Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.08.1997, Az.: VII 488/96
Abzugsfähigkeit von Renovierungsaufwendungen als Vorkosten im Sinne des § 10 e Abs. 6 Einkommensteuergesetz (EStG); Erfüllung des Merkmals des "unmittelbaren Zusammenhangs" von Vorkosten mit der Anschaffung eines Objekts; Ausschluss der Abzugsfähigkeit bei Fremdvermietung des Objekts an dessen Voreigentümer
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 12.08.1997
- Aktenzeichen
- VII 488/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 16213
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:0812.VII488.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 10 e Abs. 6 EStG
- § 10 Abs. 1 EStG
Fundstelle
- NWB DokSt 1998, 348
Verfahrensgegenstand
Renovierungsaufwendungen als Vorkosten
Einkommensteuer 1994
In dem Rechtsstreit
hat der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
ohne mündliche Verhandlung
am 12. August 1997
fürRecht erkannt:
Tenor:
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1994 vom ... und des dazu ergangenen Einspruchsbescheids vom ... wird die Einkommensteuer auf ... DM herabgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der den Klägern zu erstattenden Kosten abwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Streitig ist der Abzug von Renovierungsaufwendungen als Vorkosten i.S.d. § 10 e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die Kl. sind Eheleute, die für das Streitjahr 1994 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Durch notariellen Kaufvertrag vom 2. November 1992 erwarben sie von dem Kaufmann H. K. das Erbbaurecht an dem mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück ... in B.
Der Besitz des Kaufgegenstandes sowie die mit ihm verbundenen Rechte und Nutzungen und die auf ihm haftenden oder mit ihm verbundenenöffentlichen Lasten und Abgaben gingen zum 1. Dezember 1992 auf die Kl. über. Aufgrund eines mündlich geschlossenen Mietvertrages wurde das Haus bis Ende Juli 1993 von dem bisherigen Eigentümer weiter bewohnt. Nach einer von diesen am 4. Mai 1996 unterzeichneten schriftlichen Erklärung (Bl. 44 der Einkommensteuerakte 1994 zu Steuer-Nr. ...) hatte dies seinen Grund darin, daß der von ihm errichtete Neubau im Zeitpunkt der Besitzübergabe noch nicht fertiggestellt war. Aus der von ihm abgegebenen Erklärung ergibt sich weiter, daß nach den mit den Kl. getroffenen Vereinbarungen bis zu seinem Auszug keine größeren Renovierungsarbeiten an dem Haus durchgeführt werden sollten.
In der Zeit zwischen Januar und September 1994 ließen die Kl. mit einem Kostenaufwand von ... DM verschiedene Renovierungsarbeiten an dem Haus durchführen. Im einzelnen setzt sich dieser Betrag wie folgt zusammen:
Diese Aufwendungen machten die Kläger, die das Haus seit dem 28. Dezember 1994 zu eigenen Wohnzwecken nutzen, in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als Vorkosten i.S.d.§ 10 e Abs. 6 EStG geltend. Durch Bescheid vom ... ließ der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die Renovierungskosten nicht zum Abzug zu. Unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Juni 1994 IX R 62/91 (BFH/NV 1995, 108) vertrat er die Ansicht, daß es insoweit an einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Anschaffung des Objekts fehle.
Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage. Die Kl. machen geltend, daß der Begriff der "Unmittelbarkeit" in § 10 e Abs. 6 EStG zweckgebunden zu verstehen sei. Die Reparaturmaßnahmen müßten gedanklich mit der Anschaffung in Verbindung stehen. Diese Voraussetzung sei im Streitfall erfüllt. Sie - die Kl. - hätten bereits im Zeitpunkt des Erwerbs die Absicht gehabt, die später durchgeführten Renovierungsmaßnahmen vorzunehmen. Die Verwirklichung dieser Absicht habe sich aber zum einen dadurch verzögert, daß der Veräußerer das Gebäude zunächst weiterbewohnt habe. Zum anderen sei der Ehemann als Forstbeamter verpflichtet gewesen, eine vom Dienstherrn bereitgestellte Dienstwohnung zu nutzen. Von dieser Residenzpflicht sei er erst zum 1. September 1995 entbunden worden.
