Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.08.1997, Az.: VI 622/93

Widerruf der Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft; Verlust des Bestandschutzes als Gesellschaft wegen Veränderung des Gesellschafterbestands

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
19.08.1997
Aktenzeichen
VI 622/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 17875
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:0819.VI622.93.0A

Fundstellen

  • NWB DokSt 1999, 217
  • StB 1998, 112-113

Verfahrensgegenstand

Anfechtung des Widerrufes der Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft

In dem Rechtsstreit
hat der VI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 19. August 1997,
an der mitgewirkt haben:
Richterin am Finanzgericht ... als Vorsitzende
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter...
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Widerrufsbescheid des Nieder sächsischen Finanzministeriums (Az. ...) vom 10. Dezember 1993 wird aufgehoben.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der Kosten abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Anerkennung der Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft streitig.

2

Die mit notariellem Vertrag vom 28. April 1986 in der Rechtsform einer GmbH gegründete Klägerin wurde durch Urkunde vom 24. November 1986 als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt. Gründungsgesellschafter waren die L. Treuhandgesellschaft mbH Steuerberatungsgesellschaft mit einem Anteil von 35.000 DM und der Steuerberater S. mit einem Anteil von 15.000 DM. Zum Geschäftsführer der Klägerin wurde der Gesellschafter S. bestellt. Mit Schreiben vom 5. Juni 1989 hat die Klägerin der Steuerberaterkammer Niedersachsen angezeigt, daß die Anteile an der Klägerin nunmehr vollständig von der L. Treuhandgesellschaft mbH Steuerberatungsgesellschaft gehalten werden.

3

Mit notariellen Vertrag vom 31. Dezember 1990 veräußerte die Gesellschafterin der Klägerin ihre Gesellschaftsanteile an die am selben Tag durch notariellen Gesellschaftsvertrag gegründete B. Verwaltungsgesellschaft ... mbH (B.), dessen alleinige Gesellschafterin ebenfalls die L. Treuhandgesellschaft mbH Steuerberatungsgesellschaft ist. Durch notariell beurkundete Gesellschafterversammlung vom 6. Februar 1991 wurde die Firma der Käuferin in B. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH geändert. Die GmbH ist aufgrund ihres Antrages auf Eintragung vom 14. Januar 1991 am 14. März 1991 ins Handelsregister eingetragen worden.

4

Am 4. Januar 1993 wurde der Geschäftsführer der Klägerin abberufen und Steuerberater Z. zum neuen Geschäftsführer bestellt. Dieser ist am 29. Juli 1993 abberufen und durch die Bestellung des Steuerberaters F. zum Geschäftsführer der Klägerin ersetzt worden.

5

Mit Bescheid vom 12. Oktober 1993 widerruf das Niedersächsische Finanzministerium die Anerkennung der Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft, weil sich der Bestand der Gesellschafter nach dem 31. Dezember 1990 durch Rechtsgeschäft verändert habe und der Anteil nicht auf einen Gesellschafter übergegangen sei, der die Voraussetzungen des § 50 a Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Satz 2 Steuerberatungsgesetz (StBerG) erfülle.

6

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung des Widerrufsbescheides. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor, zwar handele es sich bei der neuen Gesellschafterin der Klägerin nicht um eine Steuerberatungsgesellschaft gemäß § 50 a StBerG. Jedoch sei die Übertragung vor dem 1. Januar 1991 erfolgt, so daß die Voraussetzungen des § 155 Abs. 4 Satz 4 StBerG nicht vorlägen. Mit Abschluß den notariellen Gesellschaftsvertrages sei die neue Gesellschafterin als Vor GmbH entstanden, die bereits rechtsfähig sei. Mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister entstehe die GmbH. Die Rechte, Pflichten und Vermögenswerte der Vorgesellschaft gingen ohne weiteren Rechtsakt auf die GmbH über. Folglich liege zwischen der Vor GmbH und der GmbH Personenidentität vor.

