergabeakte nicht ersichtlich, ob und ggf. mit welchem Ergebnis die Auftraggeberin bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes außer dem Kriterium des niedrigsten Preises auch die übrigen gemäß § 25 a VOB/A mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe bekannt gemachten Zuschlagskriterien berücksichtigt hat (im Folgenden a). Nur in dieser Hinsicht ist die Antragstellerin ist in ihren Rechten gemäß §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Auftraggeberin war und ist aber entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht gehindert, die von den Bietern abgegebenen Nebenangebote auf ihre Gleichwertigkeit zu der mit dem Leistungsverzeichnis ausgeschriebenen Hauptleistung zu überprüfen und im Falle eines positiven Prüfungsergebnisses bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots zu berücksichtigen (im Folgenden b). Auch im Übrigen ist die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt. Die Auftraggeberin hat insbesondere keine Veranlassung, das Angebot der Beigeladenen zu 1 wegen eines zu hohen Nachunternehmeranteils von der Wertung auszuschließen. Der Eigenanteil der Beigeladenen zu 1 an den Teilleistungen erreicht ausweislich ihres Angebots die von der Auftraggeberin gemäß den Ergänzungen der Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau geforderten 30% (im Folgenden c).

56

a)

Die Auftraggeberin hat es entgegen § 30 VOB/A versäumt, wichtige Verfahrensschritte zu dokumentieren, so dass die Angebotswertung - gemessen an den Vorgaben des Transparenzgebotes gemäß § 97 Abs. 1 GWB - nicht hinreichend nachvollziehbar ist. Es ist nicht dokumentiert, ob und ggf. mit welchem Ergebnis bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes außer dem Kriterium des "niedrigsten Angebotspreises" auch die übrigen vom Auftraggeber in der Aufforderung zur Angebotsabgabe genannten Zuschlagskriterien (Betriebs- und Folgekosten, technischer Wert und Gestaltung) berücksichtigt wurden. Die an einem Vergabeverfahren beteiligten Bieter haben gemäß § 97 Abs. 7 GWB ein subjektives Recht auf ausreichende Dokumentation des Vergabeverfahrens und insbesondere der wesentlichen Entscheidungen im Vergabeverfahren (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss v. 03.08.1999, NZBau 2000, S. 44 ff. [OLG Brandenburg 03.08.1999 - 6 Verg 1/99]).

