Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.10.2001, Az.: 5 K 237/96
Bekanntgabe des im Klageverfahren geänderten Steuerbescheids an den Prozessbevollmächtigten; Anforderungen an die Vorsteuerabzugsberechtigung im umsatzsteuerrechtlichen Abzugsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 18.10.2001
- Aktenzeichen
- 5 K 237/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 14623
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:1018.5K237.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 15 Abs. 1 UStG
- § 18 Abs. 8 UStG
- § 122 Abs. 1 S. 3 AO
Fundstellen
- EFG 2002, 361-363
- UR 2002, 33-36
- UStB 2002, 144
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des Klägers zum Vorsteuerabzug aus Rechnungen einer britischen Gesellschaft, die nach Ansicht des Beklagten die abgerechneten Leistungen nicht selbst ausgeführt hat.
Der Kläger betreibt ein Hoch- und Tiefbauunternehmen. In den Streitjahren 1991 und 1992 unterhielt er Geschäftsbeziehungen zu den Herren W., v.d.B. und B., die für die D. Ltd. nach außen aufgetreten sind. Die D. Ltd. war am 13. Februar 1991 in Großbritannien als "private limited company" britischen Rechts gegründet worden. Zum alleinigen geschäftsführenden Direktor war am 5. März 1991 der niederländische Staatsangehörige C. berufen worden.
Der Kläger setzte zur Ausführung von Mauerwerksarbeiten die D. Ltd., vertreten durch die Herren W., v.d.B. und B. als Subunternehmer ein. Die Mauerwerksarbeiten wurden dem Kläger von der D. Ltd. in Rechnung gestellt. Die Rechnungen wiesen Umsatzsteuer in Höhe von 2.393,72 DM für 1991 und 37.732,43 DM für 1992 gesondert aus. Außerdem trugen sie den Vermerk "Auftraggeber müssen MwSt an Finanzamt abführen. Laut § 18 UStG/§ 51 UStDV". Der Kläger beglich die Rechnungen der D. Ltd. mittels Schecks, die er Herrn B. übergab. Dabei behielt er die ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge ein und bezahlte nur die Nettobeträge. In seinen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre meldete er die von der D. Ltd. ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge an, führte sie gemäß § 51 UStDV ab und machte gleichzeitig Vorsteuern in gleicher Höhe geltend. Im Anschluß an eine beim Kläger durchgeführte steuerliche Außenprüfung ließ der Beklagte die in den Rechnungen der D. Ltd. gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuern beim Kläger nicht als Vorsteuern zum Abzug zu und änderte die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre entsprechend.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage. Zu deren Begründung trägt der Kläger vor, bei der D. Ltd. handle es sich nicht um eine Briefkastenfirma. Das ergebe sich aus den umfänglichen Geschäfts- und Behördenkontakten, die die D. Ltd. in der Bundesrepublik Deutschland unterhalten habe. Hierfür nimmt er Bezug auf die von ihm mit Schriftsatz vom 9. September 1996 als Anlage K1 bis K7 zur Gerichtsakte gereichten Unterlagen. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, weshalb eine Briefkastenfirma eine Betriebshaftpflicht-Versicherung mit einem jährlichen Prämienaufwand von 5.446,00 DM benötige. Außerdem habe das FA L. in einem Parallelverfahren auf der Grundlage von Erkenntnissen des Bundesamtes für Finanzen (BfF) festgestellt, dass die Handelsbilanz der D. Ltd. bei einem Umsatz von 10.713 Millionen Pfund einen Gewinn von 5.192 Pfund ausgewiesen habe. Die Erkenntnisse der Finanzverwaltung selbst ergäben somit erhebliche wirtschaftliche Aktivitäten der D. Ltd., womit sich die Annahme einer Briefkastenfirma verbiete.
Letztlich sei es aber unerheblich, ob es sich bei der D. Ltd. um eine Briefkastenfirma gehandelt habe. Entscheidend seien die zivilrechtlichen Vertragsbeziehungen, die zwischen ihm, dem Kläger, und der D. Ltd. zustande gekommen seien. Es sei vom Beklagten weder vorgetragen noch bewiesen worden, dass die D. Ltd. die Genehmigung eines durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossenen Vertrages verweigert habe. Die Mauerwerksarbeiten seien tatsächlich durchgeführt worden und der D. Ltd. aufgrund der Zivilrechtslage zuzurechnen. Ob die D. Ltd. ihre Umsätze ordnungsgemäß versteuert habe, sei für die Beurteilung der Berechtigung zum Vorsteuerabzug bei ihm, dem Kläger, unerheblich.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuern für 1991 um 2.393,72 DM und für 1992 um 37.732,43 DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung seines Antrags nimmt er im Wesentlichen Bezug auf die Ausführungen im Einspruchsbescheid vom 7. Mai 1996
Im Klageverfahren hat der Beklagte unter dem 28. Juli 1997 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide erlassen. Die Bescheide hat er Herrn Steuerberater O. als Empfangsbevollmächtigten für den Kläger bekanntgegeben. Eine Bekanntgabe an die Prozeßbevollmächtigten ist nicht erfolgt. Auch den erkennenden Senat hat der Beklagte nicht über die Änderungsbescheide in Kenntnis gesetzt.
Gründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1.
Der Kläger macht mit der Klage die für deren Zulässigkeit gemäß § 40 Abs. 2 FGO erforderliche Beschwer geltend. Die Klage richtet sich gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 1991 und 1992 vom 11. Dezember 1995 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 7. Mai 1996. Diese Bescheide entfalten nach wie vor Rechtswirkungen, weil die geänderten Umsatzsteuerbescheide vom 28. Juli 1997 nicht wirksam bekanntgegeben worden sind. Für die Zulässigkeit der Klage ist es deshalb nicht erforderlich gewesen, dass die Änderungsbescheide innerhalb der Frist des § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens erklärt worden sind.
Die Bekanntgabe der Änderungsbescheide vom 28. Juli 1997 gegenüber Steuerberater O. ist ermessensfehlerhaft gewesen (§ 5 AO 1977). Die Entscheidung, ob die Finanzbehörde einen Verwaltungsakt dem Steuerpflichtigen selbst oder einem Bevollmächtigten bekanntgibt, steht gemäß § 122 Abs. 1 Satz 3 AO in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Bei mehreren Bevollmächtigten kann ein Verwaltungsakt deshalb grundsätzlich jedem von ihnen gegenüber wirksam bekanntgegeben werden. Ergeht allerdings ein Steuerbescheid, der einen Steuerbescheid ändert, gegen den eine Klage anhängig ist, ist seit In-Kraft-Treten des § 68 FGO in der Fassung des FGO-Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2109) das Ermessen der Finanzbehörde dahingehend eingeschränkt, dass nur die Bekanntgabe gegenüber dem Prozeßbevollmächtigten ermessensfehlerfrei ist (Urteile des BFH vom 5. Mai 1994 VI R 98/93, BStBl II 1994, 806, 807; vom 7. Februar 1995 VIII R 27/93, BFH/NV 1996, 136; vom 26. Oktober 1995 XI R 26/94, BFH/NV 1996, 444; vom 29. Oktober 1997 X R 37/95, BStBl II 1998, 266). Durch die Bekanntgabe eines Änderungsbescheides ist gemäß § 68 Satz 2 FGO in der vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung auch eine prozessuale Antragsfrist in Lauf gesetzt worden.
Durch die schriftliche Bestellung der Prozeßbevollmächtigten hat der Kläger zu erkennen gegeben, dass alle den Prozeß betreffenden Angelegenheiten durch diese geregelt werden sollen. Dem steht nicht entgegen, dass die Vollmachtsurkunde dem Finanzgericht und nicht dem Beklagten gegenüber vorgelegt worden ist. Dem Beklagten ist die Bevollmächtigung vom Berichterstatter mit Verfügung vom 12. September 1996 mitgeteilt worden. Nur durch die Bekanntgabe an die Prozeßbevollmächtigten wäre sichergestellt gewesen, dass der Kläger die Antragsfrist des § 68 Satz 2 FGO in vollem Umfang hätte ausnutzen können. Außerdem hat der Kläger aufgrund der Erteilung der Prozeßvollmacht darauf vertrauen können, dass der Beklagte alle prozessrelevanten Erklärungen, Verfügungen und Verwaltungsakte an seine Prozeßbevollmächtigten richtet. Nur durch die Bekanntgabe der Änderungsbescheide an die Prozeßbevollmächtigten hat daher der Beklagte das ihm in § 122 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausüben können.
Die Klage ist aber unbegründet.
2.