7

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Niedersächsischen Finanzministeriums (Az.: ...) vom 10. Dezember 1993 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Er ist der Ansicht, daß die Veräußerungsbeschränkung für Anteilsbesitz gemäß § 155 Abs. 4 Satz 4 StBerG wegen der damit beabsichtigten Kapitalbindung dahingehend auszulegen seien, daß sich bis zum Ablauf des Jahres 1990 der Gesellschafterwechsel vollständig vollzogen haben müsse. Dies sei mit der Übertragung auf die Vorgesellschaft nicht geschehen, da die GmbH erst mit Eintragung in das Handelsregister entstehe. Die Eintragung der B. sei erst im Jahre 1991 erfolgt, wobei der Eintragungsantrag erst am 14. Januar 1991 gestellt worden sei.

10

Entgegen der Ansicht der Klägerin liege zwischen Vorgesellschaft und GmbH keine Personenidentität vor. Vielmehr sei die Vorgesellschaft eine Personenvereinigung eigener Art (Baumbach-Hueck, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 16. Aufl. 1996, § 11 Rdnr. 6). Mit der Eintragung der GmbH ins Handelsregister ende die Vorgesellschaft, während die GmbH neu entstehe. Dabei bedürfe es zwar keiner besonderen Übertragung des Aktivvermögens. Dieses gehe jedoch im Wege der Gesamtrechtsnachfolge von der Vorgesellschaft auf die neu entstandene GmbH über. Hieraus sei zu folgern, daß es zwischen Vorgesellschaft und GmbH zu einer Übertragung komme.

11

Die beigeladene Steuerberaterkammer hat sich nicht geäußert.

12

Durch Kabinettsbeschluß vom 27. Februar 1996 ist die Oberfinanzdirektion Hannover für Angelegenheiten der Steuerberatungsgesellschaften zuständig geworden.

13

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage ist begründet.

15

Der Widerrufsbescheid des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 10. November 1993 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

16

Die Klägerin genießt Bestandsschutz gemäß § 155 Abs. 4 Satz 1 StBerG in der Fassung des 5. Steuerberatungsänderungsgesetzes vom 13. Dezember 1990 (Bundesgesetzblatt I, 2756), da sie durch Urkunde vom 24. November 1986 und damit bereits an dem maßgebenden Stichtag (16. Juni 1989) anerkannt war.

17

Die Klägerin hat den Bestandsschutz auch nicht nach § 155 Abs. 4 Satz 4 StBerG verloren. Zwar erfüllt der neue Gesellschafter die Voraussetzungen des § 50 a Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Satz 2 StBerG nicht, wonach ausschließlich Steuerberater und ähnliche Personen (Berufsträger) bzw. Stiftungen und eingetragene Vereine, die ausschließlich der Altersversorgung der Berufsträger im Sinne des Abs. 1 Nr. 1 dienen, Gesellschafter einer Steuerberatungsgesellschaft sein können.

18

Der Bestand der Gesellschafter hat sich jedoch nicht nach dem 31. Dezember 1990 durchs Rechtsgeschäft oder Erbfall verändert. Gemäß § 155 Abs. 4 Satz 4 StBerG entfällt der Bestandsschutz des Satzes 1, wenn sich nach dem 31. Dezember 1990 der Bestand der Gesellschafter oder das Verhältnis ihrer Beteiligung oder Stimmrechte durch Rechtsgeschäft oder Erbfall verändert und der Anteil oder das Stimmrecht auf eine berufsfremde Person übergeht. Ziel des Gesetzes ist, daß Anteile an Steuerberatungsgesellschaften nach dem Stichtag (31. Dezember 1990), nur an Personen veräußert werden, die sich nach § 50 a StBerG an einer Steuerberatungsgesellschaft beteiligen können. Dabei stellt die Vorschrift erkennbar darauf ab, daß sich die Veränderung der bürgerlich-rechtlichen Eigentumsverhältnisse nach dem 31. Dezember 1990 vollzieht (BFH-Urteil vom 29. April 1997 VII R 44/96, nicht veröffentlicht).

