Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.09.1994, Az.: 4 L 5583/93
Unterkunft; Hilfeempfänger; Sozialhilferecht; Angemessenheit; Unterkunftskosten; Zumutbarkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 28.09.1994
- Aktenzeichen
- 4 L 5583/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 14051
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1994:0928.4L5583.93.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Göttingen 29.07.1993 - 2 A 2086/92
- nachfolgend
- BVerwG - 12.07.1995 - AZ: BVerwG 5 C 14.95
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 1 RegSatzV
- § 12 Abs. 1 S. 1 BSHG
- § 22 Abs. 1 BSHG
- § 22 Abs. 2 BSHG
Fundstelle
- info also 1995, 166
Amtlicher Leitsatz
Die Aufwendungen für die Unterkunft sind auch dann, wenn der Hilfeempfänger ohne Notwendigkeit aus einer sozialhilferechtlich angemessenen (ausreichenden) Wohnung in eine unangemessen teure Wohnung gezogen ist, so lange in tatsächlicher Höhe als Bedarf anzuerkennen, als es ihm nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, die Aufwendungen durch einen (erneuten) Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise zu senken (aA BVerwGE 92, 1[BVerwG 21.01.1993 - 5 C 3/91]).
Für die Suche nach einer billigeren Wohnung ist dem Hilfeempfänger in der Regel ein Zeitraum von bis zu sechs Monaten einzuräumen; die Frist kann verlängert werden, wenn er nachweist, daß er sich intensiv um eine billigere Wohnung bemüht hat.
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - 2. Kammer - vom 29. Juli 1993 geändert.
Der Beklagte wird verpflichtet, den Klägern für die Zeit vom 15. August 1991 bis zum 31. März 1992 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt unter Berücksichtigung der Aufwendungen für die Unterkunft in Höhe von 1.230,-- DM monatlich zu gewähren.
Die Bescheide der Stadt Göttingen vom 24. September 1991 und 26. November 1991 sowie der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 31. März 1992 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.700,-- DM abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Verpflichtung des Beklagten, bei der Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt ab August 1991 die Kosten der von ihnen (bis zum 31. 8. 1992) bewohnten Wohnung in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen.
Die Kläger zu 1) und 2) stammen aus dem Libanon. Sie und ihre am 21. August 1971 geborene Tochter, die Klägerin zu 3), wohnten von Februar 1980 bis zum 30. Juli 1991 in einer gemeindeeigenen Wohnung in ..., für die sie eine Grundmiete von 380,-- DM zuzüglich 230,-- DM Nebenkosten und 350,-- DM Heizkosten zahlten. Sie erhielten seit Februar 1980 von der Samtgemeinde ... laufende Hilfe zum Lebensunterhalt.
Am 5. August 1991 schlossen die Kläger einen Mietvertrag über eine 89,73 qm große 3-Zimmer-Wohnung mit Wintergarten im ... Weg ... in ... zu einer Grundmiete von 1.050,-- DM zuzüglich 180,-- DM Nebenkosten (ohne Heizkosten). Am 7. August 1991 beantragten sie bei dem Sozialamt der für den Beklagten handelnden Stadt ... die Gewährung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt. Mit an die Kläger zu 1) und 2) sowie an die Klägerin zu 3) gerichteten Bescheiden vom 24. September 1991 bewilligte die Stadt ... namens und im Auftrag des Beklagten die beantragte Hilfe, wobei sie die Kosten der Unterkunft lediglich in Höhe der in ... gezahlten Miete zuzüglich einer Gaspauschale berücksichtigte. Unter demselben Datum erließ die Stadt ... Wohngeldbescheide, in denen sie bei der Gewährung pauschalierten Wohngelds ebenfalls die in ... gezahlten Unterkunftskosten zugrundelegte. Weitere Sozialhilfebescheide vom 26. November 1991 enthielten eine Neufestsetzung der laufenden Hilfe lediglich wegen einer Änderung der Gaskosten.
Mit Schreiben vom 12. Oktober 1991 wandten sich der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 3) dagegen, daß die Beklagte nicht die gesamte Miete der Wohnung ... Weg 51 anerkannte. Sie legten dazu ein Schreiben der Samtgemeinde ... vom 11. Oktober 1991 (Beiakte A Bl. 66) vor, in dem diese ihnen bestätigte, daß die von den Klägern bisher bewohnte Wohnung von der Samtgemeinde ... für die geplante Erweiterung der Bücherei im kommenden Jahr benötigt werde und daß aufgrund der zunehmend prekären Lage auf dem Wohnungsmarkt auch mit Hilfe der Samtgemeinde ... die Beschaffung einer anderen Wohnung in ... nicht möglich gewesen sei. Eine Rückfrage des Sachbearbeiters des Sozialamtes der Stadt ... bei der Samtgemeinde ... hierzu ergab gemäß einem Vermerk vom 22. Oktober 1991: Es sei beabsichtigt, die bisherige Bücherei der Samtgemeinde ... zu erweitern unter Inanspruchnahme von Räumlichkeiten, die vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) genutzt würden. Dem DRK sollten ersatzweise die von den Klägern bewohnten Räume zur Verfügung gestellt werden. Deshalb sei den Klägern vom Liegenschaftsamt der Samtgemeinde ... mehrmals mitgeteilt worden, daß sie in der Wohnung nicht auf längere Dauer wohnen bleiben könnten. Dem Sozialamt der Samtgemeinde ... sei all dies nicht bekannt gewesen. Das von den Klägern vorgelegte Schreiben sei auf Wunsch des Klägers zu 1) von dem Samtgemeindedirektor persönlich gefertigt worden.
Mit Schreiben vom 15. Oktober 1991 legte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger für die Kläger zu 1) und 2) gegen den Sozialhilfebescheid und den Wohngeldbescheid Widerspruch ein. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 31. März 1992 zurück.
