Landgericht Osnabrück
Urt. v. 13.02.2008, Az.: 2 S 246/07

Höhe des Karosserieschadens bei einem Schadensersatzanspruch wegen Verkehrsunfalls; Abrechnung des Stundensatzes einer markengebundenen Fachwerkstatt; Schadensminderungspflicht und zumutbare wirtschaftliche Schadensbehebung; Schadensberechnung auf Grundlage eines eingeholten Sachverständigengutachtens; Nachweis einer gleichwertigen Reparaturmöglichkeit zu einem günstigeren Preis

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
13.02.2008
Aktenzeichen
2 S 246/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 37278
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2008:0213.2S246.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Meppen - 19.04.2007 - AZ: 8 C 68/07

Fundstelle

  • SVR 2008, 306 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)

In dem Rechtsstreit
...
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Schneider,
die Richterin am Landgericht Kirchhoff und
die Richterin am Landgericht Lichte
auf die mündliche Verhandlung vom 23.01.2008
fürRecht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen wird das Urteil des Amtsgerichts Meppen vom 19.04.2007 (8 C 68/07) aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagten werden als Gesamtschuldner dazu verurteilt, an den Kläger 3,48 ? nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.10.2006 zu zahlen.

    Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betragen abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Gegner zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

  4. 4.

    Die Revision wird zugelassen.

Gründe

1

Die zulässige Berufung gegen die angefochtene Entscheidung ist der Sache nach begründet.

2

Wegen der Feststellungen im Tatsächlichen wird zunächst auf den Tatbestand der amtsgerichtlichen Entscheidung verwiesen.

3

Sachlich besteht ein weiterer Anspruch des Klägers auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 3,48 ? gemäß §§17, 18 StVG, im Hinblick auf die Beklagte zu 2) i.V.m. §3 PflVG, jeweils i.V.m. §249 ff. BGB. Der Geschädigte, der entstandene Reparaturkosten fiktiv auf Gutachtenbasis abrechnet, kann nicht generell die Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt veranschlagen. Vielmehr muss er sich auf eine Reparaturmöglichkeit in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt verweisen lassen, sofern diese eine für ihn gleichwertige und ohne weiteres zugängliche und günstigere Alternative darstellt. Dies ist bei der Fa. ... grundsätzlich der Fall, wovon sich das Gericht nach Durchführung der Beweisaufnahme überzeugt hat.

4

Im einzelnen gilt folgendes:

5

Gemäss §249 BGB ist der Geschädigte bei voller Haftung der Beklagten grundsätzlich so zu stellen, wie wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, wobei sich der Schadensersatzanspruch gemäß §249 Abs. 2 Satz 1 BGB bei einer fiktiven Abrechnung auf den für die Herstellung dieses Zustands erforderlichen Geldbetrag beschränkt. Dabei ist der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, den im Rahmen des ihm Zumutbaren wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (BGH NJW 1992, 305 [BGH 15.10.1991 - VI ZR 67/91]; BGH NJW 1996, 1958 [BGH 07.05.1996 - VI ZR 138/95]). Anerkannt ist, dass es hierfür im allgemeinen genügt, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern dieses Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters aus gerecht zu werden (BGH NJW 1992, 903 [BGH 21.01.1992 - VI ZR 142/91]). Bei der Beurteilung der Höhe der vom Schädiger zu erstattenden Kosten ist deshalb das Integritätsinteresse des Geschädigten dem Prinzip des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots gegenüber zu stellen. Deshalb muss sich der Geschädigte, der mühelos eine ohne Weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, jedenfalls dann auf diese verweisen lassen, wenn ihm konkret die Alternative einer technisch einwandfreien und für ihn zumutbaren Reparatur dargelegt wird (BGH NJW 2003, 2086 ff. [BGH 29.04.2003 - VI ZR 398/02]). Diesen Anforderungen genügt das Kurzgutachten vom 29.11.2006 (Bl. 64 f.). Dort haben die Beklagten den Kläger, der seinen Schaden auf der Grundlage des Gutachtens des TÜV Nord vom 18.09.2006 beziffert hatte, darauf verwiesen, er könne die erforderliche Reparatur in der lediglich 8,65 km entfernt liegenden, nicht markengebundenen Werkstatt ... zu einem günstigeren Preis und insbesondere unter Zugrundlegung niedrigerer Stundensätze durchführen lassen und vor diesem Hintergrund den zu erstattenden Schadensersatzbetrag gekürzt.

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Sie haben insbesondere bewiesen, dass es sich bei dem von ihnen vorgelegten Referenzangebot auch um eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit zu einem günstigeren Preis gehandelt hat. Der Zeuge ... hat nach Überprüfung des Gutachtens des TÜV Nord vom 18.09.2006 erklärt, in seiner Werkstatt könne eine derartige Reparatur von Unfallschäden problemlos ebenfalls durchgeführt werden. Er selbst sei Meister im Kfz-Handwerk. Sein Betrieb beschäftige 5 Mitarbeiter, davon 2 Gesellen und einen Lehrling. Die Gesellen seien seit längerer Zeit, und zwar 12 bzw. 13 sowie 15 Jahre bei ihm beschäftigt. Sämtliche Mitarbeiter würden regelmäßig geschult. Die Werkstatt verfüge über die entsprechenden Gerätschaften, insbesondere auch über Rahmenlehren und Richtgeräte. Darüber hinaus stehe ein Motortester zur Verfügung mit der Möglichkeit, direkt die benötigten Fahrzeugdaten zu erfragen.

