Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 18.12.2003, Az.: 4 B 334/03
Gewährung einer einmaligen Beihilfe zur Beschaffung von Winterbekleidung; Reduzierung eines Bedarfs aufgrund des Erhaltens von Leistungen durch den Lebensgefährten der Mutter
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 18.12.2003
- Aktenzeichen
- 4 B 334/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 34313
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2003:1218.4B334.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 11 BSHG
- § 16 BSHG
- § 122 BSHG
- § 21 Abs. 1a Nr. 1 BSHG
Fundstelle
- info also 2004, 130-131 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Winterbekleidung
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 4. Kammer -
am 18. Dezember 2003
beschlossen:
Tenor:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin eine einmalige Beihilfe in Höhe von 144,00 Euro für Winterbekleidung zu gewähren.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Gründe
Der Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zur Gewährung einer einmaligen Beihilfe in Höhe von 144,00 Euro zur Beschaffung von Winterbekleidung zu verpflichten, ist begründet.
Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf die Gewährung der begehrten Beihilfe gemäß §§ 11, 21 Abs. 1a Nr. 1 BSHG in Höhe von 144 Euro glaubhaft gemacht. Für die Anschaffung der von ihr aus Wachstumsgründen glaubhaft benötigten Bekleidungsgegenstände, die sie in ihrem Antrag im einzelnen aufgelistet hat, ist der geltend gemachte Betrag auch erforderlich und ausreichend.
Die Antragstellerin ist nicht in der Lage diesen Bedarf aus ihrem eigenen Einkommen zu befriedigen, weil ihrem laufender Bedarf in Höhe von 365,07 Euro im Monat lediglich ein Einkommen aus Unterhaltsleistungen ihres Vaters in Höhe von 231,00 Euro gegenübersteht. Das für sie gezahlte bereinigte Kindergeld in Höhe von 143,77 Euro steht ihr nicht zur Verfügung, da es sich insoweit um das Einkommen ihrer Mutter handelt, die es für ihren eigenen Bedarf verbraucht und mithin nicht an die Antragstellerin weitergibt.
Die Antragstellerin erhält keine Unterhaltsleistungen ihrer Mutter, da diese aus ihrem Einkommen nicht einmal den eigenen Bedarf zu decken in der Lage ist. Die Mutter hat einen durchschnittlichen monatlichen Bedarf in Höhe von 721,11 Euro, dem ein Einkommen in Höhe von 476,77 Euro gegenübersteht. Ihr Bedarf ergibt sich aus: Dem Regelsatz in Höhe von 263,50 Euro, Mehrbedarf wegen Alleinerziehung in Höhe von 117,20 Euro, Unterkunftsanteil in Höhe von 112,18 Euro, Heizkostenanteil in Höhe von 62,89 Euro, Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 99,15 Euro, Pflegeversicherungsbeitrag in Höhe von 13,48 Euro und Bedarf einmalige Leistungen in Höhe von 52,70 Euro (20% vom Regelsatz). Ihr Einkommen setzt sich zusammen aus: Dem Einkommen aus ihrer Aushilfstätigkeit 204,80 Euro (Novemberzahlung), abzüglich des Freibetrages nach § 76 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 2a Nr. 2 BSHG in Höhe von 128,20 Euro, plus nach § 76 Abs. 2 Nr. BSHG bereinigten Kindergeldleistungen in Höhe von 287,54 Euro, plus Sozialhilfeleistungen für Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 112,63 Euro. Der aus dem eigenen Einkommen der Mutter nicht gedeckte Bedarf in Höhe von 244,34 Euro wird von ihrem Lebensgefährten gedeckt.
Die Antragstellerin erhält auch keine Leistungen vom Lebensgefährten ihrer Mutter, die nach §§ 16, 122 BSHG als Einkommen ihren Bedarf reduzieren würden. Gemäß § 16 Satz 1 BSHG wird vermutet, dass ein Hilfesuchender, der in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten lebt, von ihnen Leistungen zum Lebensunterhalt erhält, soweit dies nach ihrem Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.
Zu dieser Problematik hat das Gericht in seinem Beschluss vom 2.4.2003 - 4 B 399/02 - nachfolgende Ausführungen gemacht, die auch hier als sachgerecht erachtet werden:
Das Gericht hält es im vorliegenden Fall für sachgerecht, bei der Prüfung, inwieweit von dem Angehörigen nach dessen Einkommen und Vermögen Leistungen zum Lebensunterhalt an den mit ihm in Haushaltsgemeinschaft lebenden Hilfesuchenden erwartet werden können, auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für den Einsatz von Einkommen und Vermögen in der Sozialhilfe (NDV 2002, 431 ff.) zurückzugreifen. Die darin enthaltene unterhaltsrechtliche Anknüpfung wird dem Regelungsanliegen des § 16 BSHG für Fallgestaltungen der vorliegenden Art am Ehesten gerecht. Denn das Unterhaltsrecht ist Ausdruck der diesbezüglichen Erwartungen der Rechtsgemeinschaft. Diese Anknüpfung findet sich denn auch in der Begründung des Entwurfs zur Vorschrift des § 16 BSHG (seinerzeit: § 15 BSHG-E), die im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens insoweit nicht geändert worden ist, wenn es darin (BT-Drucksache III/1799 S. 40) heißt: "Der Entwurf geht davon aus, dass die durch das bürgerliche Recht bestimmte Unterhaltspflicht nicht durch das Fürsorgerecht erweitert werden darf." Dieser Wertung folgend hat das Bundesverwaltungsgericht in der die Inanspruchnahme Unterhaltspflichtiger regelnden Vorschrift des § 91 BSHG, die den Kreis der zivilrechtlich Verpflichteten insoweit sogar noch einschränkt, einen geeigneten Ausgangspunkt zur Konkretisierung der in § 16 BSHG normierten Leistungserwartung gesehen, weil es nicht der Sinn des § 16 BSHG sei, die sozialhilferechtliche Hilfeerwartung an unterhaltspflichtige Angehörige über die gesetzlich vorgesehene Inanspruchnahme durch die Träger der Sozialhilfe hinaus zu erweitern (Urteil vom 1. Oktober 1998 - 5 C 32/97 -, NVwZ-RR 1999, 251 f. [BVerwG 01.10.1998 - 5 C 32/97]). Die demnach sachgerechte Anknüpfung an unterhaltsrechtliche Maßstäbe bedeutet jedoch nicht, dass dadurch Unterhaltsleistungen von zivilrechtlich nicht zum Unterhalt verpflichteten Angehörigen wie Verschwägerten unberücksichtigt bleiben müssten. Auch dies folgt aus der Regelung des § 16 Satz 1 BSHG, denn sie richtet die in ihr begründete Erwartung ganz ausdrücklich eben auch an Verschwägerte. So heißt es in der genannten Entwurfsbegründung (a.a.O.) denn auch weiter: "Andererseits muss dem Gedanken entsprochen werden, dass die Allgemeinheit nicht verpflichtet sein kann, dann einzuspringen, wenn der Hilfesuchende mit leistungsfähigen Angehörigen in Haushaltsgemeinschaft lebt, solange nicht zweifelsfrei feststeht, dass diese Angehörigen dem Hilfesuchenden den Lebensunterhalt nicht gewähren. Der Entwurf versucht, das Problem mit der vorgesehenen Rechtsvermutung zu lösen. Sie soll für die Fälle gelten, in denen der Unterhalt des Hilfesuchenden durch seine Verwandten oder Verschwägerten nach deren Einkommen oder Vermögen erwartet werden kann. Mit dieser allgemein gefassten Bestimmung soll nicht auf ein nach regelsatzmäßigen Gesichtspunkten zu wertendes Einkommen der genannten Angehörigen abgestellt werden, vielmehr soll aus den Gesamtumständen des Einzelfalles geschlossen werden, ob und in