Mit der bei dem Verwaltungsgericht erhobenen Klage haben die Kläger ihr Begehren auf Berücksichtigung der gesamten Unterkunftskosten weiter verfolgt. Sie haben vorgetragen: Der Umzug sei notwendig gewesen, da die Samtgemeinde ... die Wohnung ab Anfang 1992 für die Erweiterung ihrer Bücherei benötigt habe, wie sich aus dem Schreiben des Samtgemeindedirektors vom 11. Oktober 1991 ergebe. Außerdem hätten sie in ... unter Vereinsamung gelitten. Hiervon sei insbesondere der Kläger zu 1) betroffen gewesen, der aufgrund seiner Isolation an depressiven Verstimmungen mit Magengeschwüren gelitten habe. Dies ergebe sich aus dem ärztlichen Attest vom 8. August 1991, in dem der Umzug nach ... wegen der genannten Krankheitssymptome befürwortet worden sei. Auch für die Klägerin zu 3) sei der Umzug nach ... wichtig gewesen, da sie sich seinerzeit in einer Ausbildung zur Krankenschwester befunden habe und oft spätabends nach Hause habe fahren müssen. Die Familie habe aus den genannten Gründen seit längerem eine andere Wohnung gesucht. Dies sei jedoch schwierig gewesen, da sie auf dem Wohnungsmarkt als Ausländer und Sozialhilfeempfänger benachteiligt gewesen sei. Etwa sieben Monate vor dem Umzug habe der Kläger zu 1) dem zuständigen Sachbearbeiter der Stadt ... die genannten Probleme geschildert. Dieser habe ihm daraufhin erklärt, die Familie dürfe nach ... umziehen, die Stadt könne ihr aber eine Wohnung nicht vermitteln. Zwischen dem 7. und dem 15. August 1991 habe der Kläger zu 1) ein zweites Mal bei dem Sachbearbeiter vorgesprochen, der ihm gegenüber erklärt habe, die Miete sei zwar zu hoch, er wolle aber mit seinem Vorgesetzten über diese Angelegenheit reden. Er, der Kläger zu 1), habe den Sachbearbeiter dann vor dem 15. August 1991 nochmals aufgesucht. Dieser habe ihm zugesagt, daß die Kosten für die Wohnung übernommen würden. Mit dem Vormieter der Wohnung habe die Familie eine Absprache dahingehend getroffen, daß dieser sein altes Mietverhältnis weiterführen würde, wenn die Stadt ... den Mietvertrag bis zum 28. August 1991 nicht anerkennen würde.
Die Kläger haben beantragt,
den Beklagten unter entsprechender Änderung der Bescheide der Stadt ... vom 24. September 1991, vom 26. November 1991 und evtl. später ergangener Änderungsbescheide sowie des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 31. März 1992 zu verpflichten, der Berechnung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt und gegebenenfalls des pauschalierten Wohngeldes für den Zeitraum vom 15. August 1991 bis zum 31. März 1992 angemessene Unterkunftskosten in Höhe von 1.050,00 DM zuzüglich 180,-- DM Nebenkosten zugrunde zu legen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen:
Die Wohnung ... Weg ... sei unangemessen groß und teuer, so daß nur Unterkunftskosten in Höhe der in Dransfeld gezahlten Mietkosten berücksichtigungsfähig seien. Die einfache Mitteilung der Salatgemeinde ..., die von den Klägern dort bewohnte Wohnung werde anderweitig gebraucht, habe einen Umzug nicht rechtfertigen können. Dasselbe gelte, soweit sich die Kläger auf ihre Eigenschaft als Ausländer und Sozialhilfeempfänger beriefen. Wie ihr weiterer Umzug am 1. September 1992 gezeigt habe, seien sie durchaus in der Lage, in Göttingen eine angemessene Wohnung zu mieten. Sie hätten auch nicht vor Abschluß des Mietvertrages am 5. August 1991 mit einem Mitarbeiter des Sozialamtes der Stadt Göttingen wegen der Übernahme der Mietkosten gesprochen. Eine Zusicherung des Sachbearbeiters, die Miete würde übernommen, sei nicht gegeben worden. Der Sachbearbeiter habe vielmehr bei dem letzten Gespräch unmißverständlich erklärt, daß die Miete zu hoch sei und nicht in voller Höhe von der Stadt ... übernommen werde. Zu zwei Terminen, an denen ein Arzt des Gesundheitsamtes der Stadt ... den Kläger zu 1) wegen der von ihm geltend gemachten gesundheitlichen Beschwerden habe untersuchen sollen, sei der Kläger zu 1) nicht erschienen.
Das Verwaltungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 1993 den damaligen Sachbearbeiter im Sozialamt der Beklagten, den Stadtamtmann ..., informatorisch angehört. Insoweit wird auf die Gerichtsakte Bl. 54 Bezug genommen.
Mit Urteil vom 29. Juli 1993 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Aus § 3 Abs. 1 Satz 2 der Regelsatzverordnung ergebe sich, daß Aufwendungen für die Unterkunft bei der Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt nur in angemessenem Umfang zu berücksichtigen seien. Die von den Klägern im August 1991 bezogene Wohnung sei weder hinsichtlich ihrer Ausstattung und Größe noch hinsichtlich der Kosten als angemessen anzusehen. Auszugehen sei von den für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannten Wohnraumgrößen.
Nach Nr. 2 des Runderlasses des MS vom 31. 1. 1979 zu § 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen - Wohnungsbindungsgesetz - (Nds. MBl. 1979 S. 303) sei bei drei Familienmitgliedern eine Wohnung von 75 qm oder mit drei Wohnräumen als angemessen anzusehen. Zwar habe die seinerzeit von den Klägern bewohnte Wohnung nur aus drei Zimmern bestanden. Die 89,73 qm große Wohnung sei aber mit einem Wintergarten ausgestattet gewesen. Eine solche die Wohnfläche vergrößernde und die Unterkunftskosten erhöhende Ausstattung begründe angesichts des Ziels der Sozialhilfe, das Existenzminimum zu sichern, hier die Unangemessenheit der Wohnungsgröße.
