Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.09.1994, Az.: 17 L 2835/93
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 09.09.1994
- Aktenzeichen
- 17 L 2835/93
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1994, 25658
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1994:0909.17L2835.93.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg/Oldenburg - 11.01.1993 - AZ: 8 A 3763/92
Fundstelle
- ZfPR 1995, 51 (amtl. Leitsatz)
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen - vom 11. Januar 1993 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Der Antragsteller erstrebt die Feststellung, daß er weiterhin Mitglied des Beteiligten zu 1) ist.
Dem Beteiligten zu 1) gehörten Anfang Oktober 1992 Herr ... als Vorsitzender, Herr ... als stellvertretender Vorsitzender, Herr von ..., Herr ... und Herr ... an.
Am 23. Oktober 1992 fand auf Antrag der Mitglieder ... sowie des Antragstellers von 7.00 bis 7.25 Uhr eine Sitzung des Beteiligten zu 1) statt, bei der nur ein Punkt auf der Tagesordnung stand. Nach kurzer Diskussion wurde der Vorstand mehrheitlich beauftragt, in der Angelegenheit weitere Informationen einzuholen. In unmittelbarem Anschluß an die Sitzung gab das Mitglied ... mündlich eine Erklärung ab, die von dem die vorangegangene Sitzung leitenden stellvertretenden Vorsitzenden und anderen Mitgliedern als Niederlegung seines Amtes aufgefaßt wurde. Der Antragsteller äußerte unmittelbar darauf, er schließe sich der Erklärung des Mitgliedes ... an. Am 23. Oktober 1992 wurde eine vom steilvertretenden Vorsitzenden unterschriebene Mitteilung am Schwarzen Brett des Beteiligten zu 1) ausgehängt, daß Herr ... und der Antragsteller ihr Amt niedergelegt hätten. Mit Schreiben vom 26. Oktober 1992 widersprachen der Antragsteller und Herr ... der Darstellung, daß ihre Äußerungen eine Rücktrittserklärung enthalten hätten. Am 27. Oktober 1992 gaben daraufhin die Mitglieder ... von ... und ... eine "Erklärung des Personalrats" ab, in der es u.a. heißt:
"Die Sitzung wurde daraufhin vom stellvertretenden Vorsitzenden um 7.25 Uhr geschlossen. Unmittelbar darauf erklärte der Kollege W.: "Unter diesen Bedingungen trete ich hiermit zurück." Der Kollege W. gab unmittelbar daraufhin kund: "Ich schließe mich dem an." Weitere Rücktrittserklärungen anderer Personalratsmitglieder folgten nicht."
Der Vertrauensmann der Schwerbehinderten gab am selben Tage eine gleichlautende Erklärung ab.
Der Antragsteller hat daraufhin am 5. November 1992 das Beschlußverfahren eingeleitet und vorgetragen: Die Äußerung von Herrn ... habe keine Amtsniederlegung zum Inhalt gehabt. Herr ... habe vielmehr seinen Unwillen über den Verlauf der Sitzung sinngemäß mit den Worten ausgedrückt:
"Wenn das hier so weiter läuft, werde ich von meinem Amt zurücktreten."
Der Antragsteller hat beantragt
festzustellen, daß er über den 23. Oktober 1992 hinaus Mitglied des Personalrats ist.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das Verwaltungsgericht hat in dem Anhörungstermin vom 11. Januar 1993, in dem die Sachen des Antragstellers und von Herrn ... (8 A 3948/92) gemeinsam verhandelt wurden, den Antragsteller und Herr ... als Beteiligte sowie die Mitglieder ... von ... und den Vertrauensmann der Schwerbehinderten, ... als Zeugen vernommen. Mit Beschluß vom selben Tag hat das Verwaltungsgericht sodann den Antrag des Antragstellers abgelehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Die Mitgliedschaft des Antragstellers im Personalrat sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG durch Niederlegung des Amtes erloschen. Die Amtsniederlegung sei die an keine Voraussetzung, Gründe, Formen oder Fristen gebundene Erklärung eines Personalratsmitgliedes, sein Amt nicht mehr fortführen zu wollen. Es genüge eine mündliche Erklärung. Die Wirksamkeit der Erklärung sei nicht von den Gründen abhängig, aus denen sie erfolge. Die Amtsniederlegung müsse ohne Bedingungen und unmißverständlich erklärt werden. Sie müsse - von hier nicht in Betracht kommenden Sonderfällen abgesehen - gegenüber dem Personalrat oder dessen Versitzenden abgegeben werden und brauche dem Personalrat oder dessen Vorsitzenden nur zuzugehen, d.h. bei mündlicher Erklärung unter Anwesenden vom Personalrat oder seinem Vorsitzenden nur vernommen zu werden. Sie brauche nicht etwa "angenommen" zu werden; für eine Ablehnung durch den Adressaten sei kein Raum. Wenn der Rücktritt einmal wirksam erklärt sei, könne die