7

Bei der Abrechnung werde ein Stundenlohn für Karosseriearbeiten in Höhe von 69,00 ? sowie einer für Lackarbeiten in Höhe von 80,00 ? zugrundegelegt. Dies wiederum hat er belegt durch Vorlage eines in der von ihm geführten Werkstatt erstellten (Muster-) Gutachtens in andere Sache, in dem auch auf Basis der vorgenannten Stundenlohnverrechnungssätze kalkuliert worden ist. Darüber hinaus hat er erklärt, einen so genannten UPE-Aufschlag für Ersatzteile in Höhe von 5 % des Nettopreises nähmen sie nicht vor; sie beließen es beim Aufschlag für Kleinersatzteile in Höhe von 2 %. Es würden nur Originalersatzteile verwendet, die beim Hersteller gekauft würden. Eine Haftung bestehe im Rahmen der allgemeinen Gewährleistungsansprüche.

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Das Gericht hat keine Bedenken, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen ... zu zweifeln und dessen Angaben zum Gegenstand der Entscheidung zu machen. Zwar musste er erst auf nachdrückliches Befragen des Prozessbevollmächtigten des Klägers sowie des Vorsitzenden einräumen, tatsächlich könnten bestimmte Reparaturen in seiner Werkstatt nicht durchgeführt werden, beispielsweise die Reparatur eines Getriebeschadens. Von derartigen Arbeiten "ließen sie die Finger". Dies disqualifiziert die Befähigung seiner Werkstatt bzw. seiner Mitarbeiter aber nicht, die streitigen Instandsetzungsarbeiten selbst im geschuldeten Umfang durchzuführen. Denn zum einen ging es im vorliegenden Fall um die bloße Reparatur eines Karosserieschadens aufgrund eines Verkehrsunfalls. Des Weiteren ist gerichtsbekannt, dass selbst markengebundene Fachwerkstätten heute kaum noch einen Getriebeschäden selbst reparieren (auch keine Reparaturen im Bereich der Motorelektronik), sondern stattdessen das schadhafte Getriebe als Ganzes an den Hersteller zurückschicken.

9

Danach steht fest, dass die Firma ... fachlich in der Lage ist, die am verunfallten Fahrzeug des Klägers erforderlichen Reparaturarbeiten in gleicher Qualität durchzuführen wie eine Alfa-Romeo-Fachwerkstatt, allerdings zu niedrigeren Stundensätzen. Darüber hinaus wäre es dem Kläger auch zumutbar gewesen, die Leistungen der Firma ... in Anspruch zu nehmen. Unstreitig befindet sich der Sitz der Werkstatt nur wenige Kilometer vom Wohnort des Klägers entfernt. Auch hat die Beklagte ihm zeitnah nach Erhalt des klägerseits eingereichten TÜV-Gutachtens eine Referenzberechnung, zunächst auf Grundlage der noch geringeren Preise der Firma ... und am 29.11. auf Grundlage der von Zeugen bestätigten Preise der Firma ... vorgelegt.

10

Danach durften die Beklagten die vom Kläger vorprozessual unter Hinweis auf das Gutachten des TÜV Nord bezifferte Forderung um einen Betrag i.H.v. insgesamt 745,44 ? kürzen. Es war berechtigt, eine Kürzung der allgemeinen Lohnstunden für Karosseriearbeiten (ca. 25 Std.) um 431,70 vorzunehmen, da die Fa. ... mit einem Stundensatz i.H.v. 69,- (anstatt 86,95 ?) kalkuliert. Die vom TÜV geschätzten Lackierkosten durften um (mindestens) 53,13 ? gekürzt werden, da die Fa. ... die erforderlichen Arbeiten nach Aussage des Zeugen sogar für nur 1.000,- ? erledigt hätte.

11

Ob auch bei einer fiktiven Abrechnung die Kosten zu erstatten sind, die wegen Verbringung des Fahrzeugs in eine Lackierwerkstatt anfallen, brauchte nicht mehr geprüft zu werden. Das Amtsgericht hatte die Klage insoweit abgewiesen. Der Kläger hat seine Forderung in der Berufung nicht mehr weiter verfolgt.

12

Die Kürzung der vom Kläger geltend gemachten Kosten für Ersatzteile war allerdings nur i.H.v. 173,66 ? berechtigt. Der Zeuge ... hat erklärt, in seiner Werkstatt werde es bei einem Aufschlag von 2 % bei Kleinersatzteilen belassen; ein sog. UPE-Aufschlag von 5 % werde nicht vorgenommen. Die Höhe dieses Aufschlages schätzt die Kammer auf der Grundlage des vom Kläger vorgelegten TÜV-Gutachtens auf 173,55 ?. Wie sich der weitere Abzug i.H.v. 3,48 ? der Beklagten begründet, ist nicht plausibel gemacht worden.

13

Auf Antrag des Klägers war die Revision zuzulassen,§543 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO. Zwar hat der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung vom 29.04.2003 (NJW 2003, 2086, 2087 [BGH 29.04.2003 - VI ZR 398/02]) dem Grunde nach ausgeführt, vom Ansatz her könne der Auffassung beigetreten werden, dass der Geschädigte, der mühelos eine ohne Weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich auf diese verweisen lassen muss. Eine endgültige Entscheidung in der Sache konnte das Revisionsgericht allerdings nicht treffen, da die insoweit erforderlichen tatsächlichen Feststellungen durch das Berufungsgericht fehlten. Wegen zum Teil unterschiedlicher Tendenzen in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Amtsgericht Aachen, Urteil vom 14.06.2005, 5 C 81/05) bedarf es zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung einer Klarstellung.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf §92 Abs. 2 ZPO.

15

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus§§708 Nr. 10 ZPO, 711, 713 ZPO.

Schneider
Kirchhoff
Lichte