57

Gemäß § 30 VOB/A ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellungen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält. Sinn dieser Bestimmung ist es, die Überprüfbarkeit der im Rahmen des Vergabeverfahrens getroffenen Feststellungen und Entscheidungen herbeizuführen (vgl. Franke/Grünhagen, VOB, A § 30, Rdnr. 1, m.w.N.). Der Anwendungsbereich des § 30 Nr. 1 VOB/A erstreckt sich dabei sowohl auf den formalen Verfahrensablauf als auch materiell auf die Maßnahmen, Feststellungen und die Begründung der einzelnen Entscheidungen. Der Vergabevermerk ist chronologisch zu fassen und muss sich dabei an der in der VOB vorgeschriebenen Reihenfolge orientieren (vgl. Beck'scher VOB-Kommentar, A § 30, Rdnr. 12). Zu den materiellen Dokumentationspunkten zählen insbesondere die Verfahrensphasen, bei denen die Vergabestelle eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, wie bei der Prüfung der Angebote, Angaben über Verhandlungen mit Bietern und deren Ergebnis sowie das Ergebnis der Wertung der Angebote (vgl. VK Sachsen, Beschluss v. 30.04.2001, Az.: 1/SVK/23-01; 1. VK des Bundes, Beschluss v. 11.10.2002, Az.: VK 1-75/02). Ebenso sind im Vergabevermerk die Gründe für die Erteilung des Zuschlags auf das betreffende Angebot anzugeben. Es ist eine nach § 30 Nr. 1 VOB/A zwingende Pflicht des Auftraggebers, die Auswahlentscheidung als wesentliche Entscheidung in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren, um für den Bewerber die erforderliche Überprüfbarkeit zu gewährleisten (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss v. 08.03.1999, a.a.O.). Eine fehlende Dokumentation wesentlicher Schritte bis zur Vergabeentscheidung ist daher rechtsfehlerhaft und führt zu einer Nichtnachvollziehbarkeit der getroffenen Entscheidung. Daraus folgt, dass im Vermerk die Gründe so dezidiert festzuhalten sind, dass auch einem Außenstehenden bei Kenntnis der Angebotsinhalte deutlich erkennbar und nachvollziehbar wird, warum gerade auf das betreffende Angebot der Zuschlag erteilt werden soll. Mängel der Erkennbarkeit und der Nachvollziehbarkeit in diesem Bereich gehen daher zu Lasten der Vergabestelle. Zwar hat das von der Auftraggeberin beauftragte Ingenieurbüro die Angebote geprüft und auf der Grundlage dieser Prüfung mit Datum vom 09.02.2006 einen Vergabevorschlag gefertigt, der sich kurz (je zwei bis maximal drei Zeilen) mit jedem einzelnen Angebot und Nebenangebot auseinandersetzt. Nur drei von ihr in die engere Wahl genommene Angebote (darunter das Angebot der Beigeladenen zu 1 unter Berücksichtigung ihrer Nebenangebote 2 und 3 und das Hauptangebot der Antragstellerin) wurden näher betrachtet. Der Vergabevorschlag schließt mit der Empfehlung, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 mit einem Bruttoangebotspreis von 1.617.932 EUR zu erteilen und dabei möglichst auch die Beauftragung des Nebenangebotes 4 der Beigeladenen zu 1 in Erwägung zu ziehen. Dieser Empfehlung schloss sich der bei der Auftraggeberin zuständige Fachbereich 6 mit einem kurzen (eine Seite) Vergabevermerk vom 14.02.2006 an. Die Vergabeempfehlung und der Vergabevermerk dokumentieren die Durchführung einer Vollständigkeitsprüfung sowie eine sehr kurze Begründung, soweit Angebote oder Nebenangebote von der Wertung ausgeschlossen werden. Die Durchführung einer Prüfung der Gleichwertigkeit der Nebenangebote wird damit nicht dokumentiert. Darüber hinaus ist der Vermerk hinsichtlich der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes auch nur ausreichend, um die Wertung anhand des Zuschlagskriteriums "Preis" zu dokumentieren. In keiner Weise dokumentiert ist dagegen, ob, in welcher Weise und ggf. mit welchem Ergebnis die übrigen gemäß § 25a VOB/A bekannt gemachten Zuschlagskriterien bei der Angebotswertung berücksichtigt wurden. In der Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 07.12.2006 hatte sich die Auftraggeberin unter Ziffer 9 wie folgt festgelegt:

"Maßgebende Kriterien für die Angebotswertung gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A: Preis, Betriebs- und Folgekosten, technischer Wert, Gestaltung"

58

Gemäß § 25 a VOB/A dürfen bei der Wertung der Angebote nur Kriterien berücksichtigt werden, die mit der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen genannt sind. Gemäß § 97 Abs. 5 GWB und § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A ist der Zuschlag auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A ist der niedrigste Angebotspreis allein nicht entscheidend. Die einschlägigen Auftragsrichtlinien der EU legen übereinstimmend fest, dass für die Auftragsvergabe grundsätzlich zwei Kriterien maßgebend sein dürfen. Der öffentliche Auftraggeber darf entweder den Anbieter auswählen, der den niedrigsten Preis anbietet, oder denjenigen Anbieter, der das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben hat (vgl. Artikel 36 der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie RL 92/50 EWG, ABl. EG Nr. L 209/1; Artikel 34 der Baukoordinierungsrichtlinie RL 93/37/EWG, ABl. EG Nr. L 199/54; Artikel 26 der Lieferkoordinierungsrichtlinie RL 93/36 EWG, ABl. EG Nr. L 199/1).