Rücktrittserklärung - wegen der unmittelbaren Folgen für die Zusammensetzung des Personalrats - von dem bisherigen Personalratsmitglied weder zurückgenommen noch angefochten werden. Aus diesen Grundsätzen folge, daß der Antragsteller sein Amt wirksam niedergelegt habe. Er habe nach einer Erklärung von Herrn ... erklärt, dem schließe er sich an. Daß der Antragsteller wörtlich oder zumindest sinngemäß gesagt habe "Dem schließe ich mich an", sei zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Antragsteller habe die Äußerung - mit dem Zusatz der Anrede "Walter" - selbst eingeräumt. Die Zeugen ... und von ... hätten ausgesagt, daß er erklärt habe, dem schließe er sich an, wobei im Anhörungstermin nicht mehr sämtliche vernommenen Personen nach dieser Erklärung gefragt worden seien. Von den Zeugen ... und ... genannte Abweichungen in der Formulierung ("Dem schließe ich mich dann an" - Aussage ... - "Ich auch" - Aussage ... -) würden an dem für die hier zu treffende Entscheidung maßgeblichen sachlichen Inhalt der Erklärung nichts ändern. Die Erklärung "Dem schließe ich mich an" habe die gleiche rechtliche Wirkung wie wenn der Antragsteller die vorhergehende Erklärung von Herrn ... für seine eigene Person wiederholt hätte. Für die Frage, ob der Antragsteller zurückgetreten sei, komme es also darauf an, ob Herr ... vorher zurückgetreten sei. Ein solcher Rücktritt von Herrn ... sei nach dem eindeutigen Ergebnis der Beweisaufnahme erfolgt. Seine Erklärung habe zum Inhalt gehabt, daß er jetzt - "hiermit" - zurücktrete und nicht möglicherweise zukünftig. Der Antragsteller und Herr ... hätten ihre Erklärungen in Abwesenheit des Personalratsvorsitzenden auch gegenüber dem zuständigen Erklärungsempfänger abgegeben, nämlich gegenüber Herrn ... als Vertreter des Vorsitzenden. Daß beiden die Unwiderruflichkeit ihrer Erklärungen nicht bewußt gewesen sei, ändere an deren Wirksamkeit nichts.
Gegen den ihm am 24. Mai 1993 zugestellten Beschluß richtet sich die am 22. Juni 1993 eingelegte und am 28. Juni 1993 begründete Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft und insbesondere geltend macht: Das Verwaltungsgericht habe das Ergebnis der Beweisaufnahme unzutreffend gewürdigt. Herr ... habe anläßlich einer erregten Debatte lediglich gesagt, daß er unter diesen Umständen nicht länger im Personalrat bleiben würde. Mit den Worten, er schließe sich dem an, habe der Antragsteller zu keiner Zeit sein Personalratsamt niederlegen wollen; seine Äußerung habe auch nicht einen solchen Erklärungsinhalt gehabt.
Der Antragsteller beantragt,
den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.
Der Beteiligte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Akten des Verfahrens in der Parallelsache des Herrn ... - VG 8 A 3948/92 - Bezug genommen.
Beide Beteiligten haben einer Entscheidung im Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
II.
Die zulässige Beschwerde, über die gemäß §§ 83 Abs. 4 Satz 3, 87 Abs. 2 ArGG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, daß die Mitgliedschaft des Antragstellers im Beteiligten zu 1. erloschen ist. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen. Das Beschwerdevorbringen kann zu keiner anderen Beurteilung führen.
1. Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG erlischt die Mitgliedschaft im Personalrat durch Niederlegung des Amtes. Diese stellt einen freiwilligen Verzicht auf das Amt dar und kann von dem Personalratsmitglied jederzeit erklärt werden. Nach allgemeiner Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum ist die Amtsniederlegung die an keine Voraussetzungen, Gründe, Formen oder Fristen gebundene Erklärung des Mitglieds, sein Amt nicht mehr fortführen zu wollen (Fischer/Goeres im GKöD, Bd. V, § 29 Rdnr. 7 ff; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 7. Aufl., § 29 Rn. 7 f m.N.; Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, § 29 Rn. 5 m.N.). Dabei brauchen die Worte "Niederlegung des Amtes" oder "Rücktritt" nicht verwendet zu werden, sofern der Wille, aus dem Personalrat auszuscheiden, objektiv eindeutig erkennbar ist. Die Erklärung ist insbesondere nicht an die Schriftform gebunden; sie ist gegenüber dem Personalrat oder dessen Vorsitzenden abzugeben, dem das Mitglied angehört, und wird mit ihrem Zugang wirksam, ohne daß es insoweit ihrer "Annahme" bedarf (Fischer/Goeres a.a.O. Rn. 8; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier a.a.O. Rn. 10; Lorenzen/Haas/Schmitt, a.a.O. Rn. 5).
