Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 04.01.2010, Az.: 12 W 190/09

Vergütung des Rechtsanwalts bei Beratungshilfe für mehrere Angelegenheiten

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
04.01.2010
Aktenzeichen
12 W 190/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 25324
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2010:0104.12W190.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Aurich - 21.07.2009 - AZ: 4 T 394/09
LG Aurich - 19.03.2009 - AZ: 4 T 394/09

Fundstelle

  • VersR 2010, 688-690

Redaktioneller Leitsatz

Hat der Rechtspfleger Beratungshilfe bewilligt, obwohl bereits ein Antrag bewilligt war, so hat er eine positive Entscheidung dahingehend getroffen, dass der Berechtigte mehrfach Beratungshilfe in Anspruch nehmen darf. Dieser Entscheidung kommt Bindungswirkung für das nachfolgende Vergütungsfestsetzungsverfahren zu.

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde des Antragstellers werden die Beschlüsse der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 14. September 2009 und des Amtsgerichts Aurich vom 21. Juli 2009 sowie vom 19. März 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an den Urkundsbeamten der Geschäftstelle des Amtsgerichts Aurich zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Beschwerdeführer verlangt die Festsetzung anwaltlicher Vergütung für Beratungshilfe.

2

Das Amtsgericht Aurich stellte Frau J... R... im Verfahren 17 II 1101/08 am 17. Juni 2008 zunächst einen Berechtigungsschein für Beratungshilfe für die Angelegenheit "Beratung wegen Fälschung von Versicherungsverträgen (Stuttgarter Versicherungs-AG)" aus. Am 25. Juni 2008 bewilligte es in den Verfahren 17 II 1387/08 bis 1401/08 erneut Beratungshilfe, und zwar jeweils gesondert für jeden betroffenen Versicherungsvertrag. Hierfür stellte es fünfzehn weitere Berechtigungsscheine aus. Die Angelegenheit war jeweils bezeichnet als "Beratung wegen eventueller Fälschung und Falschberatung bei Abschluss von Versicherungsverträgen der Stuttgarter Versicherungs-AG zur Vertragsnummer....".

3

Der Beschwerdeführer wurde aufgrund der Berechtigungsscheine für Frau J... R... tätig. Er erreichte, dass sechzehn Versicherungsverträge verschiedener Sparten, die Frau R... bei der S... (Familienschutz-) Versicherung AG unterhielt, durch teilweise inhaltlich verschiedene Vergleiche beendet wurden.

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Unter dem 11. Februar 2009 hat der Beschwerdeführer aufgrund der sechzehn Beratungsscheine jeweils die Festsetzung einer Vergütung bei Beratungshilfe von 255,85 Euro beantragt. Das Amtsgericht hat die Vergütung im Verfahren 17 II 1101/08 antragsgemäß festgesetzt und die übrigen Anträge mit Beschluss vom 19. März 2009 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Erinnerung des Beschwerdeführers hat das Amtsgericht Aurich durch Beschluss vom 21. Juli 2009 zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 14. September 2009 hat das Landgericht die dagegen erhobene sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beschwerdeführer sei in nur einer Angelegenheit tätig geworden und könne daher gemäß § 15 RVG die Gebühr nur einmal verlangen. Der Umstand, dass mehrere Berechtigungsscheine ausgestellt worden seien, stehe dieser Entscheidung nicht entgegen, weil die Ausstellung des Berechtigungsscheins im Bewilligungsverfahren keine Bindungswirkung für das Vergütungsfestsetzungsverfahren entfalte.

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Gegen diesen Beschluss richtet sich die vom Landgericht zugelassene weitere Beschwerde.

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II. Die weitere Beschwerde ist gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs.6 Satz 1 RVG statthaft, weil sie das Landgericht als Beschwerdegericht zugelassen hat. Das Rechtsmittel ist auch zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt (§§ 56 Abs.2 Satz 1, 33 Abs.6 Satz 4, Abs.3 Satz 3 RVG).

7

Die weitere Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Beschluss beruht auf einer Rechtsverletzung (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs.6 Satz 2 RVG, § 546 ZPO).

