Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.08.1997, Az.: VII 604/96 Ki
Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld; Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind; Begriff der nicht steuerbaren und für steuerfrei erklärten Einnahmen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 19.08.1997
- Aktenzeichen
- VII 604/96 Ki
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 16002
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:0819.VII604.96KI.0A
Rechtsgrundlage
- § 32 Abs. 4 EStG
Verfahrensgegenstand
Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung im Hinblick auf eigene Einkünfte und Bezüge des Kindes
Aufhebung der Festsetzung des Kindergeldes ab Januar 1996
In dem Rechtsstreit
hat der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
mit Einverständnis der Beteiligten
ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 19. August 1997
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Kindergeld für ein Kind, das im Laufe des Kalenderjahres geheiratet hat.
Dem Kl. war bis zum 31. Dezember 1995 Kindergeld nach den Vorschriften des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) für seinen am 6. Juli 1970 geborenen Sohn M. gewährt worden. Ab Januar 1996 erhielt er Kindergeld nach den Vorschriften des X. Abschnitts des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 200 DM monatlich. Der Sohn ging während des gesamten Jahres 1996 dem Studium der Rechtswissenschaft nach. Am 17. Mai 1996 heiratete er. Nachdem der Beklagte (das Arbeitsamt - AA -) hiervon Kenntnis erlangt hatte, forderte er den Kl. auf, die Höhe der Einkünfte oder Bezüge seiner Schwiegertochter nachzuweisen. Da der Kl. dieser Aufforderung nicht nachkam, hob das AA die Kindergeldfestsetzung mit Wirkung von Januar 1996 auf. Den Einspruch des Kl. vom 12. Juli 1996, mit dem dieser geltend machte, daß ihm das Kindergeld zumindest bis zum Tag der Heirat belassen werden müsse, wies das AA durch Einspruchsentscheidung vom 30. September 1996 als unbegründet zurück. Es vertrat die Ansicht, daß zu den nach § 32 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 2 des EStG zu berücksichtigenden Einkünften und Bezügen des Kindes auch Unterhaltsleistungen des Ehegatten eines verheirateten Kindes gehörten, und zwar grundsätzlich in Höhe der Hälfte der Nettoeinkünfte des Ehegatten. Da der Sohn des Kl. während des gesamten Kalenderjahres in Ausbildung gestanden habe, sei bei Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG auf die während des gesamten Zeitraums zugeflossenen Einkünfte und Bezüge abzustellen. Da der Kl. keine Angaben zu den Einkommensverhältnissen der Schwiegertochter gemacht habe, sei zu unterstellen, daß die Einkommensgrenze von 12.000 DM durch Unterhaltszahlungen des Ehegatten überschritten worden sei. Die Kindergeldfestsetzung sei daher gemäß § 70 Abs. 2 EStG aufzuheben.
Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kl. ist der Ansicht, daß ihm unabhängig von den Einkommensverhältnisses seiner Schwiegertochter das Kindergeld bis Mai 1996 zu belassen sei. Bei verfassungskonformer Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG könnten Unterhaltsleistungen des Ehegatten nicht für das gesamte Kalenderjahr, sondern erst vom Zeitpunkt der Eheschließung an berücksichtigt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sein Sohn Unterhaltsansprüche nur gegen ihn - den Kl. -, nicht jedoch gegen seine jetzige Ehefrau gehabt.
Der Kl. beantragt sinngemäß,
den Bescheid des Beklagten vom 1. Juli 1996 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 30. September 1996 insoweit aufzuheben, als die Festsetzung des Kindergeldes für seinen Sohn M. für die Monate Januar bis Mai 1996 aufgehoben worden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an der dem angefochtenen Bescheid sowie der Einspruchsentscheidung zugrundeliegenden Auffassung fest. Hinsichtlich der Höhe der von der Schwiegertochter des Kl. im Jahr 1996 bezogenen Nettoeinkünfte bezieht er sich auf eine von dieser erteilte Auskunft. Hiernach ergäben sich für den Zeitraum von Mai bis Dezember 1996 Nettoeinkünfte in Höhe von 27.364,35 DM. Wegen der Ermittlung dieses Betrages im einzelnen wird auf die Anlagen 1 und 2 zum Schriftsatz des Beklagten vom 7. April 1997 (Bl. 33 und 34 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
In rechtlicher Hinsicht vertritt er nunmehr die Ansicht, daß sich die Befugnis zur Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Monate Januar bis Mai 1996 aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) ergebe.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Das AA hat die Kindergeldfestsetzung zu Recht aufgehoben.