Auch die Höhe der Miete sei nicht mehr angemessen. Für die Ermittlung der angemessenen Miethöhe gehe das Gericht von den Höchstbeträgen der Tabelle zu § 8 des Wohngeldgesetzes (WoGG) aus, wonach bei einem Haushalt mit drei Familienmitgliedern für Wohnraum, der bis zum 31. Dezember 1991 bezugsfertig geworden sei, in Gemeinden wie der Stadt ... mit der Mietstufe 4 ein Höchstbetrag von 715,-- DM anzusetzen sei. Bei der Leistung von Sozialhilfe, die nur das Existenzminimum sichern solle, sei darauf abzustellen, was Bevölkerungsschichten mit geringem Einkommen für die Unterkunft ausgeben könnten. An diesem Maßstab orientiere sich auch die Tabelle zu § 8 WoGG, so daß die dort angegebenen Werte zur Beurteilung der Frage, ob die Miete angemessen sei, heranzuziehen sei. Daß die Mietkosten die Tabellenwerte überschritten, begründe für sich allein allerdings nicht die Unangemessenheit einer Wohnung. Im vorliegenden Fall überschritten die Kosten der von den Klägern gemieteten Wohnung Friedländer Weg 51 jedoch die Vorgaben des Wohngeldgesetzes ganz erheblich; so daß die Wohnung auch unter Berücksichtigung der schwierigen Verhältnisse auf dem ... Wohnungsmarkt als unangemessen teuer anzusehen sei.
Eine Verpflichtung des Beklagten, die unangemessenen Unterkunftskosten zumindest zeitweise zu übernehmen, ergebe sich aus § 3 Abs. 1 Satz 2 Regelsatzverordnung nicht. Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung sei auf die Fälle beschränkt, in denen Hilfesuchende eine sozialhilferechtlich unangemessene Wohnung bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit bereits bewohnten. Sie sollten nicht gezwungen werden, sofort ihre bisherige Wohnung aufzugeben. Dagegen gelte diese Bestimmung im Falle eines Wohnungswechsels während des Bezugs laufender Hilfe zum Lebensunterhalt jedenfalls dann nicht, wenn der Hilfeempfänger nicht gezwungen gewesen sei, eine sozialhilferechtlich angemessene Wohnung aufzugeben. Es lasse sich aus sozialhilferechtlicher Sicht auch unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 2 Regelsatzverordnung nicht rechtfertigen, daß der Sozialhilfeträger für die tatsächlichen Kosten einer unangemessenen Unterkunft - sei es auch nur vorübergehend bis zu dem Zeitpunkt, in dem dem Hilfeempfänger eine Kostensenkung möglich und zuzumuten sei - aufkommen solle, wenn diese Kosten nicht notwendig seien (BVerwG, Urt. v. 21. 1. 1993 - BVerwG 5 C 3.91 -, BVerwGE 92, 1 ff.[BVerwG 21.01.1993 - 5 C 3/91] = DVBl. 1993 S. 794).
Die zunächst von den Klägern in D. bewohnte Wohnung sei unstreitig im sozialhilferechtlichen Sinn angemessen gewesen. Diese Wohnung hätten die Kläger während des Bezugs laufender Hilfe zum Lebensunterhalt ohne Notwendigkeit aufgegeben. Daß die Samtgemeinde D. die Wohnung Anfang 1992 für die Erweiterung ihrer Bücherei benötigt habe, habe eine solche Notwendigkeit nicht begründet. Sollten sie - was aus den Akten nicht ersichtlich sei - einen Mietvertrag über die Wohnung mit der Samtgemeinde D. geschlossen haben, so sei es ihnen zuzumuten gewesen, notfalls einen Räumungsrechtsstreit zu führen. Sollten sie dagegen in einer Notunterkunft untergebracht gewesen sein, wäre die Samtgemeinde Dransfeld zur Vermeidung der Obdachlosigkeit der Kläger gezwungen gewesen, ihnen andere Räumlichkeiten zuzuweisen, wenn sie die von den Klägern bewohnte Wohnung anderweitig hätten nutzen wollen. Auch die mit Magengeschwüren verbundenen depressiven Verstimmungen des Klägers zu 1) hätten die Anmietung der unangemessen teuren Wohnung in Göttingen nicht rechtfertigen können. Aus dem von ihm vorgelegten privatärztlichen Attest ergebe sich nicht, daß allein ein solcher Umzug die seelischen Probleme des Klägers habe lösen können. Er habe auch an der von der Beklagten angestrebten amtsärztlichen Untersuchung nicht hinreichend mitgewirkt. Schließlich begründe der Vortrag, die Klägerin zu 3) habe damals wegen ihrer Ausbildung zur Krankenschwester oft spätabends nach Hause fahren müssen, die Notwendigkeit eines Umzugs nicht, denn derartige Umstände gehörten für zahlreiche Pendler zum normalen Tagesablauf.
Die für die Beurteilung des Hilfebegehrens der Kläger maßgebenden Rechtsvorschriften ließen auch nicht die Übernahme der Unterkunftskosten - über den vom Beklagten berücksichtigten Betrag hinaus - bis zur Höhe solcher Aufwendungen zu, die für eine nach den Besonderheiten des Einzelfalles in Göttingen angemessene Unterkunft anzuerkennen (gewesen) wären. § 3 Abs. 1 Regelsatzverordnung knüpfe an den aus sozialhilferechtlicher Sicht maßgeblichen Unterkunftsbedarf an. Nur dessen Kosten seien aus Mitteln der Sozialhilfe zu tragen. Darunter fielen nicht Kosten, die sich an einer hypothetischen und abstrakt als angemessen zu beurteilenden Unterkunft orientierten.