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Entgegen der überwiegend in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung (LG Osnabrück, JurBüro 2008, 600 [LG Osnabrück 31.07.2008 - 9 T 521/08]f; LG Mönchengladbach, AGS 2003, 76; LG Münster JurBüro 1990, 333; LG Tübingen, RPfl 1986, 239; LG Kleve, JurBüro 1986, 1384; LG Stuttgart, JurBüro 1986, 1519; LG Berlin, JurBüro 1985, 1667; LG Bonn AnwBl 1985,109; LG Wuppertal, JurBüro 1985, 1426; LG Dortmund RPfl 1984, 478; LG Dortmund, AnwBl. 1985, 334; Hansens, JurBüro 1987, 23 ff; Greißinger, AnwBl.1996, 606ff; ders. NJW 1985, 1671, 1676; Mümmler, Anm. zu LG Münster JurBüro 1983, 1894, ebenda; ders. JurBüro 1984, 1125 ff; Mayer in: Gerold/Schmidt, Nr.2500-2508 VV, Rdnr.14; Herget, Anm. zu Köln, MDR 1985, 944, dort S. 945; a.A. Hohnheiser-Mack/Most, Anmerkungen zu LG Stuttgart, JurBüro 1986,1519, dort 1520 ff; LG Köln, JurBüro 1985, 1423) hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle im Verfahren über die Festsetzung von Vergütung bei Gewährung von Beratungshilfe grundsätzlich nicht zu prüfen, wie viele Angelegenheiten im Sinne des § 15 RVG vorliegen. Die Anzahl der zu vergütenden Angelegenheiten ist vielmehr durch die erteilten Berechtigungsscheine vorgegeben.

9

Mit der Gewährung von Beratungshilfe sollen unbemittelte Rechtssuchende in die Lage versetzt werden, ihre Interessen im Vorfeld eines Prozesses in einer dem Gleichheitsgebot entsprechenden Weise rechtlich prüfen zu lassen. Die Ausstellung des Berechtigungsscheins dokumentiert, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Beratungshilfe durch einen Rechtsanwalt vorliegen. Der Berechtigungsschein ist Grundlage für die spätere Festsetzung der Vergütung des Rechtsanwalts. Entschieden wird über die Gewährung der Beratungshilfe mit der Erteilung des Berechtigungsscheins. In der Erteilung mehrerer Scheine liegt zugleich die Entscheidung darüber, dass gebührenrechtlich verschiedene Angelegenheiten vorliegen. Daher kann diese Frage im Verfahren über die Gebührenfestsetzung nicht erneut aufgeworfen und anders beantwortet werden. Der überwiegend vertretenen gegenteiligen Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen.

10

Eine Bindungswirkung der Erteilung des Berechtigungsscheins für das nachfolgende Vergütungsfestsetzungsverfahren (zur Selbständigkeit beider Verfahren vergl. LG Dortmund RPfl 1984, 478; LG Dortmund AnwBL.1985, 334; Hansens, JurBüro 1987, 23 ff) wird im Gesetz allerdings nicht ausdrücklich angeordnet (LG Dortmund RPfl 1984, 478; LG Kleve, JurBüro 1986, 1384; LG Wuppertal, JurBüro 1985, 1426; LG Dortmund, AnwBl. 1985, 334; Herget, Anm zu LG Köln MDR 1985, 944, dort Seite 945 f). Weiterhin ist es richtig, dass der in § 2 BerHG verwendete Begriff der "Angelegenheit" keine gebührenrechtliche Bedeutung hat (so LG Kleve, JurBüro 1986, 1384; LG Münster JurBüro 1990, 333; Hansens, Die Vergütung des RA für Beratungshilfe in Ehesachen, JurBüro 1987, 23 ff; Mümmler, Anmerkungen zu LG Münster JurBüro 1983, S.1894, ebenda; Herget, Anm. zu LG Köln MDR 1985, 944, dort Seite 945 f). In § 2 BerHG wird nur bestimmt, dass Beratungshilfe nur für die dort genannten Sachverhalte gewährt wird (B-Drs. 8/3311, S.11 u.12). Die Bindung für das Vergütungsfestsetzungsverfahren ergibt sich jedoch aus anderen Regelungen, und zwar insbesondere aus §§ 4 - 6 BerHG, der Systematik des BerHG sowie den allgemein gültigen Grundsätzen über die Zulässigkeit des Widerrufs begünstigender Verwaltungsakte.

