Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 21.11.2017, Az.: L 16/1 KR 371/15
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 21.11.2017
- Aktenzeichen
- L 16/1 KR 371/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 53670
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG - 01.09.2015 - AZ: S 16 KR 257/12
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 1. September 2015 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Versorgung der Klägerin mit einem Blindenführhund.
Die am 1. März 1944 geborene Klägerin leidet an einem ausgeprägtem Glaukom, einer multiplen Sklerose, chronischer Polyarthritis, Osteoporose, Harninkontinenz. Nach den gesetzlichen Vorschriften ist sie blind, ihre Sehschärfe ist massiv herabgesetzt, das Gesichtsfeld konzentrisch eingeengt. Die Klägerin ist mit einem Langstock versorgt. Im Juni 2009 erhielt sie ein 40-stündiges Mobilitätstraining mit dem Langstock und in der Zeit vom 15. März bis 10. Mai 2016 20 Unterrichtsstunden.
Der Facharzt für Augenheilkunde J. verordnete der Klägerin am 4. November 2011 einen Blindenführhund wegen ausgeprägtem Glaukom und AMD. Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 13. Dezember 2011 ein und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29. Dezember 2011 ab. Die Notwendigkeit der Verordnung von Hilfsmitteln ergäbe sich nicht allein aus der Diagnose. Der MDK habe bei seiner Beurteilung auch das Pflegegutachten vom 27. Mai 2009 berücksichtigt. Es sei nicht ersichtlich, welches Therapieziel durch die Verordnung eines Blindenführhundes erreicht werden solle. Es sei weiterhin nicht nachvollziehbar, dass durch den beantragten Blindenführhund ein wesentlicher Gebrauchsvorteil gegenüber der Basisversorgung erreicht werden könne. Die Klägerin nutze außerhalb der Wohnung einen Rollator oder den Elektrorollstuhl. Ferner sei ein Orientierungs- und Mobilitätstraining über 50 Stunden absolviert worden. Es könne anhand der vorliegenden Unterlagen nicht nachvollzogen werden, in welchem Ausmaß sie auch unter Berücksichtigung der zusätzlichen vorliegenden Erkrankungen mobil sein könnte. Aus medizinischer Sicht sei die Indikation für einen Blindenführhund nicht gegeben.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 5. Januar 2012 Widerspruch ein. Die Klägerin sei mobil, dies habe sie im Langstocktraining hinreichend bewiesen. Sie könne zwar ohne Blindenführhund nur langsam gehen, sei aber trotz aller Einschränkungen mobil. Der Blindenführhund bedeute eine wesentliche Verbesserung des Alltages. Zurzeit sei die Mobilität gehemmt. Sie müsse mit dem Langstock Wege ertasten, dürfe die Orientierung nie verlieren, Türen von Geschäften mühsam suchen oder an Ampeln die Ampelphase erraten. Ein Blindenführhund sei eine wesentliche Entlastung. Die selbstständige Mobilität sei für jeden Menschen wichtig und ein wertvolles Therapieziel auch in psychischer Hinsicht.
Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten des MDK vom 7. Februar 2012 ein und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2012 zurück. Der MDK habe die Ausführungen im ersten Gutachten bestätigt. Eine Kostenübernahme für einen Blindenhund könne nicht erfolgen.
