Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 27.10.2006, Az.: VgK 26/06
Anforderungen an die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes im Rahmen eines Vergabeverfahrens; Voraussetzungen für den erneuten Eintritt in die Angebotswertung bei einem Vergabeverfahren; Anforderungen an die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses eines Anbieters in einem Vergabeverfahren; Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit einer Bekanntmachung in einem Vergabeverfahren
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 27.10.2006
- Aktenzeichen
- VgK 26/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 27370
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 107 GWB
- § 13 VgV
- § 23 VOL/A
- § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A
Fundstelle
- IBR 2007, 90 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
Verfahrensgegenstand
VOL-Verhandlungsverfahren zur Vergabe eines Managementvertrages
In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden MR Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und
den ehrenamtlichen Beisitzer RA Hintz
auf die mündliche Verhandlung vom 17.10.2006
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der Auftraggeber wird verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Beachtung der aus der Begründung ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes auch das Angebot der Antragstellerin zu berücksichtigen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens hat der Auftraggeber zu tragen. Der Auftraggeber ist jedoch von der Entrichtung der Kosten befreit.
- 3.
Die Kosten werden auf 2.827 EUR festgesetzt.
- 4.
Der Auftraggeber hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.
Begründung
I.
Der Auftraggeber betreibt das Kreiskrankenhaus xxxxxxx in xxxxxxx, wobei er die verantwortliche kaufmännische Leitung nicht selbst wahrnimmt. Gegenwärtig werden diese Aufgaben von der Antragstellerin durchgeführt. Da der diesbezügliche Managementvertrag zum Jahresende ausläuft, hat der Auftraggeber mit europaweiter Bekanntmachung vom 07.03.2006 einen Vertrag über diese Leistungen für 5 Jahre, beginnend mit dem 01.01.2007, als Verhandlungsverfahren neu ausgeschrieben. In den Teilnahmebedingungen wird die Forderung folgender Nachweise angekündigt: Referenzen über gleiche oder gleichartige Projekte in den letzten 5 Jahren, eine Kurzbeschreibung des Unternehmens mit Angaben zur Rechtsform, Gründungsdatum, Bilanzsumme, Beschäftigtenzahl mit Angabe der Qualifikationen des Mitarbeiterstamms, aus dem der Bieter die Auswahl für die Stellenbesetzung treffen wird, und zum aktuellen Leistungsspektrum. Außerdem behält sich der Auftraggeber die Vorlage von Nachweisenüber die Zahlung von Steuern, Abgaben und Beiträgen zur Sozialversicherung vor. Der Zuschlag soll auf das wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgen. Hierbei sollen der Angebotspreis zu 70%, die Anzahl der z. Zt. betreuten Krankenhäuser und die Anzahl der Beschäftigten mit aufgabenrelevanter Qualifikation jeweils zu 15% gewichtet werden. Als Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge wurde der 10.04.2006 - 24:00 Uhr festgelegt, die Aufforderung zur Angebotsabgabe wurde für den 28.04.2006 angekündigt.
Bis zum 10.04.2006 gingen insgesamt 9 Teilnahmeanträge beim Auftraggeber ein. Mit seiner Aufforderung zur Angebotsabgabe übersandte er den Bewerbern die Bewerbungsbedingungen und - jeweils 2fach - das Angebotsschreiben, die Besonderen und die Zusätzlichen Vertragsbedingungen, eine Vergabesperre-Belehrung und eine Vergabesperre-Erklärung. Unter Ziff.3.1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe werden die Bieter aufgefordert, einen Auszug aus dem Gewerbezentralregister - nicht älter als drei Monate - mit dem Angebot vorzulegen. Daneben sind gem. Ziff. 3.2 auf Verlangen der Vergabestelle Unterlagen nach § 7 Nr. 4 VOL/A vorzulegen. Ziff. 3.3 der Bewerbungsbedingungen enthält folgende Hinweise:
Das Angebot muss vollständig sein; unvollständige Angebote können ausgeschlossen werden. Das Angebot muss die Preise und die in den Verdingungsunterlagen geforderten Erklärungen und Angaben enthalten.
Als Angebotsfrist wurde der 20.06.2006 - 24:00 Uhr - festgelegt.
Die Aufforderung zur Angebotsabgabe ging am 02.05.2006 bei der Antragstellerin ein.