Die Kläger könnten schließlich eine Übernahme höherer Unterkunftskosten auch nicht mit der Begründung verlangen, die Kostenübernahme sei ihnen durch einen Sachbearbeiter der Stadt ... zugesagt worden. Selbst wenn der Sachbearbeiter im Jahre 1991 gegenüber dem Kläger zu 1) zum Ausdruck gebracht haben sollte, er dürfe mit seiner Familie nach G. umziehen, hätte diese Äußerung nur grundsätzliche Bedeutung gehabt und wäre nicht geeignet gewesen, die Anmietung der Wohnung im ... Weg ... zu rechtfertigen. Später hätten die Kläger die genannte Wohnung gemietet, ohne den Sozialhilfeträger vorher von ihrer Absicht in Kenntnis zu setzen. Generell sei es eine Obliegenheit des Hilfesuchenden, so rechtzeitig die Hilfe zu beantragen oder von seiner Hilfebedürftigkeit Kenntnis zu geben, daß die Hilfe vom Sozialhilfeträger rechtzeitig gewährt werden könne. Andernfalls würde der Hilfesuchende, der ohne vorherige Prüfung durch den Sozialhilfeträger beispielsweise eine unangemessene Wohnung anmiete, bessergestellt, als er stünde, wenn er bis zu einer Entscheidung des Sozialamtes gewartet hätte. Da sich der Träger der Sozialhilfe somit nicht vor vollendete Tatsachen stellen lassen müsse, komme es nicht darauf an, ob ein Mitarbeiter des Sozialamtes der Stadt G. später die Übernahme der Kosten zugesagt habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Kläger. Sie wiederholen und vertiefen ihr bisheriges Vorbringen und tragen ergänzend vor: Bei einer 3-Zimmer-Wohnung sei bei drei Familienmitgliedern zunächst grundsätzlich von einer Angemessenheit der Wohnungsgröße auszugehen. Der angebliche "Wintergarten" ändere daran nichts, denn dabei handele es sich lediglich um einen verglasten Balkon. Auch in der Höhe sei die Miete nicht unangemessen. Sie überschreite zwar die Tabellenwerte des Wohngeldgesetzes. Zu berücksichtigen seien aber die besonderen Verhältnisse auf dem G. Wohnungsmarkt. Dort herrsche wegen der zahlreichen Studenten ein chronischer Wohnungsmangel. Nicht berücksichtigt habe das Verwaltungsgericht auch, daß die Kläger auf dem Wohnungsmarkt deutlich benachteiligt seien, was sich aus ihrer Ausländereigenschaft, der Herkunft aus einem anderen Kulturkreis und ihrer Sozialhilfebedürftigkeit ergebe. Das habe sich deutlich gezeigt, wenn sie sich (erfolglos) auf Wohnungsanzeigen gemeldet hätten. Auch Inserate und die Auslobung einer Belohnung hätten nicht zum Erfolg geführt. Schließlich habe das Verwaltungsgericht verkannt, daß sie, wie sie bereits vorgetragen hätten, gezwungen gewesen seien, die bisherige Wohnung aufzugeben. Sie seien mit den hiesigen Gepflogenheiten nicht so vertraut, daß ihnen zugemutet werden könne, in Ruhe einen möglichen Räumungsrechtsstreit abzuwarten. Sie hätten vielmehr vermutet, daß sie ohne eine neue Wohnung schon bald "auf der Straße sitzen" würden. Im übrigen habe das Verwaltungsgericht es versäumt, die weiteren Gründe für den Umzug (depressive Verstimmungen mit Magengeschwüren des Klägers zu 1), Ausbildung der Klägerin zu 3) zur Krankenschwester, Absprachen über eine mögliche Kostenübernahme bei dem Sozialamt) in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Aus einer solchen Gesamtbetrachtung werde die Notwendigkeit des Umzuges deutlich.
Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil zu ändern, den Beklagten zu verpflichten, ihnen für die Zeit vom 15. August 1991 bis zum 31. März 1992 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt unter Berücksichtigung von Aufwendungen für die Unterkunft in Höhe von 1.230,-- DM monatlich zu gewähren, und die Bescheide der Stadt G. vom 24. September 1991 und 26. November 1991 sowie den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 31. März 1992 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor: Einen Mietenspiegel gebe es für die Stadt Göttingen nicht. Er sehe seit etwa Februar 1990 für den Bereich der Stadt Göttingen Unterkunftskosten als angemessen an, die den Werten der Tabelle zu § 8 WoGG und eines Zuschlages in Höhe von 15 v.H. entsprächen. Eine Rückfrage bei dem Haus- und Grundstückseigentümer-Verein habe ergeben, daß zur Zeit Mieten für nach Größe und Ausstattung angemessenen Wohnraum von 8,70 bis 9,80 DM pro Quadratmeter üblich seien; im Jahr 1991 seien es etwa 15 % weniger gewesen. Für die ab September 1992 von den Klägern bewohnte Wohnung seien Kosten in Höhe von 754,11 DM einschließlich Nebenkosten und Heizkosten aufzubringen.
Der Beklagte verteidigt im übrigen das angegriffene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Stadt G. Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Kläger ist begründet. Sie haben für den hier maßgeblichen Zeitraum vom 15. August 1991 bis zum 31. März 1992 Anspruch auf laufende Leistungen zum Lebensunterhalt unter Berücksichtigung der Aufwendungen für die Unterkunft in tatsächlicher Höhe.
Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG gehört zum notwendigen Lebensunterhalt auch die Unterkunft. Laufende Leistungen für die Unterkunft werden nach § 22 Abs. 1 und 2 BSHG, § 3 Abs. 1 Satz 1 RegelsatzVO in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen gewährt. Soweit die Aufwendungen den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 11 Abs. 1 BSHG zu berücksichtigen sind, so lange anzuerkennen, als es diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken (§ 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, an der er festhält, sind die Aufwendungen für die Unterkunft auch dann, wenn der Hilfeempfänger - wie es die Kläger getan haben - ohne Notwendigkeit aus einer sozialhilferechtlich angemessenen (ausreichenden) Wohnung in eine unangemessen teure Wohnung gezogen ist, so lange in tatsächlicher Höhe als Bedarf anzuerkennen, als es ihm nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, die Aufwendungen - etwa durch einen erneuten Wohnungswechsel - auf ein angemessenes Niveau zu senken. Der Senat folgt nicht der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21. Januar 1993 - BVerwG 5 C 3.91 -, BVerwGE 92, 1[BVerwG 21.01.1993 - 5 C 3/91] = FEVS 44, 133), daß im Falle des nicht notwendigen Umzugs aus einer sozialhilferechtlich angemessenen in eine unangemessen teure Wohnung ein Anspruch auf Leistungen für die Unterkunft überhaupt nicht (weder in tatsächlicher noch in angemessener Höhe) bestehe.
