Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 31.10.2001, Az.: 9 K 884/98

Steuerpflicht der Veräußerung ehemals landwirtschaftlich genutzter Flächen; Zwangsentnahme von Flächen durch Verpachtung; Entnahme durch Nutzungsänderung; Erfordernis einer von entsprechendem Willen getragenen Entnahmehandlung; Erklärung des Entnahmegewinns

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
31.10.2001
Aktenzeichen
9 K 884/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 25012
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2001:1031.9K884.98.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 05.03.2004 - AZ: IV R 66/02

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Verpachtung ehemals selbstbewirtschafteter Flächen führt auch bei Landwirten, die ihren Gewinn nach § 13a EStG ermitteln, nicht zu einer Zwangsentnahme.

  2. 2.

    Eine Entnahme setzt eine Entnahmehandlung voraus, d. h. ein schlüssiges Verhalten, durch das die Verknüpfung des Wirtschaftsguts mit dem Betriebsvermögen gelöst wird.

  3. 3.

    Eine Entnahmehandlung kann auch durch eine Nutzungsänderung in Bezug auf die bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen erfolgen. Die Nutzungsänderung muss dergestalt sein, dass die Flächen notwendiges Privatvermögen werden.

  4. 4.

    Die unmissverständliche Kundgabe seines Entnahmewillens nimmt der Stpfl. nicht dadurch vor, dass er die Einkünfte, die er mit dem fraglichen Wirtschaftsgut erzielt, als solche aus Vermietung und Verpachtung in seiner Steuererklärung deklariert.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Veräußerung von ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen steuerpflichtig ist.

2

Der Kläger bewirtschaftet einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, dessen Gewinn nach § 13 a Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelt wird. Zu dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörte ein Grundstück mit der Bezeichnung Flur 6, Flurstück 698/200 der Gemarkung E mit einer Größe von rd. 25.000 qm. Dieses Grundstück schloss sich unmittelbar an die Hofstelle des Klägers an. Diese Fläche bewirtschaftete der Kläger bis zum Herbst des Jahres 1976. Mit Vertrag vom 15. März 1977 überließ der Kläger diese Fläche dem Landwirt B zur unentgeltlichen Nutzung. Im Gegenzug war der Landwirt B im Betrieb des Klägers tätig. Als Nutzungszeitraum vereinbarten die Parteien die Zeit vom 1. April 1977 bis zum 30. Juni 1979. Anschließend verpachtete der Kläger diese Fläche mit Vertrag vom 15. Mai 1979 ab 1. Juli 1979 für 10 Jahre an den Landwirt M. Hierfür erhielt er eine jährliche Pacht in Höhe von 200,00 DM.

3

In der Einkommensteuererklärung für 1979 trug der Kläger die Pachteinkünfte in der Anlage L als solche aus Vermietung und Verpachtung ein. Eine Eintragung über die Entnahme dieser Flächen in Zeile 88 der Anlage L nahm er jedoch nicht vor. Einen Entnahmegewinn erklärte er ebenfalls nicht. In der Steuererklärung für 1980 trug er die verpachteten Flächen in Zeile 46 als Privatvermögen ein. Die Anlage L sah erstmalig ab dem Jahre 1980 die Möglichkeit vor, zwischen Betriebs- und Privatvermögen zu unterscheiden. Er hat aber weder eine Entnahmeerklärung abgegeben noch einen Entnahmegewinn in der Anlage L eingetragen. Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) veranlagte die Kläger entsprechend den Steuererklärungen und erfasste die Pachteinnahmen auch in den Folgejahren als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

4

In den Jahren 1991 bis 1994 verkaufte der Kläger das nunmehr parzellierte Grundstück stückweise. Er erzielte dabei Gewinne in Höhe von

JahrBetrag
1991633.536,00 DM
1992696.434,00 DM
199362.899,00 DM
1994250.083,00 DM
5

Die Höhe der Einnahmen ist darauf zurückzuführen, dass die Grundstücke zwischenzeitlich Bauland geworden waren.