I.
Dem Kl. stand ab Januar 1996 kein Kindergeld für seinen Sohn M. mehr zu.
1.
Da der Sohn des Kl. am 1. Januar 1996 das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatte, bestand ein Kindergeldanspruch für ihn nur unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 EStG). Hiernach wird ein Kind u.a. dann berücksichtigt, wenn es noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat und - wie der Sohn des Kl. - für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG). Weitere Voraussetzung ist in diesem Fall, daß das Kind Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 12.000 DM im Kalenderjahr hat (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).
a)
Unter Bezügen, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) alle Einnahmen zu verstehen, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfaßt werden, also nicht steuerbare und für steuerfrei erklärte Einnahmen (BFH, Urteil vom 31. Juli 1981 VI R 67/78, BStBl II 1981, 805; vom 17. Oktober 1980 VI R 98/77, BStBl II 1981, 158; vom 7. März 1986 III R 177/80, BStBl II 1986, 554). Hierzu gehören insbesondere Unterhaltsleistungen, die einem in Berufsausbildung stehenden Kind von seinem Ehegatten gewährt werden. Nach § 1360 a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) umfaßt der angemessene Unterhalt der Familie, zu dem die Ehegatten gegenseitig beizutragen haben (§ 1360 BGB) alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten zu befriedigen (BFH in BStBl II 1986, 554). Diese Unterhaltsleistungen sind regelmäßig zu schätzen, weil sie im allgemeinen sowohl in Geld- als auch in Sachleistungen bestehen. Hierbei ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, daß in einer kinderlosen Ehe, in der ein Ehegatte allein verdient und ein in etwa durchschnittliches Nettoeinkommen erzielt, dem nicht verdienenden Ehegatten ungefähr die Hälfte dieses Nettoeinkommens in Form von Geld- und Sachleistungen als Unterhalt zufließt (BFH in BSBl II 1986, 554, 557). Wird die Ehe - wie im Streitjahr - im Lauf des Kalenderjahres geschlossen, sind die Nettoeinkünfte des Ehegatten zugrunde zu legen, die dieser in der Zeit nach der Eheschließung erzielt hat (BFH, Urteil vom 6. Juni 1986, III R 260/83, BStBl II 1986, 840).
b)
Nach der von der Ehefrau des Kindes dem Landesarbeitsamt gemäß § 93 AO erteilten Auskunft beliefen sich ihre - nach dem Abzug von Lohnsteuer und Sozialabgaben verbleibenden - Nettobezüge in den Monaten Juni bis Dezember 1996 auf 22.814,35 DM und im Mai 1996 auf 4.550 DM. Der Kl. hat diese Angaben zwar mit Nichtwissen bestritten. Dies gibt dem Senat aber keine Veranlassung, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln. Denn sie werden durch den Inhalt der dem Landesarbeitsamt überlassenen und von diesem mit Schriftsatz vom 27. März 1997 vorgelegten Verdienstbescheinigungen für die Monate Juni und Dezember 1996 bestätigt. Aus diesen Unterlagen ergeben sich nicht nur die Bezüge der jeweiligen Monate, sondern auch die laufenden Jahressummen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Bescheinigungen (Bl. 26 und 28 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Hiernach berechnen sich die auf den Zeitraum der Ehe entfallenden Nettoeinkünfte des Ehegatten des Kindes wie folgt:
Mai 1996 (14/31 von 4.550 DM =) | 2.054,83 DM |
---|---|
Juni bis Dezember 1996 | 22.814,35 DM |
24.869,18 DM. |
Die dem Kind des Kl. zuzurechnende Hälfte dieses Betrages (12.434,59 DM) übersteigt die in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG bezeichnete Grenze. Anhaltspunkte dafür, daß die Unterhaltsleistungen des Ehegatten tatsächlich geringer waren, sind nicht ersichtlich und auch von dem Kl. nicht vorgetragen worden. Dieser hat zwar behauptet, daß er seinen Sohn auch nach der Eheschließung noch unterhalten habe, weil dessen Ehefrau dazu finanziell nicht in der Lage gewesen sei. Die von ihm behauptete Weitergewährung des Unterhalts läßt aber keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die Höhe der dem Kind von seiten des Ehegatten zugeflossenen Unterhaltsleistungen zu. Die Behauptung, die Ehefrau des Kl. sei wegen mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit zur Unterhaltsgewährung nicht in der Lage gewesen, steht im Widerspruch zu den sich aus den von ihr vorgelegten Unterlagen ergebenden Einkommensverhältnissen.
