Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 31.07.2008, Az.: 9 T 521/08

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
31.07.2008
Aktenzeichen
9 T 521/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 44224
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2008:0731.9T521.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Lingen - 18.08.2006 - AZ: 6 II 579/06
AG Lingen - 18.08.2006 - AZ: 6 II 580/06
AG Lingen - 18.08.2006 - AZ: 6 II 582/06
AG Lingen - 02.05.2006 - AZ: 6 II 583/06
AG Lingen - 02.05.2006 - AZ: 6 II 584/06

Fundstelle

  • JurBüro 2008, 600-601 (Volltext mit red. LS)

In der Beschwerdesache

...

hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück am 31.07.2008 durch den Richter Janssen als Einzelrichter beschlossen:

Tenor:

  1. 1.)

    Die Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse des Amtsgerichts Lingen vom 02.05.2006 - zu den Az. 6 II B 583/06 und 6 II B 584/06 - und vom  18.08.2006 - zu den Az. 6 II B 579/06, 6 II B 580/06 und 6 II B 582/06 werden aufgehoben und die Vergütung für den Antragstellervertreter insgesamt auf 97,44 € festgesetzt.

  2. 2.)

    Das Verfahren ist gebührenfrei.

  3. 3.)

    Kosten werden nicht erstattet.

  4. 4.)

    Der Beschwerdewert wird auf 389,76 € festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin beantragte mit Schreiben vom 23.3.06 in fünf Fällen die Gewährung von Beratungshilfe wegen Widersprüche gegen Bescheide wegen Angelegenheiten gegen den Landkreis Emsland, der Kosten für die Antragstellerin übernehmen sollte. Es ging insbesondere um die Übernahme von Kosten einer Waschmaschine, einer privaten Haftpflichtversicherung, der Schonsteinfegerkosten, der Nebenkosten und der Schulbücher.

2

Mit den angegriffenen Vergütungsfestsetzungsbeschlüssen vom 2.5.06 und 18.8.06 wurde der Antragstellerin jeweils einzeln die beantragte Beratungshilfe gewährt. Diese fünf Beschlüsse werden in der Erinnerung vom 09.11.07 gem. § 56 RVG angegriffen, soweit mehr als 97,44 € festgesetzt wurden. Die Erinnerung wird dann mit Beschluss vom 08.05.08 durch den Direktor des AG Lingen zurückgewiesen, wogegen sich die Beschwerde vom 21.05.08 wendet, die am 20.06.08 begründet wurde.

3

Die Bezirksrevisorin vertritt dabei die Ansicht, dass es sich bei dem Beratungshilfeverfahren um eine Angelegenheit gehandelt habe, so dass auch nur eine einfache Vergütung zugesprochen werden könne.

4

II.

Die Beschwerde ist zulässig und in der Sache begründet.

5

Der Beschwerdewert von mehr als 200,00 € ist erreicht. Zwar handelt es sich um fünf einzelne Vergütungsfestsetzungsverfahren, die jeweils nicht den Beschwerdewert erreichen. Letztendlich ist aber nicht auf das einzelne Beratungshilfeverfahren abzustellen, sondern auf die im Rahmen der Begründetheit zu klärende Frage, ob hier eine einheitliche Angelegenheit vorliegt, oder für jedes Schreiben gesondert eine Vergütung festgesetzt werden kann. Daher ist auch ein einheitlicher Beschluss des Direktors am AG Lingen bezüglich der Erinnerung gefasst worden. Insofern ist der Wert insgesamt zusammenzurechnen, so dass der Beschwerdewert überschritten ist.

6

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Lingen ist die Beschwerde auch nicht deshalb unzulässig, weil gegen die Bewilligung von Beratungshilfe ein Rechtsmittel gemäß § 6 Abs. 2 BerHG nicht gegeben ist. In der Sache geht es hier nicht um die Frage, ob für jedes einzelne Schreiben die Beratungshilfe zu gewähren war. Vielmehr geht es - wie ausgeführt - darum, ob die Verfahren im Rahmen der Abrechnung als eine Angelegenheit zu betrachten sind oder nicht. Es handelt sich folglich um eine Erinnerung bzw. Beschwerde seitens der Staatskasse im Verfahren gemäß § 56 RVG. Soweit das AG Lingen die Ansicht vertritt, das Verfahren richte sich letztlich gegen die Berechtigung der Ausstellung der fünf Berechtigungsscheine, geht diese Auffassung fehl. Es wird nicht die Richtigkeit dieser Bescheinigungen angegriffen, sondern die Behandlung als fünf selbständige Angelegenheiten. Der Umstand, dass in einem Verfahren nachträglich die Beratungshilfe gewährt worden ist und die Gebühren festgesetzt worden ist, ändert daran nichts, da nur die letztere Berechnung Gegenstand der Beschwerde ist.

