Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.10.2001, Az.: 13 K 66/96
Überschusserzielungsabsicht bei teilweise mit Fremdmitteln erworbenen niedrig verzinslichen Bundesanleihen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 02.10.2001
- Aktenzeichen
- 13 K 66/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 14559
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:1002.13K66.96.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 08.07.2003 - AZ: VIII R 43/01
Rechtsgrundlagen
- § 9 Abs. 1 EStG
- § 20 EStG
Fundstellen
- DStRE 2002, 262-264 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2002, 141-143
- StLex 2003
- SteuerBriefe 2002, 482-483
- WM 2002, 1390-1393 (Volltext mit amtl. LS)
- WuB 2002, 1013-1015
- ZBB 2002, 338
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Abzugsfähigkeit von Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Veranlagungszeitraum 1992.
Die Klägerin kaufte am . . 1991 Bundesanleihen mit einem Nominalwert von DM 180.000,- zu einem Kurswert von rund DM 158.000,- (ca. 87 %). Verzinst wurden die Anleihen mit 5,5 %. Die Laufzeit endete am . . 1996. Finanziert wurde dieser Kauf mit Eigenmitteln und einem Darlehen einer Bank über DM 100.000,-, das mit 9,75 % zu verzinsen war. Das Darlehen war in einer Summe am . . 1996 zu tilgen. Eine vorzeitige Tilgung war vertraglich ausgeschlossen. Zur Sicherheit für das Darlehen dienten sämtliche gekauften Wertpapiere.
In ihrer Einkommensteuererklärung 1992 setzte die Klägerin die Zinseinnahmen aus den Bundesanleihen in Höhe von DM 9.900,- und die Werbungskosten aus der Fremdfinanzierung in Höhe von DM 9.750,- an. Der Beklagte erkannte mit Einkommensteuerbescheid 1992 vom . . 1994 die Werbungskosten nicht an. Hiergegen legte die Klägerin mit am . . 1994 eingegangenem Schreiben Einspruch ein. Der Einkommensteuerbescheid wurde wegen eines anderen Sachverhalts am . . 1995 geändert. Auch gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben vom . . 1995 Einspruch eingelegt.
Mit Einspruchsbescheid vom . . 1996 wurde die Einkommensteuer auf DM xxxx,- festgesetzt und der Einspruch im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte teilte die Bundesanleihen in einen fremdfinanzierten Teil und einen eigenfinanzierten Teil auf. Die fremdfinanzierten Bundesanleihen dienten nach Ansicht des Beklagten nur der Vermögensmehrung, da die Werbungskosten die Einnahmen aus diesem Teil der Anlage übersteigen würden. Eine Einkünfteerzielungsabsicht sei insoweit nicht gegeben. Hinsichtlich des eigenfinanzierten Anteils seien keine Werbungskosten entstanden. Dementsprechend setzte der Beklagte die anteiligen Einnahmen aus den fremdfinanzierten Bundesanleihen in Höhe von DM 5.500,- nicht an und versagte den Werbungskostenabzug.
Mit Schreiben vom . . 1996 erhob die Klägerin Klage. Nach Auffassung der Klägerin darf der Kauf der Bundesanleihen nicht in einen eigenfinanzierten und einen fremdfinanzierten Teil aufgespalten werden. Der Bundesfinanzhof lasse lediglich eine Zusammenfassung aller Papiere in einem Depot nicht zu, eine Gruppenbildung gleichartiger Papiere werde aber gebilligt. Die in einer Summe erworbenen und gleichartigen Bundesanleihen stellten eine solche Gruppe dar.
Der Vergleich mit dem Grundbesitz im Privatvermögen zeige, dass keine Aufteilung erfolgen dürfe. Wenn auf einem Grundstück Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt werden würden, würde auch keine Aufteilung der Werbungskosten in dem Verhältnis des Eigenkapitals zum Fremdkapital vorgenommen werden.
Die Einheitlichkeit des Vorgangs ergebe sich auch aus § 9 VerbrKrG, wonach der gesamte Kaufvertrag über die Bundesanleihen unwirksam geworden wäre, wenn der Darlehensvertrag widerrufen worden wäre. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass sämtliche Wertpapiere zur Sicherung des Darlehensvertrages sicherungsübereignet worden seien.