Nach diesen Grundsätzen hat das Verwaltungsgericht zu Recht eine wirksame Amtsniederlegung durch den Antragsteller bejaht. In dem Parallelverfahren des früheren Mitglieds Otten - 8 A 3948/92 - hat das Verwaltungsgericht aufgrund seiner umfangreichen Beweisaufnahme rechtskräftig festgestellt, daß Herr ... in unmittelbarem Anschluß an die Personalratssitzung vom 23. Oktober 1992 gegenüber dem diese leitenden stellvertretenden Vorsitzenden unmißverständlich seinen sofortigen Rücktritt erklärt und nicht lediglich einen solchen Rücktritt unter bestimmten Bedingungen für die Zukunft angekündigt hat. Der Antragsteller räumt wiederum selbst ein, daß er unmittelbar nach der Erklärung von Herrn ... seinerseits äußerte, dem schließe er sich an. Unter diesen Umständen konnte aber diese seine eigene Erklärung bei objektiver Würdigung ihres Inhalts und ihres Zusammenhangs, wie das Verwaltungsgericht aufgrund seiner eingehenden Beweisaufnahme festgestellt hat, auch nur als sofortige Amtsniederlegung aufgefaßt werden. Ob der Antragsteller seine Erklärung subjektiv so gemeint oder möglicherweise die vorangehende Erklärung seines Kollegen ... nur als bloße Unmutsäußerung, Ankündigung oder Rücktrittsdrohung aufgefaßt hat, ist rechtlich unerheblich. Denn die einseitige, empfangsbedürftige, rechtsgestaltende Willenserklärung der Amtsniederlegung ist nach allgemeinen Grundsätzen so auszulegen, wie sie bezogen auf den Empfängerhorizont objektiv verstanden werden mußte. Die vom Verwaltungsgericht rechtskräftig festgestellte Äußerung des Herrn ... "hiermit" trete er zurück, stellte nach diesen Maßstäben aber eine sofortige Amtsniederlegung dar; so wurde sie auch von dem stellvertretenden Vorsitzenden und den übrigen Mitgliedern des Beteiligten zu 1) verstanden. Bei dieser Sachlage muß deshalb auch der Antragsteller sich daran festhalten lassen, daß seine Anschlußerklärung objektiv ebenfalls den Inhalt einer sofortigen Amtsniederlegung hatte.
Die Wirkung dieses objektiven Erklärungsinhalts konnte durch den Widerspruch des Antragstellers vom 26. Oktober 1992 nicht mehr beseitigt werden. Denn eine wirksam erklärte Amtsniederlegung ist wegen ihrer unmittelbaren Rechtsfolgen für die Zusammensetzung des Personalrats weder rücknehmbar noch etwa wegen Irrtums anfechtbar (Altvater/Bacher/Hörter/Sabottig/Schneider, BPersVG, 3. Aufl. § 29 Rn. 3; Fischer/Goeres a.a.O. Rn. 9; Grabendorff/Ilbertz/Windscheid/Widmaier, a.a.O. Rn. 12; Lorenzen/Haas/Schmitt, a.a.O. Rn. 6 m.N.). Ebenso ist ein späterer Widerruf der Erklärung entsprechend § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB wirkungslos.
Zwar mag es unbefriedigend erscheinen, daß das Gesetz für den schwerwiegenden Schritt einer Amtsniederlegung keinen Formzwang vorsieht. Dadurch besteht die Gefahr, daß auch unbedachte, auf einer spontanen Verärgerung beruhende Äußerungen einen wirksamen Rücktritt darstellen können. Der Personalrat kann dieser Gefahr jedoch begegnen, indem er in seiner Geschäftsordnung für die Erklärung der Amtsniederlegung die Schriftform vorschreibt und dadurch allen Mitgliedern eine gewisse Überlegungsfrist einräumt. Da das hier aber nicht der Fall war, muß die mündliche Erklärung des Antragstellers als wirksam angesehen werden.
Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.