Landgericht Osnabrück
Urt. v. 04.07.2008, Az.: 15 O 249/08
Anspruch auf Unterlassung einer krankheitsbezogenen Werbung für die diätetischen Lebensmittel "proSan(®)AMD extra", "proSan(®)vital" und "Orthomolekulare Vitalstoffkombination für das Auge"; Verstoß gegen europäisches Recht aufgrund eines Laienwerbeverbots mit krankheitsbezogenen Angaben für bilanzierte Diäten
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 04.07.2008
- Aktenzeichen
- 15 O 249/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 38489
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2008:0704.15O249.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 3 UWG
- § 4 UWG
- § 8 UWG
- § 12 Abs. 1 LFGB
- § 12 Abs. 2 LFGB
- § 3 Abs. 1 DiätV
- § 3 Abs. 2 DiätV
Verfahrensgegenstand
Unterlassung
In dem Rechtsstreit
...
hat die 15. Zivilkammer (3. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Osnabrück
auf die mündliche Verhandlung vom 20.06.2008
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Bookjans,
den Handelsrichter Helmsing und
den Handelsrichter Schlattmann
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Der Verfügungsbeklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu werben:
- a)
für das Mittel "proSan(®)AMD extra":
"Zur diätetischen Behandlung bei fortgeschrittener altersbedingter Makuladegeneration",
- b)
für das Mittel "proSan(®)vital":
"zur diätetischen Behandlung von Frauen und Männern mit ... chronischer Erschöpfung, Burn-out-Syndrom und stressbedingten Erkrankungen mit metabolischer Störung",
- c)
für eine "Orthomolekulare Vitalstoffkombination für das Auge":
"Zur diätetischen Behandlung von altersbedingten Augenerkrankungen wie z.B. Altersbedingte Makuladegneration (AMD), Diabetische Retinopathie, Linsentrübung".
- 2.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot gemäß Ziffer 1 wird dem Beklagten ein Ordungsgeld bis zu 250.000,00€, ersatzweise Ordnungshaft, ober Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
- 3.
Der Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Der Verfügungskläger macht im Wege der einstweiligen Verfügung einen Unterlassungsanspruch nach dem UWG geltend.
Bei dem Verfügungskläger handelt es sich um einen eingetragenen Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder zu wahren, insbesondere auch auf die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs zu achten. Der Verfügungsbeklagte ist .... Er bietet seine Produkte u.a. auch im Internet zum Verkauf an. Zu diesem Zweck versendet er einen Faltprospekt mit der Bezeichnung "Info Post 013)", der bis zum 30.06.2008 gültig ist. In dem Faltprospekt wirbt er u.a. für folgende diätetische Lebensmittel:
"proSan(®)AMD extra" mit dem Hinweis "Zur diätetischen Behandlung bei fortgeschrittener altersbedingter Makuladegeneration"
"proSan(®) vital" mit dem Hinweis: "Zur diätetischen Behandlung von Frauen und Männern mit ... chronischer Erschöpfung, Burn-out-.Syndrom und stressbedingten Erkrankungen mit metabolischer Störung"
"Orthomolekulare Vitalstoffkombination für das Auge" mit dem Hinweis: "Zur diätetischen Behandlung von altersbedingten Augenerkrankungen wie z.B. altersbedingte Makuladegeneration (AMD), Diabetische Retinopathie, Linsentrübung".
Der Verfügungskläger ist der Ansicht, die Werbung verstoße gegen §12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB. Es werde in unzulässiger Weise für Lebensmittel mit Aussagen geworben, die sich auf die Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten beziehen. Diese Werbung sei grundsätzlich auch bei diätetischen Lebensmitteln untersagt. Dies ergebe sich aus §12 Abs. 2 S. 2 LFGB i.V.M. §3 DiätV. Das generelle Werbeverbot mit krankheitsbezogenen Angaben verstoße nicht gegen europäisches Recht. Es entspreche der EG-Richtlinie. Die Zulässigkeit der in dem Prospekt aufgeführten Angaben folge auch nicht aus der Kennzeichnungspflicht nach §21 Abs. 2 Nr. 1 DiätV. Dadurch werde das in §12 LFGB i.V.m. der DiätV geltend grundsätzliche krankheitsbezogene Werbeverbot gegenüber Laien nicht eingeschränkt.
Im Übrigen sei die Werbung auch irreführend. Bei dem von der Werbung angesprochenen Personenkreis werde der Eindruck erweckt, es werde ein wirksames Arzneimittel angeboten. Dies gelte umso mehr, als der Verfügungsbeklagte ... sei. Für die auf der Basis der orthomolekularen Medizin erstellten Produkte "proSan(®)vital" und "Orthomolekurae Wirkstoffkombination für das Auge" gebe es jedoch keinen wissenschaftlichen Wirkungsnachweis. Auch für das Mittel "proSan(®)AMD extra" sei eine Wirkung nicht nachgewiesen. Die AMD könne wirksam nur auf chirurgischem Weg behandelt werden. Der Nutzen der Einnahme von Vitaminpräparaten gegen die AMD sei bestenfalls umstritten, jedoch nicht gesichert. Daraus folge eine Unzulässigkeit der Werbung auch im Hinblick auf §3 Nr. 1 HWG.