Diese übersandte ihr Angebot mit einem Angebotsbegleitschreiben vom 14.06.2006 an den Auftraggeber. Unter Bezugnahme auf ein mit dem Auftraggeber geführtes Telefonat wies sie darauf hin, dass der geforderte Auszug aus dem Gewerbezentralregister unmittelbar von der zuständigen Behörde übersandt werde. Im Falle der Verzögerung bat sie um Mitteilung, um sich ggf. selbst hierum bemühen zu können. Das Angebot ging am 19.06.2006 beim Auftraggeber ein.
Mit Fax vom 27.06.2006 übersandte die Antragstellerin eine mit dem 26.06.2006 datierte Auskunft aus dem Gewerbezentralregister und kündigte den Eingang des Originals per Post an.
Ausweislich der Vergabeakte gingen 5 Angebote fristgerecht beim Auftraggeber ein.
Bei der Prüfung der Angebote gemäß § 23 VOL/A stellte der Auftraggeber fest, dass zwei der fünf eingegangenen Angebote unvollständig sind. Im Falle des Angebots der Antragstellerin fehlte die geforderte Auskunft aus dem Gewerbezentralregister, auch waren dem Angebot die Besonderen und die Zusätzlichen Vertragsbedingungen nicht wieder beigefügt worden.
Im Hinblick auf die in den Verdingungsunterlagen getroffenen Festlegungen erkannte der Auftraggeber nach Würdigung der Rechtsprechung zu § 25 VOL/A für sich keinen Ermessensspielraum i.S. des§ 25 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A, sondern sah sich gezwungen, die unvollständigen Angebote von der Wertung auszuschließen. Er wertete die hiernach verbliebenen drei vollständigen Angebote und kam zu dem Ergebnis, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen sei.
Mit Schreiben vom 14.09.2006 informierte der Auftraggeber die Antragstellerin gemäß § 13 VgV darüber, dass das Angebot der Antragstellerin wegen Unvollständigkeit ausgeschlossen werde und dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden soll.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 22.09.2006 rügte die Antragstellerin Angebotsausschluss und Bieterinformation vom 14.09.2006. Letztere lasse nicht erkennen, welchen formalen Vorgaben ihr Angebot nicht genügt haben soll. Sie habe ein vollständiges und wertbares Angebot abgegeben. Unter Fristsetzung forderte sie den Auftraggeber auf, von dem beabsichtigten Zuschlag abzusehen und die Wertung unter Berücksichtigung ihres Angebotes zu wiederholen.
In seiner Rügeantwort vom 25.09.2006 verwies der Auftraggeber auf Ziff. 3.1 seiner Aufforderung zur Angebotsabgabe, wonach ein aktueller Auszug aus dem Gewerbezentralregister mit dem Angebot vorzulegen war. Das Angebot habe lediglich eine Kopie des Antrages der Antragstellerin vom 09.06.2006 an die Landeshauptstadt xxxxxxx enthalten. Der geforderte Auszug sei erst per Fax am 27.06.2006 eingegangen und läge im Original noch gar nicht vor. Die Antragstellerin habe außerdem ihrem Angebot die Besonderen und die Zusätzlichen Vertragsbedingungen nicht beigefügt.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 25.09.2006 rügte die Antragstellerin nochmals den Angebotsausschluss als unzulässig. Sie verwies hierbei auf die Vergabebekanntmachung, nach welcher der Auszug aus dem Gewerbezentralregister nicht verlangt worden sei und daher auch kein Eignungskriterium für die Durchführung des Vergabeverfahrens sein könne. Da die Verdingungsunterlagen keine Vorgabe enthielten, wonach die Besonderen und Zusätzlichen Vertragsbedingungen dem Angebot beizufügen waren und ihr Einverständnis mit diesen Vertragsbedingungen bereits aus dem Angebotsformular ersichtlich sei, ergebe sich auch hieraus kein Grund für einen Angebotsausschluss.
Mit Schreiben vom 26.09.2006 wies der Auftraggeber die wiederholte Rüge erneut zurück.