19

Die rechtsgeschäftliche Übertragung der Gesellschaftsanteile der Klägerin erfolgte durch notariellen Kauf- und Abtretungsvertrag vom 31. Dezember 1990 gemäß § 15 Abs. 3 GmbH-Gesetz. Hierdurch erwarb die B. noch am 31. Dezember 1990 rechtswirksam die Anteile an der Klägerin, so daß der Übertragungsakt rechtlich vollständig im Jahre 1990 abgeschlossen war.

20

Dem steht nicht entgegen, daß für die B. weder der Antrag zur Eintragung in das Handelsregister gestellt noch die Eintragung selbst erfolgt war, so daß die GmbH als juristische Person noch nicht entstanden ist (§ 11 Abs. 1 GmbH-Gesetz).

21

Bei Abschluß des Abtretungsvertrages war die B. als sog. Vorgesellschaft entstanden, da die Gesellschaft der vorgenannten GmbH den Gesellschaftsvertrag in notarieller Form abgeschlossen hatten (vgl. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 1016). Mit der Errichtung der GmbH als sog. Vorgesellschaft konnte sie Träger von Rechten und Pflichten sein (vgl. BGH-Urteil vom 2. Mai 1966, II ZR 219/63, BGHZ 45, 338, 348) und im Rechtsverkehr wirksam auftreten (Karsten Schmidt, a.a.O., S. 1018 m.w.N.).

22

Dementsprechend erwarb die Vorgesellschaft am 31. Dezember 1990 und damit vor Ablauf des maßgebenden Stichtages die Anteile an der Klägerin. Entgegen der Auffassung des Beklagten verwirklichte sich der Wechsel im Gesellschafterbestand bereits zu diesem Zeitpunkt und nicht erst mit Entstehung der B. als juristischer Person im März 1991. Denn die durch die Vorgesellschaft erworbenen Anteile an der Klägerin gehen automatisch mit Eintragung auf die GmbH über. Eine Übertragung durch Rechtsgeschäft, Erbfall oder Gesamtrechtsnachfolge liegt insoweit nicht vor.

23

Der anfängliche Streit (vgl. hierzu Karsten Schmidt, a.a.O., S. 310) über die Form des Übergangs von Rechten und Pflichten der Vor GmbH auf die eingetragene Gesellschaft ist durch die Rechtsprechung im Sinne einer vollständigen Kontinuität zwischen Vor GmbH und eingetragener Gesellschaft gelöst worden. So hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 9. März 1981, II ZR 54/80, (BGHZ 80, 129) entschieden, daß eine Vorgesellschaft durch Geschäfte, die ihr Geschäftsführer mit Ermächtigung aller Gesellschafter im Namen der Gesellschaft abschließt, verpflichtet wird. Die Rechte und Pflichten aus solchen Geschäften gehen mit der Eintragung der GmbH voll auf diese über. Die hierdurch anerkannte Identität zwischen Vorgesellschaft und GmbH bedeutet, daß die juristische Person nicht Rechtsnachfolgerin der Vorgesellschaft ist. Vielmehr ist die in Gründung begriffene juristische Person als Rechtsträger schon mit der Errichtung vorhanden und wechselt durch die Eintragung nur ihren Status (vgl. Karsten Schmidt, GmbH-Rundschau 1987, 85).

24

Für den Streitfall bedeutet dies, daß mit der rechtsgeschäftlichen Übertragung am 31. Dezember 1990 kein weiterer Wechsel der Rechtszuständigkeit stattgefunden hat, so daß die Voraussetzungen des § 155 Abs. 4 Satz 4 StBerG nicht vorliegen. Würde man hingegen wie der Beklagte auf die Entstehung der GmbH als juristische Person, also die Eintragung ins Handelsregister abstellen, käme dies einer Leugnung der von der Rechtsprechung anerkannten Identität zwischen Vorgesellschaft und GmbH gleich. § 155 Abs. 4 Satz 4 StBerG läßt sich eine derartig weitgehende Einschränkung des Bestandsschutzes nicht entnehmen.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung.

26

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.