Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 15.12.2003, Az.: 7 A 621/02
Anspruch auf die Gewährung einer Wechselschichtzulage bei Ableistung von durchschnittlich mindestens 40 Stunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschicht in fünf Wochen; Voraussetzungen für die Zahlung einer Zulage bei krankheitsbedingter Unterbrechung des Wechselschichtdienstes
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 15.12.2003
- Aktenzeichen
- 7 A 621/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 34311
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2003:1215.7A621.02.0A
Rechtsgrundlage
- § 20 Abs. 1 EZulV
Fundstelle
- ZBR 2004, 284-285 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Besoldung
hier: Wechselschichtzulage
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 7. Kammer -
ohne mündliche Verhandlung
am 15. Dezember 2003
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Müller-Fritzsche,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Allner,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Nagler sowie
die ehrenamtlichen Richter D.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen sie festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Wechselschichtzulage. Sie ist Beamtin im Niedersächsischen Polizeivollzugsdienst. Sie war seit 15. November 2000 ständig im Wechselschichtdienst eingesetzt und ihr war daraufhin mit Bescheid der Beklagten vom 06. Dezember 2000 eine Wechselschichtzulage gewährt worden.
In der Zeit vom 18. Juni 2001 bis 14. August 2001 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Danach leistete sie vom 15. August bis 30. September 2001 Wechselschichtdienst. Ab 01. Oktober 2001 war die Klägerin im Schichtdienst eingesetzt. Nach einer ärztlichen Bescheinigung vom 15. November 2001 befand sich die Klägerin zu diesem Zeitpunkt in der 6. Schwangerschaftswoche. Ab 19. November 2001 war die Klägerin im Tagesdienst eingesetzt.
Mit Bescheid vom 30. Mai 2002 regelte die Beklagte, dass die Wechselschichtzulage nur bis 31. Juli 2001 gewährt wird. Nach § 19 der Erschwerniszulagenverordnung - EZulV - werde bei einer Unterbrechung der zulagenberechtigten Tätigkeit durch Krankheit die Zulage nur bis zum Ende des Monats weitergezahlt, der auf den Eintritt der Unterbrechung folge. Für den Zeitraum vom 15. August 2001 bis 30. September 2001 lägen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Wechselschichtzulage nicht vor. Zwar sei die Klägerin in diesem Zeitraum im Wechselschichtdienst eingesetzt gewesen. Es habe sich jedoch nur um sechs Wochen und fünf Tage gehandelt. Die Zahlung einer Wechselschichtzulage setze jedoch einen ständigen Einsatz im Wechselschichtdienst voraus. Die Ableistung eines ständigen Wechselschichtdienstes entstehe erst, wenn sich der Wechselschichtdienst für den einzelnen Beamten auf einen Zeitraum von wenigstens 10 Wochen erstrecke. Dieser Zeitraum sei nicht erfüllt. Für den Zeitraum vom 15. August 2001 bis 30. September 2001 stehe ihr deshalb nur die Schichtzulage gemäß § 20 Abs. 2 c und Abs. 4 EZulV in Höhe von 17,90 EUR monatlich zu.
Mit Bescheid vom 13. Juni 2002 gewährte die Beklagte der Klägerin unter Hinweis auf § 4 der Mutterschutzverordnung - MuSchV - ab dem 19. November 2001 eine Zulage in Höhe des Durchschnittsbetrages der in den Monaten Juli, August und September 2001 gewährten Wechselschicht- oder Schichtdienstzulagen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 01. Juli 2002 legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie müsse so behandelt werden, als sei sie auch in der Zeit vom 15. August 2001 bis zum 30. September 2001 zulagenberechtigt eingesetzt gewesen. Die Unterbrechung des Wechselschichtdienstes sei krankheitsbedingt und deshalb ohne Verschulden erfolgt. Auch der Umstand, dass sie über den 30. September 2001 hinweg nicht weiterhin Schichtdienst geleistet habe, sei unverschuldet, denn dies sei darauf zurückzuführen, dass eine Schwangerschaft eingetreten sei.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung Braunschweig mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2002 zurück.
Am 02. September - einem Montag - hat die Klägerin Klage erhoben. Sie macht geltend: Die Wechselschichtzulage stehe ihr auch für den Zeitraum vom 15. August bis 30. September 2001 zu. Die Unterbrechung durch Krankheit stehe dem nicht entgegen. Die Nachteile, die sich für sie durch die Erkrankung für einen längeren Zeitraum ergäben, würden nicht dadurch ausreichend kompensiert, dass ihr die Erschwerniszulage bis zum Ende des Monats gezahlt werde, der auf den Eintritt der Unterbrechung folge. Es seien damit nicht die Nachteile berücksichtigt, die ihr entstünden, wenn man die Fortsetzung des Wechselschichtdienstes als Neueintritt desselben betrachte. Hierdurch würde eine Beamtin, die für mehrere Monate erkrankt sei, doppelt und unangemessen benachteiligt. Die Wechselschichtzulage stehe ihr auch während der Mutterschutzzeit ab Oktober 2001 zu. Gemäß § 4 Abs. 1 MuSchV würden die Dienstbezüge von der Schwangerschaft nicht berührt. Dies gelte auch für die Zulagen für den Wechselschichtdienst. Die Fortzahlung der Bezüge inklusive der Zulagen erfolge dann im Rahmen eines pauschalisierten Betrages. Für die Bemessung seien zwar grundsätzlich die letzten drei Monate vor dem Monat, in dem die Schwangerschaft eingetreten sei, zugrunde zu legen. Dies seien hier die Monate Juli, August und September 2001. Dabei sei jedoch unberücksichtigt, dass sie während dieser Zeit vom 18. Juni bis 14. August krank gewesen sei. Deshalb müssten hier in Anlehnung an die Hinweise zur Durchführung des Mutterschutzgesetzes die Monate März, April und Mai 2001 zugrunde gelegt werden, in denen sie voll gearbeitet habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 30. Mai 2002, ergänzt durch den Bescheid vom 13. Juni 2002 i.d.F. des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 31. Juli 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr auch für den Zeitraum vom 15. August 2001 bis 30. September 2001 sowie für den Zeitraum ab 19.11.2001 während ihrer Mutterschutzzeit eine Wechselschichtzulage zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung vertieft sie die in ihrem Widerspruchsbescheid enthaltenen Ausführungen und führt ergänzend aus: Der besonderen Situation bei Erkrankungen in Wechselschichtdiensten sei in Form der Weitergewährung der Zulage bis zum Ende des auf den Eintritt der Unterbrechung folgenden Monats Rechnung getragen worden. Für die Berechnung der Bemessungsgrundlage während der Mutterschutzfrist sei eine abschließende Regelung in § 4 Satz 3 MuSchV eindeutig getroffen worden. Die für Arbeitnehmerinnen geltenden Durchführungshinweise zum Mutterschutzgesetz seien nicht für Frauen im Beamtenverhältnis anwendbar. Selbst wenn man sie aber anwendete, so lägen die Voraussetzungen für eine andere Durchschnittsberechnung nicht vor, weil die Wechselschichtzulage bis zum 31. Juli 2001 weitergezahlt worden sei und somit bei der Berechnung nicht mehr als zwei Monate unberücksichtigt geblieben seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage - über die das Gericht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 VwGO) - ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Wechselschichtzulage für den Zeitraum vom 15. August 2001 bis 30. September 2001. Gemäß § 20 Abs. 1 der Erschwerniszulagenverordnung - EZulV - erhalten Beamte eine Wechselschichtzulage, wenn sie ständig nach einem Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt sind, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, und sie dabei in fünf Wochen durchschnittlich mindestens 40 Stunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschicht leisten. Die Beklagte legt diese Vorschrift dahin aus, dass ein ständiger Einsatz im Wechselschichtdienst nur gegeben ist, wenn dieser Einsatz mindestens 10 Wochen ununterbrochen gedauert hatte und die Klägerin nach der krankheitsbedingten Unterbrechung ihres Wechselschichtdienstes vom 18. Juni bis 14. August 2001 den Wechselschichtdienst wieder neu aufgenommen hatte, so dass sie bis zur Beendigung des Wechselschichtdienstes am 30. September 2001 lediglich sechs Wochen Schichtdienst erreichte und ihr deshalb die Zulage nicht zustand. Diese Auslegung ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat sich dabei rechtsfehlerfrei auf den (sie intern bindenden) RdErl. d. MF vom 02. Dezember 1998 berufen, der auf die Durchführungshinweise zur Wechselschicht- und Schichtdienst des Bundesministeriums des Inneren vom 08. September 1998 (GMBl. S. 726 ff.) verweist. Die dort aufgestellten Grundsätze (vgl. insbes. Ziff. 2.1 Unterabs. 6 f. und Ziff. 2.2 Unterabs. 7 - 9) beruhen weitgehend auf den Grundsätzen, die in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zu der nahezu wortgleichen Regelung betreffend die Wechselschichtzulage für Angestellte nach § 33a BAT entwickelt worden sind (vgl. Urt. v. 07. Febr. 1996 - 10 AZR 203/94 - sowie Urt. v. 05. Juni 1996 - 10 AZR 610/95 -, zit. jeweils nach [...]). Danach handelt es sich bei der Wechselschichtzulage um eine Zulage, die monatlich zu zahlen und für die für jeden Monat festzustellen ist, ob die Voraussetzungen für die Zahlung der Zulage auch in diesem Monat gegeben sind. Ferner hat das Bundesarbeitsgericht ausgesprochen, die Berechnung eines Durchschnitts - auf die auch in § 20 Abs. 1 EZulV abgestellt wird - bedinge, dass mindestens zwei Zeiträume von fünf Wochen in die Berechnung einzubeziehen sind. Daraus folgt, dass ein Anspruch auf eine Wechselschichtzulage für einen bestimmten Monat immer (und nur dann) begründet ist, wenn nach Ablauf des Monats feststeht, dass die letzten zehn Wochen mindestens 80 Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen Nachtschicht geleistet worden sind. Ferner ist in den genannten Entscheidungen der Grundsatz aufgestellt worden, dass die erforderliche Anzahl der Nachtschichtstunden tatsächlich geleistet worden sein müssen. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Vorschrift (vgl. Urt. v. 07.02.1996, a.a.O.). Auch handele es sich um eine Erschwerniszulage, die neben den Erschwernissen der Wechselschichtarbeit auch die Erschwernisse der Arbeit in der Nachtschicht abgelten solle und deswegen ein Mindestmaß an Nachtschichtstunden voraussetze. Deshalb könnten durch Krankheit oder Urlaub ausgefallene Stunden bei der Ermittlung des geforderten Umfangs der Nachtschichtarbeit nicht berücksichtigt werden. Die vorgenannten Grundsätze sind nach Auffassung des erkennenden Gerichts auf die Auslegung der für Beamten geltenden Vorschrift des § 20 Abs. 1 EZulV zu übertragen. Die Vorschriften sind weitgehend wortgleich. Es ist auch nicht erkennbar, dass Besonderheiten des Beamtenrechts einer Übernahme der von dem Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätze entgegenstehen. Der Klägerin kann somit die geforderte Wechselschichtzulage August 2001 und September 2001 nicht gewährt werden, weil sie wegen ihrer Erkrankung weder zum Ende des Monates August noch zum Ende des Monats September den maßgeblichen Zehn-Wochen-Zeitraum mit durchschnittlich geleisteten Dienststunden in der Nachtschicht vorzuweisen hatte.
Die Klage ist auch unbegründet, soweit die Klägerin während ihrer Mutterschutzzeit durchgängig die Zahlung einer (nicht gekürzten) Wechselschichtzulage mit der Begründung begehrt, für die Berechnung sei auf die Monate März, April und Mai 2001 abzustellen, in denen ihr eine volle Wechselschichtzulage zustand. Für die Berechnung ist nach der abschließenden Regelung gemäß § 4 Satz 3 MuSchV auf den Durchschnitt der Zulagen der letzten drei Monate vor Beginn des Monats abzustellen, in dem die Schwangerschaft eingetreten ist. Dies sind hier - wie von der Klägerin nicht bestritten wird - die Monate Juli, August und September 2001. Es entspricht der Eigenart der Regelung und damit dem erkennbaren Willen des Verordnungsgebers, dass es zu einer entsprechenden Kürzung der Zulagen auch während der Schwangerschaft kommt, wenn innerhalb dieses dreimonatigen Zeitraumes Zulagen nur teilweise gewährt wurden. Solche Fälle können deshalb nicht genügender Anlass sein, entgegen der ausdrücklichen Regelung andere Monate für die Berechnung heranzuziehen als die letzten drei Monate vor Beginn der Schwangerschaft. Es ist auch nicht erkennbar, dass diese Handhabung im Falle der Klägerin zu untragbaren Ergebnissen führen würde. Etwaige andersartige Regelungen der für Arbeitnehmerinnen geltenden Vorschrift des Mutterschutzgesetzes sind nicht ohne Weiteres auf Beamtinnen zu übertragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht (§ 124 a Abs. 1 VwGO) sind nicht ersichtlich.
Dr. Nagler
Müller-Fritzsche