Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 22.11.2017, Az.: L 3 SF 1/17 B (KA)

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
22.11.2017
Aktenzeichen
L 3 SF 1/17 B (KA)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 53679
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 08.09.2017 - AZ: S 34 SF 141/17 E

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Von dem Grundsatz, dass der erstinstanzlich zugrunde gelegte vorläufige Streitwert vom Beschwerdegericht im Rahmen einer Beschwerde gegen den Kostenansatz nicht überprüft werden kann, ist dann eine Ausnahme zu machen, wenn kein Beschluss des Sozialgerichts über den vorläufigen Streitwert vorliegt. Im Übrigen kann im Ausnahmefall auch ein wirksam festgesetzter vorläufiger Streitwert von Amts wegen nach § 63 Abs 3 GKG korrigiert werden.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers werden der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 8. September 2017 und die Kostenrechnung vom 3. Juli 2017 (Kassenzeichen Nr. 1913500199955) geändert.

Die vom Kläger zu  zahlenden  Gerichtskosten  im  Verfahren S 35 KA 3/17 werden auf 111 Euro festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I

Strittig ist die Höhe der Gerichtskosten, die vom Kläger in dem vor dem Sozialgericht (SG) anhängigen Verfahren S 35 KA 3/17 zu zahlen sind.

Der Kläger hat am 19. Januar 2017 vor dem SG Anfechtungsklage gegen den Bescheid der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) vom 10. November 2016 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2017) erhoben, in welchem die Beklagte drei Ansätze der Gebührenordnungsposition (GOP) 40 (I) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen (Bema-Z) berichtigt hatte. Angaben über die Höhe der hierdurch bedingten Honorarkorrektur enthielten weder der Bescheid noch der Widerspruchsbescheid.

Nachdem der Kammervorsitzende die Beteiligten um die Angabe des Streitwerts gebeten hatte, hat der Kläger diesen mit 23,67 Euro beziffert (Schriftsatz vom 23. Januar 2017), während die Beklagte um Übersendung von Kopien der angefochtenen Bescheide gebeten hat. Dem darauf vom SG an den Kläger gerichteten Ersuchen um „weitere Veranlassung“ ist dieser nicht nachgekommen. Daraufhin hat der Kammervorsitzende im Rahmen einer Verfügung vom 27. Juni 2017 vermerkt: „vorläufiger Streitwert 5.000 €“. Mit Kostenrechnung vom 3. Juli 2017 hat die Urkundsbeamtin die erstinstanzlichen Gerichtskosten sodann auf 444 Euro festgesetzt. Hiervon entfallen 438 Euro auf den 3,0fachen Satz für die Verfahrensgebühr nach Nr 7110 des Kostenverzeichnisses (KV) bei einem Streitwert von 5.000 Euro sowie 6 Euro auf insgesamt 12 Kopien, die vom SG angefertigt worden seien, weil der Kläger es unterlassen habe, die erforderliche Zahl von Ablichtungen beizufügen (Nr 9000 KV).

Hiergegen hat der Kläger am 5. Juli 2017 Erinnerung eingelegt, die das SG Hannover mit Beschluss vom 8. September 2017 zurückgewiesen hat. Der dagegen am 13. September 2017 eingelegten Beschwerde hat das SG nicht abgeholfen (Beschluss vom 14. September 2017).

Der Kläger macht mit seiner Beschwerde sinngemäß geltend, der der Kostenfestsetzung zugrunde liegende Streitwert sei völlig aus der Luft gegriffen. Außerdem sei die Anzahl der Kopien falsch angegeben, weil es nicht seine Aufgabe sei, der Beklagten deren Bescheide vorzulegen.

II

1. Die Beschwerde ist gemäß § 66 Abs 2 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG) statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt. Dem Vorbringen des Klägers lässt sich ua entnehmen, dass er die erstinstanzlichen Gerichtskosten nicht nach einem vorläufigen Streitwert von 5.000 Euro, sondern von ca 25 Euro berechnen lassen will. Demzufolge wäre die 3,0fache Gerichtsgebühr nicht auf der Grundlage eines Gebührensatzes von 146 Euro, sondern von 35 Euro festzusetzen (vgl die Tabelle in Anl 2 zu § 34 Abs 1 S 3 GKG in der seit 2014 geltenden Fassung), was zu einer Differenz von 333 Euro führen würde. Schließlich ist die Beschwerde auch im Übrigen zulässig.

2. Die Beschwerde ist auch überwiegend begründet.

a) Entgegen der Auffassung des SG war die Gerichtsgebühr nur nach einem vorläufigen Streitwert von 24 Euro zu berechnen.

aa) Allerdings ist unstreitig, dass die Höhe des zugrunde gelegten vorläufigen Streitwerts grundsätzlich nicht Gegenstand der gerichtlichen Prüfung der Kostenrechnung im Erinnerungs- bzw Beschwerdeverfahren nach § 66 Abs 1 und 2 GKG ist (vgl zum Folgenden: Bayerisches Landessozialgericht <LSG> Beschluss vom 20. Januar 2015 - L 15 SF 279/14 E - juris, mwN). Denn die Festsetzung des vorläufigen Streitwerts ist im sozialgerichtlichen Verfahren unanfechtbar, weil Einwendungen hiergegen nach § 63 Abs 1 S 2 GKG nur im Verfahren über die Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung nach § 67 GKG geltend gemacht werden können, die im sozialgerichtlichen Verfahren nicht erfolgen kann.