Der Beklagte hat dem Kläger zu Recht den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der D. Ltd. versagt, weil er das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG nicht nachgewiesen hat. Gemäß § 15 Abs. 1 UStG setzt die Berechtigung zum Vorsteuerabzug u.a. voraus, dass die vom Steuerpflichtigen für sein Unternehmen bezogenen Leistungen von dem Unternehmer ausgeführt worden sind, der über die Leistungen abgerechnet hat. Das hat der Senat nicht feststellen können. Für den Nachweis der Identität von leistendem Unternehmer und Rechnungsaussteller trägt der Kläger die objektive Beweislast (anderer Ansicht Urteile des BFH vom 11. Dezember 1997 V R 28/97, BStBl II 1998, 521, 522; vom 28. Mai 1998 V R 17/97, BFH/NV 1999, 220).
a)
Für die Berechtigung des Klägers zum Vorsteuerabzug ist die Frage, ob es sich bei der D. Ltd. um eine Domizilgesellschaft gehandelt hat, unerheblich. Dieser ertragsteuerlich geprägte Begriff hat für das Umsatzsteuerrecht allenfalls mittelbare Bedeutung, weil Domizilgesellschaften häufig nicht die Voraussetzungen der Unternehmereigenschaft erfüllen. Zwingend ist das aber keineswegs. Entscheidend für die Berechtigung des Leistungsempfängers zum Vorsteuerabzug sind allein die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG. Auch das Vorliegen einer Domizilgesellschaft entbindet deshalb nicht von der Feststellung, ob die Unternehmereigenschaft gewährleistet gewesen ist und wer im konkreten Einzelfall welche Leistung an wen erbracht hat. Das gilt umso mehr als ein Unternehmer nicht in eigener Person tätig werden muß, sondern die von ihm geschuldeten Leistungen auch unter Mithilfe anderer Unternehmer ausführen lassen kann (Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 30. November 2000, 5 K 62/98, EFG 2001, 316; Urteil des Finanzgerichts Münster vom 20.März 2001, 15 K 4579/98 U, EFG 2001, 937).
b)
Es hat sich nicht aufklären lassen, ob die D. Ltd. Leistungen an den Kläger bewirkt hat. Tatsächlich aufgetreten sind die Herren W., v.d.B. und B.. Zwar haben sie dabei den Firmennamen der D. Ltd. verwandt. Ob sie eine wirksame Vertretungsberechtigung innegehabt haben, ist offen geblieben. Weder ist einer der Herren geschäftsführender Direktor der D. gewesen noch hat der Senat eine sonstige Berechtigung, für die D. Ltd. rechtsverbindliche Erklärungen abgeben zu können, feststellen können. Auch für eine Genehmigung seitens der D. Ltd. im Sinne des § 177 Abs. 1 BGB haben sich keine Anhaltspunkte ergeben. Es mag sein, dass W., v.d.B. und B. die D. Ltd. wirksam vertreten haben. Ebenso gut möglich ist es, dass sie nur unter dem Namen der D. Ltd. aufgetreten sind. In diesem Fall sind die Leistungen von ihnen selbst bewirkt worden (vgl. Urteil des BFH vom 21. April 1994 V R 105/91, BStBl II 1994, 671).
c)
Auf den Nachweis der Identität von leistendem Unternehmer und Rechnungsaussteller als eine der Voraussetzungen der Berechtigung zum Vorsteuerabzug kann auch im Abzugsverfahren nicht verzichtet werden. Der Senat folgt nicht der in der Rechtsprechung (Urteil des Finanzgerichts Münster vom 20. März 2001, 15 K 4579/98 U, EFG 2001, 937) vereinzelt vertretenen Auffassung, dass sich aus der Einbehaltung und Anmeldung der abzuführenden Steuer im Abzugsverfahren ein Vorsteuererstattungsanspruch herleiten lässt. Für eine derartige Auslegung des § 15 Abs. 1 UStG gibt es keine Grundlage.
ca)
Auf den gesetzgeberischen Willen lässt sich der Verzicht auf einen Teil der Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG nicht stützen (anderer Ansicht offenbar für einen Fall der sog. Nullregelung des § 52 UStDV FG Münster Urteil vom 20. Februar 2001, 15 K 6920/98, EFG 2001, 714). Mit dem gesetzgeberischen Willen kann im Hinblick auf die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nur der Gesetzgeber des § 15 Abs. 1 UStG gemeint sein. Im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des § 15 Abs. 1 UStG zum 1. Januar 1968 (§ 33 UStG vom 29. Mai 1967, BGBL I 1967, 545) hat es das Abzugsverfahren nach §§ 51 ff. UStDV noch nicht gegeben. Zwar enthielten bereits das UStG 1951 in § 28 Abs. 1 Nr. 5 und das UStG 1973 in § 25 Abs. 3 Ermächtigungsgrundlagen für eine Rechtsverordnung zum Abzugsverfahren. Von diesen Ermächtigungen ist aber kein Gebrauch gemacht worden. Die Verordnungsermächtigung in § 18 Abs. 8 UStG ist erst mit dem UStG 1980 mit Wirkung ab 1. Januar 1980 in das Umsatzsteuergesetz aufgenommen worden. Zeitgleich sind auch die Regelungen über das Abzugsverfahren in §§ 51 ff. UStDV in Kraft getreten. Einen auf das Abzugsverfahren bezogenen Willen des historischen Gesetzgebers des § 15 Abs. 1 UStG kann es somit nicht gegeben haben. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass beim Gesetzgeber anläßlich der Einfügung des § 18 Abs. 8 UStG Vorstellungen über eine Änderung der an die Berechtigung zum Vorsteuerabzug berechtigenden Anforderungen bestanden haben.