59

Der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 97 Abs. 5 GWB jedoch zulässigerweise ausdrücklich dafür entschieden, dem Kriterium "wirtschaftlichstes Angebot" den Vorzug vor dem ebenfalls zulässigen Kriterium "niedrigster Preis" zu geben. Das deutsche Recht schließt damit nicht aus, dass die preisliche Beurteilung des Angebotes im Rahmen der Prüfung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes eine maßgebliche Rolle spielt. Der Preis ist nach dem deutschen Vergaberecht vielmehr regelmäßig das wichtigste, aber eben nicht das allein entscheidende Kriterium (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 97, Rdnr. 144). Der Auftraggeber ist in der Angebotswertung an die von ihm bekannt gemachten Zuschlagskriterien gemäß § 97 Abs. 5 GWB, § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A und § 25a VOB/A gebunden. Nur in den Fällen, in denen der öffentliche Auftraggeber die Zuschlagskriterien nicht bekannt gemacht hat oder ausdrücklich nur das Kriterium "Preis" benannt hat, kann und darf ausschließlich der niedrigste Preis als Zuschlagskriterium bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes zu Grunde gelegt werden (vgl. OLG Schleswig, VergabeR 2001, S. 214 ff.; Kulartz in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, VergabeR, § 97 GWB, Rdnr. 209; Noch in: Müller-Wrede, VOL/A, § 25, Rdnr. 139; Kulartz in: Daub-Eberstein, VOL/A, 5. Aufl., § 25, Rdnr. 43, m.w.N.; Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10.Aufl., § 25a VOB/A, Rdnr. 3).

60

Da sich der in der Vergabeakte enthaltene Vergabevermerk lediglich auf die Dokumentation von Unvollständigkeiten einiger Angebote, der Feststellung der Wertbarkeit oder des Ausschlusses von Angeboten und Nebenangeboten sowie eine Preisgegenüberstellung beschränkt, ist eine Überprüfung der Angebote anhand der übrigen Zuschlagskriterien bislang überhaupt nicht dokumentiert. Es ist vielmehr im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass sie auch von dem beauftragten Ingenieurbüro bislang nicht berücksichtigt wurden. Die Auftraggeberin ist daher gehalten, die Auseinandersetzung mit den übrigen Zuschlagskriterien im Rahmen einer erneuten Wertung nachzuholen und Wertung und Ergebnis in einem Vergabevermerk in der Vergabeakte zu dokumentieren. Gleiches gilt auch für die Prüfung der Gleichwertigkeit der eingereichten Nebenangebote. Eine Nichtberücksichtigung von Nebenangeboten mit der Begründung, es handle sich um bedingte Angebote, die von Festlegungen des Planfeststellungsbeschlusses abweichen, genügt, wie oben unter 2 a dargelegt, den Anforderungen des § 25 Nr. 4 Satz 1 VOB/A und den Transparenzanforderungen des § 97 Abs. 1 GWB und des § 30 VOB/A nicht.

61

b)

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin steht einer Berücksichtigung der Nebenangebote im streitbefangenen Verfahren aber nicht entgegen, dass in den Verdingungsunterlagen keine gesonderten technischen Mindestanforderungen zur Wertung von Nebenangeboten aufgeführt waren. Soweit sich die Antragstellerin auf die fehlende Definition und Bekanntmachung von Mindestbedingungen beruft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Erfordernis von Mindestanforderungen für die Wertung von Nebenangeboten in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt wird. Während das OLG Rostock in seinem Beschluss vom 24.11.2004, Az.: Verg 6/04, und das BayObLG in seinem Beschluss vom 22.06.2004, Az.: Verg 13/04, unter Berufung auf das Urteil des EuGH vom 16.10.2003 in der Rs. C-421-01 - "Traunfellner" (= VergabeR 2004, S. 50[EuGH 16.10.2003 - C 421/01]) entschieden hat, dass ein zugelassenes Nebenangebot dann nicht gewertet werden kann, wenn der Auftraggeber weder in der Vergabebekanntmachung noch in den Verdingungsunterlagen die Mindestanforderungen erläutert hat, welche die Nebenangebote erfüllen müssen, hat die VK Schleswig-Holstein in ihrem Beschluss vom 03.11.2004 (Az.: VK SH 28/04 = IBR 12/2004, S. 715) das Erfordernis von technischen Mindestbedingungen für die Wertung von Nebenangeboten verneint. Ausreichend sei vielmehr, wenn der Auftraggeber nach den Ausschreibungsunterlagen fordert, dass Nebenangebote auf einer besonderen Anlage kenntlich gemacht werden, deutlich gekennzeichnet sein und eine eindeutige und erschöpfende Beschreibung enthalten müssen. Ferner müsse das Nebenangebot so beschaffen sein, dass es der Auftraggeber bei Abgabe des Angebotes als gleichwertig beurteilen kann. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf (vgl. Beschluss v. 07.01.2005, Az.: Verg 106/04; Beschluss v. 27.04.05, Az.: Verg 23/05 = IBR 2005, S. 1208; Beschluss v. 30.11.05, Az.: Verg 65/05) und des OLG Schleswig (vgl. Beschluss v. 15.02.2005, Verg 6/04 = IBR 2005, S. 167 [OLG Schleswig 15.02.2005 - 6 Verg 6/04]; ebenso 2. VK Bund, Beschluss v. 25.04.2005, VK 2-21/05) ist die Festlegung von materiellen Mindestbedingungen für die Wertbarkeit von Nebenangeboten zwar notwendig. Es wird aber als ausreichend angesehen, dass sich solche Mindestbedingungen in der Leistungsbeschreibung finden. Für die Qualifikation als Mindestbedingung sei es nicht ausschlaggebend, ob sie formal als solche bezeichnet werde. Ausreichend sei es, dass ein fachkundiger Bieter erkennen kann, anhand welcher Maßstäbe sein Nebenangebot gemessen wird und anhand welcher Kriterien er die Gleichwertigkeit seines Nebenangebotes nachweisen muss. So soll es beispielsweise bei Bauleistungen genügen, dass in Bezug auf die einzelnen Leistungspositionen jeweils auf maßgebliche Baunormen Bezug genommen wird. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die VK Baden-Württemberg (vgl. Beschluss v. 11.05.2004, Az.: 1 VK 24/04 und Beschluss v. 18.10.2005, 1 VK 62/05). Nach dortiger Auffassung ist es ausreichend, dass sich die Mindestbedingungen, die an Nebenangebote zu stellen sind, durch Auslegung aus den Verdingungsunterlagen ermitteln lassen. Ausschlaggebend sind der Zweck der Ausschreibung und die Zielsetzungen, die in den im Leistungsverzeichnis gesetzten Vorgaben und Rahmenbedingungen zum Ausdruck kommen.