Mit Anwaltschriftsatz vom 28.09.2006 wandte sich die Antragstellerin per Fax an die Vergabekammer Lüneburg und beantragte ein Nachprüfungsverfahren nach § 107 GWB gegen den Auftraggeber. Unter Hinweis auf ihre Rügen trägt sie vor, der Auftraggeber dürfe bei der Angebotswertung nur die in der Vergabebekanntmachung vorgegebenen Eignungsnachweise berücksichtigen. Der Auszug aus dem Gewerbezentralregister sei nicht als Eignungsnachweis bekannt gemacht worden und daher zur Prüfung der Eignung auch nicht erforderlich gewesen. Der Auftraggeber habe sich telefonisch mit der Nachreichung des Auszuges aus dem Gewerbezentralregister einverstanden erklärt und hiermit sein Ermessen gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A bezüglich eines Ausschlusses wegen Unvollständigkeit ausgeübt.
Die Antragstellerin beantragt
- 1.
festzustellen, dass ihr Angebot nicht gemäß § 25 Nr. 1 VOL/A auszuschließen ist;
- 2.
den Auftraggeber zu verpflichten die Angebotswertung unter Einbeziehung ihres Angebotes in allen Wertungsstufen zu wiederholen;
- 3.
dem Auftraggeber die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen.
Der Auftraggeber beantragt,
die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen.
Er tritt der Rechtsauffassung der Antragstellerin entgegen. Das Vergabeverfahren leide nicht unter schwerwiegenden Mängeln. Die Tatsache, dass in der Bekanntmachung nicht auf alle erforderlichen Unterlagen hingewiesen worden sei, führe nicht zwangsläufig zur Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens, zumal hiervon alle Teilnehmer in gleicher Weise betroffen waren. Auch hätten weder die Antragstellerin noch die übrigen Bewerber nach Eingang der Aufforderung zur Angebotsabgabe die fehlende Ankündigung der Auskunft aus dem Gewerbezentralregister in der Bekanntmachung gerügt.
Die Aufforderung zur Angebotsabgabe sei am 28.04.2006 an alle Bieter versandt worden. Andere Bieter hätten kein Problem gehabt, die Auskunft aus dem Gewerbezentralregister fristgerecht vorzulegen. Die Antragstellerin habe diesen Nachweis aber erst am 09.06.2006 beantragt. Telefonisch habe man zwar auf die Abgabe des Nachweises zusammen mit dem Angebot verzichtet, sodass der Nachweis innerhalb der Angebotsfrist separat nachgereicht werden konnte. Eine Abgabe des Nachweises erst nach Angebotsschluss sei der Antragstellerin aber keineswegs zugestanden worden.
Dem Angebot waren zudem nicht, wie in der Fußnote 1 zu Ziff. 1.1 des Angebotsschreibens ausdrücklich gefordert, die Besonderen Vertragsbedingungen und die Zusätzlichen Vertragsbedingungen beigefügt. Auch bezüglich dieser fehlenden Vergabeunterlagen sieht der Auftraggeber unter den in diesem Verfahren gegebenen Bedingungen keinen Ermessensspielraum, sondern sieht sich gezwungen, das Angebot wegen Unvollständigkeit auszuschließen.
Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt. Sie hat telefonisch gegenüber der Vergabekammer am 12.10.2006 erklärt, dass sie nach Durchsicht des Nachprüfungsantrags und der Antragserwiderung zu dem Schluss gelangt ist, dass man dort zur Klärung der anstehenden Rechtsfragen keinen wirksamen Beitrag leisten könne. Aus zeitlichen Gründen werde sie auch nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen.
Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 17.10.2006 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Der Auftraggeber war weder gehalten noch berechtigt, das Angebot der Antragstellerin wegen Unvollständigkeit gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A von der Angebotswertung auszuschließen. Weder die Vorlage des Gewerbezentralregisterauszugs noch die Rücksendung der von der Antragstellerin mit ihrer Unterschrift akzeptierten Besonderen und Zusätzlichen Bedingungen hatte der Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen als Mindestbedingung ausgewiesen, bei deren Nichtvorlage mit Angebotsabgabe ein automatischer Ausschluss des Angebotes erfolgen müsste. Eine entsprechende "Ermessensreduzierung auf Null" liegt entgegen der Auffassung des Auftraggebers nicht vor.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Auftraggeber handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach§ 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Managementvertrag für das Kreiskrankenhaus xxxxxxx und damit um einen Dienstleistungsauftrag, für den gem.§ 2 Nr. 3 der Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 200.000 EUR gilt. Der Wert des streitbefangenen Auftragsüberschreitet diesen Schwellenwert bei weitem. Selbst unter Berücksichtigung des preislich mit Abstand niedrigsten, aber mangels Eignung ausgeschlossenen Angebotes mit einer Jahresnettoangebotssumme von 60.215,52 EUR beträgt der Wert des Auftrags über den gesamten ausgeschriebenen, fünfjährigen Vertragszeitraum 301.077,6 EUR netto. Unter Zugrundelegung des preislich an zweiter Stelle stehenden Angebotes der Antragstellerin mit einer Jahresnettoangebotssumme von 190.000 EUR beträgt der Gesamtauftragswert 950.000 EUR netto.
Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bewerberin und Bieterin im Verhandlungsverfahren ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie die Auffassung vertritt, der Auftraggeber sei gehalten, auch ihr Angebot bei der Wertung zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für einen Angebotsausschluss gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A lägen nicht vor. Der Auftraggeber sei insbesondere verpflichtet, den nachträglich übersandten Gewerbezentralregisterauszug zu akzeptieren, zumal die Forderung dieses Eignungsnachweises entgegen § 7 a Nr. 2 Abs. 3 VOL/A nicht bereits in der Bekanntmachung, sondern erst mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe erhoben wurde. Im Übrigen habe die Antragstellerin durch die Aufforderung zur Angebotsabgabe davon ausgehen können, dass die Eignungsprüfung bereits abgeschlossen und für die Antragstellerin positiv ausgefallen sei. Dies folge daraus, dass es sich vorliegend um ein Verhandlungsverfahren und damit um ein zweistufiges Verfahren handelt. Aber auch soweit der Auftraggeber den Angebotsausschluss nachträglich auf die unterlassene Rücksendung der Besonderen und Zusätzlichen Vertragsbedingungen stützen wolle, sei der Angebotsausschluss nicht gerechtfertigt. Die Antragstellerin habe sämtliche Vertragsbedingungen mit ihrer Unterschrift anerkannt. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nichtüberspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Aufl.,§ 107 GWB, Rdnr. 954). Sie hat schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Angebotswertung eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte, was sich vorliegend schon daraus ergibt, dass das preislich niedrigste Angebot ausgeschlossen wurde und die Antragstellerin selbst das preislich an zweiter Stelle liegende Angebot abgegeben hat. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass ein Antragsteller auch schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24). Das tatsächliche Vorliegen der Rechtsverletzung ist vielmehr eine Frage der Begründetheit (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 24.11.1999, Az.: 13 Verg 7/99).
Die Antragstellerin ist auch ihrer Verpflichtung gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber den Auftraggebern unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des§ 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne des§ 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/00). Dabei hängt die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, vom Einzelfall ab. Grundsätzlich teilt die Vergabekammer die Auffassung des OLG Koblenz, dass die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 bis 3 Tagen nach positiver Kenntniserlangung erfolgen muss (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 18.09.2003, Az.: 1. Verg 4/03; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff.), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sachverhalts- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger, insbesondere anwaltlicher Hilfe erfordert.
Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs erfolgte die Rüge der Antragstellerin noch rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Der Auftraggeber hatte die Antragstellerin mit Schreiben vom 14.09.2006 gem. § 13 VgV darüber informiert, dass ihr Angebot wegen Unvollständigkeit ausgeschlossen werde. Dieses Informationsschreiben ist ausweislich des Eingangsstempels am 18.09.2006 bei der Antragstellerin eingegangen. Nähere Angaben zum Ausschlussgrund enthielt das Informationsschreiben nicht. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Antragstellerin in nicht zu beanstandender Weise einen Rechtsanwalt mit der Prüfung der Rechtslage und der Abfassung der Rüge beauftragte, erfolgte das nur 4 Tage nach Eingang der Information abgesetzte Rügeschreiben vom 22.09.2006 noch unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Der Auftraggeber war weder gehalten noch berechtigt, das Angebot der Antragstellerin wegen Unvollständigkeit gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A von der Angebotswertung auszuschließen. Er ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass in der Frage des Angebotsausschlusses eine "Ermessensreduzierung auf Null" vorliegt. Die nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A gebotene Ermessensausübung - die der Auftraggeber unterlassen hat - rechtfertigt im vorliegenden Fall im Ergebnis den Angebotsausschluss nicht. Dies gilt sowohl hinsichtlich des erst nach Ablauf der Angebotsfrist von der Antragstellerin vorgelegten Gewerbezentralregisterauszugs (im Folgenden a) als auch hinsichtlich der von ihr zwar nicht mit ihrem Angebot zurückgesandten, aber durch ihre Unterschrift akzeptierten Besonderen und Zusätzlichen Vertragsbedingungen (im Folgenden b).