Ob für den Verordnungsgeber der UStDV etwas anderes gilt, ist zweifelhaft, kann aber auch dahingestellt bleiben. Bei dem BMF als Verordnungsgeber handelt es sich nicht um den Gesetzgeber, sondern um ein Organ der vollziehenden Gewalt. Der Grundsatz der Gewaltenteilung verbietet es, einer Maßnahme der Exekutive rechtsgestaltende Wirkungen in einem Regelungsbereich zuzumessen, für den es keine gesetzliche Verordnungsermächtigung gibt.
cb)
Auch aus dem Zweck der Regelung des § 15 Abs. 1 UStG lässt sich nichts für einen Verzicht auf die Identität von leistendem Unternehmer und Rechnungsaussteller als Voraussetzung der Berechtigung zum Vorsteuerabzug herleiten. Der Anspruch auf Vorsteuererstattung entsteht im allgemeinen Besteuerungsverfahren unabhängig davon, ob der leistende Unternehmer die von ihm geschuldete Umsatzsteuer an das für ihn zuständige Finanzamt abgeführt hat (Urteile des BFH vom 29. April 1993 V R 118/89, BFH/NV 1994, 584; vom 18. Juni 1993 V R 6/91, BStBl II 1993, 854; Wagner in Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 90). Zwar sind Umsatzsteuer und Vorsteuer durch den auch EG-rechtlich verankerten Grundsatz der Neutralität dergestalt miteinander verbunden, dass - mit Ausnahme des Umsatzes an den Endverbraucher- grundsätzlich jeder Umsatzsteuerschuld ein entsprechender Vorsteueranspruch entspricht. Dieser Neutralitätsgrundsatz betrifft aber nicht das Erhebungsverfahren. Die tatsächliche Erfüllung der Umsatzsteuerschuld ist deshalb keine Voraussetzung für das Entstehung des Vorsteuererstattungsanspruchs. Umgekehrt lässt sich aus der Erfüllung der Umsatzsteuerschuld durch den Leistenden nicht die Berechtigung des Leistungsempfängers zum Vorsteuerabzug herleiten.
Es besteht keine Veranlassung, im Abzugsverfahren von diesen für das allgemeine Besteuerungsverfahren geltenden Grundsätzen abzuweichen. Zwar besteht beim Abzugsverfahren gegenüber dem allgemeinen Besteuerungsverfahren die Besonderheit, dass gerade der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug begehrt, zugleich auch die Befriedigung des Umsatzsteueranspruchs sicherstellt. Das aber ist lediglich eine auf §§ 51 ff. UStDV beruhende Besonderheit des Erhebungsverfahrens. An dem systematischen Verhältnis zwischen Steuerschuld und Vorsteuererstattungsanspruch ändert diese Besonderheit nichts. Aus dem Wesen des Abzugsverfahrens ergibt sich vielmehr, dass von ihm gerade keine Auswirkungen auf die Berechtigung zum Vorsteuerabzug ausgehen können. Das Abzugsverfahren beruht auf der in § 18 Abs. 8 Nr. 1 UStG geregelten Verordnungsermächtigung. Hierin wird der BMF ermächtigt, zur Sicherung des Steueranspruchs mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass die Steuer für Umsätze eines im Ausland ansässigen Unternehmers im Abzugsverfahren durch den Leistungsempfänger zu entrichten ist. Diese Ermächtigung berechtigt nicht dazu, Regelungen zum Vorsteuerabzug zu treffen. Die auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung erlassenen §§ 51 ff. UStDV können deshalb auch keine Auswirkungen auf Regelungsbereiche haben, die von der Verordnungsermächtigung nicht umfaßt sind.