Hiergegen hat die Klägerin am 13. Juli 2012 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Unbestritten sei die Klägerin körperlich und auch in ihrer Gehfähigkeit beeinträchtigt. Für längere Strecken stehe ihr ein Elektrodreirad zur Verfügung, das sie wegen der Sehverschlechterung nur noch auf Feldwegen nutzen könne, da eine sichere Teilnahme am Straßenverkehr nicht mehr möglich sei. Zur eigenständigen Fortbewegung außer Haus ohne Fremdhilfe bestehe nur die Möglichkeit, sich zu Fuß auf den Weg zu machen. Die Kombination aus Gehbehinderung und Blindheit wirke sich im Falle der Klägerin beim Zufußgehen so massiv aus, weil sie wegen der spät erfolgten Erblindung beim Gehen mit dem Blindenlangstock viel Energie und Kraft benötige, dass sie die wegen der Gehbehinderung erforderliche Anstrengung nicht noch zusätzlich aufbringen könne. Es liege eine massive Überforderung vor. Schon für einen nur blinden Menschen sei die selbstständige Fortbewegung im Straßenverkehr unter Zuhilfenahme des Blindenlangstocks mit großen Schwierigkeiten verbunden, zumal wenn die Erblindung erst spät im Leben eintrete und der Betroffene in seinem Gehör und Tastvermögen nicht so sensibilisiert sei wie ein von Geburt an diese Situation gewöhnter Mensch. Beim Gehen stoße die Klägerin zwangsläufig mit dem Blindenstock an Gegenstände, müsse sich immer einen Weg darum suchen, wieder neu orientieren, den Wege wieder aufnehmen, Ampelpfosten zum Teil erst aufwendig suchen. Dies sei mit erheblichem Kraftaufwand verbunden, der für sie nicht mehr zu bewältigen sei. Ein Blindenführhund würde einen wesentlichen Gebrauchsvorteil bieten, da sie mit diesem Hilfsmittel in der Lage wäre, wieder eigenständig und ohne Fremdhilfe das Haus zu verlassen, denn der Blindenführhund könne die Klägerin zielgerichtet führen, so dass lange Suchvorgänge, etwa bei Straßenüberquerungen, Auffinden von Eingängen, Briefkästen, Geschäften entfielen. Wegen der mangelnden Orientierungsfähigkeit würde die Klägerin das eigenständige Gehen überwiegend vermeiden, regelmäßige körperliche Bewegung sei aber in ihrer Situation besonders wichtig, um eine Stabilisierung des gesundheitlichen Allgemeinzustandes zu sichern. Auch für körperbehinderte bzw rollstuhlpflichtige Menschen gebe es die Möglichkeit einen Führhund zu nutzen, sofern dieser entsprechend trainiert werde. Der behandelnde Arzt K. bestätige, dass die Klägerin in der Lage sei, längere Wegstrecken zurückzulegen
Die Beklagte hat vorgetragen, dass nicht erkennbar sei, welche Gebrauchsvorteile gegenüber einem Langstock bestünden und welches Therapieziel erreicht werden sollte und eine Stellungnahme des MDK vom 13. Mai 2013 vorgelegt.
Das SG hat Berichte des Facharztes für Allgemeinmedizin K. vom 14. Dezember 2012 und 11. Februar 2013 sowie des Facharztes für Augenheilkunde L. vom 4. März 2013 beigezogen und ein Gutachten des Facharztes für Chirurgie Dr M. vom 5. Dezember 2013 eingeholt. Dieser hat nach einer Untersuchung der Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung ausgeführt, es bestehe eine muskuläre Schwäche der rechten Körperhälfte aufgrund einer Multiplen Sklerose Erkrankung einschließlich einer Blasenfunktionsstörung mit schnellerer Erschöpfbarkeit des Muskeltonus und der muskulären Koordinierungsfähigkeit, insbesondere des rechten Armes und der Hand beim Führen des Langstockes und die Wegefähigkeit der Klägerin auf ca 5 km eingeschätzt. Die Versorgung und Betreuung eines Hundes im eigenen Haushalt ohne Fremdhilfe sei möglich. Auch die Haltung des Hundes sei aufgrund der häuslichen Situation mit einer Erdgeschosswohnung und barrierefreiem Zugang möglich. Es bestehe auch Auslaufmöglichkeit für den Hund in unmittelbarer Nähe des Wohnumfeldes.
Die Beklagte hat demgegenüber unter Vorlage eines Gutachtens des MDK vom 16. Januar 2014 vorgetragen, dass die Fähigkeit zur Nutzung eines Blindenführhundes nicht erkennbar sei.
Nach einem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2014, in dem die Klägerin erklärt hat, einen neuen Schub hinsichtlich der MS-Erkrankung gehabt zu haben, hat das SG ein weiteres Gutachten von Dr M. vom 18. September 2014 nach einem Hausbesuch eingeholt, der im Vergleich zur Voruntersuchung eine Verbesserung des Allgemeinzustandes mit einer deutlich verbesserten Orientierungsfähigkeit festgestellt hat. Hierauf hat die Beklagte wiederum eine Stellungnahme des MDK vom 10. November 2014 sowie das Pflegegutachten des MDK vom 14. Mai 2014 vorgelegt.