a)
Die Tatsache, dass die Antragstellerin den vom Auftraggeber gem. Ziffer 3.1 der Angebotsaufforderung (Formblatt EVM (L) AEG) vom 28.04.2006 geforderten Auszug aus dem Gewerbezentralregister nicht bereits mit ihrem Angebot vom 14.06.2006 und auch nicht innerhalb der Angebotsfrist bis zum 20.06.2006 vorgelegt hat, sondern diesen, wie von ihr im Angebotsanschreiben und telefonisch angekündigt, erst mit Telefax vom 27.06.2006 nachgereicht hat, rechtfertigt den Angebotsausschluss nicht. Dabei bedarf es vorliegend mangels einer entsprechenden rechtzeitigen Rüge gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB keiner Entscheidung, ob der Auftraggeber im vorliegenden Fall überhaupt berechtigt war, erstmalig mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe den Gewerbezentralregisterauszug zu fordern. Der Auszug aus dem Gewerbezentralregister wurde gem. Ziffer 3.1 der Angebotsanforderung von den Bietern ausdrücklich zum Nachweis ihrer Zuverlässigkeit gem.§ 21 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung gefordert. Es handelt sich somit bei dem geforderten Gewerbezentralregisterauszug um einen Eignungsnachweis. Der Gewerbezentralregisterauszug (§ 150 GWO) ist für den Auftraggeber ein Hilfsmittel zur Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Bieters oder Bewerbers im Sinne des § 7 Nr. 4 VOL/A.§ 7 Nr. 5 VOL/A nennt die Tatbestände, die zum Ausschluss eines Unternehmens vom Wettbewerb führen können. Bei den für die Ausräumung der Ausschlussgründe des § 7 Nr. 5 a bis c VOL/A vorzulegenden Nachweisen handelt es sich um sog. Negativerklärungen. Ein Eintrag in das Gewerbezentralregister erfolgt also nur bei Vorliegen der unter § 149 GWO genannten Tatbestände (vgl. VK Südbayern, Beschluss v. 10.11.2003, Az.: 49 - 10/03, zitiert nach VERIS). Die Forderung der Vorlage eines aktuellen Gewerbezentralregisterauszugs ist daher in der Praxis ein besonders geeigneter und üblicher Nachweis zur Beurteilung der Zuverlässigkeit des Bieters durch den Auftraggeber. Um dem Auftraggeber eine zeitnahe Eignungsprüfung im Rahmen der Angebotswertung zu ermöglichen, regelt § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. m VOL/A aber, dass die mit dem Angebot vorzulegenden Unterlagen (§ 7 Nr. 4), die ggf. vom Auftraggeber für die Beurteilung der Eignung des Bewerbers (§ 2) verlangt werden, bereits in der Bekanntmachung angegeben werden sollen. Für europaweite Vergabeverfahren ist diese frühzeitige Bekanntgabe der geforderten Eignungsnachweise sogar zwingend vorgeschrieben. In § 7 a Nr. 2 Abs. 3 VOL/A heißt es:
"Der Auftraggeber gibt bereits in der Bekanntmachung (§§ 17 und 17 a) an, welche Nachweise vorzulegen sind."