Hiervon ist vorliegend aber schon deshalb eine Ausnahme zu machen, weil das SG einen vorläufigen Streitwert gar nicht festgesetzt hat. Denn die Festsetzung muss durch Beschluss erfolgen, der zwar nicht zugestellt, aber den Beteiligten formlos mitgeteilt werden muss (Sächsisches Oberverwaltungsgericht <OVG>, Beschluss vom 22. Oktober 2015 - 3 E 81/15 - juris; Schneider in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl 2017, § 63 GKG Rn 29). Hieran fehlt es vorliegend, weil das SG am 27. Juni 2017 lediglich in der Akte vermerkt hat: „vorläufiger Streitwert 5.000 €“ (vgl Bl 18 R Gerichtsakte S 35 KA 3/17); dieser Wert ist jedenfalls dem Kläger nicht mitgeteilt worden (vgl dessen Schriftsatz vom 4. August 2017). Angesichts dessen muss der Senat im Rahmen der rechtlichen Prüfung der Kostenbeschwerde den maßgeblichen Streitwert selbst ermitteln.

Der in Ansatz zu bringende Streitwert ergibt sich aus der Anwendung des § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 52 Abs 1 GKG. Danach ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit - soweit nichts anderes bestimmt ist - der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Da der Wert der streitbefangenen Honorarberichtigung sich weder aus dem angefochtenen Bescheid vom 10. November 2016 noch aus dem Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2017 ergibt, ist der Betrag anzusetzen, den der Kläger selbst in seinem Schreiben vom 23. Januar 2017 dem SG mitgeteilt hat (23,67 Euro). Diesem Wert kommt schon deshalb erhebliche Bedeutung zu, weil § 61 S 1 GKG bestimmt, dass der Kläger schon bei Klageerhebung den Wert des Streitgegenstandes schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle anzugeben hat. Dieser Wertangabe kann indizielle Bedeutung für die Bewertung des Verfahrensgegenstands beizumessen sein (Schneider aaO, § 61 Rn 32), sodass die Streitwertfestsetzung hierauf gestützt werden kann, wenn deren Unrichtigkeit nicht aus anderen Umständen, etwa substantiierteren Angaben der Beklagten, folgt. Derartige Angaben liegen aber nicht vor, weil die Beklagte sich nicht in der Lage gesehen hat, die von ihr erlassenen Bescheide wiederzuerkennen und Angaben zum Streitwert zu machen. Die Angabe des Klägers, der Streitwert betrage 23,67 Euro, war schließlich auch plausibel, weil die Klage lediglich die Berichtigung von drei Anästhesiemaßnahmen betrifft, die nach dem Bema-Z mit der relativ niedrigen Bewertungszahl 8 in Ansatz gebracht werden. Für den vom SG angenommenen Streitwert von 5.000 Euro bleibt demgegenüber kein Raum, weil dieser nach § 52 Abs 2 GKG nur dann festgesetzt werden kann, wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet.

bb) Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Senat im vorliegenden Ausnahmefall auch bei Festsetzung des vorläufigen Streitwerts mit 5.000 Euro durch Beschluss den geringeren Streitwert von 24 Euro hätte zugrunde legen können. Dies folgt aus § 63 Abs 3 S 1 GKG, wonach die Streitwertfestsetzung auch vom Rechtsmittelgericht von Amts wegen geändert werden kann, wenn das Verfahren (ua) wegen des Kostenansatzes in der Rechtsmittelinstanz schwebt. Diese Vorschrift gilt auch für die Festsetzung des vorläufigen Streitwerts (vgl Schneider aaO, § 63 GKG Rn 28 und 33). Der Senat macht von der von ihm eingeräumten Befugnis, den Streitwert von Amts wegen abzuändern, in stRspr jedenfalls dann Gebrauch, wenn der erstinstanzlich zugrunde gelegte Streitwert offensichtlich fehlerhaft ist (vgl zB Beschluss vom 29. Juni 2015 - L 3 KA 68/14 B). Dies ist hier zu bejahen, weil der vom SG zugrunde gelegte Streitwert mehr als 200mal so hoch ist wie der sachgerecht festzusetzende Wert.

cc) Nach alledem war die Verfahrensgebühr nach Nr 7110 KV mit dem 3fachen des Mindestgebührensatzes von 35 Euro festzusetzen, als auf 105 Euro.

b) Ohne Erfolg bleibt die Beschwerde des Klägers dagegen, soweit er sich gegen den Ansatz von 6 Euro für die Fertigung von Ablichtungen wendet. Entgegen seiner Annahme sind ihm diese Kosten nicht in Rechnung gestellt worden, weil er sich geweigert hat, Ablichtungen der angefochtenen Bescheide vorzulegen. Grund hierfür war vielmehr, dass er seiner Verpflichtung nach § 93 SGG nicht nachgekommen ist, seinen Schriftsätzen Abschriften für die Beklagte beizufügen. In diesem Fall fordert das Gericht die nicht eingereichten Abschriften nachträglich an oder fertigt sie selbst an; im zuletzt genannten Fall können die Kosten für die Anfertigung vom Kläger eingezogen werden (§ 93 S 2 und 3 SGG). Auf der Grundlage der Nr 9000 KV hat das SG deshalb zu Recht 0,50 Euro pro abgelichtete Seite (und damit insgesamt 6 Euro) in Rechnung gestellt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs 8 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 66 Abs 3 S 3 GKG).