Ferner hat das SG ein Gutachten der Dr N., Gespannprüferin für Blindenführhundgespanne, vom 16. März 2015 eingeholt, die ebenfalls einen Hausbesuch bei der Klägerin durchgeführt hat. Darauf hat die Beklagte wiederum ein Gutachten des MDK vom 1. Juni 2015 vorgelegt.
Mit Urteil vom 1. September 2015 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 29. Dezember 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2012 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin mit einem Blindenführhund zu versorgen. Das SG hat zur Begründung ausgeführt, dass die Voraussetzungen der §§ 27 Abs 1 Satz 1, 33 Abs 1 Satz 1, 12 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erfüllt seien. Die Klägerin sei blind, sie leide an einem fortgeschrittenen Glaukom und AMD. Sie habe ein geringes Restsehvermögen, dies ermögliche ihr aber nicht, sich ohne Hilfsmittel fortzubewegen. Um diese Behinderung auszugleichen, habe die Klägerin Anspruch auf die Versorgung mit dem Hilfsmittel Blindenführhund. Dieses sei erforderlich, zweckmäßig und wirtschaftlich und übersteige das Maß des Notwendigen nicht. Ein Blindenführhund sei ein Hilfsmittel im Sinne des §§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V, er sei weder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen, noch ein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Er diene dem unmittelbaren Ausgleich der Behinderung. Funktionell gleichwertige, aber billigere Hilfsmittel stünden vorliegend nicht zur Wahl. Das SG stütze sich insbesondere auf die Gutachten des Sachverständigen Dr M. vom 5. Dezember 2013 und 18. September 2014, der in überzeugender Weise ausgeführt habe, dass der vorhandene Langstock nicht mehr in ausreichender Weise benutzt werden könne. Aufgrund der gesundheitlichen Situation im Rückenbereich sei sie auf einen Stützstock bzw auf einen Rollator angewiesen. Zudem habe Dr M. sogar eine Verbesserung des Gesamtzustandes nach dem letzten MS-Schub beschrieben. Eine Einschränkung bezüglich der Funktion mit der Knieprothese rechts bzw insgesamt der unteren Extremitäten habe nicht festgestellt werden können. Auf die Einwendungen des MDK vom 16. Januar 2014, dass es aufgrund der schwerwiegenden Grunderkrankung mit der muskulären Schwäche und der dadurch bedingten Einschränkung der Mobilität nicht vorstellbar sei, dass die Klägerin mit der rechten Hand am Gehstock und der linken Hand am Führungsgeschirr des Blindenführhundes weite Strecken zurücklegen könne, habe die Kammer ein Gutachten der Gespannprüferin für Blindenführhundgespanne Dr N. eingeholt. Diese habe überzeugend dargelegt, dass ein Blindenführhund bei den vorhandenen Gesundheitsstörungen sinnvoll und gewinnbringend eingesetzt werden könne. Sowohl Dr M. als auch die Sachverständige Dr N. seien zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin bei dem bestehenden Gesundheitszustand bei Benutzung eines Rollators sowohl einen Blindenführhund führen könne und sie darüber hinaus erhebliche Vorteile habe, die ihr ein unabhängiges aus dem Haus gehen ermöglichten. Unter Berücksichtigung des für unmittelbare Behinderungsausgleiche geltenden Gebots eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits sei der Klage deshalb stattzugeben.