§ 7 a Nr. 2 Abs. 3 Satz 1 VOL/A dient sowohl der Transparenz des Vergabeverfahrens (§ 97 Abs. 1 GWB) als auch der Gleichbehandlung aller Bieter (§ 97 Abs. 2 GWB). Aus der Verpflichtung des Auftraggebers, die geforderten Nachweise schon in der Bekanntmachung anzugeben, folgt im Umkehrschluss grundsätzlich das Verbot, nach der Vergabebekanntmachung andere oder zusätzliche Nachweise zu fordern oder den Bieter über§ 7 a Nr. 2 Abs. 3 Satz 2 VOL/A hinaus die Vorlage anderer als der bekannt gemachten Nachweise zu gestatten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 09.07.2003, Az.: Verg 26/03, zitiert nach ibr-online). Allerdings kann aus § 7 a Nr. 2 Abs. 3 Satz 1 VOL/A nicht die Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers hergeleitet werden, sämtliche Einzelheiten seiner Nachweisforderung schon in der Bekanntmachung anzugeben. Es reicht vielmehr aus, wenn der Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung angibt, welche der in§ 7 a Nr. 2 Abs. 1 und 2 VOL/A aufgeführten Nachweise er von den Bietern fordert. Ein transparentes Vergabeverfahren und die Gleichbehandlung aller Bieter ist ohne weiteres dann noch sichergestellt, wenn der Auftraggeber in der Bekanntmachung mitteilt, welche der in § 7 a Nr. 2 Abs. 1 und 2 VOL/A aufgelisteten Nachweise die Bieter beizubringen haben und er die weiteren Einzelheiten dieser Nachweisanforderung sodann in den Verdingungsunterlagen näher konkretisiert.
Im vorliegenden Fall enthält die Bekanntmachung des Auftragebers vom 07.03.2006 jedoch keine Angaben, aus denen sich die spätere Forderung nach Vorlage eines Gewerbezentralregisterauszugs im Sinne dieser Rechtsprechung wenigstens ableiten ließe. Unter III.2 "Teilnahmebedingungen" werden lediglich Angaben und Nachweise zur persönlichen Lage des Wirtschaftsteilnehmers sowie Auflagen hinsichtlich der Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister gefordert. Dort heißt es:
"Angaben und Formalitäten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen: Bedingungen für die Teilnahme: Es sind entsprechende Referenzen über gleiche oder gleichartige Projekte in den letzten 5 Jahren beizubringen. Weiterhin eine Kurzbeschreibung des Unternehmens: Rechtsform, Gründungsdatum, Bilanzsumme, Beschäftigtenzahl mit Angabe der Qualifikationen des Mitarbeiterstamms, aus dem der Bieter die Auswahl für die Stellenbesetzung treffen wird, aktuelles Leistungsspektrum. Auf Anforderung sind vom Bieter Unterlagen der zuständigen Stelle(n) des/der Mitgliedsstaates/n vorzulegen, aus denen hervorgeht, dass die Zahlung der Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung nach den Rechtsvorschriften des Landes, in dem er ansässig ist, erfolgt ist."
Selbst wenn man im vorliegenden Fall aber mit dem Auftraggeber davon ausgeht, dass er trotz fehlender Angabe in der Vergabebekanntmachung berechtigt war, erstmalig mit Aufforderung zur Angebotsabgabe die Vorlage eines aktuellen Gewerbezentralregisterauszugs mit Angebotsabgabe zu fordern, rechtfertigt die verspätete Vorlage im vorliegenden Fall nicht den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin. Der Auftraggeber hat vorliegend in der Frage des Angebotsausschlusses trotz in der Vergabeakte dokumentierter, intensiver Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung nicht die Unterschiede in den diesbezüglichen Regelungen in der VOB/A einerseits und der - dem vorliegenden Vergabeverfahren zugrunde liegenden - VOL/A andererseits berücksichtigt. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A können Angebote, die nicht die geforderten Angaben und Erklärungen enthalten, von der Angebotswertung ausgeschlossen werden. Es handelt sich somit um eine fakultative Ausschlussregelung. Im Gegensatz zur entsprechenden zwingenden Regelung in § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A liegt die Entscheidung über Ausschluss und Wertung eines Angebotes mit fehlenden Angaben und Erklärungen daher grundsätzlich im Ermessen des Auftraggebers. Eine Ermessensreduzierung auf Null in Richtung eines Ausschlusses kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Das OLG Celle hat mit Beschluss vom 11.03.2004, Az.: 13 Verg 3/2004, zur Frage eines fakultativen Ausschlusses eines Angebotes gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A wegen fehlender unvollständiger Eignungsnachweise betont, dass ein zwingender Angebotsausschluss und eine damit verbundene Ermessensreduzierung auf Null nur dann gegeben ist, wenn der Auftraggeber die Folge eines zwangsläufigen Ausschlusses bei Nichterbringung der geforderten Nachweise für die Bieter unmissverständlich in den Verdingungsunterlagen zum Ausdruck gebracht hat. Andernfalls ist der Auftraggeber gehalten, fehlende Nachweise im Rahmen von Aufklärungsverhandlungen nach§ 24 VOL/A nachzufordern. Im vorliegenden Fall hat der Auftraggeber den Bietern jedoch weder mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe noch mit den sonstigen Vergabeunterlagen deutlich gemacht, dass die Nichtvorlage oder die nicht rechtzeitige Vorlage des Gewerbezentralregisterauszugs den automatischen Ausschluss von der Angebotswertung zur Folge hat. Vielmehr heißt es unter Ziffer 3.3 der Bewerbungsbedingungen (Vordruck EVM (L) BwB EG) lediglich:
"Das Angebot muss vollständig sein; unvollständige Angebote können ausgeschlossen werden." (Hervorhebung durch die Vergabekammer)
Die Forderung nach Vorlage eines aktuellen Gewerbezentralregisterauszugs stellte also vorliegend keine Mindestanforderung in dem Sinne dar, dass sämtliche Angebote, bei denen der geforderte Negativnachweis nicht beigefügt war, automatisch ausgeschlossen werden durften. Hätte der Auftraggeber dieser Forderung die weitergehende Bedeutung einer derartigen Mindestanforderung geben wollen, so hätte er dies eindeutig zum Ausdruck bringen müssen (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 24.02.2004, Az.: 13 Verg 3/04).