62

Die VK Lüneburg teilt nach wie vor die Auffassung der VK Schleswig-Holstein, dass sich aus dem Urteil des EuGH vom 16.10.2003 (VergabeR 2004, S. 50[EuGH 16.10.2003 - C 421/01] mit Anm. Opitz sowie Anm. Bultmann, ZfBR 2004, S. 88 [EuGH 16.10.2003 - C 421/01]) das vom BayObLG und vom OLG Rostock statuierte restriktive Erfordernis einer Definition und Bekanntmachung von gesonderten technischen Mindestanforderungen als zwingende Voraussetzung für die Wertung von Nebenangeboten nicht ableiten lässt. Weder Artikel 19 Abs. 1 der BKR (Richtlinie 93/37 EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Abl. L 199 v. 09.08.1993) noch Artikel 24 der seit 01.02.2006 unmittelbar geltenden VKR (Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, Abl. L 134 v. 30.04.2004) verlangen ausdrücklich über formelle Anforderungen an Nebenangebote hinaus die Festlegung auch besonderer technischer Mindestbedingungen. Auch der EuGH hat in seiner zitierten Entscheidung vom 16.10.2003 (Traunfellner) nicht darüber entschieden, welche positiven Anforderungen an die Mindestanforderung zu stellen sind. Er hat lediglich festgestellt, dass es nicht genügt, wenn die Vergabestelle auf eine nationale Rechtsvorschrift verweist, die als Kriterium aufstellt, dass mit dem Alternativvorschlag die Erbringung einer qualitativ gleichwertigen Leistung sichergestellt ist. Die durch Artikel 19 Abs. 1 und Abs. 2 BKR und Artikel 24 Abs. 4 VKR geforderten Mindestanforderungen sollen lediglich gewährleisten, dass sich die Bieter über den Rahmen klar sind, in dem sie von den Festlegungen für das Hauptangebot abweichen dürfen und mit einer Akzeptanz ihrer Nebenangebote rechnen können. Dazu bedarf es grundsätzlich keiner Festlegung von Mindestbedingungen in Form eines "Schattenleistungsverzeichnisses" für Nebenangebote. Denn Sinn der Nebenangebote ist es gerade, dem Auftraggeber die Kenntnis von alternativen, von ihm möglicherweise gar nicht bedachten Ausführungsmöglichkeiten zu vermitteln (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 21.08.2003, Az.: 13 Verg 13/03). Der Bieter wiederum soll von dieser Kreativität seinerseits profitieren, indem sich seine Chancen auf den Zuschlag durch eine - am Hauptangebot gemessen - wirtschaftlichere Lösung erhöhen. Dieser vom Vergaberecht gewünschten Kreativität stünde ein pauschaler Zwang zu einem Geflecht von technischen Mindestbedingungen entgegen, zumal der Auftraggeber bei Abfassung der Verdingungsunterlagen gar nicht ermessen kann, welche Art von Varianten ihm im Rahmen von Nebenangeboten unterbreitet werden. Die Vergabekammer vertritt daher die Auffassung, dass eine transparente und den Anforderungen des Gleichheitsgrundsatzes genügende Wertung technischer Nebenangebote bereits dadurch gewährleistet wird, dass der Auftraggeber verpflichtet ist, in den Verdingungsunterlagen gemäß § 9 Abs. 1 VOB/A die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben und gemäß § 9 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A alle für eine einwandfreie Preisermittlung relevanten Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben hat. Die damit zwingend vorgegebene Bekanntmachung und Definition von Eckpunkten des Auftragsgegenstandes bietet bereits eine hinreichende Grundlage für die Wertung von Nebenangeboten, zumal der Bieter nach inzwischen einheitlicher Rechtsprechung verpflichtet ist, die Gleichwertigkeit seiner Nebenangebote nachzuweisen.