Bei Gegenüberstellung des jährlichen Zinsertrages von DM 9.900,- und der Werbungskosten in Höhe von DM 9.750,- entstehe jedes Jahr ein Überschuss von DM 150,-. Damit bestehe Überschusserzielungsabsicht. Eine betragsmäßige Höhe des Überschusses sei nicht vorgeschrieben.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom . . 1996 das Einkommen der Klägerin wie erklärt festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei auf jede einzelne Kapitalanlage abzustellen, so dass eine Aufteilung in den eigenfinanzierten Teil und in den fremdfinanzierten Teil vorgenommen werden müsse.
Es sein kein wirtschaftlich vernünftiger Grund erkennbar, dass jemand, der für DM 60.000,- Eigenkapital ca. DM 3.300,- erhalten könne, durch eine Darlehensaufnahme den Zinsgewinn auf DM 150,- reduziere. Der Grund für die Darlehensaufnahme könne daher nur außerhalb der Zinserzielungsabsicht liegen. Dies ergebe sich auch aus der von dem Beklagten vorgenommenen Vergleichsberechnung, wonach die Attraktivität des Modells in dem Kursgewinn liege.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf den Inhalt der Einkommensteuerakte unter der Steuernummer xxx sowie auf die Niederschrift vom . .2001 Bezug genommen.
Gründe
Die Klage hat Erfolg.
I.
Die von der Klägerin erklärten Schuldzinsen in Höhe von DM 9.750,- sind bei den Einkünften aus Kapitalvermögen vollständig abzugsfähig. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen betragen DM 5.xxx.
1.
Schuldzinsen sind Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, soweit sie mit dieser Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 20 Einkommensteuergesetz - EStG -). Das ist der Fall, wenn der aufgenommene Kredit zum Erwerb oder zur Schaffung einer Kapitalanlage verwendet wird und der Zweck der Schuldaufnahme in der Erwerbssphäre liegt (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1999 VIII R 8/98, BFH/NV 2000, 825; BFH-Urteil vom 24. März 1992 VIII R 12/89, BStBl II 1993, 18; BFH-Beschluss vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BStBl II 1990, 817). Die Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen wird in der Rechtsprechung immer dann bejaht, wenn die Fremdfinanzierung der Anschaffung oder dem Halten einer Kapitalanlage dient, bei der nicht die Absicht der Erzielung steuerfreier Vermögensvorteile im Vordergrund steht, sondern auf Dauer gesehen die Absicht der Erzielung eines Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten vorhanden ist (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1999 VIII R 8/98 BFH/NV 2000, 825; BFH-Urteil vom 15. Dezember 1987 VIII R 281/83, BStBl II 1989, 16; BFH-Urteil vom 23. März 1982 VIII R 132/80, BStBl II 1982, 463). Die Erwartung, mit der Kapitalanlage auch steuerfreie Vermögensvorteile zu realisieren, steht einem vollumfänglichen Schuldzinsenabzug dann nicht entgegen, wenn diese Absicht nur mitursächlich für die Anschaffung der ertragbringenden Kapitalanlage ist (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1999 VIII R 8/98, BFH/NV 2000, 825; BFH-Urteil vom 23. März 1982 VIII R 132/80, BStBl II 1982, 463).
2.
Für die Beurteilung, ob die Kapitalanlage der Vermögensmehrung dient oder zu dem Zwecke der Erzielung von Einnahmeüberschüssen erworben worden ist, ist zunächst der Betrachtungsgegenstand zu bestimmen. Bei Aufteilung einer Kapitalanlage in verschiedene Anteile, die jeweils gesondert für sich auf die Überschusserzielungsabsicht zu untersuchen sind, können sich für die einzelnen Anteile der Kapitalanlage andere Ergebnisse ergeben, als wenn eine einheitliche Beurteilung stattfindet.
a)
Nach der Rechtsprechung ist für die Prüfung der Überschusserzielungsabsicht grundsätzlich auf jedes einzelne Wertpapier abzustellen (BFH-Urteil vom 24. März 1992 VIII R 12/89, BStBl II 1993, 18). Der Grundsatz der Einzelbetrachtung soll verhindern, dass Schuldzinsen auch dann in voller Höhe abgezogen werden können, wenn in einem Depot einzelne Wertpapiere nur zum Zwecke der Wertsteigerung erworben wurden. Dagegen können Wertpapiere, die wirtschaftlich die gleiche Funktion erfüllen, zu Gruppen zusammengefasst werden (BFH-Urteil vom 24. März 1992 VIII R 12/89, BStBl II 1993, 18). Dementsprechend hat es der Bundesfinanzhof mehrfach abgelehnt, ein einheitliches Aktienpaket aufzuteilen, das in einem einheitlichen Akt zu einheitlichen Konditionen erworben worden ist (BFH-Urteil vom 28. Oktober 1999 VIII R 7/97, BFH/NV 2000, 564; BFH-Urteil vom 1. Oktober 1996 VIII R 68/94, BStBl II 1997, 454; auch: BFH-Urteil vom 29. Oktober 1998 VIII B 43/98, Juris).