Gegen das am 8. September 2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 2. Oktober 2015 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen erhoben und das Pflegegutachten vom 29. August 2015 vorgelegt. Der Anspruch aus § 33 SGB V sei durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 Satz 1 SGB V begrenzt. Demzufolge verpflichte auch § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen seien danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet sei. Dies gelte auch für den unmittelbaren Behinderungsausgleich, insbesondere durch Prothesen. Bei der in die Pflegestufe II eingestuften Klägerin sei der Blindenführhund nicht zweckmäßig. Auffallend sei insbesondere die Diskrepanz zwischen den Angaben in dem vom MDK erstellten Gutachten im Rahmen der Pflegebegutachtung. Während Dr M. eine Verbesserung des Gesundheitszustandes konstatiere, habe der MDK am 14. Mai 2014 eine Verschlechterung festgestellt. Ein sicherer Gang am Rollator sei nur gewährleistet, wenn der Rollator mit beiden Händen geführt werde. Ein Führhund könne nur im Gespann eingesetzt werden, dabei müsse eine Hand den Haltebügel des Führgeschirrs umfassen, der permanente Kontakt zum Führhund sei bei der Führarbeit unabdingbar. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wie die Klägerin beim Gehen mit dem Rollator gleichzeitig den Führhund halten und sich mit seiner Hilfe fortbewegen wolle. Zudem benötige die Klägerin außerhalb der Wohnung zur Orientierung verbale Anweisung. Nach dem Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit sei eine Orientierung außerhalb der Wohnung gar nicht mehr vorhanden. Die Klägerin sei aufgrund der schwerwiegenden weiteren Erkrankung neben der Blindheit nicht in der Lage, einen Blindenführhund adäquat zu führen. Es fehle die Feinmotorik, um neben dem Gehen am Rollator ein Führgeschirr sicher halten zu können. Zudem sei sie nicht in der Lage, einen Hund adäquat zu versorgen. Dies könne nicht auf Pflegekräfte übertragen werden. Für die Versorgung eines Blindenhundes sei eine gute Grundmobilität und Kondition unerlässlich. Dies sei bei der Klägerin nachweislich nicht gegeben. Die Gehbehinderung sei erheblich und ein Rollator fast immer erforderlich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 1. September 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Nach dem vom SG eingeholten Gutachten sei die Klägerin grundsätzlich in der Lage, einen Blindenführhund zu halten und diesen als Hilfsmittel einzusetzen. Die Mobilität der Klägerin habe sich seit dem Gutachten vom 14. Mai 2014 verbessert. Dies habe auch Dr M. in seinem Gutachten vom 18. September 2014 festgestellt. Ein Hausbesuch oder eine Vorstellung der Klägerin durch den MDK sei nicht erfolgt. Demgegenüber sei Dr N. auf die individuellen Probleme der Klägerin eingegangen. Der Bedarf an Orientierungshilfe begründe die Versorgung mit dem Blindenführhund. Aus dem Abschlussbericht zum durchgeführten Orientierungs- und Mobilitätstraining ergebe sich, dass nachweislich längere Wegstrecken zurückgelegt werden könnten. Weiterhin sei der Klägerin eine gute Orientierungsfähigkeit attestiert worden. Der Mehrbedarf an Platz bei der Benutzung eines Rollators halte sich in Grenzen. Ein Gespann aus einer blinden Person am Rollator benötige nicht wesentlich mehr Platz, als wenn die blinde Person nicht am Rollator laufe. Die Beklagte habe selbst festgestellt, dass eine alleinige Versorgung mit einem Blindenlangstock nicht ausreichend sei, um Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erledigen zu können.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes ein Gutachten des Facharztes für Chirurgie, Unfallchirurgie Dr O. vom 4. August 2017 eingeholt. Dr O., der die Klägerin zu Hause aufgesucht hat, ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin trotz der bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen auf orthopädisch/chirurgischen Gebiet geeignet ist, einen Blindenführhund zu halten. Sie besitze eine gute Grundmobilität, Kondition und Orientierungsfähigkeit. Sie könne die sich aus dem Gutachten von Dr N. ergebenden Gebrauchsvorteile eines Blindenhundes nutzen und diesen versorgen.
Nachdem das Gutachten der Beklagten vorlag, hat diese am 26. Oktober 2017 bei der Hundeschule in Rostock angerufen, auf die sich die Klägerin in ihrem Antrag berufen hat (siehe Telefonvermerk der Beklagten vom 26. Oktober 2017).
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten von Dr O. Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung geworden.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 143 f Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin Anspruch auf die Versorgung mit einem Blindenführhund durch die Beklagte hat.
Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG zulässig. Sie ist auch begründet.
Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin richtet sich nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V die Versorgung mit Hilfsmitteln. Gemäß § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Der Anspruch umfasst gemäß § 33 Abs 1 Satz 4 SGB V auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch. Gemäß § 12 Abs 1 Satz 1 SGB V müssen Hilfsmittel ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen bzw Erforderlichen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte gemäß § 12 Abs 1 Satz 2 SGB V nicht beanspruchen.
Der Blindenführhund ist ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V (BSG, Urteil vom 25. Februar 1981- 5a/5 RKn 35/78, BSGE 51, 206 [BSG 25.02.1981 - 5a/5 RKn 35/78]; vgl Hilfsmittelkatalog Produktnummer 99.99.01.0001). Der Blindenführhund ist weder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen noch ein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, der üblicherweise von einer großen Zahl von nichtbehinderten Menschen regelmäßig benutzt wird (dazu BSG, Urteil vom 03. November 1993 - 1 RK 42/92, SozR 3-2500 § 33 Nr 5 mwN; BSG, Urteil vom 16. April 1998 - B 3 KR 9/97 R, SozR 3-2500 § 33 Nr 27 mwN).
Der Behinderungsausgleich des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V hat grundsätzlich zwei Zielrichtungen. Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen.
Ein unmittelbarer Funktionsausgleich liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vor, soweit das Hilfsmittel die ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktion ausgleicht, indem es die entsprechende Körperfunktion ermöglicht oder sie weitestgehend ersetzt (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr. 2.). Hierbei ist der aktuelle Stand der Medizin und der Medizintechnik maßgebend. Kosten-Nutzen-Erwägungen sind im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs grundsätzlich nicht anzustellen. Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleichs dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen (BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 3 KR 5/09 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 30 Rdnr 11mwN; BSG, Urteil vom 6. Juni 2002 - B 3 KR 68/01 R, SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S. 248). Der Leistungsanspruch hinsichtlich eines fortschrittlicheren Hilfsmittels wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein vollständiges Gleichziehen mit einem gesunden Versicherten auch damit nicht erreicht werden kann (BSG, Urteil vom 16. September 2004 - B 3 KR 19/03 R - BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 7).
Soweit das Hilfsmittel die ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktion weder ganz noch weitestgehend ersetzen kann, handelt es sich um einen mittelbaren Behinderungsausgleich. In diesem Falle kommt ein Leistungsanspruch nur in Betracht, soweit es um den angemessenen Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung geht (Beck/Pitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 33 SGB V, Rn. 27). Im Rahmen des sog mittelbaren Behinderungsausgleichs geht es nicht um ein Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines nichtbehinderten Menschen. Die Aufgabe der Gesetzlichen Krankenversicherung ist allein die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist daher von der Gesetzlichen Krankenversicherung nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrung aufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (vgl BSG, Urteil vom 10. März 2011 - B 3 KR 9/10 R, Rdnr 13; BSG, Urteil vom 18. Mai 2011 - B 3 KR 12/10 R, Rdnr 13). Das betroffene Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums umfasst die Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und im umliegenden Nahbereich. Anknüpfungspunkt ist der Bewegungsradius, den ein Nichtbehinderter üblicherweise zu Fuß zurücklegt (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 27, Nr 15). Für die Bestimmung des Nahbereichs gilt ein abstrakter, von den Besonderheiten des jeweiligen Wohnortes unabhängiger Maßstab. Die Erforderlichkeit der Hilfsmittelversorgung im Einzelfall ist eine subjektbezogene Anspruchsvoraussetzung, die nach einem konkret individuellen Maßstab beurteilt wird. Der Nahbereich wird nicht im Sinne einer Mindestwegstrecke bzw einer Entfernungsobergrenze festgelegt, sondern lediglich beispielhaft im Sinne der Fähigkeit konkretisiert, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um in einem kurzen Spaziergang an die frische Luft zu kommen oder um die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind, wobei allerdings die Fähigkeit, eine Wegstrecke von 100 Metern bzw 200 Metern nicht als ausreichend zur Erschließung des Nahbereichs angesehen worden ist. Sie umfasst jedoch nicht die Fähigkeit, weitere Wegstrecken zu bewältigen. Für die Bestimmung sind allein die Zwecke des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V maßgebend.