Die Sätze 1 und 2 des § 3 Abs. 1 RegelsatzVO stehen zueinander - wie der Senat in dem Beschluß vom 27. August 1991 (4 M 2120/91) ausgeführt hat - in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis: Die Regel ist, daß laufende Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen gewährt werden. Grundvoraussetzung für die Leistung ist demnach, daß Aufwendungen tatsächlich entstehen, also Miete zu zahlen ist oder Belastungen für ein Eigenheim zu tragen sind. Ist das der Fall, sind die Aufwendungen - nach der Regel des Satzes 1 - in tatsächlicher Höhe als Bedarf zu berücksichtigen. Satz 2 trifft sodann für den Ausnahmefall ("soweit" die Aufwendungen den angemessenen Umfang übersteigen) eine Regelung ("so lange anzuerkennen, als ..."). Es ist also zu prüfen, ob die Aufwendungen für die Unterkunft angemessen oder unangemessen hoch sind. Die Größe der Wohnung kann dabei - neben anderen Faktoren, wie z.B. Lage und Ausstattung der Wohnung - ein Faktor sein, der die Höhe der Aufwendungen maßgeblich beeinflußt. Es ist also zumindest ungenau, wenn § 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO so gelesen wird, als würden Leistungen nur für eine "sozialhilferechtlich angemessene Wohnung" gewährt (s. dazu Schlegel, info also 1994, 69). Gelingt es zum Beispiel einem alleinstehenden Hilfeempfänger, eine verhältnismäßig große Wohnung zu einem günstigen Preis zu mieten, wird ihm ein Sozialhilfeträger kaum ansinnen, er solle die Wohnung wechseln, weil sie für ihn allein zu groß sei (soweit die Größe der Wohnung die Höhe der Heizkosten beeinflußt, begrenzt § 3 Abs. 2 RegelsatzVO die laufenden Leistungen für Heizung entsprechend den Regel-Ausnahme-Vorschriften des Abs. 1; in einem solchen Fall wird es zur Senkung unangemessen hoher Heizkosten allerdings nicht erforderlich sein, die Wohnung zu wechseln, sondern ausreichen, nicht ständig alle Räume zu heizen).
Im Ergebnis zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt (S. 7 f. des Urteilsabdrucks), daß der Mietzins für die Wohnung der Kläger in Göttingen, Friedländer Weg, den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang überstieg. Hierbei hat es sich zur Beurteilung der Angemessenheit an den Höchstbeträgen der Tabelle zu § 8 WoGG orientiert. Diese Werte bieten zwar - auch nach der ständigen Rechtsprechung des Senats - Anhaltspunkte für die Ermittlung der Angemessenheit Miete, vor allem im Rahmen eines Eilverfahrens. Im allgemeinen genügen sie aber für die Einschätzung der Angemessenheit nicht, da sie als pauschalierte Werte nicht an dem sozialhilferechtlich maßgeblichen notwendigen Lebensunterhalt und damit auch nicht an dem individuellen Unterkunftsbedarf des Hilfesuchenden ausgerichtet sind (BVerwG, Urt. v. 27. 11. 1986 - BVerwG 5 C 2.85 -, BVerwGE 75, 168[BVerwG 27.11.1986 - 5 C 2/85] = NVwZ 1987, 791). Es sind also, soweit das möglich ist, vor allem in einem Hauptsacheverfahren, weitere Anhaltspunkte für die Verhältnisse auf dem örtlichen Wohnungsmarkt zu ermitteln und heranzuziehen. Ein Mietenspiegel, dem die ortsübliche Miete für eine für die Kläger nach Größe, Lage und Ausstattung angemessene Unterkunft entnommen werden könnte, existiert für die Stadt Göttingen nicht. Der Beklagte sieht als angemessen die Höchstbeträge der Tabelle zu § 8 WoGG (hier in der 1991 gültig gewesenen Fassung) zuzüglich 15 % für die Stadt G. an. Daraus ergibt sich hier eine angemessene Miete in Höhe von 822,25 DM. Der Senat legt, da ihm andere Anhaltspunkte nicht zugänglich sind, diesen Betrag der Entscheidung zugrunde. Daß er nicht zu niedrig ist, zeigen zum einen die von dem Beklagten mitgeteilten Angaben des Haus- und Grundstückseigentümer-Vereins. Danach ergab sich für 1991 eine angemessene Kaltmiete (für eine Wohnung mit drei Zimmern bzw. 75 qm) von 554,63 DM bis 624,75 DM. Zum anderen zeigt sich die Angemessenheit des Betrages von 822,25 DM daran, daß es den Klägern gelungen ist, ab September 1992 eine Wohnung für 754,11 DM einschließlich Nebenkosten und Heizkosten zu mieten. Die Differenz von rd. 400,-- DM, die sich aus einer Gegenüberstellung der angemessenen Miete von 822,25 DM und den für die Wohnung im ... Weg angefallenen Kosten von 1.230,-- DM ergibt, verdeutlicht die Unangemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft.
