Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.08.1997, Az.: XV 468/94
Rechtmäßigkeit eines Bescheids zur Entrichtung von Nachzahlungszinsen ; Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer; Erlass von Steueransprüchen aus Billigkeitsgründen; Erlangung eines Liquiditätsvorteils durch die verspätete Festsetzung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 26.08.1997
- Aktenzeichen
- XV 468/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 16216
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:0826.XV468.94.0A
Rechtsgrundlagen
- § 227 AO
- § 233a Abs. 1 S. 2 AO
- § 233a Abs. 2 S. 1 AO
- § 233a Abs. 2 S. 3 AO
Fundstelle
- DStRE 1998, 293-295 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Erlaß von Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen bei Gewinnverlagerungen
Erlaß von Zinsen zur Einkommensteuer 1989
In dem Rechtsstreit
hat der XV. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 26. August 1997,
an der mitgewirkt haben:
Richter am Finanzgericht ... als Vorsitzender
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Das beklagte Finanzamt wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom ... sowie des hierzu ergangenen Beschwerdebescheides der Oberfinanzdirektion ... vom ... verpflichtet, die mit Zinsbescheid vom 12. August 1992 für die Einkommensteuer 1989 festgesetzten Nachzahlungszinsen in Höhe eines Teilbetrags von ... DM zu erlassen.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an die Kläger zu erstattenden Kosten abzuwenden, sofern nicht die Kläger ihrerseits Sicherheit leisten.
Tatbestand
Streitig ist der Erlaß sogenannter Nachzahlungszinsen gemäß § 233 a der Abgabenordnung (AO; in der für den Streitfall maßgebenden Fassung) aus sachlichen Billigkeitsgründen.
Die Kl. gaben in ihrer gemeinsamen Einkommensteuerklärung für 1988 u.a. einen (Veräußerungs-)Gewinn in Höhe von ... DM bei den Einkünften des Kl. aus selbständiger Arbeit aus dem Verkauf eines ... Patents an. Der unter dem ... unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangene Einkommensteuerbescheid 1988 berücksichtigte insoweit die Einkünfte des Kl. aus selbständiger Arbeit erklärungsgemäß. Auf den Veräußerungsgewinn entfiel eine (anteilige) Einkommensteuerschuld in Höhe von ... DM.
Im Anschluß an eine beim Kl. durchgeführte Außenprüfung vertrat das beklagte. ... FA die Auffassung, daß der Gewinn aus der Veräußerung des ... Patents, die nach dem Kaufvertrag zum 1. Januar 1989 erfolgte, nicht in 1988, sondern in 1989 zu erfassen sei. Die Höhe des Veräußerungsgewinns nahm das beklagte FA nunmehr mit lediglich ... DM an (...). Dementsprechend ergingen ... sowohl für 1988 als auch für 1989 geänderte Einkommensteuerbescheide, die bestandskräftig wurden. Auf den Veräußerungsgewinn in Höhe von ... DM entfiel eine (anteilige) Einkommensteuer schuld in Höhe von ... DM.
Der sich für den Veranlagungszeitraum 1988 ergebende Einkommensteuer-Erstattungsbetrag in Höhe von ... DM wurde nicht an die Kl. ausgezahlt, sondern ausweislich der in den Einkommensteuer-Änderungsbescheiden 1988 sowie 1989 enthaltenen Anrechnungsverfügungen auf rückständige Einkommensteuer 1989 umgebucht. Der geänderte Einkommensteuerbescheid 1989 enthielt zudem einen Zinsbescheid gemäß § 233 a AO über Insgesamt ... DM.
Gegen die Festsetzung der Nachzahlungszinsen - soweit diese sich auf die erstmalige Erfassung des Gewinns aus der Veräußerung des ... Patents in 1989 erstreckten - legten die Kl. Einspruch ein. Die Insoweit nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wurde mit Urteil des XII. Senats des Niedersächsischen Finanzgerichts unter dem Aktenzeichen XII 148/97 abgewiesen.