2.
Dies hat nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zur Folge, daß der Anspruch des Kl. auf Kindergeld für das gesamte Kalenderjahr 1996, also auch für die Zeit vor der Eheschließung, entfällt.
a)
Eine zeitanteilige Ermittlung der Einkünfte und sonstigen Bezüge des Kindes sieht das Gesetz nur für den Fall vor, daß die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG nicht während des gesamten Kalenderjahres vorliegen. In diesem Fall ermäßigt sich der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG genannte Betrag für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nicht vorliegen, um 1/12 (§ 32 Abs. 4 Satz 6 EStG). Einkünfte und Bezüge des Kindes, die auf diese Kalendermonate entfallen, bleiben außer Ansatz (§ 32 Abs. 4 Satz 7 EStG). Im Streitfall haben die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung des Kindes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG jedoch während des ganzen Jahres 1996 vorgelegen, weil der Sohn M. des Kl. in dem gesamten Zeitraum für einen Beruf ausgebildet wurde und er das 27. Lebensjahr erst 1997 vollendet hat.
b)
Die Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist mit dem sich aus ihrem Wortlaut ergebenden Inhalt auch verfassungsgemäß. Insbesondere verletzt sie nicht das Grundrecht des Kl. aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Aus diesen Vorschriften folgt das Gebot, Unterhaltsaufwendungen für Kinder mindestens in Höhe des Existenzminimums von der Besteuerung auszunehmen (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 29. Mai 1990, BVerfGE 82, 60, und vom 12. Juni 1990 72/86, BVerfGE 82, 198).
Dieser Forderung wird die gesetzliche Regelung gerecht. Die in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG festgelegte Grenze von 12.000 DM entspricht dem für das Jahr 1996 geltenden Grundfreibetrag nach § 32 a Satz 2 Nr. 1 EStG, der im Rahmen des Einkommensteuertarifs die Freistellung des Existenzminimums von der Besteuerung bezweckt (vgl. BVerfG, Beschluß vom 25. September 1992, BVerfGE 87, 153). Es ist daher nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber davon ausgeht, daß bei Überschreitung der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG festgelegten Grenze typischerweise kein Unterhaltsanspruch des Kindes mehr besteht, dem im Rahmen des steuerlichen Familienleistungsausgleichs (§ 31 EStG) Rechnung getragen werden muß.