Der Verfügungskläger beantragt,
dem Verfügungsbeklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu untersagen,
im geschäftlichen Verkehr zu werben:
- 1.
für das Mittel "proSan(®)AMD extra":
"Zur diätetischen Behandlung bei fortgeschrittener altersbedingter Makuladegeneration"
- 2.
für das Mittel "proSan(®)vital":
"Zur diätetischen Behandlung von Frauen und Männern mit ... chronischer Erschöpfung, Burn-out-Syndrom und stressbedingten Erkrankungen mit metabolischer Störung",
- 3.
für eine "Orthomolekulare Vitalstoffkombination für das Auge":
"Zur Behandlung von altersbedingten Augenerkrankungen wie z.B. Altersbedingte Makuladegeneration (AMD), Diabetische Retinopathie, Linsentrübung".
Der Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Der Verfügungsbeklagte meint, das Werbeverbot in §12 LFGB i.V.m. der DiätV in Bezug auf krankheitsbezogene Werbung sei aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 15.07.2004 (Douwe Egberts) nur anwendbar, wenn die Gefahr einer Irreführung bestehe, jedoch nicht beim Nachweis der angegebenen Wirkung. Darüber hinaus gingen die Angaben auch nicht über die nach §21 Abs. 2 Nr. DiätV im Rahmen der Kennzeichnungspflicht erforderlichen Angaben hinaus. Die erforderliche Kennzeichnung dürfe auch gegenüber Laien mitgeteilt werden. Andernfalls werde auch unangemessen in das Recht auf die freie Ausübung des Berufes nach Art. 12 GG eingegriffen. Die Werbung sei auch nicht irreführend. Die Wirkung der Mittel für den vorgesehenen Zweck sei hinreichend wissenschaftlich nachgewiesen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist begründet. Der Verfügungskläger hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihm gegen den Verfügungsbeklagten gem. §§8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 LFGB, §3 Abs. 1, 2 DiätV ein Anspruch auf Unterlassung einer krankheitsbezogenen Werbung wie in der Infopost 013 geschehen für die diätetischen Lebensmittel "proSan(®)AMD extra", "proSan(®)vital" und "Orthomolekulare Vitalstoffkombination für das Auge" zusteht.
Der Verfügungskläger ist gem. §8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Bei dem Verfügungskläger handelt es sich um einen bundesweit tätigen Verein zum Schutz der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder insbesondere auch gegenüber unlauteren Wettbewerbsmethoden. Die Klagebefugnis des seit langem tätigen Vereins ist von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen worden.
Die von dem Verfügungskläger beanstandete Werbung des Verfügungsbeklagten verstößt gegen §12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2 LFGB i.V.m. §3 DiätV. Nach §12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB ist es verboten, beim Inverkehrbingen von Lebensmitteln oder in der Werbung für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall Aussagen, die sich auf die Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten beziehen, zu verwenden. Dies gilt gem.§12 Abs. 2 S. 2 LFGB zwar nicht für diätetische Lebensmittel, soweit nicht durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist. Letzteres ist durch die zu §12 LFGB erlassene DiätV in dessen §3 geschehen. Danach ist eine krankheitsbezogene Werbung für diätetische Lebensmittel nur unter Verwendung der in §3 Abs. 2 DiätV aufgeführten Aussagen zulässig. In der Infopost 013 wirbt der Verfügungsbeklagte für die 3 im Tenor genannten Lebensmittel mit krankheitsbezogenen Aussagen, indem angegeben wird, zur Behandlung welcher Erkrankungen die Mittel zum Einsatz kommen sollen. So sind nach der Infopost 013 das Mittel "proSan(®)AMD extra" zur diätetischen Behandlung bei fortgeschrittener altesbedingter Makuladegeneration, das Mittel "proSan(®)vital" zur diätetischen Behandlung von Frauen und Männern mit ... chronischer Erschöpfung, Burn-out-Syndrom und stressbedingten Erkrankungen mit metabolischer Störung und das Mittel "Orthomolekulare Vitalstoffkombinyation für das Auge" zur diätetischen Behandlung von altersbedingten Augenerkrankungen wie z.B. "altersbedingte Makuladegeneration (AMD), Diabetische Retinopathie, Linsentrübung", also zum Einsatz bei der Behandlung von Erkrankungen vorgesehen. Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten ergibt sich die Zulässigkeit dieser Angaben nicht aus der Kennzeichnungspflicht gem. §21 Abs. 2 Nr. 1 DiätV. Nach dieser Vorschrift dürfen bilanzierte Diäten nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie mit dem Hinweis "zur diätetischen Behandlung ... von" ergänzt durch die Krankheit, Störung oder Beschwerden, für die das Lebensmittel bestimmt ist, gekennzeichnet werden. Aus dieser Vorschrift lässt sich jedoch keine Durchbrechung des Laienwerbeverbots mit krankheitsbezogenen Angaben hinsichtlich der kennzeichnungspflichtigen Umstände herleiten. Dies zeigt bereits die Regelung in §3 Abs. 2 DiätV, wonach nur bestimmte krankheitsbezogene Aussagen bei bilanzierten Diäten zulässig sind. Dazu gehören nach §3 Abs. 2 Nr. 2 und 3 DiätV bei den dort genannten Erkrankungen aber gerade die Angaben, die letztlich unter die Kennzeichnungspflicht nach §21 Abs. 2 Nr. 1 DiätV fallen. §21 Abs. 2 Nr. 1 LFGB durchbricht damit nicht das grundsätzliche krankheitsbezogene Laienwerbeverbot für bilanzierte Diäten. §21 Abs. 2 Nr. 1 DiätV verpflichtet, demnach lediglich dazu, die krankheitsbezogenen Anwendungsbereiche auf der Verpackung und ggf. einem Beipackzettel mitzuteilen, berechtigt jedoch nicht dazu, gegenüber Laien darüber hinaus mit diesen Angaben zu werben (vgl. auch LG München 9 HK O 17554/04, Urteil vom 30.11.2004; anders wohl LG Berlin, 16 O 50/04, Urteil vom 12.08.2004 zu §18 LFGB a.F.). Nach Ansicht der Kammer verstößt ein derartiges Laienwerbeverbot auch nicht gegenArt. 5 GG oder Art. 12 GG. Denn die Anwendung der bilanzierten Diäten, die anders als Arzneimittel keinem Zulassungsverfahren unterliegen, kann eine Gefahr für den Anwender darstellen. Sie soll deshalb grundsätzlich nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. Die Werbung gegenüber Angehörigen der Heilberufe, des Heilgewerbes oder der Heilhilfsberufe ist gem. §12 Abs. 2 S. 1 LFGB auch mit krankheitsbezogenen Angaben jedoch zulässig.
Das Laienwerbeverbot mit krankheitsbezogenen Angaben für bilanzierte Diäten verstößt auch nicht gegen europäisches Recht. Die Unwirksamkeit der Regelung in §12 Abs. 2 S. 2 LFGB i.V.m. §3 DiätV lässt sich nicht aus der Entscheidung des EuGH vom 15.07.2004 (Douwe Egberts) herleiten. Dort hat der EuGH entschieden, dass die Art. 28 und 30 EG einer nationalen Regelung entgegenstehen, die Bezugnahmen auf das "Schlankerwerden", auf "ärztliche Empfehlungen, Bescheinigungen, Zitate, Gutachten oder auf zustimmende Erklärungen" in der Werbung für aus anderen Mitgliedsstaaten eingeführte Lebensmittel verbietet. Diese Entscheidung ist auf §12 LFGB i.V.m. §3 DiätV nicht anzuwenden. Die Entscheidung des EuGH betraf eine sog nicht harmonisiere Vorschrift in Belgien, die ähnlich wie §6 Abs. 1 NKV (siehe dazu KG, 5 U 172/04, Urteil vom 20.05.2005) die Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben regelte. Das in der Vorschrift enthaltene generelle Werbeverbot ohne konkrete Irreführungsgefahr bezog sich anders als in der maßgeblichenEG-Richtlinie 2000/13/EG vom 20.03.2000 (Art. 2 Abs. 1 Buchstabe b) somit nicht auf Angaben zu menschlichen Erkrankungen, sondern lediglich auf bloße gesundheitliche Aspekte (Schlankwerden). Dies ist bei §12 LFGB i.V.m. §3 Diät V jedoch nicht der Fall. Diese Vorschrift regelt gerade in Übereinstimmung mit Art. 2 Abs. 1 Buchstabe b der EG-Richtlinie 2000/13/EG das grundsätzliche Werbeverbot für Lebensmittel mit krankheitsbezogenen Angaben, so dass es sich nicht um eine von der Entscheidung des EuGH betroffene nicht harmonisierte Regelung handelt (siehe auch LG Berlin, 52 O 122/07, Urteil vom 03.01.2008, Magazindienst 2008, 325 ff gegen OLG Karlsruhe, 6 U 126/05, Urteil vom 20.05.2005).
Da die Regelung in §12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2 LFGB i.V.m. §3 DiätV auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, ist der Verstoß des Verfügungsbeklagten gegen diese Vorschrift als unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne der §§3, 4 Nr. 11 UWG anzusehen. Da dem Verfügungskläger bereits aus diesem Grund der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zusteht, kann dahingestellt bleiben, ob die Werbung zugleich irreführend gem. §5 UWG ist. Dies könnte jedenfalls bei den Mitteln "proSan(®)vital" und "Orthomolekulare Vitalstoffkombination für das Auge" der Fall sein, weil die vorgelegten Gutachten wohl nicht ausreichend sind, um den nach §14 b Abs. 1 DiätV erforderlichen Nachweis der Wirksamkeit der Mittel für die Behandlung der angegebenen Erkrankungen zu erbringen. Dies braucht hier aus den oben genannten Gründen jedoch letztlich nicht entschieden zu werden.
Die Androhung von Ordnungsmittel beruft auf §890 ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus §91 ZPO.
Helmsing
Schlattmann