Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.09.1994, Az.: 2 L 5652/92

Soldatenversorgung; Soldat; Vollzugs- und Verwaltungsdienst; Fachausbildung; Prüfungswiederholung; Ausbildungszeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
27.09.1994
Aktenzeichen
2 L 5652/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 14044
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1994:0927.2L5652.92.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 20.03.1995 - AZ: BVerwG 2 B 9.95

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 1. Kammer Lüneburg - vom 17. September 1992 geändert.

Unter Zurückweisung der weitergehenden Klage wird die Beklagte verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden. Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben, soweit sie der Verpflichtung entgegenstehen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten tragen die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

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I.

Der Kläger beendete im Mai 1988 seinen zwölfjährigen Dienst als Soldat auf Zeit. Nach § 5 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) stand ihm eine Fachausbildung für eine Dauer bis zu drei Jahren zu. Davon hatte er 4 Monate und 13 Tage für eine Ausbildung zum Betriebswirt verbraucht, die er jedoch nicht beendete. Wegen des verbliebenen Restanspruches von 2 Jahren, 7 Monaten und 17 Tagen bewilligte ihm die Beklagte auf seinen Antrag eine Fachausbildung zum Beamten des gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienstes für die Zeit vom 1. August 1988 bis zum 17. März 1991. Da diese Ausbildung planmäßig länger dauerte, war die Bewilligung mit der Maßgabe verbunden, daß der Kläger den über seinen Restanspruch von 31 Monaten und 17 Tagen hinausgehenden Ausbildungszeitraum durch eigene Mittel zu finanzieren habe.

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Die Laufbahnprüfung für den gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienst, die der Kläger im Sommer 1991 - kurz vor Ablauf des dreijährigen Vorbereitungsdienstes -abzulegen hatte, bestand er nicht, durfte sie aber wiederholen. Deswegen beantragte er am 16. September 1991, seine Fachausbildung gemäß § 5 Abs. 7 SVG zum Zwecke der Prüfungswiederholung zu verlängern. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8 Oktober 1991 ab und führte aus: Gründe, die außerhalb der nach § 5 SVG geförderten Dauer der Fachausbildung eingetreten seien, könnten deren Verlängerung nicht rechtfertigen. Ein Umstand, der in den Zeitraum falle, der nach der Restfinanzierungserklärung durch Eigenmittel abgedeckt werden solle, gehöre nicht zu den Ausnahmefällen nach § 5 Abs. 7 SVG und den dazu erlassenen Verlängerungsrichtlinien.

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Den vom Kläger hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 15. November 1991 zurück und führte aus: Nach Abschnitt III Nr. 1 der Verlängerungsrichtlinien könnten nur Gründe berücksichtigt werden, die während der Fachausbildung aufgetreten seien, nicht aber außerhalb des Förderungszeitraumes liegende Gründe.

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Der Kläger hat am 13. Dezember 1991 den Verwaltungsrechtsweg beschritten und im wesentlichen vorgetragen: Die Beklagte habe das ihr eingeräumte Ermessen fehlerhaft nicht ausgeübt. Das Nichtbestehen der Prüfung sei ein Verlängerungsgrund. Er habe diesen auch nicht pflichtwidrig verursacht, da er von Mai bis Juli 1991 wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung seiner Ehefrau schwer belastet gewesen sei. Die Rechtsposition der Beklagten sei mit Sinn und Zweck des Gesetzes und der Richtlinien unvereinbar. Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 1991 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Verlängerung der Fachausbildung vom 1. August 1991 bis zum 31. Juli 1992 zu gewähren.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen

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und sich auf ihre ablehnenden Bescheide bezogen.