Mit Schreiben vom ... begehrten die Kl. zudem den Erlaß der Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1989, soweit diese auf der erstmaligen Erfassung des Veräußerungsvorgangs ... Patent im Einkommensteuer-Änderungsbescheid 1989 ... beruhten. Den Insoweit zu erlassenden Betrag gaben die Kl. mit ... DM an. Wegen der Berechnung wird auf Bl. 6 f. der Erlaßakte Bezug genommen. Unter dem ... lehnte das beklagte FA den Erlaß der Zinsen zur Einkommensteuer 1989 in Höhe von ... DM ab.
Die hiergegen von den Kl. mit Schreiben ... eingelegte Beschwerde wies die ... OFD mit Beschwerdebescheid ... als unbegründet zurück. Im Streitfall käme ein Erlaß nicht in Betracht. Insbesondere seien die Voraussetzungen eines Erlasses aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht gegeben. Die Vollverzinsung nach § 233 a AO sei als Ausgleich für mögliche Zinsvorteile des Steuerpflichtigen gewollt. Die Zinsen sollten weder Druckmittel noch Strafe darstellen. Das der Steuernachforderung entsprechende Kapital könne vom Steuerpflichtigen bis zur Wirksamkeit der Steuerfestsetzung genutzt werden. Entscheidend sei nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung allein der Zeitpunkt der Fälligkeit. Der Steuerpflichtige möge zwar tatsächlich keinen Zinsvorteil erzielt haben, diese Entscheidung habe dann Jedoch in seiner Sphäre gelegen. Härten, die durch Gewinnverlagerungen z.B. im Rahmen einer Außenprüfung entstünden, habe der Gesetzgeber durch seine ausdrückliche Entscheidung für die Sollverzinsung bewußt in Kauf genommen. Ansonsten wäre eine Übergangsregelung oder Verrechnungsregelung im Gesetz vorgesehen worden. Zur Ermittlung des für die Zinsberechnung maßgebenden Unterschiedsbetrages sei die festgesetzte Steuer ausschließlich um dazugehörige Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträge zu mindern. Eine Verrechnung Innerhalb verschiedener Veranlagungszeiträume sei vom Gesetzgeber ausdrücklich ausgeschlossen worden.
Dem FA bleibe die Möglichkeit verwehrt, die Gründe für die Entstehung der Nachzahlung in die Beurteilung, ob Zinsen festzusetzen seien, einzubeziehen. Denn nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut dürfe keine Prüfung stattfinden, aus welchen Gründen die Zinsen festgesetzt würden. Dementsprechend müsse das Vorbringen der Kl., die Nachzahlung 1989 sei lediglich durch Gewinnverlagerungen von 1988 entstanden, auch im Billigkeitsverfahren unberücksichtigt bleiben.
Auch ihr weiteres Vorbringen, es würden Beträge verzinst, die der Finanzverwaltung bereits zur Verfügung gestanden hätten, könne keinen Einfluß auf die Festsetzung der Zinsen haben, wie sich aus der Entscheidung des Gesetzgebers für die sogenannte Sollverzinsung ergebe. Bei der Festsetzung und Erhebung von Nachzahlungszinsen seien deshalb sämtliche Ist-Beträge außer Betracht zu lassen. Ob ein Steuerpflichtiger seine Nachzahlung bereits freiwillig (z.B. durch Umbuchungen von einem anderen Veranlagungsjahr) entrichtet habe, dürfe bei der Ermittlung der Zinsen nicht berücksichtigt werden.
Hiergegen richtet sich die von den Kl. mit Schreiben ... form- und fristgerecht erhobene Klage. Die Kl. halten die Versagung des Erlasses der Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1989 in dem Umfang für unbillig, als diese auf der erstmaligen Erfassung des Veräußerungsvorgangs ... Patent im Einkommensteuer-Änderungsbescheid 1989 ... beruhten. Denn in dem angefochtenen Umfang wären die Zinsforderungen lediglich aus Einkommensumgliederungen von 1988 nach 1989 durch die Außenprüfung entstanden. Da die entsprechende Einkommensteuerschuld bereits in 1989 entrichtet worden sei, seien diese Beträge wie eine Vorauszahlung von der für 1989 neu berechneten Steuerschuld abzusetzen.