6

Nach Durchführung einer Außenprüfung für die Jahre 1990 bis 1994 erfasste das FA die Einnahmen aus den Grundstücksverkäufen als steuerpflichtige Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Das FA vertrat die Auffassung, dass das Grundstück trotz zwischenzeitlicher Verpachtung weiterhin zum Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes gehört habe. Weder sei durch die Nutzungsänderung noch durch eine eindeutige Erklärung eine Entnahme des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen erfolgt.

7

Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.

8

Mit der Klage tragen die Kläger vor, dass das Grundstück bereits durch die Verpachtung entnommen worden sei. Durch die Verpachtung sei eine Nutzungsänderung eingetreten, die dazu geführt habe, dass das Grundstück nicht mehr zum notwendigen Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes gehört habe. Er - der Kläger - sei davon ausgegangen, dass damit eine Entnahme aus dem Betriebsvermögen erfolgt sei. Dies habe sich aus einem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 15. März 1979 (BStB1 I 1979, 162) ergeben. Danach sei durch die Nutzungsänderung eine Entnahme der Grundstücksfläche erfolgt, die aber nicht zu einer Gewinnrealisierung geführt habe. Daher sei er - der Kläger - davon ausgegangen, dass eine Zwangsentnahme durch die Verpachtung erfolgt sei, so dass er es als ausreichend angesehen habe, dem Beklagten die Verpachtung in der Anlage L anzuzeigen. Einen steuerpflichtigen Entnahmegewinn habe er auf Grund der Steuerfreiheit nicht angegeben. Darüber hinaus habe ein Mitarbeiter des FA auf Anfrage erklärt, die Veräußerung der Grundstücke könne steuerfrei erfolgen. Darauf und auf eine entsprechende Auskunft seines Steuerberaters habe er sich verlassen.

9

Die Kläger beantragen,

die Steuern unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 31. August 1998 und Änderung der Bescheide vom 9. Oktober 1997 soweit herabzusetzen, als sie sich mindern, wenn die Veräußerungsgewinne außer Ansatz bleiben.

10

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Das FA vertritt weiterhin die Auffassung, dass der Veräußerungsgewinn aus den Grundstücksverkäufen steuerpflichtig sei. Eine Zwangsentnahme sei nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) durch die Verpachtung der Grundstücksflächen nicht erfolgt. Auch fehle es an einer eindeutigen Entnahmeerklärung für das Jahr 1977 bzw. 1979. Allein der Ausweis der Pachteinnahmen als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf der Anlage L genüge als eindeutige Entnahmeerklärung nicht. Auch die Eintragung der Grundstücksflächen als Privatvermögen sei nicht ausreichend. Vielmehr hätte es entweder einer eindeutigen Entnahmeerklärung gegenüber dem FA bedurft oder der Kläger hätte zumindest einen Entnahmegewinn in den dafür ausdrücklich vorgesehenen Zeilen der Anlage L eintragen müssen. Dies sei nicht erfolgt, so dass es an einer eindeutigen Entnahmeerklärung fehle. Darüber hinaus sei zweifelhaft, ob überhaupt eine Entnahme hätte erfolgen dürfen.

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Damit sei die Grundstücksfläche, die parzellenweise in den Jahren 1991 bis 1994 verkauft worden sei, weiterhin Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes geblieben. Die Veräußerung sei daher steuerpflichtig. Die Regelung zur steuerfreien Entnahme von verpachteten Grundstücksteilen aus dem Erlass vom 15. März 1979 sei im Streitfalle schon deshalb nicht anzuwenden, weil die Voraussetzungen des (inzwischen überholten) Erlasses nicht vorgelegen hätten. Der Kläger habe die Grundstücksflächen zunächst nur für 27 Monate einem anderen zur Nutzung überlassen. Dies sei eine kurzfristige Verpachtung, die nicht durch den Erlass begünstigt werde. Die Kurzfristigkeit ergebe sich auch aus § 16 des Vertrages, der vorsehe, dass der Pachtvertrag jährlich gekündigt werden könne, wenn das Pachtland Bauland werde oder der Pächter die Selbstbewirtschaftung verlange. Eine langfristige Nutzungsüberlassung sei - wenn überhaupt - erst ab 1. Juli 1979 erfolgt. Der Erlass habe aber lediglich Nutzungsänderungen begünstigt, die vor dem 1. Juli 1979 erfolgt seien. Damit sei der Erlass nicht einschlägig. Damit fehle es an der Möglichkeit, den Erlass aus dem Jahre 1979 auf den Streitfall anzuwenden.