63

Die Vergabeunterlagen enthalten im vorliegenden Fall mit den beigefügten Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau unter Ziffer 4 "Nebenangebote oder Änderungsvorschläge" in erster Linie nur formelle Mindestanforderungen an Nebenangebote. So müssen Nebenangebote oder Änderungsvorschläge auf besonderer Anlage gemacht und als solche deutlich gekennzeichnet sein. Ihre Anzahl ist an der im Angebotsschreiben bezeichneten Stelle aufzuführen (Ziffer 4.1). Der Bieter hat die in Nebenangeboten und Änderungsvorschlägen enthaltenen Leistungen eindeutig und erschöpfend zu beschreiben; die Gliederung des Leistungsverzeichnisses ist, soweit möglich, beizubehalten. Nebenangebote oder Änderungsvorschläge müssen alle Leistungen umfassen, die zu einer einwandfreien Ausführung der Bauleistung erforderlich sind. Soweit der Bieter eine Leistung anbietet, deren Ausführung nicht in allgemeinen technischen Vertragsbedingungen oder in den Verdingungsunterlagen geregelt ist, hat er im Angebot entsprechende Angaben über Ausführung und Beschaffenheit dieser Leistung zu machen (Ziffer 4.2). Nebenangebote oder Änderungsvorschläge sind, soweit sie Teilleistungen (Positionen) des Leistungsverzeichnisses beeinflussen (ändern, ersetzen, entfallen lassen, zusätzlich erfordern), nach Mengenansätzen und Einzelpreisen aufzugliedern (auch bei Vergütung durch Pauschalsummen) (Ziffer 4.4). Letztere Anforderung wurde durch einen Hinweis in der Aufforderung zur Angebotsabgabe dahingehend modifiziert, dass Nebenangebote mit Pauschalierungen für Leistungen im Erdbau nicht gewertet werden.

64

Die einzige "technische" Mindestanforderung im Sinne der Rechtsprechung des BayObLG und des OLG Rostock findet sich in der den Verdingungsunterlagen beigefügten Baubeschreibung gemäß DIN 18299. Dort ist auf Seite 6 unter Ziffer 0.1.9 "Besondere umweltrechtliche Vorschriften" im 4. Absatz festgelegt:

"Der Auftragnehmer hat den dem Auftraggeber vorliegenden Planfeststellungsbeschluss, insbesondere die Schutzauflagen zu beachten. Der Planfeststellungsbeschluss basiert auf dem bauseitigen Entwurf. Sofern bei Sondervorschlägen davon und von dem ausgeschriebenen Bauverfahren abgewichen werden soll, hat der Auftragnehmer die entsprechende Genehmigung dafür einzuholen. Bei Arbeiten an Gewässer hat der Auftragnehmer das Einbringen von Stoffen ins Gewässer über den dem Planfeststellungsbeschluss zu Grunde liegenden Umfang hinaus zu unterlassen."