Daß die Wohnung der Kläger in ..., ... Weg ..., eine für eine aus drei Personen bestehenden Familie unangemessen große Wohnfläche hatte, die auch die Höhe des Mietzinses maßgeblich beeinflußte, hat das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt (S. 6/7 des Entscheidungsabdrucks). Die von ihm zur Prüfung der Angemessenheit der Wohnungsgröße angelegten Maßstäbe entsprechen der Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschl. v. 10. 5. 1994 - 4 M 1991/94 - und v. 28. 6. 1994 - 4 M 3596/94 -). Der Hinweis der Kläger darauf, daß es sich bei dem sog. Wintergarten nur um einen verglasten Balkon handele, kann nicht dazu führen, diesen nicht als Wohnfläche zu berücksichtigen. Auch ein verglaster (und in der Regel nicht beheizter) Balkon erweitert den Wohn- und Lebensraum. Dem trägt § 44 Abs. 1 Nr. 2 des Zweiten Berechnungsverordnung Rechnung, wonach zur Ermittlung der Wohnfläche einer Wohnung die Grundflächen von Wintergärten und ähnlichen, nach allen Seiten geschlossenen Räumen zur Hälfte anzurechnen sind.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) hätte dies zur Folge, daß die Kläger Anspruch auf Berücksichtigung der Aufwendungen für diese Unterkunft als Bedarf nicht hätten, da sie aus der Wohnung in D., die sozialhilferechtlich angemessen (ausreichend) gewesen ist, "ohne Notwendigkeit" ausgezogen sind. Eigentümerin dieser Wohnung war offenbar die Samtgemeinde. Auch wenn den Klägern von seiten des Liegenschaftsamtes wiederholt gesagt worden ist, daß sie die Wohnung nicht auf Dauer würden behalten können, da die Samtgemeinde sie für andere Zwecke benötige, folgt daraus nicht, daß die Kläger gezwungen gewesen wären, gerade zu diesem Zeitpunkt auszuziehen und die unangemessen teure Wohnung in dem ... Weg in G. zu mieten (daß insoweit eine Zusage, die Kosten für diese Wohnung zu übernehmen, durch das Sozialamt der Stadt G. nicht gegeben worden ist, hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt). Die Kläger behaupten selbst nicht, daß das Mietverhältnis auf bestimmte Zeit befristet gewesen oder daß es bereits von der Samtgemeinde gekündigt worden wäre. Auch wenn es aus Sicht der Kläger verständlich war, sich im Hinblick darauf, daß ungewiß war, wie lange sie in der Wohnung in D. würden bleiben können, um anderen Wohnraum zu bemühen, war es doch nicht "notwendig", gerade diese unangemessen teure Wohnung zu mieten. Sie hätten sich weiter um eine kostengünstigere Wohnung bemühen können und müssen. Daß sie dies erfolglos getan hätten, haben sie nicht belegt. Die von ihnen vorgelegten Zeitungsinserate stammen aus der Zeit von Februar bis April 1992, also aus einer Zeit, als sie diese Wohnung bereits bewohnten. Daß es für die Kläger als Ausländer und Sozialhilfeempfänger schwierig ist, eine Wohnung zu einem angemessenen Mietzins zu finden, mag zwar zutreffen, ist aber eine Erschwernis, die sie mit vielen anderen Menschen teilen und die es nicht rechtfertigt, ihnen einen "Bonus" bei der Beurteilung der Angemessenheit der Unterkunftskosten oder der Notwendigkeit, eine unangemessen teure Wohnung zu mieten, einzuräumen. Im übrigen bestand für die Kläger während einer weiteren Wohnungssuche nur das Risiko, daß ihnen die Samtgemeinde D. kündigte und Räumung der Wohnung verlangte. Sie hätten dann darauf dringen können, daß ihnen die Samtgemeinde eine andere Wohnung zur Verfügung stellte, und es notfalls auch auf einen Mietrechtsstreit ankommen lassen können. Sie sind keineswegs so ungewandt, wie sie behaupten. Ebenso wie sie sich hier bereits im Widerspruchsverfahren von einem Rechtsanwalt haben vertreten lassen, hätten sie ihre Rechte auch gegenüber der Samtgemeinde D. mit Hilfe eines Anwalts geltend machen können. Auch die depressiven Verstimmungen des Klägers zu 1) und die damals erforderlich gewesenen Fahrten der Klägerin zu 3) zwischen Wohnung und Ausbildungsstätte zu ungünstigen Zeiten machten den Umzug zu diesem Zeitpunkt in diese unangemessen teure Wohnung nicht notwendig, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat (S. 9/10 des Urteilsabdrucks); darauf nimmt der Senat Bezug.
Gleichwohl haben die Kläger nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Senats, an der er auch in Kenntnis der gegenteiligen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach nochmaliger Überprüfung festhält, Anspruch auf Berücksichtigung der Aufwendungen für die Unterkunft in tatsächlicher Höhe jedenfalls für den hier zu beurteilenden Zeitraum bis Ende März 1992. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Das Bundesverwaltungsgericht begründet seine Auffassung, § 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO gelte im Fall eines Wohnungswechsels während des Bezugs laufender Hilfe zum Lebensunterhalt jedenfalls dann nicht, wenn der Hilfeempfänger nicht gezwungen gewesen sei, eine sozialhilferechtlich angemessene Wohnung aufzugeben, damit, daß es sich aus sozialhilferechtlicher Sicht auch unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO nicht rechtfertigen lasse, daß der Sozialhilfeträger für die tatsächlichen Kosten einer unangemessenen Unterkunft - sei es auch nur vorübergehend bis zu dem Zeitpunkt, zu dem dem Hilfeempfänger eine Kostensenkung möglich und zumutbar sei - solle aufkommen müssen, wenn diese Kosten nicht notwendig seien (BVerwG, Urt. v. 21. 1. 1993, BVerwGE 92, 1, 3[BVerwG 21.01.1993 - 5 C 3/91] unten/4 oben). Diese Erwägung hält der Senat mit dem Wortlaut der genannten Bestimmung und mit Strukturprinzipien des Sozialhilferechtes nicht für vereinbar.
