Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.10.2001, Az.: 1 K 199/00
Begriff der Wohnung; Abgrenzung der Grundstücksarten Einfamilienhaus, Zweifamilienhaus und Mietwohngrundstück
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.10.2001
- Aktenzeichen
- 1 K 199/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 14615
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:1016.1K199.00.0A
Fundstellen
- DStZ 2002, 719-720 (Urteilsbesprechung von Reinhard Stöckel; kritisch)
- EFG 2002, 178-179
Tatbestand
Streitig ist die Grundstücksart eines Gebäudes.
Die Kläger sind Eigentümer des Gebäudes ...straße in H. Das Haus verfügt über 3 Etagen. Die Wohnräume einer jeden Etage sind über ein Treppenhaus zu erreichen, das sich in einer Ecke des Gebäudes befindet. Bis Anfang 1990 wurde jede Etage des Hauses separat als Wohnung genutzt, jede Etage verfügteüber Bad und Küche. Dementsprechend wurde das Gebäude bis einschließlich 01.01.1990 als Mietwohngrundstück bewertet.
Im Jahre 1990 fand ein Umbau statt, in dessen Folge die Kläger sowohl das Erdgeschoss als auch das 1. Obergeschoss als Wohnung nutzen. Die Küche befindet sich seither ebenso wie ein Bad im Erdgeschoss, ein weiteres Bad im Obergeschoss. Das 2. Obergeschoss blieb wie bisher als gesonderte Wohneinheit erhalten und ist fremdvermietet. Das Treppenhaus verbindet nunmehr einerseits den Wohnungsteil im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss, weiterhin wird es als Zugang zur Wohnung im 2. Obergeschoss genutzt. Die Türen, die die Einheiten vom Treppenhaus abgrenzen, haben im oberen Teil jeweils eine Scheibe aus klarem Glas im Holzrahmen.
Der Beklagte nahm auf den 01.01.1991 eine Art- und Wertfortschreibung vor und bewertete das Gebäude nunmehr als Einfamilienhaus, weil es keine zwei abgeschlossenen Wohnungen enthalte. Mit dem Einspruch, der im Ergebnis ohne Erfolg blieb, begehrten die Kläger die Feststellung der Grundstücksart Zweifamilienhaus.
Mit der Klage tragen die Kläger vor, es lägen nach dem Umbau zwei abgeschlossene Wohneinheiten vor. Das die jeweiligen Stockwerke verbindende Treppenhaus liege jeweils außerhalb der einzelnen Wohnungen, es sei deshalb kein integrierter Bestandteil der Wohnungen. Der Mieter der Wohnung im 2. Obergeschoss brauche nicht die Wohnung der Kläger zu betreten, um die von ihm gemietete Wohnung zu erreichen. Alle Wohnungen bzw. Wohnungsbestandteile seien gegenüber dem Treppenhaus abgeschlossen, so dass hier keinerlei Berührungspunkte bestehen würden.
Die Kläger beantragen,
den Einheitswert des Grundstücks ...straße in H. vom 27. Juni 1991 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 17. April 2000 aufzuheben und die Grundstücksart Zweifamilienhaus festzustellen, hilfsweise Mietwohngrundstück.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Grundstück ...straße sei als Einfamilienhaus zu bewerten, weil die von den Klägern bewohnten Räume keine baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohnung bilden würden. Es fehle im Erdgeschoss an einem Abschluß der Räume gegenüber dem Treppenhaus, außerdem seien die Wohnräume im 1. Obergeschoß nur über das Treppenhaus zu erreichen, das gleichzeitig den Aufgang zum Dachgeschoß bilde.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme des Augenscheins. Dabei wurde festgestellt, dass die Wohnräume im Erdgeschoß und im 1. Obergeschoß durch eine Tür mit Klarsichtglasscheibe vom Treppenhaus abgetrennt werden. Vom Treppenhaus führt eine Treppe in den Keller. Das Erdgeschoß besteht neben dem erwähnten Treppenhaus noch aus einem Flur, Küche, Wohnzimmer, Esszimmer und einem Badezimmer. Im 1. Obergeschoß befindet sich neben dem Bad ein kleines Schlafzimmer. Dieses war nach Angaben des Klägers früher die Küche. Anschlüsse sind äußerlich nicht mehr erkennbar, nach Aussage des Klägers befinden sie sich noch in der Wand.