Gründe

13

Die Klage ist unbegründet.

14

Das FA hat die Gewinne aus der Veräußerung von Grundvermögen zutreffend bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft nach §§ 13, 13 a EStG erfasst.

15

Die in den Jahren 1991 bis 1994 veräußerten Grundstücksflächen gehörten im Veräußerungszeitpunkt noch zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen, weil sie nicht zuvor entnommen worden sind.

16

Die bis zum Jahre 1976 durch den Kläger selbstbewirtschafteten Flächen sind nicht durch die ab 1977 erfolgte Verpachtung (zwangs-) entnommen worden. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 4. November 1982 IV R 159/79, BStBl II 1983, 448), der sich der Senat anschließt, führt auch bei Landwirten, die ihren Gewinn nach § 13 a EStG ermitteln, die Verpachtung von ehemals selbstbewirtschafteten Flächen nicht zu einer Zwangsentnahme. Eine Entnahme im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG ist gegeben, wenn ein Wirtschaftsgut aus dem betrieblichen Bereich in den privaten Bereich übergeht oder wenn es innerhalb des betrieblichen Bereichs von einem Betrieb oder Betriebsteil in einen anderen übergeht und dabei eine spätere steuerliche Erfassung der im Buchansatz für dieses Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven nicht gewährleistet ist. Voraussetzung einer Entnahme ist es, dass eine Entnahmehandlung vorliegt, dazu reicht ein schlüssiges Verhalten des Steuerpflichtigen aus, durch das die Verknüpfung des Wirtschaftsguts mit dem Betriebsvermögen gelöst wird. Eine solche Entnahmehandlung kann auch durch eine Nutzungsänderung in Bezug auf die bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen erfolgen. Die Nutzungsänderung muss dann aber dergestalt sein, dass die Flächen notwendiges Privatvermögen werden (Urteil des BFH vom 4. November 1982 IV R 159/79, a.a.O.). Die Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen führt aber auch bei Landwirten, die ihren Gewinn nach Durchschnittssätzen (§ 13 a EStG) ermitteln, zu keiner Überführung dieser Flächen in das notwendige Privatvermögen und somit zu keiner (Zwangs-)Entnahme.

17

Für den Streitfall bedeutet dies, dass weder durch die kurzfristige Nutzungsüberlassung im Jahre 1977 noch durch die langfristige Verpachtung im Jahre 1979 eine solche Nutzungsänderung eingetreten ist, dass die Grundstücksflächen zum notwendigen Privat- vermögen geworden wären. Damit ist durch die Einstellung der Selbstbewirtschaftung und Verpachtung dieser Flächen keine Entnahme aus dem Betriebsvermögen erfolgt.

18

Eine Entnahme gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG erfolgte auch nicht auf Grund einer eindeutigen Entnahmeerklärung des Klägers gegenüber dem FA. Eine Entnahme erfordert regelmäßig eine Entnahmehandlung, die von einem Entnahmewillen getragen wird. Hierfür wird ein Verhalten vorausgesetzt, das nach außen den Willen des Steuerpflichtigen erkennen lässt, ein Wirtschaftsgut nicht (mehr) zur Erzielung von Betriebseinnahmen, sondern fortan nur noch zur Erzielung von Privateinnahmen oder einkommensteuerrechtlich neutralen Zwecken einzusetzen. Der Willensentschluss des Steuerpflichtigen muss klar und eindeutig zum Ausdruck kommen (Urteil des BFH vom 13. Oktober 1983 I R 76/79, BStBl II 1984, 294). Es ist dabei ein Verhalten des Steuerpflichtigen erforderlich, welches deutlich macht, dass dadurch die Verknüpfung des Wirtschaftsgutes mit dem Betriebsvermögen unmissverständlich gelöst werden soll (Urteil des BFH vom 15. Oktober 1987 VI R 66/86, BStBl II 1988, 260 [BFH 15.10.1987 - IV R 66/86]). Eine solche unmissverständliche Kundgabe eines Entnahmewillens nimmt der Steuerpflichtige nicht dadurch vor, dass er die Einkünfte, die er mit dem fraglichen Wirtschaftsgut erzielt, als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) in seiner Steuererklärung angibt (Urteil des BFH vom 9. August 1989 X R 20/86, BStBl II 1990, 128). Eine eindeutige Entnahmehandlung vollzieht der Steuerpflichtige nur, wenn er nicht nur entsprechende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt, sondern auch die steuerlichen Konsequenzen aus einer Entnahmehandlung zieht, in dem er einen Entnahmewert angibt bzw. einen Entnahmegewinn ausdrücklich erklärt (Urteil des BFH vom 7. November 1996 IV R 69/95, BStBl II 1979, 245; Urteil vom 21. Januar 1998, BFH/NV 1998, 705 [BFH 21.01.1998 - IV B 142/96]; Urteil vom 7. Dezember 1995, BFH/NV 1996, 663). Dies gilt selbst für den Fall, dass das FA erklärungsgemäß über Jahre hinweg die Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung veranlagt hat.