Die Kl. beantragen sinngemäß,...
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides ... sowie des hierzu ergangenen Beschwerdebescheids der OFD ... das beklagte FA zu verpflichten, die mit Zinsbescheid ... für die Einkommensteuer 1989 festgesetzten Nachzahlungszinsen in Höhe eines Teilbetrages von ... DM zu erlassen.
Das beklagte FA beantragt unter Hinweis auf die Ausführungen in den Beschwerdebescheiden der OFD,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Wegen Ihres weiteren Vorbringens wird auf die Gerichtsakte sowie die Steuerakten der Kl. verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig und begründet.
Denn der Ablehnungsbescheid des beklagten FA ... sowie die hierzu ergangene Beschwerdeentscheidung der OFD ..., mit denen der beantragte (Teil-)Erlaß von Nachzählungszinsen zur Einkommensteuer 1989 abgelehnt worden ist, sind rechtswidrig und verletzen die Kl. in ihren Rechten. Sie sind demgemäß mit der Maßgabe aufzuheben, daß das beklagte FA verpflichtet wird, den von den Kl. begehrten (Teil-)Erlaß von Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1989 in Höhe von ... DM auszusprechen.
1.
Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des Falles unbillig wäre. Die Entscheidung der Finanzbehörden ist eine Ermessenentscheidung, die gemäß § 102 FGO nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt, nämlich ob die Finanzbehörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Ist die Ablehnung des Billigkeitserlasses rechtswidrig, darf das Gericht in der Regel bloß die Verpflichtung aussprechen, den bzw. die Kl. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden (§ 101 Satz 2 FGO). Nur dann, wenn der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeengt ist, daß bloß eine Entscheidung eines ganz bestimmten Inhalts als ermessensgerecht in Betracht kommt (sogenannte Ermessensreduzierung auf null), kann das Gericht ausnahmsweise eine Verpflichtung zum Erlaß aussprechen.
Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, die gemäß § 227 AO erlassen werden können, zählen auch Nachforderungszinsen im Sinne des § 233 a AO (§§ 37 Abs. 1, 3 Abs. 3 AO).
Sachlich unbillig ist die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis vor allem dann, wenn sie im Einzelfall zwar den Wortlaut einer Vorschrift entspricht, aber nach dem Zweck des zugrundeliegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft. Bei der sachlichen Billigkeitsprüfung müssen grundsätzlich solche Erwägungen unbeachtet bleiben, die vom gesetzlichen Tatbestand typischerweise mit sich gebracht werden. Die Billigkeitsprüfung darf nicht dazu führen, die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes zu unterlaufen. Andererseits darf sich eine Billigkeitsprüfung nicht in Überlegungen zur richtigen Rechtsanwendung erschöpfen.
Insoweit ist im Rahmen des § 233 a AO folgendes zu beachten (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BStBl II 1997, 259 m.w.N.):
Führt die Festsetzung der Einkommensteuer zu einer Steuernachforderung oder Steuererstattung, ist diese zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen (§ 233 a Abs. 1 Satz 2 AO). Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233 a Abs. 2 Satz 1 AO); er endet mit der Fälligkeit der Steuernachforderung oder Steuererstattung, spätestens vier Jahre nach seinem Beginn (§ 233 a Abs. 2 Satz 3 AO). Das Gesetz sieht mithin von einer unbeschränkten Vollverzinsung ab; der Zinslauf beginnt erst nach der Karenzzeit des § 233 a Abs. 2 Satz 1 AO und ist auf vier Jahre begrenzt. Verspätet festgesetzte Vorauszahlungen werden nicht verzinst (§ 233 a Abs. 1 Satz 2 AO). Zweck der Vorschrift des § 233 a AO ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, daß die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden.
Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall gelangt das Gericht zu der Auffassung, daß der Ablehnungsbescheid des beklagten FA ... sowie die hierzu ergangene Beschwerdeentscheidung der OFD ... rechtswidrig sind.