Ebensowenig begegnet es Bedenken, daß das Gesetz den Fortbestand des Kindergeldanspruchs für über 18 Jahre alte Kinder grundsätzlich von einer auf das gesamte Kalenderjahr bezogenen Einkommensgrenze abhängig macht. Soweit - wie im Streitfall - die Voraussetzungen für die Kindergeldgewährung im übrigen vorliegen, dient diese Regelung der Vereinfachung. Sie erspart es den für die Festsetzung und Auszahlung des Kindergeldes zuständigen Behörden, die Anspruchsvoraussetzungen von Monat zu Monat neu zu überprüfen, und den Berechtigten, die Nichtüberschreitung der Einkommensgrenze von Monat zu Monat neu nachzuweisen. Außerdem verhindert die Bezugnahme des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG auf das Jahreseinkommen des Kindes, daß der Bestand des Kindergeldanspruches von Zufälligkeiten beim Zufluß der entsprechenden Einkünfte und Bezüge abhängt. Insbesondere erlaubt es die gesetzliche Regelung, die im Rahmen von Ausbildungsdienstverhältnissen etwa gewährten Sonderzahlungen (z.B. Urlaubs- und/oder Weihnachtsgeld) in einer der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Kindes entsprechenden Weise zu erfassen. Daß die Bezugnahme auf das Jahreseinkommen des Kindes in solchen Fällen zu Härten führen kann, in denen sich unter sonst gleichbleibenden Umständen die Höhe der Einkünfte und sonstigen Bezüge des Kindes im Lauf des Kalenderjahres grundlegend ändert, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Es handelt sich hierbei um eine notwendige Folge der von dem Gesetzgeber aus Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilität vorgenommenen Typisierung und Pauschalierung, die jedenfalls solange hinzunehmen ist, wie die dadurch im Einzelfall auftretenden Ungerechtigkeiten noch in einem angemessenen Verhältnis zu den steuerlichen Vorteilen der Typisierung stehen (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: BVerfGE 44, 283: 48, 227 und 78, 214, 226 f. m.w.N.).
Soweit sich im Einzelfall aus der Anwendung des Gesetzes Härten ergeben, die mit dem Zweck der gesetzlichen Regelung offensichtlich nicht mehr im Einklang stehen, kann diesen durch entsprechende Billigkeitsmaßnahmen (§ 163 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 155 Abs. 6 AO) begegnet werden. Ob die von dem Kl. angeführten Besonderheiten des Streitfalls einen solchen Schritt zulassen oder gebieten, hat der Senat wegen der Zweigleisigkeit von Festsetzungs- und Billigkeitsverfahren im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits nicht zu entscheiden.
II.
Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung liegen vor.
1.
Nach § 70 Abs. 2 EStG in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung ist - soweit in den Verhältnissen, die für die Zahlung des Kindergeldes erheblich sind, Änderungen eintreten - die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern. Die Vorschrift setzt voraus, daß eine ursprünglich rechtmäßige Festsetzung durch Änderung der für den Bestand des Kindergeldanspruchs maßgeblichen Verhältnisse nachträglich unrichtig wird. Nicht unter § 70 Abs. 2 EStG fallen hingegen solche Fälle, in denen nachträglich festgestellt wird, daß das Recht von Anfang an unrichtig angewandt worden ist (vgl. Tz. 70.4.2 Abs. 3 der Dienstanweisung zur Durchführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes - DA-Fam EStG -; Bergkemper in Herrmann/Hauer/Raupach, Kommentar zum Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, § 70 EStG Anm. 13). In diesen Fällen kommt nur eine Änderung oder Aufhebung nach Maßgabe der §§ 172 ff. AO in Betracht.
2.
Eine Änderung der für die Zahlung des Kindergelds erheblichen Verhältnisse i.S.d. § 70 Abs. 2 EStG liegt entgegen der Verwaltungsauffassung (Tz. 70.4.2 Abs. 4 Satz 1 DA Fam EStG; ebenso Bergkemper a.a.O.) auch vor, wenn im Anschluß an die Festsetzung des Kindergeldes das Einkommen des Kindes die nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG maßgebliche Grenze überschreitet.
a)
Für die Zahlung des Kindergeldes erheblich sind alle Umstände, von denen der Anspruch des Berechtigten abhängt (vgl. auch die Neufassung des § 70 Abs. 2 EStG durch das Jahressteuergesetz 1997). Eine Änderung i.S.d. § 70 Abs. 2 EStG tritt daher ein, wenn ein ursprünglich entstandener Anspruch auf Kindergeld nachträglich wegfällt.