Der Blindenführhund ist nach der Rechtsprechung des BSG unmittelbar auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet (BSG, Urteil vom 25. Februar 1981 - 5a/5 RKn 35/78, BSGE 51, 206 [BSG 25.02.1981 - 5a/5 RKn 35/78]). Dem stehe nicht entgegen, dass das Hilfsmittel nicht direkt am Körper ausgleichend wirkt (BSG, Urteil vom 27. Oktober 1982 - 9a RV 16/82, BSGE 54, 140). Entscheidend sei, dass das Hilfsmittel die beeinträchtigte Funktion – hier das Sehen – ermöglicht, ersetzt oder ergänzt. Der Blindenführhund biete Ersatz für die durch Blindheit ausgefallene oder zumindest erschwerte Möglichkeit der Umweltkontrolle. Dieser Funktionsausgleich soll unmittelbar diese Behinderung betreffen und nicht erst bei den Folgen der Behinderung in bestimmten Lebensbereichen einsetzen (BSG, Urteil vom 25. Februar 1981 - 5a/5 RKn 35/78, BSGE 51, 206; auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. Mai 2012 – L 11 KR 804/11; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Oktober 2013 - L 5 KR 99/13; SG Bremen, Urteil vom 24. Mai 2016 - S 4 KR 153/15 –).
Dem könnte entgegenzuhalten sein, dass Umweltkontrolle und Orientierungsfähigkeit keine unmittelbaren Körperfunktionen wie Sehen oder Hören sind, sondern vielmehr intellektuelle Kombinationsleistungen aus verschiedenen Sinneseindrücken. Dies könnte für eine Qualifikation als mittelbarer Behinderungsausgleich sprechen.
Im Ergebnis kann dies jedoch dahingestellt bleiben, da die Versorgung mit einem Blindenführhund im Falle der Klägerin auch zum mittelbaren Behinderungsausgleich geeignet, angemessen und erforderlich ist. Denn die Versorgung mit einem Langstock und erhaltenem Mobilitätstraining ist angesichts der bei der Klägerin vorliegenden Kombination aus Blindheit und Gehbehinderung nicht ausreichend, um die Mobilität und die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums zu gewährleisten. Auch neben einem Blindenlangstock kann der Blindenführhund im Einzelfall erforderlich sein, wenn er wesentliche Gebrauchsvorteile bietet (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Oktober 2013 - L 5 KR 99/13; Urteil des erkennenden Senates vom 29. August 2017 - L16/4 KR 65/12).
Eben so wenig schließt die Möglichkeit, die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen, den Versorgungsanspruch nach § 33 SGB V aus, denn es ist wesentliches Ziel der Hilfsmittelversorgung, dass behinderte Menschen nach Möglichkeit von der Hilfe anderer Menschen unabhängig oder zumindest deutlich weniger abhängig werden (BSG, Urteil vom 12. August 2009 - B 3 KR 8/08 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 27 Rdnr 18)
Bei der Prüfung der Erforderlichkeit ist nicht auf die abstrakt generellen Gebrauchsvorteile eines Blindenführhundes im Vergleich mit einem Blindenlangstock abzustellen, sondern vielmehr auf die konkrete Versorgungsnotwendigkeit im Einzelfall, die nach medizinischen Gesichtspunkten zu beurteilen ist. Denn nach der Rechtsprechung des BSG besteht selbst im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleiches kein Automatismus im Sinne einer höherwertigen Versorgung. Vielmehr kann die Versorgung mit einem fortschrittlicheren oder höherwertigen Hilfsmittel nur derjenige beanspruchen, der nach ärztlicher Einschätzung im Alltagsleben dadurch deutliche Gebrauchsvorteile hat (BSG, Urteil vom 06. Juni 2002 – B 3 KR 68/01 R –, SozR 3-2500 § 33 Nr 44, SozR 3-2500 § 31 Nr 9, Rn. 14). Ansonsten fehlt es an der Erforderlichkeit dieses speziellen Hilfsmittels (BSG, Urteil vom 06. Juni 2002 – B 3 KR 68/01 R –, SozR 3-2500 § 33 Nr 44, SozR 3-2500 § 31 Nr 9, Rn. 14).