Auch wenn die Festsetzung der Zinsen zur Einkommensteuer 1989 der Vorschrift des § 233 a AO entsprach, folgt hieraus nicht zugleich, daß es die Kl. im Erlaßverfahren nach Maßgabe des § 227 AO und damit unter Billigkeitsgesichtspunkten hinnehmen müssen, daß ein "zu früh" - nämlich in einem vor dem Streit Jahr liegenden Veranlagungszeitraum - erklärter und vom FA bei der entsprechenden Einkommensteuerfestsetzung übernommener (Veräußerungs-)Gewinn durch eine Gewinnverlagerung in das nachfolgende Streitjahr zur Entstehung von Nachzahlungszinsen führt, obwohl durch die vorzeitige Erklärung des (Veräußerungs-)Gewinns mit der hieran anschließenden höheren Einkommensteuerfestsetzung die Erlangung eines Liquiditätsvorteils ausgeschlossen war. Da im Streitfall zweifelsfrei feststeht, daß die Kl. durch die letztlich erst im folgenden Veranlagungszeitraum und Streit Jahr 1989 erfolgte Berücksichtigung des (Veräußerungs-)Gewinns im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung ... keinen (Liquiditäts-)Vorteil erlangt haben, darf durch die Verzinsung der sich aus der "verspäteten" Steuerfestsetzung ergebenden Steuernachforderung kein Vorteil ausgeglichen werden. Für den durch die Vorschrift des § 233 a AO bezweckten "Ausgleich" ist Insoweit kein Raum.
Denn dem Gesetz kann nicht entnommen werden, daß in Fällen einer von der ursprünglichen Steuerfestsetzung abweichenden zeitlich späteren Zuordnung eines Geschäftsvorfalls, die gleichzeitig zu einer Steuernachforderung und einer Steuererstattung führt, tatsächlich nicht vorhandene (weil nicht mögliche) Zinsvorteile abgeschöpft werden sollen. Insoweit ist es ohne Bedeutung, daß § 233 a AO nicht darauf abstellt, ob der Steuerschuldner infolge der verspäteten Steuerfestsetzung tatsächlich einen Zinsvorteil hatte, sondern mögliche Zinsvorteile ausgleichen will (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juli 1996 V R 18/95, a.a.O.).
Zwar sind die vorstehenden Grundsätze vom BFH im Zusammenhang mit der abweichenden zeitlichen Zuordnung eines Umsatzes im Rahmen der Umsatzsteuerfestsetzung aufgestellt worden. Das Gericht hält diese Grundsätze Jedoch auf die Verhältnisse der "Gewinnverlagerung" eines einzelnen Geschäftsvorfalls bei der Einkommensteuerfestsetzung für entsprechend anwendbar.
So hatten auch die Kl. dieses Klageverfahrens infolge der erst im Anschluß an eine Außenprüfung gegenüber der bisherigen erklärungsgemäßen Berücksichtigung erfolgten anderweitigen zeitlich späteren Zuordnung des (Veräußerungs-)Gewinns und damit verspäteten Festsetzung der zutreffenden Einkommensteuer für 1989 während der Zinslaufzeit des § 233 a AO keinen möglichen Zinsvorteil, da sie die auf den Geschäftsvorfall Veräußerung des ... Patents entfallende Einkommensteuer bereits im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für 1988 ... - beglichen hatten (vgl. diesbezüglichen Schriftverkehr Einkommensteuerakte 1988 sowie Umbuchung der Einkommensteuer-Erstattung 1988 auf Einkommensteuer 1989 laut Anrechnungsverfügung zum geänderten Einkommensteuerbescheid 1989 ...).
Daß - im Gegensatz zur Umsatzbesteuerung - die Änderung der zeitlichen Zuordnung eines Geschäftsvorfalls bei der Einkommensteuerfestsetzung grundsätzlich nicht aufkommensneutral ist, vermag zu keiner anderen rechtlichen Bewertung zu führen. Etwaige Abweichungen wirken sich vielmehr lediglich auf den Umfang eines möglichen Liquiditätsvorteils und damit nur der Höhe, nicht aber dem Grunde nach auf die zu erlassenden Zinsen im Sinne des § 233 a AO aus.
