Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 05.12.2003, Az.: 4 A 336/02
Haft; Sicherung; Unterkunft
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 05.12.2003
- Aktenzeichen
- 4 A 336/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48358
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 15a BSHG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine Haft von 21 Monaten ist jedenfalls langfristig, so dass ein Anspruch aus § 15a BSHG nicht besteht.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerinnen begehren vom Beklagten die Gewährung eines Darlehns zur Sicherung ihrer Mietwohnung.
Die Klägerinnen befanden sich seit Februar/März 2002 in Haft. Vor ihrer Inhaftierung erhielt die Klägerin zu 1) laufende Hilfe zum Lebensunterhalt von dem Beklagten (Einstellung zum 28.2.2002), die Klägerin zu 2) war erwerbstätig. Die Klägerinnen waren beide Mieterinnen der gemeinsam mit ihrer nicht sozialhilfebedürftigen Mutter bewohnten Wohnung G. straße 8 in H.. Am 18.3.2002 beantragte die Mutter der Klägerinnen die Übernahme von Miet- und Stromrückständen, weil eine Räumungsklage und das Abstellen des Stroms drohten. Der Beklagte erfuhr nachfolgend von der JVA I., dass die Klägerinnen frühestens am 15.9.2004 aus der Haft entlassen werden würden. Am 22.5.2002 teilte das Amtsgericht dem Beklagten mit, dass wegen der Mietzinsen für März und April 2002 Räumungsklage erhoben worden ist. Am 8.7.2002 erfuhr die Beklagte, dass der Vermieter der Klägerinnen das Mietverhältnis unbedingt beenden wollte. Die Klägerinnen beantragten am 26.7.2002 die Gewährung eines Darlehns für die Mietrückstände seit März 2002, u. a. weil ihre Mutter verzweifelt sei und sie in Kürze eine Entscheidung über die Aussetzung ihrer Strafe erwarteten. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 1.8.2002 ab, weil die Voraussetzungen des § 15a BSHG nicht erfüllt seien; insbesondere werde die Dauer der Inhaftierung auch bei Gewährung der in Aussicht stehenden Hafterleichterungen einen Zeitraum von 6 Monaten deutlich übersteigen. Hiergegen legten die Klägerinnen mit Schreiben vom 16.8.2002 Widerspruch ein und wiesen darauf hin, dass die Räumung der Wohnung am 28.8.2002 drohte, was auch geschah. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.9.2002 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerinnen als unbegründet zurück, weil die Unterkunft nicht nur für einen kurzfristigen Freiheitsentzug gesichert werden müsste und der Vermieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses ablehnen würde.
Die Klägerinnen haben am 10.10.2002 den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Sie begehren weiterhin die Gewährung des beantragten Darlehns zur Sicherung ihrer Unterkunft.
Sie beantragen sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 1.8.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.9.2002 zu verpflichten, ihnen ein Darlehn in Höhe von 830, 82 € zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte im Wesentlichen auf seine Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorberingens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 1.8.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.9.2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten.
Die Klägerinnen haben aus § 15 a BSHG keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Gewährung des begehrten Darlehns. Nach dieser Vorschrift kann Hilfe zum Lebensunterhalt in Fällen, in denen nach den vorstehenden Vorschriften die Gewährung von Hilfe nicht möglich ist, gewährt werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt ist. Sie soll gewährt werden, wenn sie gerechtfertigt und notwendig ist und ohne sie Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Im vorliegenden Fall ist das Ziel der Hilfegewährung nämlich die Sicherung der Unterkunft G. straße 8 in H. jedoch nicht mehr erreichbar, weil die Wohnung bereits am 28.8.2002 geräumt worden war. Deshalb scheidet eine Leistungsgewährung nach § 15 .a BSHG aus.
Aber selbst wenn die Wohnung noch nicht geräumt gewesen wäre, hätte ein Anspruch auf Leistungen nach § 15 a BSHG nicht bestanden, weil eine Hilfegewährung aufgrund der langen Haftdauer der Klägerinnen nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Da die Klägerinnen sich zum Entscheidungszeitpunkt voraussichtlich für 32 Monate (Haftende September 2004), bei guter Führung 21 Monate (2/3) im Freiheitsentzug befanden, war der Freiheitsentzug ohne weiteres als längerfristig zu qualifizieren. Es ist hier nicht erforderlich zu entscheiden, ob ein kurzfristiger Freiheitsentzug maximal 6 Monate (vgl. OVG Lüneburg, Beschlüsse v. 4.12.2000, - 4 M 3681/00 -, FEVS 27, 142, v. 22.5.1997, - 4 M 1665/97) oder etwas länger (vgl. VGH Bayern, B. v. 22.1.1980, - 12 CE 1654/79 -, FEVS 29,14) dauern darf. Da bei wenigstens 21 Monaten von einem kurzfristigen Freiheitsentzug der Klägerinnen nicht mehr die Rede sein kann. Bei einem längerfristigen Freiheitsentzug ist die Hilfegewährung aber nur bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt, wie z. B. besonders günstiger Resozialisierungsbedingungen oder Vermeidung noch weit höherer Kosten für den Transport und die Unterstellung von Möbeln bei gleichzeitig sehr günstiger Mietkosten der Wohnung (vgl. VGH Bayern, a. a. O.). Solche besonderen Umstände lagen hier jedoch nicht vor. Die Klägerinnen selbst waren offenbar nicht auf diese Wohnung bzw. das Umfeld angewiesen. Auch der drohende Wohnungsverlust der selbst nicht sozialhilfebedürftigen Mutter der Klägerinnen ist kein besonderer Umstand, der sich zugunsten der Klägerinnen auswirken kann, weil die Mutter bei Bedarf selbst an den Sozialhilfeträger hätte herantreten müssen bzw. die erforderlichen Rechtsbehelfe hätte ergreifen müssen.
Die kostenrechtlichen Nebenentscheidungen beruhen auf den Regelungen in §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2, 167 Abs. 2 VwGO.