b)
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze durften die Bundesanleihen nicht in einen eigenfinanzierten und einen fremdfinanzierten Anteil aufgeteilt werden. Die von der Klägerin erworbenen Bundesanleihen sind zu einer einheitlichen Gruppe zusammenzufassen.
aa)
Es lag ein einheitlicher Erwerbsvorgang vor. Die Klägerin erwarb am . .1991 durch ein einziges Rechtsgeschäft die gesamten Bundesanleihen. Der Kauf erfolgte zu einheitlichen Konditionen für die gesamte Kapitalanlage.
bb)
Die Bundesanleihen erfüllten auch eine einheitliche wirtschaftliche Funktion. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse erwarb die Klägerin eine einheitliche Anlage im Kurswert von rund DM 158.000,-. Dies ergibt sich sowohl aus dem Erwerbsvorgang als auch aus der einheitlichen Laufzeit der gesamten Bundesanleihen. Das Darlehen in Höhe von DM 100.000,- diente nicht dazu, im Wege eines eigenständigen fremdfinanzierten Anlagegeschäfts, Bundesanleihen im Kurswert von DM 100.000,- zu kaufen. Es ist schon nicht klar, ob es überhaupt möglich war, zu dem damaligen Zeitpunkt Bundesanleihen für genau DM 100.000,- zu erwerben. Auf jeden Fall ist kein derartiges Geschäft abgeschlossen worden. Das Darlehen diente vielmehr der teilweisen Finanzierung des einheitlichen Anlagegeschäftes über rund DM 158.000,-. Des Weiteren ergibt sich die Einheitlichkeit des Vorgangs auch daraus, dass sämtliche Wertpapiere als Sicherheit für das Darlehen dienten. Schließlich spricht für die Einheitlichkeit des Anlagegeschäfts, dass die Darlehenstilgung mit der Laufzeit sämtlicher Bundesanleihen abgestimmt war.
cc)
Eine Aufteilung des Geschäfts in einen eigenfinanzierten und einen fremdfinanzierten Anteil würde angesichts der dargelegten Einheitlichkeit der Anlage künstlich wirken und den wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht gerecht werden (vgl. Wischnewsky Deutsches Steuerrecht 1992, 1229 [1231]). Deshalb hat auch die Finanzverwaltung in mehreren OFD-Verfügungen eine Aufteilung in einen eigen- und fremdfinanzierten Anteil abgelehnt (Verfügung der Oberfinanzdirektion -OFD- Nürnberg vom 6. August 1991 - S 2210 - 13/St 21, Finanzrundschau 1992, 29; Verfügung der OFD Düsseldorf vom 14. Juni 1993 - S 2252 A - St 12 H, Finanzrundschau 1993, 551).
c)
Es kommt auch keine Aufteilung der Kapitalanlage anhand der Zuwächse auf der Ertragsebene und der Vermögensebene in Betracht.
aa)
Eine solche Aufteilung wird mit dem Argument vertreten, dass die Vermögensmehrung im Vordergrund für die Kapitalanlage stände, soweit die Wertsteigerung nicht nur erhofft werde, sondern bereits gewiss sei. Da Kapitalertrag und Wertsteigerung betragsmäßig festständen, könne auch der Anteil, auf den die Überschusserzielungsabsicht und die Vermögensmehrungsabsicht jeweils entfalle, eindeutig festgestellt werden (so Verfügung der OFD Nürnberg vom 6. August 1991 - S 2210 - 13/St 21, Finanzrundschau 1992, 29; vgl. auch Kunz, Der Betrieb 1992, 2164).