Nach dieser Maßgabe hat die Klägerin hier einen Anspruch auf Versorgung mit einem Blindenhund durch die Beklagte. Dies ergibt sich zunächst aus den Gutachten von Dr M. vom 5. Dezember 2013 und 18. September 2014, der sich auch mit den Einwendungen des MDK auseinandergesetzt hat, und dem Gutachten der Gespannprüferin für Blindenführhunde Dr N. vom 16. März 2015, die die Klägerin ebenfalls in ihrer häuslichen Umgebung besucht und mit ihr einen Fußmarsch im Nahbereich unternommen hat. Insbesondere hat Dr N. bestätigt, dass es möglich sei, einen Blindenführhund am Rollator auszubilden und dass die Versorgung mit einem Blindenführhund die Probleme der Klägerin bei der Erschließung eines körperlichen Freiraum erheblich reduzieren könnte. Der Senat bezieht sich insoweit auf die ausführliche Darstellung in den Gründen des Urteils des SG, der er sich in vollem Umfang anschließt, § 153 Abs 2 SGG.
Aus dem Berufungsverfahren ergibt sich keine andere Beurteilung.
Nach dem Bericht über die Schulung in Orientierung und Mobilität als Einweisung in den Gebrauch des Hilfsmittels Langstock des Sehwerkes über 20 Unterrichtsstunden vom 5. März bis 10. Mai 2016 ergibt sich, dass die Klägerin mit einem Blindenlangstock nicht ausreichend versorgt ist, denn es war ihr nicht durchgängig möglich, nur mit dem Stützstock als Gehhilfe unterwegs zu sein. Insbesondere konnte bei Überquerung von Straßen und dem nötigen Auf- und Abwärtsgehen von Bordsteinkanten eine sichere Umsetzung der Techniken nicht erreicht werden. Eine nahe Begleitung bleibe also erforderlich. Zudem gestaltete sich der Einsatz mit dem Rollator als Gehhilfe und einem Blindenlangstock gleichzeitig als schwierig. Die Hand-/Fingerstellung und Kraftdosierung könne den schweren Langstock nicht gezielt einsetzen, da das Aufstützen auf die Gehhilfe noch durchgängig gebraucht wird.
Aus diesem Bericht ergibt sich auch, dass die Klägerin ihre Mobilität erheblich steigern konnte und genügend körperliche Ausdauer aufbringend konnte, um sogar weitere Wege zurückzulegen. Sie ist in der Lage ein rasches und lang anhaltendes Tempo am Rollator beizubehalten. Dies ist ihr dann möglich, sobald die Gehrichtung und Steuerung beispielsweise durch eine Begleitperson übernommen wird.
Das Gutachten von Dr O. vom 4. August 2017 bestätigt die Einschätzungen von Dr M. und Dr N.. Dr O. hat bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: Eine ausgeprägte Rotations-Seitverbiegung der Wirbelsäule mit daraus resultierender Bewegungseinschränkung der Brust- und Lendenwirbelsäule sowie einem ebenfalls daraus resultierenden Schultertief- und Beckenhochstand rechts, Klinisch ein Engesyndrom (Impingementsyndrom) beider Schultergelenke mit daraus resultierender Bewegungseinschränkung, rechts mehr als links, Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogengelenkes, Zustand nach Implantation einer Kniegelenksprothese rechts mit einer im Seitenvergleich herabgesetzten Beweglichkeit, einen deutlichen Ballenfuß sowie eine ebenfalls deutliche Krallenzehenbildung der Zehen 2 bis 5 beidseits, rechts führend. Nach dem Gutachten von Dr O., der den aktuellen Gesundheitszustand der Klägerin begutachtet hat, ist die Klägerin in der Lage, trotz der genannten Gesundheitsstörungen einen Blindenführhund zu halten. Sie besitzt eine gute Grundmobilität, Kondition und Orientierungsfähigkeit. Auch nach dem mit Dr O. unternommenen Spaziergang war eine muskuläre oder sonstige Schwäche nicht zu beobachten. Die Klägerin hatte während des Gehens ebenfalls genügend Atem für eine Unterhaltung, so dass davon auszugehen sei, dass sie am Rollator ebenfalls eine darüber hinausgehende Gehstrecke bewältigen könne. Dr O. hat zudem ausgeführt, dass bei der Klägerin