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Gemäß § 4 Abs. 1 BerHG hat der Rechtspfleger über den Antrag auf Gewährung von Beratungshilfe förmlich zu entscheiden. Das Verfahren hierzu richtet sich nach den Vorschriften über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bzw. nunmehr dem FamFG (§ 5 BerHG). Es gilt demgemäß der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG). Die Bewilligung der Beratungshilfe geschieht gemäß § 6 Abs. 1 BerHG dadurch, dass dem Rechtssuchenden ein Berechtigungsschein für Beratungshilfe durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl ausgestellt wird. Dieser Berechtigungsschein tritt an die Stelle des sonst gemäß § 38 Abs. 1 FamFG erforderlichen Beschlusses. In diesem Berechtigungsschein hat der Rechtspfleger zugleich festzulegen, für welche "Angelegenheit" die Beratungshilfe gewährt wird. Die Angelegenheit ist gemäß § 6 Abs. 1 BerHG genau zu bezeichnen. Dies dient der Klarstellung und Festlegung für den Anwalt, in welcher Sache er tätig werden soll und für welche Tätigkeit er gemäß § 44 RVG in Verb. mit Nr. 2500 ff VVRVG seine Vergütung erhält. In § 6 BerHG hat der Begriff der Angelegenheit daher zweifelsohne eine gebührenrechtliche Bedeutung. Der Gesetzgeber nimmt hiermit ausdrücklich auf den Sprachgebrauch in §§ 15 ff RVG Bezug (aA allerdings Herget MDR 1985, 945). Wäre eine gebührenrechtliche Bedeutung nicht gewollt gewesen, hätte es nahegelegen, einen Begriff zu verwenden, der keinen unmittelbaren gebührenrechtlichen Inhalt hat, wie z. B. den des "Streitgegenstands". Mit der Erteilung des Berechtigungsscheins wird zugleich eine Entscheidung dahin getroffen wird, dass die Gebühren, die für die im Berechtigungsschein bezeichnete Angelegenheit gemäß Nr. 2500 ff VVRVG entstehen, nach § 55 RVG aus der Landeskasse zu vergüten sind. Hieraus folgt zugleich, dass mehrere Berechtigungsscheine, in denen jeweils verschiedene Angelegenheiten bezeichnet werden, auch verschiedene Gebührenansprüche auslösen.

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Dagegen kann nicht mit Erfolg eingewendet werden, die Anzahl der Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinn stehe zum Zeitpunkt der Ausstellung des Berechtigungsscheins noch nicht fest, eine abschließende Beurteilung der kostenrechtlichen Auswirkungen der anwaltlichen Tätigkeit könne daher sinnvoll erst im Vergütungsfestsetzungsverfahren erfolgen. Zudem bestehe für eine "systemwidrige Vorverlagerung" der gebührenrechtlichen Fragen in das Verfahren auf Erteilung des Berechtigungsscheins keine Notwendigkeit (LG Berlin, JurBüro 1985,1667; LG Bonn, AnwBl 1985, 109; Mayer in: Gerold/Schmidt, 2500-2508 VV, Rdnr.14; Herget, Anm zu LG Köln MDR 1985, 944, dort Seite 945 f; LG Münster JurBüro 1990, 333;; Hansens, JurBüro 1987, 23 ff; Greissinger NJW 1985, 1671, 1676). Aus diesem - im Ansatz zweifelsohne richtigen - Argument, folgt nichts für die hier zu entscheidende Frage. Ob der Anwalt bei der späteren Abrechnung Gebühren für eine oder mehrere Angelegenheiten im Sinne von §§ 16, 17 RVG abrechnen kann, stellt sich zwar vielfach erst nach Abschluss der Tätigkeit heraus. Denn bei Erteilung des Berechtigungsscheins kann nicht sicher prognostiziert werden, welche einzelnen Tätigkeiten der Anwalt im Rahmen der Beratungshilfe entfalten muss. Hieraus folgt aber nur, dass in der Erteilung eines einzigen Berechtigungsscheins nicht zugleich die negative Entscheidung dahin liegt, dass Gebühren nur für eine Angelegenheit abgerechnet werden können (so allerdings LG Berlin JurBüro 1985, 1667, differenzierend danach, ob vor oder nach der Beratung durch den RA Beratungshilfe beantragt wird; Herget Anm. zu LG Köln MDR 1985, 944; Hansens JurBüro 1987, 23 ff). Wäre dies der Fall, ergäbe sich hieraus auch eine unzulässige Benachteiligung des Rechtsanwalts. Der Anwalt ist am Bewilligungsverfahren nicht beteiligt. Er hat auch kein Rechtsmittel. Daher kann er auf die Erteilung des Berechtigungsscheins und die darin vorzunehmende Bezeichnung der Angelegenheit keinen Einfluss nehmen.