Der Auftraggeber war und ist vorliegend vielmehr gehalten, den zwar verspätet vorgelegten, aber im Rahmen der ausweislich der Vergabeakte bislang noch nicht durchgeführten Eignungsprüfung noch ohne weiteres berücksichtigungsfähigen Gewerbezentralregisterauszug der Antragstellerin zu akzeptieren.
b)
Aus den gleichen Erwägungen ist der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Antragstellerin ihrem Angebot nicht die Besonderen Vertragsbedingungen (EVM (L) BVB) und die Zusätzlichen Vertragsbedingungen (EVM (L) ZVB) beigefügt hatte. Da die Antragstellerin mit ihrer Unterschrift auf ihrem Angebotsschreiben vom 14.06.2006 - das unter Verwendung des von dem Auftraggeber vorgegebenen Vordrucks EVM (L) Ang EG des VHB Bund (Ausgabe 2002 - Stand 01.02.2006) erfolgte - die dort angekreuzten Besonderen Vertragsbedingungen und Zusätzlichen Vertragsbedingungen rechtswirksam akzeptiert hat, liegt keineÄnderung in den Verdingungsunterlagen vor, die gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A zu einem zwingenden Ausschluss im Vergabeverfahren führt. Aber auch ein fakultativer Ausschluss gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOLA ist nicht gerechtfertigt.
Zwar hat der Auftraggeber entgegen der Auffassung der Antragstellerin die Rücksendung der Besonderen und der Zusätzlichen Vertragsbedingungen eindeutig mit Angebotsabgabe gefordert. Soweit sich die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2006 darauf berufen hat, dass sie nach dem Wortlaut des formularmäßigen Angebotsschreibens davon ausgegangen ist, dass sie nur solche Unterlagen mit dem Angebot zurückschicken musste, an denen sie selbst Eintragungen vorzunehmen hatte, kann dem nicht gefolgt werden. In dem Vordruck heißt es:
"Mein Angebot umfasst:
Vertragsbestandteile, die soweit erforderlich ausgefüllt wurden und mit diesem Angebotsschreiben als Anlagen1 beigefügt sind: . . ."
Angekreuzt waren die dort tabellarisch aufgelisteten "Besonderen Vertragsbedingungen - EVM (L) BVB", die "Zusätzlichen Vertragsbedingungen - EVM (L) ZVB", die "Vergabesperre - Belehrung und Erklärung" und die "Leistungsbeschreibung".