bb)
Erzielt ein Steuerpflichtiger Einkünfte aus Kapitalvermögen, können die damit zusammenhängenden Aufwendungen für den Erwerb von Wertpapieren immer auch der Wertsteigerung der Wertpapiere dienen. Dennoch steht nach der Rechtsprechung die Erwartung, mit der Kapitalanlage auch steuerfreie Vermögensvorteile zu realisieren, einem vollständigen Schuldzinsenabzug nicht entgegen, wenn diese Absicht nur mitursächlich für die Anschaffung der ertragbringenden Kapitalanlage ist (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1999 VIII R 8/98, BFH/NV 2000, 825; BFH-Urteil vom 23. März 1982 VIII R 132/80, BStBl II 1982, 463). Der Bundesfinanzhof hat diese Grundsätze dahingehend konkretisiert, dass die Absicht, steuerfreie Vermögensvorteile zu realisieren, für den Schuldzinsenabzug stets irrelevant ist, wenn die Überschusserzielungsabsicht vorliegt (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1999 VIII R 8/98, BFH/NV 2000, 825). Dies gilt sogar dann, wenn die zu erwartenden steuerfreien Vermögensvorteile die beabsichtigten Einnahmeüberschüsse voraussichtlich übersteigen werden. Deshalb lehnt der Bundesfinanzhof eine Aufteilung der Werbungskosten bei zu bejahender Überschusserzielungsabsicht und zugleich bestehenden Erwartung, steuerfreie Vermögensvorteile zu realisieren, grundsätzlich ab (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1999 VIII R 8/98, BFH/NV 2000, 825).
cc)
Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Ist die Überschusserzielungsabsicht zu bejahen, dann kann der Steuerpflichtige nach der gesetzlichen Grundsatzentscheidung in § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG die damit zusammenhängenden Aufwendungen in vollem Umfang abziehen. Eine anteilige Aufteilung der Aufwendungen in einen Einkommensanteil und Vermögensanteil sieht § 9 EStG nicht vor (vgl. Wüllenkemper, Der Betrieb 1993, 406). Die Gegenauffassung stellt einen Rückfall in die bereits zu Beginn der achtziger Jahre vom Bundesfinanzhof aufgegebene Rechtsprechung dar, wonach Schuldzinsen nur anteilig bis zur Höhe der erzielten Erträge abzugsfähig waren, weil sie auch der Vermögensmehrung dienten (vgl. BFH-Urteil vom 26. November 1974 VIII R 266/72, BStBl II 1975, 331; Aufgabe der Rechtsprechung in: BFH-Urteil vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76, BStBl II 1982, 37).
Die Aufteilung kann auch nicht durch eine analoge Anwendung von § 3c EStG gerechtfertigt werden. § 3c EStG regelt die Abzugsfähigkeit von Werbungskosten im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen. Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um die Frage der Abzugsfähigkeit von Werbungskosten, sondern um die vorgelagerte Frage, ob Aufwendungen, die durch die Erzielung von Einnahmen veranlasst wurden, überhaupt als Werbungskosten zu qualifizieren sind oder der steuerlich unbeachtlichen Vermögensebene zuzuordnen sind. Auf diese Frage gibt § 3c EStG, der die Qualifizierung der Aufwendungen als Werbungskosten voraussetzt, keine Antwort (vgl. Wüllenkemper, Finanzrundschau 1992, 1 (5)).
dd)
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass bei niedrig verzinslichen Bundesanleihen die Realisierung des Kursgewinns gewiss ist. Es besteht kein qualitativer Unterschied zwischen Kapitalanlagen, bei denen ein Kursgewinn mit Gewissheit erwirtschaftet wird, und Vermögensanlagen, bei denen ein Kursgewinn lediglich erhofft und dann realisiert wird. In beiden Fällen ist das Streben nach Wertsteigerung zwar eine Motivation für den Erwerb der Kapitalanlage. Ob aber neben dem Streben nach Wertsteigerung auch Überschusserzielungsabsicht besteht, lässt sich aus dem Grad der Gewissheit der Wertsteigerung nicht ableiten. Die Überschusserzielungsabsicht wird nicht dadurch verdrängt, dass anstatt einer Hoffnung oder Erwartung auf eine Vermögensmehrung nunmehr die Gewissheit einer Vermögensmehrung tritt. Vielmehr können Vermögensmehrungsabsicht und Überschusserzielungsabsicht nebeneinander vorhanden sein, mit der Konsequenz, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Vermögensmehrungsabsicht zurücktritt (vgl. Wischnewsky Deutsches Steuerrecht 1992, 1229 (1231); Baumann, Deutsche Steuer-Zeitung 1992, 66).
3.