§ 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO knüpft an die Verhältnisse an, die zu dem Zeitpunkt bestehen, zu dem der Sozialhilfeträger von der Notlage Kenntnis erlangt (§ 5 BSHG) und über die Hilfe entscheidet ("sind" so lange anzuerkennen, als es ... nicht möglich oder nicht zuzumuten "ist"). Es kann auch erst auf den Zeitpunkt abzustellen sein, zu dem dem Hilfeempfänger erstmals mitgeteilt wird, die Aufwendungen für die Unterkunft seien unangemessen hoch und er sei verpflichtet, die Aufwendungen zu senken. Diese Vorschrift regelt jedenfalls nicht die Befugnis des Sozialhilfeträgers, an ein früheres Verhalten des Hilfeempfängers anzuknüpfen und Leistungen für die Unterkunft mit der Begründung zu versagen, er hätte die früher bewohnte, billigere Wohnung beibehalten, eine andere, billigere Wohnung mieten oder zu einem früheren Zeitpunkt einen Teil der Wohnung untervermieten können. Es hätte dann ausdrücklich etwas anderes für den Fall geregelt werden müssen, daß es dem Hilfeempfänger möglich und zuzumuten "gewesen ist", die Aufwendungen auf einem angemessenen Niveau zu halten oder auf ein angemessenes Maß zu senken. Schon der Umstand, daß es für diesen Fall mehrere andere Regelungsmöglichkeiten gibt (Versagung von Leistungen für die Unterkunft insgesamt, Berücksichtigung von Aufwendungen nur in angemessenem Umfang oder nur in der Höhe, in der Leistungen für die ohne Not aufgegebene Unterkunft zu erbringen waren), verbietet es, § 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO für diesen Fall eine bestimmte andere Regelung als die nach dem Wortlaut getroffene zu entnehmen.
Für die am Wortlaut orientiere und vom Senat für richtig gehaltene Auslegung sprechen auch Sinn und Zweck der Bestimmung. Diese erschließen sich, wenn man Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes in die Betrachtung einbezieht. Nach § 72 Abs. 2 BSHG i.V.m. den §§ 1, 2, 8 VO zu § 72 BSHG hat der Sozialhilfeträger Personen, die ohne ausreichende Unterkunft sind (das sind Personen, die in Obdachlosen- oder sonstigen Behelfsunterkünften oder in vergleichbaren Unterkünften leben), bei der Beschaffung und Erhaltung einer Wohnung zu helfen, wenn sie aus eigenen Kräften und Mitteln dazu nicht in der Lage sind. Muß er also helfen, Obdachlosigkeit zu beseitigen, darf er nicht dazu beitragen, daß sie eintritt, indem er Leistungen für die Unterkunft verweigert. Wäre er nämlich nicht verpflichtet, wenigstens vorübergehend ("so lange, als ...") auch unangemessen hohe Aufwendungen für die tatsächlich bewohnte Unterkunft als Bedarf anzuerkennen, wäre Obdachlosigkeit oft alsbald - nach fristloser Kündigung des Mietverhältnisses wegen Mietrückständen und Erhebung der Räumungsklage durch, den Vermieter - die unvermeidliche Folge. Dagegen wird die vom Senat für richtig gehaltene Lösung der Bedeutung der Wohnung für den Menschen gerecht. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Beschluß vom 26. Mai 1993 (BVerfGE 89, 1, 6 [BVerfG 26.05.1993 - 1 BvR 208/93]) [BVerfG 26.05.1993 - 1 BvR 208/93], in dem es das Besitzrechts des Mieters an der gemieteten Wohnung als Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG angesehen hat, ausgeführt:
"Die Wohnung ist für jedermann Mittelpunkt seiner privaten Existenz. Der Einzelne ist auf ihren Gebrauch zur Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse sowie zur Freiheitssicherung und Entfaltung seiner Persönlichkeit angewiesen."
Gegen die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts spricht ferner, daß das Bundessozialhilfegesetz nur in eng begrenzten Fällen (vgl. §§ 25 Abs. 2 Nr. 2, 92 a BSHG) nachteilige Rechtsfolgen an früheres pflichtwidriges (unwirtschaftliches oder sozialwidriges) Handeln des Hilfesuchenden knüpft. Diese Fälle dürfen nicht zu Lasten des Hilfesuchenden ausgedehnt werden, indem die Hilfe für "die", d.h. die gegenwärtig innegehaltene, Unterkunft im Hinblick auf ein früheres Fehlverhalten reduziert wird. Der Senat folgt auch nicht der vom Bundesverwaltungsgericht bereits früher (Urt. v. 27. 11. 1986 - BVerwG 5 C 2.85 -, BVerwGE 75, 168[BVerwG 27.11.1986 - 5 C 2/85]) vertretenen Auffassung, daß nicht einmal der angemessene Teil der unangemessen hohen Unterkunftskosten übernommen werden solle, damit der Hilfesuchende veranlaßt werde, sich eine günstigere Wohnung zu mieten, und auf diese Weise seiner Verschuldung vorgebeugt werde. Dieses Argument, dem der Senat schon in dem erwähnten Beschluß vom 27. August 1991 (4 M 2120/91) entgegengetreten ist, trägt pädagogische bzw. sozialpädagogische Züge, die dem Bundessozialhilfegesetz fremd sind. Dabei wird übersehen, daß es kein allgemeines Strukturprinzip des Sozialhilferechts gibt, das es erlaubt oder gebietet, eine Hilfe zu kürzen oder zu versagen, um den Hilfesuchenden dadurch zu einem wirtschaftlich sinnvolleren Verhalten zu veranlassen. Vielmehr enthält das Bundessozialhilfegesetz in dieser Beziehung ganz spezielle Vorschriften (§ 25 BSHG). Ist das Verhalten eines Hilfesuchenden als unwirtschaftlich einzuordnen, so bietet allein § 25 Abs. 2 Nr. 2 BSHG eine Handhabe, diesem Verhalten entgegenzuwirken. Darüber hinaus fehlt es an einer Grundlage, einem Hilfesuchenden, dessen Verhalten als unwirtschaftlich bezeichnet werden kann, die Hilfe zu kürzen oder zu versagen. Der Senat vermag dem Bundessozialhilfegesetz auch nicht ein Strukturprinzip des Inhalts zu entnehmen, daß es dem Träger der Sozialhilfe erlaubt sei, die einem Hilfesuchenden zustehende Hilfe zu mindern, wenn dessen Verhalten nicht erkennen lasse, daß er künftig unabhängig von Sozialhilfe leben wolle und könne.