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Die Erteilung mehrer Berechtigungsscheine hat dagegen einen anderen Entscheidungsgehalt. Denn weitere Berechtigungsscheine darf der Rechtspfleger nur erteilen, wenn es um verschiedene Angelegenheiten geht. Liegt bereits ein Berechtigungsschein für dieselbe Angelegenheit vor, ist die Beratungshilfe zu verweigern. In diesem Fall fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Daher muss der Rechtspfleger bei einem zweiten Antrag des Gesuchstellers prüfen, ob die bereits bewilligte Beratungshilfe auch das neue Anliegen umfasst. Verneint er diese Frage, trifft er eine positive Entscheidung dahin, dass der Berechtigte mehrfach Beratungshilfe in Anspruch nehmen darf. Demgemäß liegt hierin zugleich die gebührenrechtliche Festlegung dahin, dass verschiedene Angelegenheiten vorliegen. Hiergegen kann nicht mit Erfolg eingewendet werden, der Rechtspfleger habe für eine solche Entscheidung keine ausreichende Grundlage. Das Bewilligungsverfahren biete keine Gewähr für eine ausreichende Prüfung, ob mehrere Angelegenheiten vorliegen. Auch die Angabe des Rechtssuchenden gemäß § 7 BerHG, dass ihm für diese Angelegenheit noch keine Beratungshilfe gewährt worden sei, schaffe diese nicht (LG Dortmund, RPfl 1984, 478; LG Kleve, JurBüro 1986, 1384; LG Wuppertal, JurBüro 1985, 1426; LG Dortmund, AnwBl. 1985, 334). Hierbei bleibt außer Betracht, dass der Rechtspfleger die tatsächlichen Grundlagen für seine Entscheidung von Amts wegen zu ermitteln hat. Dazu hat er sich den Sachverhalt vom Rechtssuchenden schildern zu lassen, unter anderem auch deswegen, weil er gemäß §§ 3 Abs.2, 6 Abs.1 BerHG den Berechtigungsschein nur dann ausstellen darf, wenn die Beratungshilfe nicht bereits durch ihn erfolgen kann. Um dies beurteilen zu können, bedarf es einer Kenntnis des Sachverhalts. Diese erlaubt gleichzeitig die Feststellung, ob es um verschiedene Angelegenheiten geht.

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Für eine Bindungswirkung mehrer Berechtigungsscheine für das Vergütungsfestsetzungsverfahren spricht auch die Zielsetzung des Beratungshilfegesetzes. Die Beratungshilfe soll sicherstellen, dass Bürger mit geringem Einkommen und Vermögen nicht durch ihre wirtschaftlichen Verhältnisse gehindert werden, sich außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens sachkundigen Rechtsrat zu verschaffen. Um dieses Ziel zu erreichen, soll dem Rechtssuchenden den Zugang zum Rechtsrat so einfach wie möglich gemacht werden (B-Drs. 8/3311, S.14 zu §§ 4 und 5 des Gesetzesentwurfs). Daraus erklärt sich die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts am allgemeinen Gerichtsstand des Rechtssuchenden (§ 4 Abs.1 BerHG) und die Möglichkeit der mündlichen Antragstellung (§ 4 Abs.2 Satz 1BerHG). Das Vergütungsfestsetzungsverfahren soll dabei nach dem Willen des Gesetzgebers einfach gehalten werden. Daher hat er sich auch entschieden, die Tätigkeit des Beratungsanwalts mit einem Festbetrag unabhängig vom Wert der Angelegenheit zu vergüten. Das Festsetzungsverfahren sollte von Auseinandersetzungen über die Umstände des § 14 RVG (vormals § 12 BRAGO) entlastet werden (Bt-Drs. 8/1133, S.15/16). Aus demselben Grund ist auch § 120 BRAGO ("einfache Schreiben", heute Nr. 2302 VV-RVG) nicht für entsprechend anwendbar erklärt worden (Bt-Drs. 8/1133, S.16). Um diese gewünschte Vereinfachung des Vergütungsfestsetzungsverfahrens zu erreichen, sollte es auch - soweit wie möglich - von einem Streit um die Anzahl der Angelegenheiten befreit werden. In Anbetracht der geringen Anzahl der Fälle, in denen eine für die Landeskasse nachteilige Abweichung von Beratungsscheinen und Angelegenheiten vorliegt, und der geringen Höhe der Vergütung für Beratungshilfe, erscheint dies auch aus fiskalischen Erwägungen heraus unbedenklich.