65

Auf der Grundlage dieser Anforderungen an Nebenangebote und der aus dem gesamten Leistungsverzeichnis gesetzten Vorgaben und Rahmenbedingungen ersichtlichen Zielsetzung der Ausschreibung waren die Bieter im vorliegenden Fall ohne weiteres in der Lage, den Rahmen zu ermitteln, innerhalb dessen Nebenangebote abgegeben werden durften.

66

Aus Sicht der Bieter als Adressaten der Ausschreibung hat die Auftraggeberin in vergaberechtlich zulässiger Weise einen weiten Rahmen für die Abgabe von Nebenangeboten gesteckt. Diese waren nur durch den ausdrücklichen Ausschluss von Pauschalierungen für Leistungen im Erdbau, den formellen Anforderungen der Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau, den Hinweis auf die erforderliche Beibringung von Genehmigungen bei Abweichungen von Festlegungen des bauseitigen Entwurfs gemäß Planfeststellungsbeschluss und dem Gesamtziel und Zweck der ausgeschriebenen Baumaßnahme begrenzt. Gemessen an diesen weiten Rahmenbedingungen für Nebenangebote hat sich die Auftraggeberin nicht im Rahmen des ihr gemäß § 25 Nr. 5 Satz 1 VOB/A eingeräumten Ermessens gehalten, als sie die aufeinander aufbauenden Nebenangebote 1 bis 5 der Beigeladenen zu 2 wie auch die Nebenangebote der Antragstellerin und anderer Bieter lediglich mit dem Hinweis, es handle sich um "bedingte" Angebote bzw. um Nebenangebote, die eine wesentliche Änderung der Ausschreibung gegenüber der Planfeststellung darstellen, verwarf und unberücksichtigt ließ. Gemäß § 25 Nr. 5 Satz 1 VOB/A sind Änderungsvorschläge und Nebenangebote zu werten, es sei denn, der Auftraggeber hat sie in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen nicht zugelassen.

67

Die Auftraggeberin hatte Nebenangebote ausdrücklich zugelassen. Eine - ohne weiteres zulässige - Einschränkung dergestalt, dass technische Festlegungen des Planfeststellungsbeschlusses auch für Nebenangebote unveränderbar gelten sollten, enthalten weder die Vergabebekanntmachung noch die Ausschreibungsunterlagen. Im Gegenteil: Aus der unter Ziffer 0.1.9 der den Verdingungsunterlagen beigefügten Baubeschreibung gemäß DIN 18299 ("Besondere umweltrechtliche Vorschriften") konnte der Bieter nur den Schluss ziehen, dass Abweichungen von dem auf dem bauseitigen Entwurf basierenden Planfeststellungsbeschluss im Rahmen von Sondervorschlägen und Nebenangeboten grundsätzlich durchaus möglich waren, sofern der Auftragnehmer die entsprechende Genehmigung dafür einholt. Dabei wurde nicht gefordert, dass etwaige erforderliche Genehmigungen bereits mit Angebotsabgabe vorzulegen waren. Eine weiter gehende Verbindlichkeit von technischen Festlegungen des dem Planfeststellungsbeschluss zu Grunde legenden bauseitigen Entwurfs enthalten die Ausschreibungsunterlagen nicht.

68

Die Auftraggeberin war und ist daher verpflichtet, die Nebenangebote auf ihre Gleichwertigkeit im Vergleich zum Hauptentwurf zu überprüfen und Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren. Im Falle eines positiven Ergebnisses ist sie gehalten, die Nebenangebote bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes zu berücksichtigen.

69

c)

Auch im Übrigen ist die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt. Die Auftraggeberin hat insbesondere keine Veranlassung, das Angebot der Beigeladenen zu 1 wegen eines zu hohen Nachunternehmeranteils von der Wertung auszuschließen. Der Eigenanteil der Beigeladenen zu 1 an den Teilleistungen erreicht ausweislich ihres Angebots den von der Auftraggeberin gemäß den Ergänzungen der Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau geforderten Mindestanteil. Dort heißt es:

"Zu 6 Nachunternehmer

Der Betrieb hat wertmäßig mindestens 30 v. H. der Teilleistungen (OZ, Positionen) des Leistungsverzeichnisses im eigenen Betrieb zu erbringen."

