Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 06.02.2017, Az.: 4 E 512/17

Abwesenheitsgeld; Berufungszulassungsverfahren; Einwendungen; Erstattungsfähigkeit; Kostenbeamte; Kostenerinnerung; Mediationstermin; Reisekosten; Terminsgebühr

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
06.02.2017
Aktenzeichen
4 E 512/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 53925
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG macht das Entstehen einer Terminsgebühr nicht davon abhängig, dass die Besprechung eine eigentlich vorgesehene mündliche Verhandlung in dem zugrundeliegenden Verfahren ersetzt. Daher fällt die Terminsgebühr bei der Teilnahme des Rechtsanwalts an einer Mediationssitzung im Berufungszulassungsverfahren an, wenn die Besprechung darauf gerichtet ist, das Verfahren zu vermeiden oder zu erledigen und damit das Gericht von einer zu treffenden Entscheidung über die Berufungszulassung zu entlasten.

Tenor:

Die Kostenerinnerung des Klägers vom 12.12.2016 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts vom 22.11.2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des (gerichtskostenfreien) Erinnerungsverfahrens.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich mit seiner Kostenerinnerung gegen die Festsetzung einer Terminsgebühr sowie von Reisekosten und eines Abwesenheitsgeldes für die Wahrnehmung eines Mediationstermins durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten.

Im Verfahren 4 A 6922/12 wandte sich der Kläger - der Eigentümer des denkmalgeschützten Rittergutes W. in A-Stadt ist - gegen die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnhauses auf seinem Nachbargrundstück an die Beigeladenen zu 1. und 2. durch Bescheid der Beklagten vom 18.08.2011. Nachdem die Kammer die Klage mit Urteil vom 10.03.2015 abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Verfahrens (einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. und 2. sowie der neuen Eigentümer, der Beigeladenen zu 3. und 4.) auferlegt hatte, stellte der Kläger über seine Prozessbevollmächtigte einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (1 LA 78/15). Im Berufungszulassungsverfahren regte der Berichterstatter die Durchführung eines Mediationsverfahrens an und gab zum Ablauf der Mediation unter anderen folgenden Hinweis:

„Die Mediation selbst verursacht keine zusätzlichen Gerichtsgebühren, allenfalls bei einer auswärtigen Mediationssitzung können Auslagen des Mediators (Reisekosten) anfallen. Für die Mediationsteilnehmer entstehen die eigenen Kosten für die Wahrnehmung des Termins. Dazu gehören auch die Kosten für die Teilnahme ihrer jeweiligen Prozessbevollmächtigten.“

Der Mediationstermin vor dem Güterichter des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts endete ohne Einigung. Mit Beschluss vom 14.09.2016 lehnte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil der Kammer vom 10.03.2015 ab und entschied zugleich, dass der Kläger die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt.

Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 12.10.2016 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22.11.2016 die vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten der 2. Instanz auf 2.332,88 Euro (einschließlich einer geltend gemachten Terminsgebühr von 780,00 Euro, Kosten für die Benutzung des eigenen Kfz von 80,40 Euro und Tage- und Abwesenheitsgeld in Höhe von 40,00 Euro) fest.

Hiergegen hat der Kläger unter dem 12.12.2016 die Entscheidung des Gerichts beantragt. Zur Begründung weist er darauf hin, dass der Termin in dem Mediationsverfahren nicht auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet gewesen sei. Das Berufungszulassungsverfahren sei grundsätzlich schriftlich, so dass keine Terminsgebühr für die Teilnahme am Mediationstermin festgesetzt werden könne.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen und der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Erinnerung ist gemäß § 165 i.V.m. § 151 VwGO zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben, da der Kostenfestsetzungsbeschluss der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29.11.2016 zugestellt worden ist. Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann der Prozessbevollmächtigte der Beklagten für die Wahrnehmung des Termins im Güterichterverfahren während des Berufungszulassungsverfahrens eine Terminsgebühr nach Nr. 3202 i.V.m. 3104 VV-RVG (sowie Fahrtkosten für die Nutzung des eigenen Kfz und Abwesenheitsgeld nach Nrn. 7003 und 7005 Nr. 2 VV-RVG) geltend machen.