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Letztlich ergibt sich die Bindungswirkung für das Vergütungsfestsetzungsverfahren auch aus dem Rechtsgedanken des § 48 Abs.2 Satz 3 Nr.3 VwVfG. Durch die in § 1 Abs.1 Nds. VwVfG enthaltene Verweisung findet diese Vorschrift auch auf Verwaltungsverfahren der Länderbehörden Anwendung. Die Entscheidung über die Beratungshilfe ist nicht ein Akt der Rechtsprechung im Sinne von Art. 92 GG, sondern behördliches Handeln auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Die Ausstellung eines Berechtigungsscheins für Beratungshilfe ist daher ein Verwaltungsakt gemäß § 35 VwVfG (OLG Düsseldorf AnwBl. 1991, 409; LG Bochum AnwBl. 1984, 105). Gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG darf ein begünstigender Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig ist. Aus § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG ergibt sich, dass das Vertrauen schutzwürdig ist, solange dem Begünstigten die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes nicht bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist. Der sich hieraus ergebende allgemeine Rechtsgedanke muss auch bei der Vergütungsfestsetzung im Rahmen der Beratungshilfe beachtet werden. Der Rechtsanwalt gewährt die Beratungshilfe in dem Vertrauen auf den Bestand des dem Rechtssuchenden erteilten Verwaltungsakts. Gemäß § 49a Abs. 1 BRAO ist er verpflichtet, die Rechtsberatung zu übernehmen. Er kann die Übernahme nur im Einzelfall aus wichtigem Grund ablehnen. Der Berechtigungsschein ist die Grundlage für seine Tätigkeit und seinen hieraus folgenden Vergütungsanspruch. Diesen hat er gemäß § 44 Satz 1 RVG direkt gegen die Landeskasse. Gegen den Rechtssuchenden erwirbt er mit Ausnahme der Beratungshilfegebühr gemäß Nr. 2500 VV-RVG in Höhe von 10 Euro keinen Anspruch (§ 8 Abs. 1 und 2 BerHG, § 44 Satz 2 RVG). Der Grundsatz des Vertrauensschutzes verbietet es daher, ihm diesen Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse nachträglich im Festsetzungsverfahren zu versagen, nachdem er seine Tätigkeit ausgeübt hat.

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Für den vorliegend zu entscheidenden Fall folgt daraus, dass die Vergütungsfestsetzungsanträge nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden können, es läge nur eine Angelegenheit vor. Das Vertrauen des Beschwerdeführers in die Bewilligung von Beratungshilfe für mehrere Angelegenheiten ist auch schutzwürdig. Das Amtsgericht hat durch die Erteilung der weiteren fünfzehn Beratungsscheine am 25. Juli 2008 zu den verschiedenen Versicherungsverträgen den Beschwerdeführer in seiner Annahme bestätigt hat, er werde für jeden Berechtigungsschein die angefallenen Gebühren für jeweils eine Angelegenheit erhalten. Die Erteilung dieser weiteren Berechtigungsscheine lässt sich nur dadurch erklären, dass Frau R... vom Beschwerdeführer veranlasst worden ist, weitere fünfzehn Berechtigungsscheine zu beantragen, damit er sämtliche sechzehn Versicherungsverträge bearbeiten kann. Unter Zugrundelegung der von den Vorinstanzen vertretenen Auffassung hätte der Rechtspfleger die Erteilung weiterer Berechtigungsscheine verweigern müssen, und zwar mit dem Hinweis, der Beratungsanwalt könne die Festsetzung der Vergütung für sämtliche gegenüber der S... (Familienschutz-) Versicherung AG zu entfaltenden Tätigkeiten nur aufgrund des am 17.Juni 2008 erteilten Berechtigungsscheins beantragen; die Frage, wie viele Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinne hieraus entstehen, werde sich erst später im Festsetzungsverfahren klären. Da dies nicht geschehen ist, durfte der Beschwerdeführer darauf vertrauen, dass er für mehrere Angelegenheiten die Vergütung beanspruchen kann.

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In entsprechender Anwendung des § 577 Abs.4 Satz 1 ZPO waren die Entscheidungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Amtsgerichts zurückzuverweisen.

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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 56 Abs.2 Satz 2 und 3 RVG).