7

Unzutreffend sind die Rechtspflegerin und der Direktor des Amtsgerichts auch davon ausgegangen, dass die von den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers aufgesetzten Schreiben als mehrere Angelegenheiten aufzufassen sind. Es handelt sich vielmehr im vorliegenden Fall um dieselben Angelegenheiten i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG, so dass die Gebühr nur einmal gefordert werden kann.

8

Der Unterzeichner schließt sich dabei nach Beratung innerhalb der Kammer, der derzeit auch noch weitere Beschwerden vorliegen, die sich zu dieser Frage verhalten, der in der überwiegenden Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung an, wonach gemäß § 2 Abs. 2 BerHG Beratungshilfe in "Angelegenheiten" verschiedener Rechtsgebiete zu gewähren ist. Problematisch ist, dass eine nähere Bestimmung dieses Begriffes sich weder im Beratungshilfegesetz noch im § 15 Abs. 2 RVG findet. In der zuletzt genannten Vorschrift ist lediglich geregelt, dass die Gebühren in "derselben Angelegenheit" nur einmal entstehen, in mehreren Angelegenheiten dagegen mehrfach. Abzugrenzen ist folglich der Begriff "Angelegenheit" vom engeren Begriff des Gegenstandes, der sich auf das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezieht. Die Annahme einer einheitlichen Angelegenheit steht dabei die Anzahl von erteilten bzw. gleichzeitig mit dem Festsetzungsantrag nachträglich gewährter Berechtigungsscheine nicht entgegen (vgl. insoweit schon LG Münster, Beschluss vom 05.01.2000, RPfl 2000, 281). Die Ausstellung von mehreren Beratungshilfescheinen kommt nämlich keine Bindung in dem Sinne zu, dass im Verfahren der Festsetzung der Vergütung die Frage, ob eine oder mehrere Angelegenheiten vorlagen, nicht mehr geprüft werden könnte (LG Dortmund, Beschluss vom 10.07.1984, JurB 85, 101; Beschluss vom 30.10.1984, JurB 85, 1034; LG Münster, Beschluss vom 28.09.1989, JurB 1990, 333).

9

Die Frage, ob es sich um eine einheitliche Angelegenheit handelt, ist dabei unter anderem von folgenden Kriterien abhängig:

  • Gleichzeitiger Auftrag

  • Gleichartiges Verfahren

  • Innerer Zusammenhang der Beratungsgegenstände.

10

Die Gleichartigkeit des Verfahrens ist als Gleichartigkeit des außergerichtlichen Verfahrens anzusehen, nicht als hypothetische Gleichartigkeit eines gerichtlichen Verfahrens. Der innere Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die Beratungs-gegenstände einem einheitlichen Lebenssachverhalt entspringen (vgl. insoweit

11

LG Flensburg, Beschluss vom 07.06.2007, 5 T 67/02.

12

Die geltend gemachten Ansprüche der Antragstellerin stellen eine einheitliche Angelegenheit dar. Denn die Ansprüche beruhen auf einem im Wesentlichen gleichen Lebenssachverhalt und wurden in einem engen zeitlichen Zusammenhang geltend gemacht. Zu Recht wird in der Erinnerung darauf hingewiesen, dass die Verfahren Gegenstände betrafen, die aus der sozialen Situation des Betroffenen hervorgingen, letztlich ging es um Hilfe für den Lebensunterhalt im weiteren Sinne. Die Tätigkeit war damit gleichartig. Sie richtete sich jeweils gegen denselben Träger und die Beratungshilfeanträge datieren im übrigen alle vom 23.3.2006, was zumindest als weiteres Indiz für die Einheitlichkeit der Angelegenheit zu werten ist.

13

Im Übrigen wird vollumfänglich auf die überzeugende Erinnerungsbegründung und auf die ausführliche Beschwerdebegründung hingewiesen, auf die ausdrücklich zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.

14

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

Janssen