d)
Der Kläger hat den Nachweis, dass die von ihm bezogenen Leistungen von der D. Ltd. bewirkt worden sind nicht erbracht. Ihm obliegt diesbezüglich die objektive Beweislast (Feststellungslast). Der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen will, trägt grundsätzlich die Feststellungslast für alle Tatsachen, die den Vorsteuererstattungsanspruch begründen (Urteile des EuGH vom 5. Dezember 1996, Rs Reisdorf, C-85/95, EuGHE 1996, I-6257, 6271 ff. = UR 1997, 144; vom 26. September 1996, Rs. Enkler, C-230/94, EuGHE 1996, I-4517, 4537 ff. = UR 1996, 418, 420, Rz. 24; Urteile des BFH vom 19. Oktober 1978 V R 39/75, BStBl II 1979, 345; vom 24. April 1986 V R 110/76, BFH/NV 1987, 745; Beschluss vom 24.Mai 1993 V B 33/93, BFH/NV 1994, 133, 135; Wagner in Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 297). Zu diesen Tatbestandsmerkmalen gehört auch die Identität von leistendem Unternehmer und Rechnungsaussteller. Diese Beweislastverteilung ist Ausfluss des im Finanzgerichtsverfahren geltenden allgemeinen Grundsatzes, dass jeder Beteiligte die Beweislast für das Vorliegen aller Voraussetzungen derjenigen Normen trägt, ohne deren Anwendung sein Prozeßbegehren keinen Erfolg haben kann (Urteile des BFH vom 5. November 1970 V R 71/67, BStBl II 1971, 220, 224; vom 24. Juni 1976 IV R 101/75, BStBl II 1976, 562, 563).
Der Umstand, dass der Kläger die Umsatzsteuer für die D. Ltd. einbehalten, angemeldet und abgeführt hat, führt zu keiner Umkehr der Beweislast. Vielmehr gilt die allgemeine Beweislastverteilung auch im Abzugsverfahren nach § 18 Abs. 8 UStG i.V.m. §§ 51 ff. UStDV. Der Senat folgt insoweit nicht der Ansicht des BFH, wonach im Abzugsverfahren dem Finanzamt die Feststellungslast für das Fehlen der Identität von leistendem Unternehmer und Rechnungsaussteller obliegt. (Urteile vom 11. Dezember 1997 V R 28/97, BStBl II 1998, 521, 522; vom 28. Mai 1998 V R 17/97, BFH/NV 1999, 220). Allerdings gibt es im Steuerprozeß keine starren, gesetzlich fixierten Beweislastregeln, so dass grundsätzlich auch Ausnahmen von den allgemeinen Beweislastregeln in Betracht kommen.
Materiell-rechtlich besteht aber nach Auffassung des Senats keine Veranlassung, die Feststellungslast für die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs umzukehren. Zwar ist beim Abzugsverfahrens das fiskalische Interesse durch das Einbehalten und die Abführung der Umsatzsteuer sichergestellt. Aber auch im allgemeinen Besteuerungsverfahren hat die Befriedigung des Umsatzsteueranspruchs des Fiskus keine Auswirkungen auf die Vorsteuerabzugsberechtigung des Leistungsempfängers (s.o.). Allerdings besteht im Abzugsverfahren gegenüber dem allgemeinen Besteuerungsverfahren die Besonderheit, dass gerade der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug begehrt, zugleich auch die Befriedigung des Umsatzsteueranspruchs sicherstellt. Das spiegelt zwar eine besondere Interessenlage wider, die aber keine Auswirkungen auf die Grundsätze der Beweislastverteilung haben kann. Eine Umkehr der Beweislast läßt sich nach Auffassung des Senats nicht mit rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten begründen. Sie kommt vielmehr in Betracht, wenn ein besonderes Näheverhältnis eines der Verfahrensbeteiligten zu den zu beweisenden Tatsachen besteht.
Es besteht auch dogmatisch kein Anknüpfungspunkt für eine Umkehr der Beweislast hinsichtlich der den Vorsteuerabzug begründenden Tatsachen. Das Abzugsverfahren beruht auf der in § 18 Abs. 8 UStG geregelten Verordnungsermächtigung. Diese Ermächtigung berechtigt den BMF weder dazu, abweichende Regelungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des Vorsteuerabzugs zu treffen noch Einfluß auf die Feststellungslast hinsichtlich dieser Tatbestandsmerkmale zu nehmen. Die auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung erlassenen §§ 51 ff. UStDV können deshalb auch keine Auswirkungen auf Regelungsbereiche haben, die von der Verordnungsermächtigung nicht umfaßt sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.