Auch die Regelung des § 92 a BSHG, wonach derjenige, der die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe an sich selbst oder an seine unterhaltsberechtigten Angehörigen durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges (sozialwidriges) Verhalten herbeigeführt hat, (nur) zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet ist, spricht gegen die Auslegung des § 3 Abs. 1 RegelsatzVO durch das Bundesverwaltungsgericht: Wenn selbst ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges sozialwidriges Herbeiführen der Hilfebedürftigkeit nicht dazu berechtigt, die Hilfe in einer konkreten Notlage zu versagen oder einzuschränken, sondern nur die Verpflichtung zum Kostenersatz begründet, kann das Anmieten einer unangemessen teuren Wohnung nicht dazu führen, daß Leistungen für die tatsächlich bewohnte Unterkunft versagt oder eingeschränkt werden und damit der tatsächliche, gegenwärtige Unterkunftsbedarf ungedeckt bleibt.
Dieser vom Senat für richtig gehaltenen Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, daß es damit der Hilfesuchende in der Hand habe, den Sozialhilfeträger durch Anmietung einer Wohnung, für die unangemessen hohe Aufwendungen entstünden, vor vollendete Tatsachen zu stellen und sich damit einen Anspruch auf Übernahme der zu hohen Unterkunftskosten auf Dauer zu verschaffen. Denn auch nach der Rechtsprechung des Senats gilt die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers, dem Hilfesuchenden Hilfe zum Lebensunterhalt unter Berücksichtigung der Aufwendungen für die Unterkunft in tatsächlicher Höhe zu gewähren, nicht zeitlich unbegrenzt. Der Hilfeempfänger bleibt gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO verpflichtet, seine zu hohen Aufwendungen auf das sozialhilferechtlich angemessene Maß zu reduzieren, z.B. durch Untervermieten oder durch Wohnungswechsel. Erst dann, wenn er sich ihm insoweit bietende Möglichkeiten nicht wahrnimmt, obwohl ihm das zuzumuten ist, verliert er gemäß dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO ("so lange, als es ... nicht möglich oder zuzumuten ist, ...") den Anspruch auf Berücksichtigung der Aufwendungen für die Unterkunft in tatsächlicher Höhe. Soweit - wie im vorliegenden Fall - eine Senkung der Aufwendungen für die Unterkunft nur durch einen Wohnungswechsel in Betracht kommt, entspricht es aufgrund der bekannten schwierigen Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt den Erfahrungen und der Rechtsprechung des Senats, daß dem betroffenen Hilfesuchenden ein angemessener Zeitraum für die Wohnungssuche einzuräumen ist, und zwar regelmäßig zunächst von bis zu sechs Monaten, gerechnet ab dem Hinweis des Sozialhilfeträgers auf die Unangemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft. Eine Verlängerung dieses Zeitraumes kommt nur in Betracht, wenn der Hilfesuchende nachweist, daß es ihm in dieser Zeit trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen ist, eine kostengünstigere und ausreichende Unterkunft zu finden.
Selbst wenn man in Fällen dieser Art nicht Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zusprechen wollte, wären nach Auffassung des Senats jedenfalls Leistungen in angemessener Höhe zu erbringen (ebenso VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 16. und 27. 6. 1994, info also 1994, 218 und 220; Happ, Bayer.VBl. 1994, 56, für den Fall, daß die Differenz zwischen tatsächlichen und angemessenen Aufwendungen aus anrechnungsfreiem Einkommen oder Vermögen oder aus Mehrbedarfszuschlägen, in deren Verwendung der Hilfeempfänger frei ist, getragen und damit die Unterkunft auf Dauer gesichert werden kann). Vor allem würde es sich hierbei nicht - wie das Bundesverwaltungsgericht meint - um einen "bloßen Unterkunftszuschuß", für den es an einer Rechtsgrundlage fehle, oder um die Berücksichtigung von "Kosten, die sich an einer hypothetisch und abstrakt als angemessen beurteilten Unterkunft orientieren", handeln. Der Unterkunftsbedarf besteht vielmehr real und konkret in der Unterkunft, die der Hilfeempfänger bewohnt, und wird von dem Zeitpunkt an, den § 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO bestimmt, nur noch in Höhe angemessener Aufwendungen gedeckt ("soweit" - "so lange"). Gegen diese Auslegung der Vorschrift läßt sich schließlich nicht mit Erfolg einwenden, daß damit lediglich der Zeitpunkt, zu dem der Hilfeempfänger die Unterkunft wahrscheinlich verlieren werde, nur hinausgeschoben werde; denn es sei abzusehen, daß sich auch die ungedeckt bleibenden Differenzbeträge alsbald zu einem Mietrückstand summieren würden, die den Vermieter zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigten. Der wesentliche Unterschied der gegensätzlichen Auffassung besteht darin, daß nach der vom Senat für richtig gehaltenen Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO dem Hilfeempfänger jedenfalls die Möglichkeit eingeräumt wird, sein Verhalten zu korrigieren, ohne sich zu verschulden und Gefahr zu laufen, obdachlos zu werden. Daß es einige Hilfeempfänger geben wird, die diese Chance nicht nutzen werden, spricht nicht gegen die Richtigkeit der Auffassung des Senats. Nur diese Auslegung wird daher der dargestellten Bedeutung der Wohnung für jeden einzelnen Menschen und dem genannten Ziel des Bundessozialhilfegesetzes, Obdachlosigkeit zu vermeiden, gerecht. Die vom Bundesverwaltungsgericht angedeutete Möglichkeit einer Ermessensleistung nach § 15 a BSHG kann dieses Ziel nicht ebenso gut und sicher erreichen.
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte mit dem Bescheid vom 24. September 1991 das Begehren der Kläger auf Übernahme der Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe abgelehnt. Bei Einräumung einer Frist von sechs Monaten ab diesem Zeitpunkt, binnen derer sie sich um Wohnraum zu einem angemessenen Mietzins bemühen mußten, ergibt sich, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihnen laufende Hilfe zum Lebensunterhalt unter Berücksichtigung der Aufwendungen für die Unterkunft in tatsächlichen Höhe antragsgemäß für die Zeit vom 15. August 1991 bis zum 31. März 1992 zu gewähren.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen, weil das Urteil des Senats von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Januar 1993 (a.a.O.) abweicht.
Klay
Willikonsky
Claus