Nach § 38 AO entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, zu denen auch der Anspruch auf Kindergeld gehört (§ 37 Abs. 1 AO i.V.m. § 31 Satz 3 EStG), sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Dies ist in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG der Fall, wenn das Kind die dort bezeichneten Voraussetzungen erfüllt. Nicht abhängig gemacht werden kann die Entstehung des Kindergeldanspruchs hingegen von der Erfüllung der weiteren in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG genannten Bedingung, daß die Einkünfte und sonstigen Bezüge des Kindes den Betrag von 12.000 DM im Kalenderjahr nicht überschreiten. Das Vorliegen dieser Voraussetzung läßt sich aus logischen Gründen erst nach Ablauf dieses Zeitraums feststellen.
Wäre bereits die Entstehung des Kindergeldanspruchs in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG von der Nichtüberschreitung der in Satz 2 bezeichneten Einkommensgrenze abhängig, könnte das Kindergeld - in offensichtlichem Widerspruch zu der gesetzlichen Regelung (§§ 31 Satz 3, 66 Abs. 2 und 71 EStG) - nicht laufend monatlich gewährt, sondern erst nach Ablauf des Kalenderjahres festgesetzt und ausgezahlt werden. Entgegen der Verwaltungsauffassung (Tz. 70.4.2 Abs. 4 Satz 1 DA-Fam EStG; ebenso Bergkemper in Herrmann/Hauer/Raupach, § 70 EStG Anm. 13) könnte eine einmal ergangene Festsetzung des Kindergelds in diesem Fall auch nicht nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO für die Vergangenheit aufgehoben werden, wenn die Einkünfte und Bezüge des Kindes die Grenze von 12.000 DM nachträglich überschreiten. Denn diese Vorschrift setzt voraus, daß ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Aus dem Merkmal des "Eintretens" folgt, daß Ereignisse im Sinne dieser Vorschrift nur solche Vorgänge seien können, die sich nachträglich, d.h. nachdem der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis entstanden und der zu ändernde Bescheid ergangen ist, ereignen (von Wedelstedt in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 175 AO Rz. 47). Daran fehlt es, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs bereits beim Ergehen des aufzuhebenden Bescheids nicht vorgelegen haben.
Die durch § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG vorgeschriebene "entsprechende" Geltung des § 32 Abs. 4 EStG kann daher nur so verstanden werden, daß der Kindergeldanspruch in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG unter der auflösenden Bedingung entsteht, daß die Einkünfte und Bezüge des Kindes die in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG bezeichnete Grenze nicht übersteigen.
Ob mit dieser Auslegung die Auffassung der Verwaltung zu vereinbaren ist, daß bereits die im Zeitpunkt der Antragstellung zu erwartende Überschreitung der Einkommensgrenze die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung rechtfertigt (vgl. Tz. 63.4.1.2 und 63.4.2.6 DA-Fam EStG), braucht der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden.
b)
Hiernach war die Kindergeldfestsetzung im Streitfall mit Wirkung vom 1. Januar 1996 aufzuheben. Da dem Kl. bis zum 31. Dezember 1995 Kindergeld nach den Vorschriften des Bundeskindergeldgesetzes gewährt wurde, galt das Kindergeld gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG als nach den Vorschriften dieses Gesetzes festgesetzt. Diese Vorschrift, die im Interesse eines reibungslosen Übergangs vom sozialrechtlichen zum einkommensteuerrechtlichen Kindergeld die vorläufige Weiterzahlung über den Systemwechsel hinaus anordnet, begründet die gesetzliche Fiktion einer Kindergeldfestsetzung auf den 1. Januar 1996 (Kanzler in: Herrmann/Hauer/Raupach, § 78 Anm. 10). Zu diesem Zeitpunkt hatten die Einkünfte und Bezüge des Kindes M. des Kl. die maßgebliche Grenze noch nicht überschritten. Diese Überschreitung ist erst im Anschluß an die Eheschließung des Kindes eingetreten.
III.
Die Klage war daher abzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die für die Entscheidung des Streitfalls maßgeblichen Rechtsfragen haben grundsätzliche Bedeutung.