19

Werden diese Grundsätze auf den Streitfall angewandt, so liegt keine eindeutige und unmissverständliche Entnahmeerklärung des Klägers vor. Im Rahmen der Verpachtung ab dem Kalenderjahr 1977 zog der Kläger ausweislich der Steuererklärung überhaupt keine Konsequenzen für die verpachteten Flächen. Da er die Grundstücksflächen unentgeltlich überließ, wurden zu diesen Flächen auch keine Erklärungen abgegeben. Erst in der Einkommensteuererklärung 1979 trug der Kläger die Pachteinnahmen in der Anlage L als solche aus Vermietung und Verpachtung ein. Allein diese Eintragung reicht aber nicht für eine eindeutige und unmissverständliche Entnahmeerklärung aus. Selbst die über Jahre hinweg vorgenommenen Eintragungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, die das FA unbeanstandet übernommen hatte, führt zu keiner wirksamen Entnahmeerklärung. Auch die Eintragung der verpachteten Flächen in Zeile 46 der Anlage L als Privatvermögen ab dem Jahre 1980 stellt keine eindeutige und unmissverständliche Entnahmeerklärung dar. Es fehlt in allen Jahren an der Erklärung eines Entnahmegewinns durch den Kläger. Denn die Zeile 88 der Anlage L, die eine Eintragung über Entnahmehandlungen vorsieht, füllte der Kläger weder im Kalenderjahr 1979 noch in den Folgejahren aus. Eine entsprechende Erklärung des Entnahmewertes wäre aber zwingende Voraussetzung für eine wirksame Entnahmeerklärung gewesen.

20

Auf die Erklärung eines Entnahmegewinns durfte der Kläger auch nicht mit Hinweis, auf den Erlass der Finanzverwaltung vom 15. März 1979 (BStBl I 1979, 162) verzichten. Selbst wenn der Kläger davon ausgegangen sein sollte, dass eine Entnahme auf Grund dieses Erlasses steuerfrei hätte erfolgen können, so hätte er zumindest einen Entnahmewert erklären müssen. Nur unter dieser Bedingung hätte das FA prüfen können, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbefreiung, die der Erlass forderte, tatsächlich erfüllt waren. Hieran bestanden schon allein deswegen Zweifel, weil die langfristige Verpachtung erst zum 1. Juli 1979 erfolgte - Vorgänge ab dem 1. Juli 1979 aber gerade nicht mehr vom Erlass begünstigt werden sollten. Schon auf Grund dieser Tatsache hätte Anlass für den Kläger bestanden, die Steuerfreiheit der Entnahme durch das FA überprüfen zu lassen.

21

Somit fehlt es an einer eindeutigen und unmissverständlichen Entnahmeerklärung des Steuerpflichtigen. Daher kann es dahin stehen, ob eine Entnahme überhaupt auf Grund der Verpachtung der Grundstücksflächen wirksam hätte vorgenommen werden können.

22

Die in den Jahren 1991 bis 1994 veräußerten Grundstücksflächen gehörten also weiterhin zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen, weil eine Entnahme in den Vorjahren nicht stattgefunden hat. Die Veräußerungsgewinne sind daher steuerpflichtig.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Finanzgerichtsordnung (FGO).