In der dazu aufgenommenen Fußnote heißt es jedoch eindeutig:
"Die von der Vergabestelle angekreuzten Anlagen sind bei Abgabe eines Angebotes immer zurückzugeben!" (Hervorhebung durch die Vergabekammer)
Da die Antragstellerin mit ihrer Unterschrift ausdrücklich die Besonderen Vertragsbedingungen und die Zusätzlichen Vertragsbedingungen als Vertragsbestandteile akzeptiert hatte, war und ist der Auftraggeber aber gehalten, der Antragstellerin im Rahmen einer Aufklärungsverhandlung gem. § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A die Möglichkeit zu geben, die mit den Verdingungsunterlagen vorgegebenen Vordrucke über die Besonderen und die Zusätzlichen Vertragsbedingungen nachzureichen. Zwar sind der Nachforderung von Unterlagen und Erklärungen auch im VOL-Verfahren enge Grenzen gesetzt. Gemäß § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A darf der Auftraggeber nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung mit einem Bieter nur verhandeln, um Zweifel über die Angebote oder die Bieter zu beheben. Gemäß § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A sind andere Verhandlungen, insbesondereüber Änderungen der Angebote oder Preise, unstatthaft. Bei§ 24 VOL/A handelt es sich ebenso wie bei§ 24 VOB/A um eine Ausnahmevorschrift, deren Grenzen im Interesse der jeweils anderen Bieter restriktiv zu sehen sind (vgl. Weyand, Vergaberecht, § 24 VOB/A, Rdnr. 4251, 4263 m.w.N.). Die Nachverhandlung ist dem Auftraggeber ausschließlich als eine Aufklärungsmaßnahme im engeren Sinne gestattet. Sie darf nicht dazu dienen, dem Bieter eine inhaltlicheÄnderung oder Ergänzung seines Angebotes zu ermöglichen (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 02.07.2002, Az.: 13 Verg 6/02). Aufklärungsverhandlungen können insgesamt nur dazu dienen, einen feststehenden Sachverhalt aufzuklären, nicht aber diesen zu verändern (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 14.03.2001, Az.: Verg 30/00). Wird einem Bieter im Rahmen der Aufklärung Gelegenheit zur Änderung seines Angebotes gegeben, entstehen Manipulationsmöglichkeiten. Außerdem wird der zu solchen Angaben berechtigte Bieter gegenüber anderen Bietern unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot bevorzugt. Insbesondere dann, wenn es sich bei fehlenden Angaben um kalkulationserhebliche Erklärungen handelt, ist das Angebot regelmäßig von der Angebotswertung auszuschließen (vgl. BGH, Beschluss v. 18.02.2003 - X ZB 43/02). Fehlende Angaben können dann nicht im Wege der Nachverhandlung aufgeklärt werden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss v. 16.09.2003, Az.: 11 Verg 11/03). Da die Antragstellerin im vorliegenden Fall jedoch die Besonderen Vertragsbedingungen wie auch die Zusätzlichen Vertragsbedingungen mit ihrer Unterschrift ausdrücklich als Vertragsbestandteile akzeptiert hat, sind mit einer Nachforderung der entsprechenden Formularvordrucke keine Manipulationsmöglichkeiten zugunsten der Antragstellerin verbunden. Da der Auftraggeber die Rücksendung der Besonderen und Zusätzlichen Vertragsbedingungen nicht durch Androhung des automatischen Angebotsausschlusses zur Mindestbedingung erhoben hat, war und ist der Auftraggeber gehalten, der Antragstellerin im Rahmen von Aufklärungsverhandlungen nach § 24 VOL/A Gelegenheit zu geben, diese formularmäßigen Vertragsbedingungen, die keinerlei Eintragungen oder Unterschriften des Bieters vorsehen, nachzureichen.
Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen des festgestellten vergaberechtswidrigen Ausschlusses des Angebotes der Antragstellerin ist es erforderlich, den Auftraggeber zu verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und dabei auch das Angebot der Antragstellerin zu berücksichtigen.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art.7 Nr. 5 des 9. Euro-
Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in§ 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR bzw. in Ausnahmefällen 50.000 EUR beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.827 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert für den streitbefangenen Gesamtauftrag beträgt 1.102.000 EUR (brutto). Dieser Betrag entspricht dem von der Antragstellerin unterbreiteten Hauptangebot über den gesamten ausgeschriebenen fünfjährigen Vertragszeitraum (190.000 EUR netto zzgl. z. Zt. noch 16% MwSt. x 5 Jahre) und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt an Hand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 1.102.000 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.827 EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 2 des Tenors getroffene Kostenregelung folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin in vollem Umfang begründet ist.
Der Auftraggeber ist jedoch von der Entrichtung der Gebühr gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG von der Kostentragungspflichtbefreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).
Der Auftraggeber hat aber der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten und damit die Anwaltskosten zu erstatten. Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.
Rohn
Hintz