Auch der Umstand, daß der zeitliche Anwendungsbereich der Vorschrift des § 233 a AO lediglich solche Steueransprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erfaßt, die nach dem 31. Dezember 1988 entstehen (vgl. Art. 97 § 15 Abs. 4 EGAO), ändert vorliegend nichts an der sachlichen Unbilligkeit der Erhebung von Nachzahlungszinsen im Zusammenhang mit der geänderten Einkommensteuerfestsetzung für 1989. Wenn auch - bei ansonsten unveränderten Verhältnissen - die Kl. in den Genuß einer Zinszahlung durch das FA gemäß § 233 a AO gelangt wären, sofern sich der entsprechende Veräußerungsvorgang ein Jahr später und damit in den Veranlagungszeiträumen 1989 und 1990 abgespielt hätte, so beseitigte dies nicht die im Streitfall in der Festsetzung von Nachzahlungszinsen trotz fehlenden Liquiditätsvorteils auf Selten der Kl. liegende sachliche Unbilligkeit. Denn hinzunehmen sind insoweit lediglich die mit jeder Stichtagsregelung notwendigerweise verbundenen Härten - hier: keine Festsetzung von Zinsen zur Einkommensteuer 1988 zugunsten der Kl. -, nicht aber eine letztlich den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderlaufende Festsetzung bzw. Erhebung von Nachzahlungszinsen. Im übrigen ist auch im Rahmen des Erlaßverfahrens auf den verwirklichten und nicht einen hypothetischen Sachverhalt als Entscheidungsgrundlage abzustellen.
Schließlich sind die Voraussetzungen für einen Erlaß aus sachlichen Billigkeitsgründen gemäß § 227 AO gegeben, da die Finanzbehörden nicht berechtigt sind, Nachzahlungszinsen festzusetzen, wenn die gesamte Steuerschuld im Zeltpunkt der Festsetzung der Steuer bereits getilgt ist (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 1996 XI R 56/96, BFH/NV 1997, R. 102 m.w.N.).
Dem Einwand des FA, daß dieser Rechtsprechung mit Änderung des § 233 a Abs. 1 AO durch das Jahressteuergesetz 1997 die Grundlage entzogen worden sei, da nunmehr klarstellend ausdrücklich geregelt sei, daß der "Unterschiedsbetrag" (vorher: Steuernachforderung) zu verzinsen sei, und § 233 a AO in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1997 auf alle bei Inkrafttreten offenen Fälle anzuwenden sei, wird ausdrücklich nicht gefolgt. Zum einen kann eine im Gesetzestext nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck kommende Absicht des Gesetzgebers (vgl. hierzu das vorbezeichnete BFH-Urteil unter Punkt 1. m.w.N.) nicht rückwirkend durch eine Änderung des Gesetzeswortlauts beseitigt werden. Zum anderen hätte selbst dies keine Auswirkung auf den Streitfall, da die entsprechende Gesetzesänderung die insoweit im Billigkeitsverfahren anzustellenden Erwägungen nicht entscheidend berührt.
2. Das beklagte FA ist zu verpflichten, den begehrten Erlaß vorzunehmen. Denn die Besonderheiten des Streitfalles - keine Erlangung eines Liquiditätsvorteils durch die verspätete zutreffende Festsetzung der Einkommensteuer 1989 auf seiten der Kl.; lediglich buchtechnisch geänderte Zuordnung (nach 1989 statt 1988) bereits geleisteter Zahlungen ohne erneuten Zahlungsfluß - bewirken eine Ermessensreduzierung auf null in dem Sinne, daß die entsprechenden Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1989 aus Gründen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen sind. Jede andere Entscheidung beinhaltete einen Ermessensfehler.
3.
Die Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1989 sind vom FA in Höhe von ... DM zu erlassen. Wegen der Berechnung dieses Betrages - gegen die das beklagte FA keinerlei Einwände erhoben hat - wird auf Bl 6 f. des Erlaßhefters der Kl. Bezug genommen.
4.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen.
5.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozeßordnung (ZPO).
Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren folgt aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Gegen dieses Urteil ist die Revision zugelassen worden.