eine gute Orientierung in der gewohnten Umgebung besteht, sie sich die Versorgung eines Hundes zutraut und auch in der Vergangenheit einen Hund betreut hat, den sie abgeben musste, da dieser nicht darauf trainiert gewesen sei, Hindernisse und Gefahren zu erkennen. Dr O. hat festgestellt, dass sie zB in der Lage sei, den Kühlschrank aufzusuchen, etwas zu entnehmen, dieses in einen Futternapf geben könnte, sofern sich die Dinge an den gewohnten Plätzen befinden würden. Sie sei in der Lage, eine Wegstrecke problemlos zu bewältigen. Darüber hinaus hat sich Dr O. überzeugt, dass die Distanz zum Ufer des Elbe-Seiten-Kanals etwa 400 Meter beträgt und einem Hund Freilauf sowie Kontakt zu anderen Hunden bieten könnte. Die geistige und körperliche Verfassung der Klägerin sprechen dafür, dass sie den Anforderungen an einen Hundeführer gerecht werden kann. Sie ist in der Lage, einem Hund Abwechslung zu bieten, ihn zu pflegen, zu füttern und auch mit ihm Gassi zu gehen. Der Senat schließt sich der Einschätzung des Sachverständigen, aufgrund seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens getroffenen Überzeugung an (§ 128 SGG). Dr O. hat die vorliegenden Akten und Gutachten gründlich ausgewertet, das Krankheitsbild umfassend gewürdigt und er hat die die Klägerin nicht nur fachgerecht untersucht, sondern sie am 28. Juli 2017 in ihrer Wohnung aufgesucht und mit ihr einen Spaziergang von ca 2 km mit leichten Steigungen und Gefälle zurückgelegt. Das Gutachten ist insgesamt einleuchtend und in sich widerspruchsfrei.
In der mündlichen Verhandlung, in der sich der Senat einen Eindruck von der Klägerin verschafft hat und in der die Klägerin gebeten wurde, mit dem Rollator den Gerichtsflur entlang zu gehen, hat die Klägerin bestätigt, dass sie jahrelang einen Hund gehalten hat und mit der Versorgung von Hunden vertraut ist.
In Anbetracht der Ausführungen von Dr O. und des Eindrucks in der mündlichen Verhandlung war die von der Beklagten im Schriftsatz vom 1. November 2017 angeregte nochmalige Befragung von Dr N. nicht erforderlich. Zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr N. war die Klägerin bereits in die Pflegestufe II eingestuft und auch bei der Begutachtung durch Dr N. benutzte die Klägerin bereits einen Rollator. Sie konnte eine Wegstrecke bewältigen und hatte keine Ermüdungserscheinungen. Eben dies hat Dr O. in seinem Gutachten bestätigt.
In Hinblick auf das positive Beweisergebnis durch insgesamt vier Gerichtsgutachten gibt das Verhalten der Beklagten, die im Vorfeld der mündlichen Verhandlung in Kenntnis des aktuellen positiven Gutachtens von Dr O. einen möglichen Leistungserbringer telefonisch kontaktiert hat, der sich wiederum mit der Gerichtssachverständigen Dr N. in Verbindung gesetzt hat, um eine tatsächliche Realisierung des Anspruchs der Klägerin zu behindern, Anlass, die Beklagte an ihre Bindung an Recht und Gesetz (Art 20 Abs 3 Grundgesetz) zu erinnern. Darüber hinaus sollen die Krankenkassen nach § 70 SGB V auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinwirken. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs zum Gesundheitsreformgesetz (GRG) trägt § 70 Abs 2 SGB V der besonderen Bedeutung einer humanen Krankenbehandlung als tragendem Prinzip der gesetzlichen Krankenversicherung Rechnung (Engelmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 70 SGB V, Rn. 36). Die Norm ist deshalb als Auslegungsrichtlinie zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 10. Mai 2005 - B 1 KR 25/03 R - BSGE 94, 302, 309 Rdnr 21 = SozR 4-2500 § 34 Nr. 2 Rn. 21).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Es hat kein gesetzlicher Grund vorgelegen, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG).