Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.09.1994, Az.: 17 L 2791/94

Auflösung eines Arbeitsverhältnisses; Bundespost; Berufsausbildungsvertrag; Ausbildungsgerechte Beschäftigung; Personalbedarf; Personalüberhang

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.09.1994
Aktenzeichen
17 L 2791/94
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1994, 13945
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1994:0909.17L2791.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 24.03.1994 - AZ: 4 A 1205/93.Hi
nachfolgend
BVerwG - 18.09.1996 - AZ: BVerwG 6 P 16.94

Tenor:

Die Beschwerden der Beteiligten gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Hannover - Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen in Hildesheim - vom 24. März 1994 werden zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin erstrebt die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses.

2

Aufgrund eines mit der Deutschen Bundespost abgeschlossenen Berufsausbildungsvertrages wurde der Beteiligte zu 1) vom 1. August 1990 bis zum 27. Juli 1993 im Bereich des Fernmeldeamtes ... zum Kommunikationselektroniker (Ke) ausgebildet. Am 17. Mai 1991 wurde er ordentliches Mitglied der Beteiligten zu 3), im März 1993 wurde er wiederum in dieses Amt gewählt. Mit Schreiben vom 20. Mai 1993 verlangte er seine ausbildungsgerechte Weiterbeschäftigung in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Nachdem ihm am 27. Juli 1993 das Ergebnis der Abschlußprüfung bekanntgegeben worden war, nahm er das Arbeitsplatzangebot als Angestellter im mittleren Fernmeldedienst beim ... an, bestand jedoch weiterhin auf seinem Anspruch einer ausbildungsgerechten Beschäftigung gemäß § 9 BPersVG.

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Die Antragstellerin hat daraufhin am 6. August 1993 das Verwaltungsgericht angerufen und vorgetragen: Auch im Jahre 1993 sei die Unterbringung der Ke problematisch gewesen, da die Deutsche Bundespost - Telekom - aus bildungs- und beschäftigungspolitischen Gründen besonders für diesen gewerblich-technischen Beruf seit Jahren wesentlich mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung stelle als sie zur Deckung des eigenen Bedarfs benötige. Als Folge könnten nicht für alle ausgebildeten Ke ausbildungsgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Im Bereich der Direktion ... bestehe keine Möglichkeit, den Beteiligten zu 1) ausbildungsgerecht zu übernehmen. Im Zeitpunkt der Beendigung seines Ausbildungsverhältnisses habe beim ... einem Personalbestand im fernmeldetechnischen Dienst von 1.177 Kräften ein Personalbedarf von 1.156,2 Kräften gegenübergestanden, so daß sich ein Personalüberhang von 20,8 Kräften ergeben habe.

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Die Antragstellerin hat beantragt,

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das nach § 9 Abs. 2 BPersVG mit dem Beteiligten zu 1) begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen.

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Die Beteiligten zu 1) bis 3) haben beantragt,

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den Antrag abzulehnen,

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und entgegnet: Der Überhang an Kräften des fernmeldetechnischen Dienstes im Bezirk ... ergebe sich aus den unterschiedlichsten Rationalisierungsvorhaben. Angesichts eines geplanten bundesweiten Personalabbaus von 30.000 Arbeitsplätzen entstünden aber die Schwierigkeiten der Weiterbeschäftigung durch selbst auferlegte Beschränkungen der Antragstellerin. Auch lasse das ... einen Großteil der Arbeiten, für die Ke ausgebildet worden seien, nicht durch eigene Kräfte ausführen, sondern vergebe sie an andere Betriebe. Diese Fremdvergabe könne zumindest reduziert werden, um eigene Kräfte zu beschäftigen. Im übrigen erfolge die Ermittlung des Personalbedarfs bei dem ... ausschließlich über Prognoseberechnungen. Diese sagten aber darüber, ob für die Beschäftigten tatsächlich Arbeit vorhanden sei, nichts aus. Insbesondere enthalte eine Prognoseberechnung keine Aussage, ob eine Verringerung des Personalbedarfs, die in ihr rechnerisch ermittelt worden sei, auf einer Verringerung der bisher erbrachten Arbeit oder auf anderen Vorgaben beruhe. Auch lasse sich mit Hilfe von Durschnittsberechnungen kein Nachweis darüber führen, ob ein ausbildungsgerechter Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe. Außerdem treffe nicht zu, daß die Fluktuationszahlen denjenigen der Planung entsprächen. Da die Zahlen der Personalabgänge in der Prognose in der Regel vorsichtig geschätzt würden, lägen sie meist höher als dort angenommen. Entscheidend sei, daß die Menge der vorhandenen Arbeit nicht zurückgegangen sei. Die von der Generaldirektion verfügte Einstellungssperre könne schon deshalb nicht zu einer Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung führen. Eine solche müsse vielmehr objektiv unzumutbar sein. Es sei auch nicht richtig, daß die Generaldirektion der Deutschen Bundespost - Telekom - bestimmte Fremdvergabeschlüssel für einzelne Dienststellen mit bindender Wirkung vorgebe. Sie gehe vielmehr von Durchschnittszahlen der Fremdvergabe aus, die jedoch beim ... überschritten würden.

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Mit Beschluß vom 24. März 1994 hat das Verwaltungsgericht dem Antrag stattgegeben, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Der Beteiligte zu 1) habe die gesetzlichen Voraussetzungen für seine Weiterbeschäftigung erfüllt. Sein Begehren sei auch nicht durch den am 27. Juli 1993 abgeschlossenen Arbeitsvertrag über eine ausbildungsfremde Beschäftigung überholt. Daß die Antragstellerin ihre Mitteilungspflicht gemäß § 9 Abs. 1 BPersVG nicht erfüllt habe, sei nach § 9 Abs. 5 BPersVG unschädlich. Jedenfalls habe sie rechtzeitig gemäß § 9 Abs. 4 Nr. 2 BPersVG den Auflösungsantrag gestellt. Dieser sei auch begründet. Denn die Antragstellerin habe hinreichend dargelegt, daß sie für den Beteiligten zu 1) im Zeitpunkt der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses am 27. Juli 1993 weder im Bereich des ... noch im Bezirk der Direktion Telekom ... einen freien Dauerarbeitsplatz für die Weiterbeschäftigung als Ke zur Verfügung gehabt habe. Die Direktion ... habe unter Bezugnahme auf die Verfügung der Generaldirektion vom 20. November 1992 gegenüber den nachgeordneten Dienststellen bereits durch Verfügung vom 8. Februar 1993 darauf hingewiesen, daß für ihren Bezirk keine Übernahmemöglichkeiten für Ke im Jahr 1993 beständen. Im Bezirk der Direktion ... seien im Juli 1993 keine Arbeitsplätze für die Übernahme von ausgebildeten Ke vorgesehen gewesen; in dieser Beziehung sei auch in der Folgezeit keine Änderung eingetreten. Nach der Aufteilung der Deutschen Bundespost in drei Teilbereiche und Übernahme der Führung des Teilbereichs Telekom unter Gesichtspunkten eines Wirtschaftsunternehmens seien die Direktiven und Anordnungen in personalpolitischer und haushaltsrechtlicher Hinsicht für die nachgeordneten Dienststellen als verbindliche Weisungen der Unternehmensleitung anzusehen. Diese kämen den Entscheidungen des Haushaltsgesetzgebers in den herkömmlichen Teilen der öffentlichen Verwaltung gleich. Für den hier maßgeblichen Bereich des ... bedeute dies, daß bei einem Überhang von 20,8 Arbeitsplätzen im Gesamtbereich des Fernmeldedienstes keine freien Arbeitsplätze für die Übernahme von ausgebildeten Ke zur Verfügung gestanden hätten. Auch der Fremdvergabeanteil von 22 % beim ... für das Jahr 1993 begegne keinen Bedenken. Ein solcher Anteil der Fremdvergabe liege im Bereich des unternehmerischen Ermessens. Jedenfalls könne unter Beachtung des Zwecks des § 9 und seines Zusammenhangs mit § 8 BPersVG nicht verlangt werden, daß durch entsprechende Umdispositionen freie Arbeitsplätze für ausgebildete Arbeitnehmer geschaffen würden.

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Gegen den ihnen am 14. April 1994 zugestellten Beschluß richtet sich die am 6. Mai 1994 eingelegte und gleichzeitig begründete Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 3), mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen vertiefen und insbesondere geltend machen: Der Antrag sei zu Recht ursprünglich von dem Leiter des ... gestellt worden, der die Arbeitgeberfunktion nach § 9 BPersVG ausübe. Das Verwaltungsgericht hätte an seine Stelle nicht die Deutsche Bundespost Telekom als Antragsteller setzen dürfen. In der Sache treffe es nicht zu, daß personalpolitische und haushaltsrechtliche Direktiven und Anordnungen der Unternehmensleitung in ihrer Wirkung den Entscheidungen des Haushaltsgesetzgebers gleichkämen. Es handele sich vielmehr um einen klassischen Fall der Selbstbindung des Arbeitgebers. Auch könne die Steuerung des Personalbedarfs durch den Anteil der Fremdvergabe nicht die gesetzliche Bindung des § 9 BPersVGüberwinden.

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Die Beteiligten zu 1) bis 3) beantragen,

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den angefochtenen Beschluß zu ändern und den Antrag der Antragstellerin abzulehnen.

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Die Antragstellerin beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Sie verteidigt den angefochtenen Beschluß.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Anhörung waren, Bezug genommen.

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Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragstellerin zu Recht stattgegeben.

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1. Der Antrag der Antragstellerin ist zulässig. Die insoweit geäußerten Bedenken der Beteiligten greifen nicht durch.

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Gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG ist der Antrag auf Auflösung des aufgrund der gesetzlichen Fiktion des Abs. 2 begründeten Arbeitsverhältnisses vom "Arbeitgeber" zu stellen. Da es sich der Sache nach um eine arbeitsrechtliche Regelung handelt, ist § 7 BPersVG hier nicht anwendbar. Maßgebend sind vielmehr die allgemeinen Vertretungsregeln der jeweiligen Verwaltung. Da die Beschäftigten der Deutschen Bundespost nach § 46 Abs. 1 PostVerfG vom 8. 6. 1989 (BGBl. I S. 1026) im Dienst des Bundes stehen und dieser für den Bereich des Teilsondervermögens Telekom (vgl. §§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 PostVerfG) in Angelegenheiten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit gemäß § 9 Abs. 4 AGO Telekom vom 5. 9. 1991 (ABl. 1992, 346) durch die Präsidenten der Direktionen für deren Zuständigkeitsbereich vertreten wird, war hier der Präsident der Direktion ... vertretungsbefugt, der wiederum dem Leiter des ... Vollmacht erteilt hat )vgl. Bay.ßVGH, Beschl. v. 8. 9. 1993 - 18 P 93.2024 u.a. -, PersR 1993, 564; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 3. 5. 1994 - PB 15 S 2971/93 -).

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Ob auch dieser Amtsleiter ohne eine solche Vollmacht den Antrag gemäß § 9 Abs. 4 BPersVG stellen konnte - wie er es zunächst getan hat und die Beteiligten offenbar für allein richtig halten - bedarf deshalb keiner Entscheidung. Die Frage dürfte allerdings zu bejahen sein. Denn es ist allgemein anerkannt, daß dieser Antrag auch von dem Leiter des Beschäftigungsamtes gestellt werden kann, der für seinen Bereich die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers wahrt und erfüllt (BVerwG, Beschl. v. 15. 10. 1985 - 6 P 13.84 -, in BVerwGE 72, 154 insoweit nicht abgedruckt; OVG NW, Beschl. v. 14. 9. 1987 - CL 54/86 -, PersV 1989, 169; Hess. VGH, Beschl. v. 24. 6. 1993 - HPVTL 1105/90 -; Fischer/Goeres in GKÖD, Bd. V, § 9 Rn. 7, 21 c m.N.; Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, § 9 Rn. 10 a, 14 a m.N.). Das ist hier der Leiter des ..., der für seinen Bereich die Ausbildungs- und Arbeitsverträge abschließt, die Mitteilungen nach § 9 Abs. 1 BPersVG zu machen hat und dem gegenüber der Beteiligte zu 1) auch gemäß § 9 Abs. 2 BPersVG seine Weiterbeschäftigung verlangt hat. Daß dieser Amtsleiter die Arbeitgeberfunktionen und damit auch die Antragsbefugnis nach Abs. 4 nur für die Deutsche Bundespost Telekom als Arbeitgeber im Rechtssinne ausübte, ergab sich zweifelsfrei aus dem Inhalt der Antragsschrift vom 5. 8. 1993.

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2. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Antrag auch für begründet gehalten. Aufgrund der vorliegenden Tatsachen ist hier dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1) i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG nicht zuzumuten. Die Umzumutbarkeit beruht auf betrieblichen Gründen, die im Hinblick auf die Unternehmensstruktur der Deutschen Bundespost Telekom und die für sie geltenden Leitungsgrundsätze hohes Gewicht haben. Unter Berücksichtigung der für andere Unternehmen entwickelten Maßstäbe schließen sie eine ausbildungsgerechte Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1) im Bereich des ... aus. Insoweit kann sich der Senat der Auffassung des Bay. VGH (a.a.O.) nicht anschließen; er folgt der Rechtsprechung des VGH Bad.-Württ. (Urt. v. 3. 5. 1994 - PB 15 S 2971/93 -).

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a) Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, daß der Weiterbeschäftigungsanspruch des Beteiligten zu 1) hier nicht bundesweit besteht, sondern nur in Bezug auf die Dienststelle seines Arbeitgebers, bei der er seine Berufsausbildung erhalten hat (BVerwGE 72, 154, 160 [BVerwG 15.10.1985 - 6 P 13/84]; Hess. VGH, Beschl. v. 24. 6. 1993 - HPVTL 1105/90 - m.N.; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 3. 5. 1994 - PB 15 S 2971/93; a.A. offenbar Fischer/Goeres, a.a.O. Rn. 19). Mit dieser ausdrücklichen räumlichen Begrenzung hat jedenfalls der Beteiligte zu 1) in seinem Schreiben vom 20. Mai 1993 seine Weiterbeschäftigung verlangt und in seinem Schreiben vom 22. September 1993 aufrechterhalten; allein darauf bezieht sich auch die Ablehnung der Antragstellerin, ihn ausbildungsadäquat zu übernehmen. Die Frage, ob der Beteiligte zu 1) im Bereich anderer Direktionen, bei denen den auslernenden Ke eine Übernahme nach Maßgabe der von der Generaldirektion Telekom mit Verfügung vom 20. November 1992 festgelegten Quoten angeboten wurde, auf einem der insgesamt 1.306 neuen Arbeitsplätze hätte weiterbeschäftigt werden können, ist deshalb nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

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b) Im Bereich des ... genügte der Arbeitgeber seiner Weiterbeschäftigungspflicht uneingeschränkt nur dann, wenn er dem Beteiligten zu 1) eine auf Dauer angelegte ausbildungsgerechte Beschäftigung ermöglichte. Das hat die Antragstellerin nicht getan; sie hat ihn zwar durch Arbeitsvertrag vom 27. Juli 1993 als Angestellten beim ... übernommen, aber in einem ausbildungsfremden Vollzeitarbeitsverhältnis. Eine solche Beschäftigung muß das (frühere) Mitglied einer Jugend- und Auszubildendenvertretung dann annehmen, wenn seine ausbildungsgerechte Weiterbeschäftigung dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist (BVerwGE 72, 154, 156) [BVerwG 15.10.1985 - 6 P 13/84]. Das war hier der Fall.

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(1) Schon in der bisherigen auf die öffentliche Verwaltung bezogenen Rechtsprechung ist anerkannt, daß sich die Unzumutbarkeit einer ausbildungsgerechten Weiterbeschäftigung in der Dienststelle auch aus betrieblichen Gründen ergeben kann (Lorenzen/Haas/Schmitt, a.a.O. Rn. 16 a; Fischer/Goeres, a.a.O. Rn. 22). Die Grenze der Unzumutbarkeit beginnt deshalb nicht erst bei der tatsächlichen oder rechtlichen Unmöglichkeit (so offenbar Bay VGH a.a.O.). Sie ist vielmehr auch erreicht, wenn dem (früheren) Mitglied kein auf Dauer angelegter Arbeitsplatz bereitgestellt werden kann. Der Arbeitgeber ist in einem solchen Fall nicht verpflichtet, durch zumutbare betriebsorganisatorische Maßnahmen eine Beschäftigungsmöglichkeit zu schaffen und insbesondere nicht gehalten, betriebliche oder finanzielle Vorkehrungen zu schaffen, um dem (früheren) Mitglied nach Abschluß seiner Ausbildung einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen zu können; darin läge ein Verstoß gegen das Begünstigungsverbot des § 8 BPersVG (BVerwGE 72, 154, 159 [BVerwG 15.10.1985 - 6 P 13/84]; Fischer/Goeres, a.a.O. Rn. 22 f. m.N.).

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(2) Die betrieblichen Gründe erhalten besonderes Gewicht bei einem Unternehmen wie der Telekom, das zwar formal weiterhin zur öffentlichen Verwaltung gehört, schon aufgrund der Postreform von 1989 jedoch in stärkerem Maße gesetzlich mit unternehmerischen und betrieblichen Aufgaben betraut sowie auf betriebswirtschaftliche Grundsätze verwiesen ist. Diese Postreform (vgl. dazu Lorenzen, PersV 1989, 457; Lorenzen/Haas/Schmitt, a.a.O. § 89 a Rn. 1 ff.) hat zwar auf der Grundlage des Art. 87 Abs. 1 GG noch nicht zu einer umfassenden Privatisierung der Post geführt; die weitere Geltung des BPersVG für die Beschäftigten der Post - mit den in § 89 a enthaltenen Modifikationen - steht außer Zweifel. Im Zuge der Trennung von "Hoheitsträger" und "Dienstanbieter" wurden aber in zunehmendem Umfang zahlreiche privatwirtschaftliche Elemente in die Aufgabenwahrnehmung eingebaut. § 1 Abs. 1 PostVerfG weist die politischen und hoheitlichen Aufgaben dem Bundesminister für Post und Telekommunikation zu; die wirtschaftlich/technisch geprägten unternehmerischen und betrieblichen Aufgaben des Post- und Fernmeldewesens obliegen dagegen der Deutschen Bundespost. Diese gliedert sich nach § 1 Abs. 2 PostVerfG in 3 Teilbereiche, die als öffentliche Unternehmen u.a. mit der Bezeichnung Deutsche Bundespost Telekom geführt werden. Das Unternehmen hat als Organe Vorstand und Aufsichtsrat (§ 3 Abs. 2 PostVerfG). Es hat seine Dienste unter Berücksichtigung der Markterfordernisse entsprechend der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung zu gestalten und die Grenzen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten zu beachten; unter Berücksichtigung dieser Leitlinien ist das Unternehmen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu führen (§ 4 Abs. 1 Satz 2, 4, 6 PostVerfG). Das Unternehmen ist gemäß § 37 PostVerfG ferner so zu leiten, daß die Erträge die Aufwendungen decken und ein angemessener Gewinn erwirtschaftet wird; nach § 42 PostVerfG hat es Rückstellungen und Rücklagen nach den Grundsätzen des Handelsrechts zu bilden.

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(3) Aufgrund dieser gesetzlichen Ausgestaltung der unternehmerischen Komponente in dem (öffentlichen) Unternehmen Telekom hat sich auch die Bestimmung der "betrieblichen" Umstände, die für den Arbeitgeber eine Unzumutbarkeit der ausbildungsgerechten Weiterbeschäftigung in dem Ausbildungsbetrieb begründen können, an den Kriterien auszurichten, die in Rechtsprechung und Schrifttum zu der für private Unternehmen geltenden - und als Vorbild für § 9 BPersVG dienenden - Vorschrift des § 78 a BetrVG entwickelt worden sind. Insoweit besteht allgemeine Übereinstimmung, daß auch betriebliche Gründe den Antrag des Arbeitgebers rechtfertigen können (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl. § 78 a, Rn. 32 m. N.; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl. § 78 a Rn. 19 m. N.; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl. § 78 a Rn. 21 ff. m. N.). Insbesondere ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, ohne Rücksicht auf Planung und Bedarfslage neue Arbeitsplätze zu schaffen. Denn es ist nicht der Sinn der gesetzlichen Fiktion, jedem in Berufsausbildung befindlichen Mitglied eines Vertretungsorgans ohne Rücksicht auf entgegenstehende zwingende betriebliche Notwendigkeiten einen Arbeitsplatz zu garantieren; eine solche, betriebliche Notwendigkeiten nicht berücksichtigende Auslegung würde in der Praxis dazu führen, daß das Angebot an Ausbildungsplätzen nicht vermehrt, sondern vermindert würde (BAG, Urt. v. 16. 1. 1979 - 6 AZR 153/77 -, AP Nr. 5 zu § 78 a BetrVG; vgl. auch Urt. v. 15. 1. 1980 - 6 AZR 361/79 -, a.a.O. Nr. 9; Beschl. v. 29. 11. 1989 - 7 ABR 67/88 -, a.a.O. Nr. 20). Deshalb kann auch die Wiederbesetzung freier Arbeitsplätze, die der Arbeitgeber einsparen will, nicht verlangt werden (Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, a.a.O., Rn. 20 m. N.; Fischer/Goeres a.a.O. Rn. 22 h m. N.).

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(4) Nach diesen Grundsätzen stellt aber auch die gesamtunternehmerische Entscheidung der zentralen Organe des öffentlichen Unternehmens Telekom, die Übernahme der erheblich über dem Eigenbedarf ausgebildeten Ke im Jahre 1993 auf eine feste Zahl von 1.306 zu begrenzen (bei insgesamt fast 4.000 übernommenen Nachwuchskräften) und diese Arbeitsplätze für Ke nach Bedarfsgesichtspunkten zu bestimmten Quoten ausschließlich 10 Direktionen in den neuen Ländern sowie den Ballungsgebieten zuzuweisen, einen betrieblichen Grund dar, der zur Unzumutbarkeit einer ausbildungsgerechten Weiterbeschäftigung der (früheren) Mitglieder von Vertretungsorganen in Ämtern führt, deren Direktion keine Übernahmequote zugewiesen wurde (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 3. 5. 1994 - PB 15 S 2971/93 -). Aufgrund dieser unternehmerischen Entscheidung der Generaldirektion Telekom in ihrer Verfügung vom 20. November 1992, die der Direktion ... keine Übernahmequote für Ke zuteilte, stand auch dem ... ... in dem maßgeblichen Zeitpunkt, als der Beteiligte zu 1) seine Ausbildung beendete, kein besetzbarer Arbeitsplatz für seine ausbildungsgerechte Übernahme als Ke zur Verfügung. Eine andere Auslegung des § 9 Abs. 4 BPersVG würde in eine nach § 8 BPersVG verbotene Begünstigung des Beteiligten zu 1) gegenüber allen anderen ausgebildeten Ke umschlagen, die darauf angewiesen waren, sich entweder im Bereich einer Direktion mit zugeteilter Übernahmequote zu bewerben oder aber mit einem ausbildungsfremden Arbeitsplatz an ihrem Ausbildungsort zufrieden zu geben.

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Der Umstand, daß der Stellenplan als Bestandteil des vom Vorstand aufzustellenden Wirtschaftsplanes (§ 38 Abs. 1, 3 PostVerfG) bei der Telekom keine Rechtsnorm darstellt und auch die Festlegung sowie Verteilung der Übernahmequoten keine normative Qualität hat, kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Denn die Unzumutbarkeit i.S. von § 9 Abs. 4 BPersVG läßt sich, wie bereits dargelegt, gerade bei einem öffentlichen Unternehmen nicht auf rechtliche Einstellungshindernisse beschränken. Deshalb geht auch der Hinweis der Beteiligten auf die Rechtsprechung des BVerwG fehl, nach der sich der Arbeitgeber zur Begründung einer Unzumutbarkeit nicht auf ein selbstgeschaffenes Einstellungshindernis berufen kann (BVerwG, Beschl. v. 13. 3. 1989 - 6 P 22.85 -, PersV 1989, 357). Dieser Entscheidung lag der Fall zugrunde, daß in einer Verwaltung nach dem Haushaltsplan rechtlich besetzbare Stellen vorhanden waren, das zur Einstellung befugte Verwaltungsorgan aber selbst einen verwaltungsinternen Einstellungsstopp mit allgemeinen Ausnahmeregelungen und Ausnahmemöglichkeiten im Einzelfall verfügt hatte. Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Entgegen der Auffassung des Bay VGH (a.a.O. S. 565) kann er auch nicht einer von der obersten Dienstbehörde erlassenen generellen Einstellungssperre gleichgestellt werden, deren Relevanz für eine Unzumutbarkeit i.S. von § 9 Abs. 4 BPersVG das BVerwG bisher offen gelassen hat (Beschl. v. 1. 3. 1993 - 6 PB 17.92 -, PersR 1993, 315; die Unzumutbarkeit bejahend, OVG S.-H., Beschl. v. 19. 1. 1993 - 11 L 4/92 -, PersR 1993, 288 Ls; Fischer/Goeres, a.a.O. Rn. 22 i). Denn bei einer aufgrund sachlicher Kriterien, insbesondere einer Personalbedarfsberechnung erfolgten Zuweisung besetzbarer Stellen nur an bestimmte Dienststellen handelt es sich selbst im Bereich der öffentlichen Verwaltung nicht um einen Einstellungsstopp, sondern um die sachgerechte Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Befugnisse im Bereich des Personaleinsatzes und die rechtmäßige Ausübung der Personalhoheit (Hess. VGH, Beschl. v. 24. 6. 1993 - HPVTL 1105/90 -). Erst recht kann im Bereich des Unternehmens Telekom die unternehmerische Festsetzung und Verteilung von Übernahmequoten auf bestimmte Direktionen durch die Generaldirektion nicht die Bedeutung einer von der vorgesetzten Dienststelle verfügten Einstellungssperre haben. Fehl geht auch die Berufung der Beteiligten auf den Beschluß des Senats vom 1. September 1993 (17 L 1672/93 -, PersR 1994, 290; dazu Beschluß des BVerwG v. 28. 3. 1994 - 6 PB 22.93 -, PersR 1994, 365). Denn dort ging es um die Weiterbeschäftigung in einer Dienststelle der Wehrverwaltung und nicht in einem gesetzlich auf die Gewinnerzielung verpflichteten öffentlichen Unternehmen; vor allem waren in jenem Fall in der betreffenden Dienststelle besetzbare ausbildungsgerechte Dienstposten vorhanden, weil durch Erlaß des Bundesministers der Verteidigung nur eine pauschale Einsparungsauflage verfügt worden war.

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Schließlich greift der Hinweis der Beteiligten auf den Anteil der sog. Fremdvergaben beim ... nicht durch. Abgesehen davon, daß dieser Anteil mit 22 % erheblich unter dem Anteil in den vom Bay VGH (30 %) und vom VGH Bad.-Württ. (40 %) entschiedenen Fällen liegt, jahreszeitlich schwankt und aus verschiedenen Gründen ohnehin nur begrenzt durch eigene Vollzeitarbeitsplätze substituierbar ist, beruht auch die Bemessung dieses Anteils auf unternehmerischen, längerfristigen und überörtlichen Erwägungen, die ihrerseits von der gesamtunternehmerischen Entscheidung über den Umfang der Übernahme von Nachwuchskräften sowie deren regionale Verteilung abhängen. Der Beteiligte zu 1) kann aufgrund von § 9 BPersVG nicht verlangen, daß diese komplexen unternehmerischen Entscheidungen mit der Folge einer Reduzierung der Fremdvergaben beim ... zu seinen Gunsten korrigiert werden, um ihm bei diesem Amt eine ausbildungsgerechte Weiterbeschäftigung zu verschaffen.

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Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.

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Die Rechtsbeschwerde war gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.

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Dr. Dembowski

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Lange

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Gosch

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Rusch

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Janthor