Im Termin zur Augenscheinseinnahme haben die Beteiligten übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Bewertungsakte, insbesondere die Grundrißzeichnungen, die Schriftsätze im Klageverfahren sowie die Niederschrift über die Augenscheinseinnahme auf dem Grundstück ...straße Bezug genommen.
Gründe
Der Hilfsantrag der Klage ist begründet.
Das Gebäude ...straße 4 in H. ist als Mietwohngrundstück zu bewerten.
Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m.§§ 68, 70 Bewertungsgesetz (BewG) sind für Grundstücke Einheitswerte festzustellen. Bei der Bewertung bebauter Grundstücke ist nach § 75 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) u.a. zwischen den Grundstücksarten Einfamilienhäusern (§ 75 Abs. 1 Nr. 4 BewG) und Zweifamilienhäusern (§ 75 Abs. 1 Nr. 5 BewG) sowie Mietwohngrundstücken (§ 75 Abs. 1 Nr. 1 BewG) zu unterscheiden. Für deren Abgrenzung ist nach § 75 Abs. 5 und 6 BewG entscheidend, ob eine, zwei oder noch weitere Wohnungen in dem betreffenden Wohngrundstück enthalten sind. Für den bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff stellt die Rechtsprechung darauf ab, ob die Zusammenfassung von mehreren Räumen eine von anderen Wohnungen oder Räumen, insbesondere Wohnräumen, baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bildet (BFH Urteil v. 5. Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, S. 505, BStBl. II 1985, S. 151). Erforderlich ist weiterhin, dass die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Nebenräume vorhanden sind.
Nach diesen Grundsätzen bildet unzweifelhaft das zweite Obergeschoß, das schon immer eine selbständige Einheit bildete und an dem keinerlei bauliche Veränderung vorgenommen wurden, eine eigenständige Wohnung. Aber auch die Wohnräume im Erdgeschoß stellen eine in sich abgeschlossene Wohneinheit dar. Denn auf dieser Etage sind die für die Führung eines selbständigen Haushalts erforderlichen Nebenräume wie Küche, Flur und Bad vorhanden. Räumlich abgegrenzt wird diese Einheit zum Treppenhaus hin durch eine Tür, so dass das Treppenhaus nicht mehr als Teil dieser Wohnung angesehen werden kann. Die Glasscheibe in der Korridortür hebt die Abgrenzung zum Treppenhaus nicht auf.
Die Bewertung als Mietwohngrundstück und nicht als Zweifamilienhaus ergibt sich aus dem Umstand, dass in dem Gebäudeüber die Wohnungen im Erdgeschoß und im zweiten Obergeschoß hinaus noch weiterer Wohnraum von nicht nur untergeordneter Bedeutung vorhanden ist. Zwar ist dieser Wohnraum nicht als eigenständige - dritte - Wohnung anzusehen, weil auf dieser Etage keine Küche als notwendiger Nebenraum vorhanden ist. Dass in der Wand noch die Küchenanschlüsse vorhanden sind, genügt dem Senat nicht für die Annahme des Vorhandenseins der notwendigen Nebenräume einer Wohnung, denn der nunmehr als Schlafzimmer genutzte Raum kann nicht ohne Umbaumaßnahmen (Aufbrechen der Wände) wieder als Küche genutzt werden.
Dennoch stellt das Gebäude kein Zweifamilienhaus dar. Nach§ 75 Abs. 6 BewG sind Zweifamilienhäuser Wohngrundstücke, die nur zwei Wohnungen enthalten. Enthält ein Wohnhaus neben zwei abgeschlossenen Wohnungen in nicht unerheblichem Umfang weiteren Wohnraum, so fällt es bei der Artfeststellung aus der Kategorie der Zweifamilienhäuser heraus. Das Wohnhaus ist dann nach § 75 Abs. 2 BewG den Mietwohngrundstücken zuzurechnen, und zwar auch, wenn der weitere Wohnraum die Anforderungen an eine dritte Wohnung nicht erfüllt (Urteil des Senats vom 13. Oktober 1992 I 631/88, EFG 1993, S. 368).
Dem Hilfsantrag war daher stattzugeben.
Die Ermittlung des Einheitswertes hat das Gericht nach § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Beklagten übertragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 S. 3 FGO.
Die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3 i.V.m. § 155 FGO und§§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung.