Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 26.11.2003, Az.: 6 B 450/03
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 26.11.2003
- Aktenzeichen
- 6 B 450/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 40340
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2003:1126.6B450.03.0A
Fundstelle
- JWO-VerkehrsR 2004, 269
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Anordnung zur Teilnahme eines Fahranfängers an einem Aufbauseminar nach § 2a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG muss angeordnet werden, wenn in der Probezeit eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen worden ist, die nach § 28 StVG in das Verkehrszentralregister einzutragen ist.
- 2.
Die Rechtmäßigkeit der strafrechtlichen oder bußgeldrechtlichen Ahndung ist von der Fahrerlaubnisbehörde nicht zu prüfen (§ 2a Abs. 2 Satz 2).
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen B, M und L, die ihm im Februar 2003 für die Dauer von zwei Jahren bis zum 26. Februar 2005 erteilt wurde. Am 3. Juni 2003 war er an einem Verkehrsunfall beteiligt, woraufhin ihm mit Bußgeldbescheid des Landkreises Feine vom 26. August 2003 -zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 28. August 2003 - wegen unachtsamen Rückwärtsfahrens (Ordnungswidrigkeit nach den §§ 9 Abs. 5, 1 Abs. 2, 49 StVO i.V.m. § 24 StVG) eine Geldbuße von 60,00 Euro auferlegt wurde. Diese Verkehrsordnungswidrigkeit wurde am 30. September 2003 im Verkehrszentralregister des Kraftfahrt-Bundesamtes mit zwei Punkten eingetragen.
Mit Verfügung vom 22. Oktober 2003 ordnete der Antragsgegner deswegen die Teilnahme des Antragstellers an einem Aufbauseminar für auffällig gewordene Fahranfänger an und gab ihm auf, bis zum 22. Januar 2004 hierüber eine Teilnahmebescheinigung zur Vermeidung einer andernfalls drohenden Entziehung der Fahrerlaubnis vorzulegen. Gegen diese Verfügung erhob der Antragsteller am 30. Oktober 2003 Widerspruch, über den - soweit ersichtlich ist - noch nicht entschieden wurde. Zur Begründung machte der Antragsteller geltend, dass er den Verkehrsunfall nicht verursacht habe und weder eine Verwarnung erfolgt noch ein Bußgeldbescheid ergangen sei.
Am 31. Oktober 2003 hat der Antragsteller außerdem beim Verwaltungsgericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und hebt hervor, dass eine Eintragung in das Verkehrszentralregister, sollte sie erfolgt sein, unrechtmäßig vorgenommen worden sei.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 22. Oktober 2003 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er tritt dem Begehren des Antragstellers unter Hinweis auf die rechtskräftige Entscheidung im Bußgeldverfahren entgegen, die von Gesetzeswegen ohne weitere Prüfung seitens der Behörde zu beachten sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge und das Bußgeldverfahren des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der nach § 80 Abs. 5 VwGO statthafte Antrag hat keinen Erfolg.
Nach § 2a Abs. 6 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - in der Fassung der Neubekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl 2003 I Seite 310) haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar im Sinne des § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 StVG keine aufschiebende Wirkung. Mit dieser Regelung räumt der Gesetzgeber dem öffentlichen Interesse an einem sofortigen Vollzug von Maßnahmen, die bei einer Nichtbewährung des Fahranfängers während der Probezeit vorgesehen sind, regelmäßig den Vorrang ein vor dem privaten Interesse des Betroffenen, bis zu einer Entscheidung über den dagegen eingelegten Rechtsbehelf mit Vollstreckungsmaßnahmen nicht überzogen zu werden.
Dieser Vorrang des öffentlichen Interesses an einem Sofortvollzug gilt nur dann nicht, wenn ernste Zweifel an der Rechtmäßigkeit der getroffenen behördlichen Entscheidung bestehen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, weil nach summarischer Prüfung rechtliche Bedenken gegen die Richtigkeit der angeordneten Teilnahme des Antragstellers an einem Aufbauseminar nicht bestehen.
Die Fahrerlaubnisbehörde hat die Teilnahme des Fahranfängers an einem Aufbauseminar anzuordnen, wenn gegen den Fahrerlaubnisinhaber wegen einer während der Probezeit begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist, die nach § 28 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 StVG in das Verkehrszentralregister einzutragen ist (§ 2a Abs. 2 Satz 1 StVG). Hierbei ist die Behörde an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebunden (§ 2a Abs. 2 Satz 2 StVG). Der Antragsgegner hat in Bezug auf den Antragsteller zu Recht das Vorliegen dieser gesetzlichen Voraussetzungen für die behördlich verfügte Maßnahme
men.
Wegen eines Verkehrsverstoßes vom 3. Juni 2003, der innerhalb der bis zum 26. Februar 2005 reichenden Probezeit begangen wurde, ist gegen den Antragsteller ein Bußgeldbescheid vom 26. August 2003 ergangen, mit dem ihm wegen unachtsamen Rückwärtsfahrens eine Geldbuße von 60,00 Euro auferlegt worden ist. Bei dieser Entscheidung handelt es sich um einen nach § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG in das Verkehrszentralregister eintragungspflichtigen Vorgang, da die gegen den Antragsteller verhängte Geldbuße den Betrag von 40,00 Euro übersteigt und § 28a StVG nichts anderes bestimmt.
Soweit der Antragsteller die Rechtmäßigkeit der Eintragung in das Verkehrszentralregister beanstandet, begründet dieses Vorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Anordnung zur Seminarteilnahme. Der Bußgeldbescheid des Antragsgegners ist dem Antragsteller unter seiner Anschrift am 28. August 2003 mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Den Zustellungsvorgang hat die Postzustellerin der Deutschen Post AG auf der Postzustellungsurkunde festgehalten. Innerhalb der Einspruchsfrist von zwei Wochen nach der Zustellung ist ausweislich des dem Gericht vorliegenden Bußgeldvorgangs ein Rechtsbehelf nicht erhoben worden, sodass der Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden ist und am 30. September 2003 zu einer Eintragung im Verkehrszentralregister geführt hat.
Die vom Antragsteller angezweifelte Berechtigung der Bußgeldbehörde, wegen des von ihm anders dargestellten Unfallhergangs eine Geldbuße zu verhängen, kann von Gesetzes wegen nicht berücksichtigt werden (§ 2a Abs. 2 Satz 2 StVG). Insoweit ist lediglich anzumerken, dass im Bußgeldverfahren von einer an dem Verkehrsunfall nicht beteiligten Zeugin dargelegt worden ist, der Antragsteller habe - durch das Aufleuchten der Rückfahrscheinwerfer sichtbar - den Rückwärtsgang eingelegt und das Fahrzeug zurückgesetzt, so dass es gegen den dahinter befindlichen Pkw gestoßen sei.
Der Antrag ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§20 Abs. 3,13 Abs. 1 GKG und beläuft sich auf die Hälfte des in einem Verfahren zur Hauptsache anzunehmenden Wertes (Nr. 45.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit: 2.000,00 Euro).