Die Klägerin hatte für die von ihr erworbenen Bundesanleihen Überschusserzielungsabsicht. Die Schuldzinsen sind in vollem Umfang abzugsfähig.
a)
Die Überschusserzielungsabsicht wird nach der ständigen Rechtsprechung des VIII. Senats des Bundesfinanzhofs dann bejaht, wenn beim Erwerb einer ertragbringenden Kapitalanlage der Gedanke einer - wenn auch bescheidenen - Rendite eine Rolle spielt und keine erkennbaren objektiven Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine solche nicht erwartet wurde oder mit ihr nicht zu rechnen war (BFH-Urteil vom 30. März 1999 VIII R 70/96, BFH/NV 1999, 1323; BFH-Urteil vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76, BStBl II 1982, 37). Für den Erwerb einer Kapitalanlage in der Absicht der bloßen Vermögensmehrung spricht dagegen, wenn die Kapitalanlage über einen langen Zeitraum hinweg gehalten wird und die Finanzierungskosten ständig die laufenden Erträge übersteigen.
b)
Nach der Konzeption der Anlage erwirtschaftete die Klägerin in jedem Jahr DM 150,- Überschuss. Schon aus dem Umstand, dass jedes Jahr ein Überschuss erzielt wird, ergibt sich die Überschusserzielungsabsicht.
c)
Zwar hat der Bundesfinanzhof in dem Urteil vom 7. Dezember 1999 (VIII R 8/98, BFH/NV 2000, 825) offen gelassen, ob entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des VIII. Senats eine bescheidene Rendite ausreicht, oder ob ein wirtschaftlich ins Gewicht fallender Ertrag beabsichtigt sein muss, wie dies vom IV. Senat des Bundesfinanzhofs für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft gefordert wird. Nach Ansicht des erkennenden Senats reicht eine bescheidene Rendite - im Extremfall in Höhe von einer Deutschen Mark - aus, um die Überschusserzielungsabsicht zu belegen. Es ist nicht ersichtlich, nach welchen Kriterien ein wirtschaftlich ins Gewicht fallender Ertrag von einem unbeachtlichen Kleinertrag abgegrenzt werden sollte. Die von dem IV. Senat des Bundesfinanzhofs entschiedenen Fälle sind mit dem hier zu entscheidenden Fall nicht vergleichbar (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juli 1988 IV R 88/86, BFH/NV 1989, 771; BFH-Urteil vom 26. Juni 1985 IV R 149/83, BStBl II 1985, 459). Auch der X. Senat des Bundesfinanzhofs geht davon aus, dass eine bescheidene Rendite ausreicht (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 X R 23/95, BStBl II 2000, 267).
4. Es liegt auch kein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vor (§ 42 Abgabenordnung -AO-).
a)
Ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des angestrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (BFH-Urteil vom 1. Februar 2001 IV R 3/00, BFH/NV 2001/829; BFH-Urteil vom 19. Oktober 1999 IX R 39/99, BStBl II 2000, 224; BFH-Urteil vom 27. Juli 1999 VIII R 36/98, BStBl II 1999, 769).
b)
Die teilweise Fremdfinanzierung der Kapitalanlage ist durch wirtschaftliche Gründe gerechtfertigt. Durch die Aufnahme des Darlehens wurde die Klägerin in die Lage versetzt, ihr Investment in die Bundesanleihen erheblich auszuweiten. Dadurch war es der Klägerin möglich, einen erheblich höheren Rückzahlungsüberschuss für die niedrig verzinslichen Papiere zu erlangen, als bei ausschließlichem Einsatz ihres Eigenkapitals.
Dass die Gestaltung zusätzlich zu steuerlichen Vorteilen führte, rechtfertigt nicht die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs. Vielmehr nutzte die Klägerin lediglich die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, Vermögensmehrungen im Privatvermögen - mit Ausnahme der §§ 17, 23 EStG - nicht zu besteuern, für ihre Zwecke aus (vgl. Wüllenkemper, Finanzrundschau 1992, 1 [5]).
5.
Die Einkommensteuer ermittelt sich daher wie folgt:
Einkünfte gemäß § 20 EStG | bisher | neu |
---|---|---|
DM | DM | |
Einnahmen | 9.xxx,-- | 15.xxx,-- |
Werbungskosten | 100,-- | 9.750,-- |
Sparer-Freibetrag | 600,-- | 600,-- |
Einkünfte | 9.xxx,-- | 5.xxx,-- |
Zu versteuerndes Einkommen bisher | xxxxxx,-- | |
Zu versteuerndes Einkommen neu | xxxxxx,-- | |
Grundtabelle | xxxxx,-- |
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
III.
Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).