Die Kl. beantragen sinngemäß,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1994 vom ... und des dazu ergangenen Einspruchsbescheids vom ... Aufwendungen in Höhe von ... DM wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an der Auffassung fest, daß es im Streitfall an dem in § 10 e Abs. 6 EStG vorausgesetzten unmittelbaren Zusammenhang der geltend gemachten Aufwendungen mit der Anschaffung der Wohnung fehle. Nach der Rechtsprechung des BFH sei dieses Tatbestandsmerkmal im Fall von Renovierungskosten nur erfüllt, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Anschaffung und der Entstehung der Aufwendungen bestehe. Nach dem Urteil vom 21. Mai 1992 X R 61/91 (BStBl II 1992, 944, 946) sei ein solcher enger Zusammenhang jedenfalls bei Aufwendungen, die erst eineinhalb Jahre nach dem Erwerb erfolgten, nicht mehr gegeben. Im Streitfall seien zwischen dem Abschluß des notariellen Kaufvertrages am 2. November 1992 und dem Beginn der Selbstnutzung am 28. Dezember 1994 sogar mehr als zwei Jahre verstrichen. Im übrigen hätten die Kl. auch nach der Räumung des Hauses durch die früheren Eigentümer nicht sofort mit der Durchführung der Renovierungsarbeiten begonnen.
Mit Schriftsätzen vom 20. September 1996 (Bl., 3 der Gerichtsakte) und vom 9. Oktober 1996 (Bl. 9 der Gerichtsakte) haben die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Die Aufwendungen der Kl. für die Renovierung der von ihnen selbst genutzten Wohnung sind als Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbar.
Nach dieser Vorschrift können Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung i.S.d. § 10 Abs. 1 EStG zu eigenen Wohnzwecken entstehen, wie Sonderausgaben abgezogen werden, wenn sie unmittelbar mit der Herstellung oder Anschaffung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung oder der Anschaffung des dazugehörenden Grund und Bodens zusammenhängen, nicht zu den Herstellungskosten oder Anschaffungskosten der Wohnung oder zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehören und im Fall der Vermietung oder Verpachtung der Wohnung als Werbungskosten abgezogen werden könnten. Aufwendungen in diesem Sinne können auch Erhaltungsaufwendungen sein (ständige Rechtsprechung des BFH: grundlegend Urteil vom 11. März 1992 X R 113/89, BStBl II 1992, 886). Das Merkmal des unmittelbaren Zusammenhangs mit der Anschaffung ist erfüllt, wenn der Steuerpflichtige im Anschluß an den Erwerb die Wohnung instandgesetzt. Erforderlich, aber auch ausreichend ist hiernach ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang. Daran fehlt es, wenn Erhaltungsaufwand erst nach langjähriger Vermietung oder Nutzung durch den Verkäufer aufgrund eines lebenslangen Wohnrechts anfällt (BFH, Beschlüsse vom 13. Dezember 1995 X R 98/92, BFH/NV 1996, 401, und vom 1. Februar 1996 X B 84/95, BFH/NV 1996, 472, sowie Urteil vom 7. November 1995 IX R 81/93, BFH/NV 1996, 533, jeweils mit weiteren Nachweisen). Schädlich ist hiernach jedenfalls, wenn die Dauer der Fremdvermietung einen Zeitraum von vier oder gar sechs Jahren (so die Sachverhalte der Entscheidungen in BFH/NV 1996, 533 und BFH/NV 1996, 401)überschreitet. Nach dem - nicht rechtskräftigen - Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 23. Mai 1996 X K 1840/93 (EFG 1997, 221) soll der unmittelbare Zusammenhang der Vorkosten mit der Anschaffung des Objekts sogar schon dann ausgeschlossen sein, wenn das Objekt zwischen Anschaffung und Eigennutzung über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr an die Voreigentümer vermietet wird. Andererseits sind nach Beendigung einer Vermietung und vor der erstmaligen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken entstandene Reparaturaufwendungen nach der Auffassung der Finanzverwaltung abzugsfähig, wenn der Steuerpflichtige eine vermietete Wohnung gekauft und sich im Interesse der Eigennutzung umgehend um die Beendigung des Mietverhältnisses bemüht hat (Tz. 96 Satz 2 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 31. Dezember 1994 IV B 3 - S 2225 a - 294/94, BStBl I 1994, 887).