welcher Höhe nach allgemeinen Lebenserfahrungen eine Unterhaltsleistung erwartet werden kann." Indem die genannten Empfehlungen des deutschen Vereins (a.a.O., Nr. 66) hinsichtlich des angemessenen Eigenbedarfs des Angehörigen durch Verweis auf seine Empfehlungen für die Heranziehung Unterhaltspflichtiger in der Sozialhilfe (NDV 2002, 161 ff., Nr. 118) die unterhaltsrechtlichen Tabellen und Leitlinien des jeweiligen Oberlandesgerichts zum Maßstab nimmt und dem Umstand, dass Verschwägerte zivilrechtlich keinen Unterhalt schulden, in Nr. 67 seiner Empfehlungen für den Einsatz von Einkommen und Vermögen in der Sozialhilfe (a.a.O.) dadurch Beachtung verschafft, dass in diesen Fällen das übersteigende Einkommen des Verschwägerten nicht wie bei unterhaltspflichtigen Verwandten zur Hälfte, sondern nur zu 30% als Einkommen des Hilfeempfängers berücksichtigt werden, stellen sie insgesamt einen sachgerechten Wertungsrahmen für den in Fällen der vorliegenden Art gemäß § 16 Satz. 1 BSHG zu leistenden Ausgleich dar. Die beiden Familiensenate des Oberlandesgerichts Braunschweigs wenden die jeweils aktuelle Düsseldorfer Tabelle (NDV 2001, 406 ff.) an. In ihr findet sich mangels diesbezüglicher Unterhalspflicht naturgemäß keine Angabe zum Selbstbehalt in Fällen, wie dem Vorliegenden. Nach Auffassung des Gerichts kann in diesen Fällen die Unterhaltserwartung jedoch nicht höher sein, als in den "entferntesten" zivilrechtlichen Unterhaltsbeziehungen, d.h. es können von dem Lebensgefährten der Mutter der Antragstellerin keine höheren Einschränkungen erwartet werden, als wenn er seine eigenen Eltern unterhalten würde. Das Gericht hat angesichts der nach den Empfehlungen in den Fällen der Verschwägerung vorgesehenen geringeren Berücksichtigung des übersteigenden Einkommens davon abgesehen, den in Anmerkung D 1 der Düsseldorfer Tabelle gegenüber Eltern vorgesehenen Selbstbehalt in Höhe von 1.250 Euro zu erhöhen. |
---|
Nach dem Einkommen des Lebensgefährten der Mutter der Antragstellerin kann die Gewährung von Unterhalt an die Antragstellerin nicht erwartet werden.
Das Gericht legt der sich hiernach ergebenden Zumutbarkeitsberechnung das nachgewiesene monatliche Einkommen des Lebensgefährten der Mutter der Antragstellerin in Höhe von 1622,86 Euro (laut vorgelegten Gehaltsbescheinigungen vom 6.10. und 6.11.2003) zugrunde. Es setzt hiervon sodann monatliche Aufwendungen für die Lebensversicherung (76,69 Euro), Haftpflichtversicherung (6,05 Euro), Fahrtkosten (durchschnittlich 13,00 Euro), Kfz.-Versicherung (30,67 Euro) und Kfz.-Steuer (14,45 Euro) ab. Unter Berücksichtigung des angemessenen Selbstbehalts ergibt sich ein "Einkommensüberhang" in Höhe von 232,00 Euro monatlich, der jedoch vollständig für den unbefriedigt gebliebenen Bedarf der Mutter der Antragstellerin (244,34 Euro) verbraucht wird - es verbleiben mithin keine Mittel zur Stützung der Vermutung des § 16 BSHG.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer Anwendung der Regelung in § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kostenfreiheit des Verfahren folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.
Frau RiinVG Struckmeier ist wegen Abwesenheit gehindert zu unterschreiben Hachmann
Köhler