Grundsätzlich entsteht mit der Teilnahme eines Rechtsanwalts an einer Mediationssitzung bei Gericht (jedenfalls gegenüber seinem eigenen Mandanten) eine Terminsgebühr nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) Nr. 3104 in Verbindung mit der Vorbemerkung 3 Abs. 3 der Anlage zum RVG, da es sich insoweit um die Mitwirkung an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung handelt, die sogar ohne Beteiligung des Gerichts entstehen würde (vgl. nur Nds. OVG, Beschl. v. 21.10.2011 – 12 OA 156/11 -, juris; VGH Kassel, Beschl. v. 22.11.2007 – 1 TJ 2287/07 -, juris; Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG; 22. Auflage, 2015, Vorbem. 3 VV, Rn. 211; Bischof in: Bischof/Jungbauer/Bräuer/Klipstein/ Klüsener/Uher, RVG, 7 Auflage, Nr. 3104 VV; Rn. 14ff.). Kommt es in der Mediation nicht zur Einigung und wird daraufhin das gerichtliche Verfahren fortgesetzt, entsteht dort allerdings keine weitere Terminsgebühr (Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage, 2015, Vorbem. 3 VV, Rn. 211, m.w.N.).

Dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten an einem Güterichtertermin im Rahmen des Berufungszulassungsverfahrens teilgenommen hat, rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung.

Die insoweit maßgebliche Vorschrift über das Entstehen der Terminsgebühr im Berufungsverfahren, die gemäß der Vorbemerkung 3.2 Abs. 1 der Anlage zum RVG auch für das Berufungszulassungsverfahren gilt, verweist gemäß Nr. 3202 Abs. 1 VV-RVG auf die Vorschriften für das erstinstanzliche Verfahren (Nr. 3104). Zwar ist das Berufungszulassungsverfahren ein schriftliches Verfahren, in dem grundsätzlich keine Terminsgebühr entsteht. Allerdings kann eine Terminsgebühr dann entstehen, wenn die Beteiligten eine Besprechung zur Erledigung des Verfahrens im Sinne von Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG führen, während das Berufungszulassungsverfahren noch läuft. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift löst eine solche Besprechung unabhängig davon, ob für das folgende bzw. anhängige Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, eine Terminsgebühr aus, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG erfüllt sind (so in Hinblick auf das Berufungszurückweisungsverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO: BGH, Beschl. v. 13.12.2011 - II ZB 4/11 -, juris; Onderka/N.Schneider/Wahlen, in: Schneider/Wolf, Anwaltkommentar, RVG, 5. Auflage, VV 3104, Rn. 34 m.w.N.). Das gesetzgeberische Ziel, durch die Terminsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG für das außergerichtliche Einigungsgespräch einen Anreiz für den Anwalt zu schaffen, in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beizutragen, dient zum einen dem Interesse der Parteien an einer möglichst kostengünstigen Erledigung des Verfahrens und zum anderen der Entlastung der Gerichte (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, BT-Drs. 15/1971, S. 209). Eine solche Entlastung des Berufungsgerichts geht auch von einer außergerichtlichen Einigung im Stadium vor der Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO aus (BGH, Beschl. v. 13.12.2011 - II ZB 4/11 -, juris). Nichts anderes gilt nach Auffassung der Kammer für das Berufungszulassungsverfahren nach § 124a Abs. 5 VwGO. Maßgeblich dafür ist die Erwägung, dass die Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG das Entstehen der Terminsgebühr gerade nicht davon abhängig macht, dass die Besprechung eine eigentlich vorgesehene mündliche Verhandlung in dem zugrundeliegenden Verfahren ersetzen soll. Vielmehr fällt die Terminsgebühr bereits dann an, wenn die Besprechung darauf gerichtet ist, das Verfahren zu vermeiden oder – wie im vorliegenden Fall - zu erledigen und damit das Gericht vor einer zu treffenden Entscheidung über die Berufungszulassung zu entlasten.

Die Kammer geht auch nicht davon aus, dass die Beteiligten die Geltendmachung der umstrittenen Terminsgebühr durch ihre Zustimmung zur Durchführung des Mediationsverfahrens (ausdrücklich oder konkludent) ausgeschlossenen haben.

Eine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung über die Kosten des Mediationsverfahrens wurde nicht getroffen. Auch eine konkludente, von dem Berichterstatter des Berufungszulassungsverfahrens veranlasste Vereinbarung über den Ausschluss der Erstattungsfähigkeit bestimmter Aufwendungen liegt nicht vor. Zwar waren die (zumindest missverständlichen) Hinweise zur Durchführung einer Mediation grundsätzlich geeignet, bei den Beteiligten den (falschen) Eindruck zu erwecken, dass durch die Teilnahme an dem Güterichterverfahren keine erstattungsfähigen Aufwendungen entstehen. Allerdings beschränken sich die Hinweise auf das Entstehen der Kosten, so dass die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass die Beteiligten mit der schriftlichen Zustimmung zum Güterichterverfahren auf die Erstattung von Aufwendungen für das Güterichterverfahren verzichtet hätten.

Soweit der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Gegensatz dazu mit Beschluss vom 09.10.2012 (3 S 2964/11, NVwZ 2013, 379 ff) in einer vergleichbaren Fallkonstellation die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für einen Mediationstermin mit der Begründung verneint hat, dass die Beteiligten sich mit der Zustimmung zum Mediationsverfahren auf die fehlende Erstattungsfähigkeit von Kosten für ihre Terminswahrnehmung geeinigt hätten, vermag die Kammer dem in Hinblick auf das hier streitgegenständliche Verfahren nicht zu folgen. Zum einen hat sich der Kläger als Erinnerungsführer gar nicht darauf berufen, dass ein gegenseitiger Verzicht auf die Erstattungsfähigkeit von in Wahrnehmung des Mediationstermins entstandenen Kosten mit der Zustimmung aller Beteiligter zum Güterichterverfahren vereinbart worden sei, sondern den Kostenfestsetzungsbeschluss allein aus anderen Gründen angegriffen. Zum anderen sind - wie der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im oben zitierten Beschluss mit zahlreichen Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur ausgeführt hat - materiell-rechtliche Einwendungen (wie die Vereinbarung eines Verzichts) zwischen den Beteiligten gegen den Kostenerstattungsanspruch des Gegners grundsätzlich nicht im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigten. Stattdessen sind sie in der Regel mit der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen, da der Urkundsbeamte nicht mit der Prüfung solcher schwer zu beurteilenden Einwendungen belastet werden soll. Nur dann, wenn der Urkundsbeamte die Prüfung selbst zuverlässig vornehmen könne, etwa weil ein Beteiligter ausweislich des Verhandlungsprotokolls eindeutig auf die Geltendmachung bestimmter Aufwendungen verzichtet habe, sei der Verweis auf die Vollstreckungsgegenklage unzulässig. Ein entsprechend eindeutiger Fall einer Verzichtserklärung liegt hier jedoch nicht vor, da von den Beteiligten eine entsprechende unmissverständliche Vereinbarung über die (fehlende) Erstattungsfähigkeit der mit der Wahrnehmung des Mediationstermins verbundenen Kosten gerade nicht getroffen worden ist.

Vor diesem Hintergrund kann der Prozessbevollmächtigte der Beklagten auch - wie vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle antragsgemäß festgesetzt - als Auslagen die Erstattung der Kosten für die Nutzung seines eigenen Kraftfahrzeugs nach Nr. 7003 VV-RVG und die Zahlung eines Abwesenheitsgeldes nach Nr. 7005 Nr. 2 VV-RVG für die Teilnahme am Güterrichttermin beanspruchen. Weder ist ersichtlich, dass diese Kosten der Höhe nach fehlerhaft festgesetzt worden wären noch hat der Kläger selbst insoweit substantiierte Einwendungen erhoben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen des Hauptsacheverfahrens bedarf es nicht, da diese für den Kostenerstattungsanspruch des Beklagten gegen den Kläger nicht mithaften und daher in Verfahren über Rechtsbehelfe gegen die hier angefochtene Kostenfestsetzung nicht beteiligt sind (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12.09.2016 - 12 OA 54/16 -, VG Augsburg, Beschl. v. 24.01.2011 - Au 3 M 11.81 -, im Ergebnis ebenso Nds. OVG, Beschl. v. 12.09.2016 - 12 OA 54/16 -, jeweils juris).