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt im Streitfall keine schädliche Vermietung an die Voreigentümer vor. Entgegen der von dem FA vertretenen Auffassung haben die Kl. das Objekt nicht bereits mit Abschluß des notariellen Kaufvertrages - d.h. zum 2. November 1992 -, sondern zum 1. Dezember 1992 erworben. Denn erst zu diesem Zeitpunkt haben sie - durch Übergang des Besitzes sowie der mit dem Grundbesitz verbundenen Rechte und Nutzungen und der damit verbundenen Lasten - das wirtschaftliche Eigentum an dem Gebäude erworben (vgl. zum Zeitpunkt der Anschaffung Tz. 18 des BMF-Schreibens vom 31. Dezember 1994). Damit beschränkte sich die Überlassung des Hauses an die Voreigentümer auf einen Zeitraum von acht Monaten. Es kommt hinzu, daß die weitere Nutzung durch die Veräußerer nach den dem Abschluß des mündlichen Mietvertrages zugrundeliegenden Vorstellungen der Beteiligten von vornherein nur vorübergehenden Charakter hatte. Denn sie diente ausschließlich dem Zweck, die Zeit bis zur Bezugsfertigkeit des von den Voreigentümern neu zu beziehenden Hauses zuüberbrücken.
Auch der Hinweis des FA auf das Urteil des BFH vom 21. Mai 1992 X R 61/91 (BStBl II 1992, 944) ist nicht geeignet, zu einer anderen Beurteilung des Streitfalls zu führen. In dieser Entscheidung geht der BFH zwar davon aus, daß die Unmittelbarkeit des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Anschaffung und Erhaltungsaufwendungen - unabhängig von Tatsache und Dauer einer zwischenzeitlichen Nutzungsüberlassung an Dritte - nicht mehr gewahrt ist, wenn zwischen der Anschaffung und der Entstehung der Aufwendungen ein Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren liegt. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt unterscheidet sich vom Streitfall aber dadurch, daß die streitigen Aufwendungen nicht nach, sondern vor der Anschaffung des Objekts erfolgt waren. Die Kl. dieses Verfahrens hatte - ohne Erlangung rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums an dem Gebäude - ein Haus auf dem Grundstück ihrer Mutter errichtet und erst 18 Monate später durch den Erwerb des Grundstücks auch das Eigentum an dem Gebäude erlangt. Für diesen Fall ergab sich die Nichtabzugsfähigkeit der von der Kl. geltend gemachten Erhaltungsaufwendungen als Vorkosten i.S.d. § 10 e Abs. 6 EStG schon daraus, daß die Aufwendungen nicht mit der Anschaffung der eigenen, sondern mit der Herstellung der fremden Wohnung zusammenhingen (so auch die tragende Begründung unter Nr. 3 der Entscheidungsgründe des BFH-Urteils, a.a.O., S. 946).
Im übrigen hätte die Klage auch unter Zugrundelegung der in dem BFH-Urteil in BStBl II 1992, 944 genannten Zeitgrenze von eineinhalb Jahren weit überwiegend Erfolg. Denn abgesehen von einem Teilbetrag von ... DM sind die streitigen Aufwendungen bis spätestens Anfang Mai 1994 und damit innerhalb eines Zeitraumes von 17 Monaten seit Anschaffung des Objekts entstanden.
Hiernach ändert sich die Steuerfestsetzung wie folgt:
Auf diesen Betrag war die Steuer herabzusetzen (§ 100 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO, die sonstigen Nebenentscheidungen beruhen auf den§§ 708 Nr. 10 und 711 der Zivilprozeßordnung i.V.m.§ 151 Abs. 1 und 3 FGO.