70

Das Hauptangebot der Beigeladenen zu 1 schließt mit einer Gesamtsumme von 1.422.242,36 EUR netto. Davon entfallen nach den Feststellungen der Vergabekammer auf die für die Erbringung durch Nachunternehmereinsatz vorgesehenen Positionen insgesamt 963.051,40 EUR, was 67,71% der Angebotssumme entspricht. Der von der Beigeladenen angebotene Anteil der im eigenen Betrieb zu erbringenden Teilleistung erfüllt daher - noch - die 30%-Vorgabe der Auftraggeberin. Im Übrigen hat der Bundesgesetzgeber durch Art. 2 des am 08.09.2005 in Kraft getretenen Gesetzes vom 01.09.2005 ("PPP-Beschleunigungsgesetz" - BGBl. I S. 2676) den Bieterunternehmen sowohl den Rückgriff auf Fähigkeiten und Kapazitäten von Konzernschwesterunternehmen als auch den Subunternehmereinsatz erleichtert. Nach der durch dieses Gesetz eingeführten Regelung des § 6 Abs. 2 Nr. 2 VgV finden § 8 Nr. 2 Abs. 1 und § 25 Nr. 6 VOB/A mit der Maßgabe Anwendung, dass der Auftragnehmer sich zur Erfüllung der Leistung der Fähigkeiten anderer Unternehmen bedienen kann.

71

Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Wegen der oben unter 2 a) festgestellten Verstöße gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot ist es erforderlich, die Auftraggeberin zu verpflichten, die Angebotswertung erneut durchzuführen, die Gleichwertigkeit der Nebenangebote zu prüfen, diese im Falle eines positiven Prüfungsergebnisses bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes zu berücksichtigen, dabei sämtliche von ihr mit den Verdingungsunterlagen bekannt gemachten Zuschlagskriterien zu berücksichtigen und Prüfung und Ergebnis der Bewertung in einem den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Vergabevermerk zu dokumentieren. Im Übrigen war der Nachprüfungsantrag dagegen zurückzuweisen. Die Vergabekammer weist darauf hin, dass die Auftraggeberin nach erneuter Wertung sämtliche Bieter gemäß § 13 VgV mindestens 14 Tage vor Zuschlagserteilung ordnungsgemäß zu informieren hat.

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III.

Kosten

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR, bzw. in Ausnahmefällen, 50.000 EUR beträgt.

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Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.999 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

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Der zu Grunde zu legende Auftragswert für den streitbefangenen Gesamtauftrag beträgt 1.641.019,70 EUR. Dieser Betrag entspricht dem von der Antragstellerin unterbreiteten Hauptangebot und damit ihrem Interesse am Auftrag.

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Die Gebührenermittlung erfolgt an Hand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 1.641.019,70 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.999 EUR.

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Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

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Die in Ziffer 2 des Tenors verfügte Aufteilung der Kosten auf die Antragstellerin und die Auftraggeberin folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin nur teilweise begründet war. Soweit sich die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag hauptsächlich gegen die Berücksichtigung der Nebenangebote überhaupt wendet, um so mit ihrem Hauptangebot im Rahmen der Angebotswertung zumindest preislich sicher auf Rang 1 zu gelangen, war der Nachprüfungsantrag dagegen erfolglos. Die anteilige Kostentragungspflicht entspricht daher dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens im Nachprüfungsverfahren (vgl. Beschluss des OLG Celle vom 06.06.2003, Az.: 13 Verg 5/03).

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Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung ihres Kostenanteils gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG von der Kostentragungspflicht befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).

80

Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.

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Der Kostenanspruch ist wegen des teilweisen Unterliegens der Antragstellerin jedoch auf 2/3 zu begrenzen. Die Auftraggeberin selbst war nicht anwaltlich vertreten.

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Kosten der Beigeladenen zu 1:

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Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zu Gunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158 [OLG Düsseldorf 12.01.2000 - Verg 3/99]; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird: "Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend." Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwerwiegend berührt werden".

84

Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdnr. 1034).

85

Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Kosten einer in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.

86

Der Kostenanspruch der Beigeladenen zu 1 ist wegen des teilweisen Obsiegens der Antragstellerin jedoch auf 2/3 zu begrenzen. Die Beigeladene zu 2 hat keine Anträge gestellt.

87

Die Antragstellerin wird aufgefordert, den anteiligen Betrag von 1.999 EUR unter Angabe des Kassenzeichens ... innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf folgendes Konto zu überweisen: ...

Gause
Schulte
Dierks