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Mit Urteil vom 17. September 1992 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte antragsgemäß verpflichtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Bewilligung einer Verlängerung der Fachausbildung um ein Jahr zu. Dies ergebe sich aus § 5 Abs. 7 SVG in Verbindung mit Nr. III 1 c und V Nr. 2 der Verlängerungsrichtlinien. Das Ermessen der Beklagten werde durch die Regelungen, die der Bundesminister gemäß § 5 Abs. 8 SVG erlassen habe, begrenzt. Schon der Grund des erstmaligen Nichtbestehens der Abschlußprüfung führe zu einer Ermessensreduzierung bei der Beklagten. Die Beklagte verkenne vor allem, daß die in den Vorschriften verwendeten Begriffe "Fachausbildung" und "Ausbildung" unterschiedliche Bedeutung hätten. Hiernach ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Richtlinien, daß die zeitliche Dauer einer Weiterbildungsmaßnahme (Ausbildung) und der zu fördernde Teil dieser Maßnahme (Fachausbildung) zeitlich differieren könnten. Abschnitt II Nr. 1 könne also nur dahin verstanden werden, daß die Verlängerung der Förderung eines Ausbildungsganges grundsätzlich nur in Betracht komme, wenn die Weiterbildungsmaßnahme zumindest zeitweilig als Fachausbildung gefördert worden sei. Die Beklagte habe demnach zu prüfen, ob die vorgebrachten Gründe die Bewilligung der Verlängerung ausnahmsweise rechtfertigten, weil sie während der Ausbildung, also während eines zumindest zeitweilig als Fachausbildung geförderten Ausbildungsganges, eingetreten seien. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck des SVG. Die Auffassung der Beklagten begegne auch verfassungsrechtlichen Bedenken aus Art. 3 GG. Es sei nicht zu erkennen, warum ein Soldat, der eine kürzere, den Förderungsanspruch ausschöpfende Ausbildung gewählt habe, bessergestellt werden solle als derjenige, der einen über den Förderungszeitraum hinausreichenden Ausbildungsgang wähle. Die Verlängerung werde vom Kläger auch unverzüglich im Anschluß an die gewährte Fachausbildung abgeleistet (Abschnitt II Nr. 2).

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Gegen dieses der Beklagten nach dem 16. Oktober 1992 zugestellte Urteil hat sie am 26. Oktober 1992 Berufung eingelegt. Sie trägt im wesentlichen vor: In den Verlängerungsrichtlinien sei bestimmt, daß der geltend gemachte Verlängerungsgrund innerhalb des Förderungszeitraumes der bewilligten Fachausbildung eingetreten sein müsse. Sei der Umstand, der die Verlängerung begründen solle, erst später eingetreten, so könne die Fachausbildung nicht verlängert werden, weil das Versorgungsverhältnis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestanden habe. Hierzu beruft sich die Beklagte auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 27. März 1991, die überreichte Niederschrift einer Fachtagung der Berufsförderungsdezernenten sowie den Abschnitt B 10.6.6 des "Handbuchs für den Berufsförderungsdienst". Sie beantragt,

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unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen

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und bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils. Er hält der Beklagten entgegen, sie vermenge die Merkmale der Nrn. 1 a und 1 c des Abschnitts III der Richtlinien.

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Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen. Die den Kläger betreffenden Berufsförderungsakten der Beklagten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

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II.

Auf die rechtzeitig eingelegte Berufung der Beklagten ist das Klagebegehren in gleicher Weise zu überprüfen wie im ersten Rechtszug (§ 128 VwGO). Der Kläger beansprucht die Verpflichtung der Beklagten zu einem ihn begünstigenden Verwaltungsakt. Darin ist das Hilfsbegehren einer Verpflichtung zur Neubescheidung für den Fall eines noch bestehenden Ermessensspielraums der Beklagten mit enthalten.

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Die Berufung ist nur teilweise begründet. Die Verpflichtung der Beklagten zur Bewilligung einer verlängerten Fachausbildung kann nicht bestätigt werden, weil der Kläger nach der Kann-Vorschrift des § 5 Abs. 7 des Soldatenversorgungsgesetzes (Fassung vom 5. 3. 1987, BGBl I S. 842 - SVG -) keinen Rechtsanspruch hat. Er erfüllt aber die Voraussetzungen der von ihm beantragten Verlängerung und kann beanspruchen, das die Beklagte nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Senats erneut über sein Begehren entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), was wegen der mit der Verlängerung verbundenen Förderungsleistungen auch nach dem tatsächlichen Abschluß der verlängerten Ausbildung noch möglich ist.

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Der Kläger erstrebt die "Verlängerung" seiner Teilnahme an der Fachausbildung (im Rahmen der ihm bewilligten Ausbildung zum Beamten des gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienstes), und zwar gemäß § 5 Abs. 7 SVG "über den nach § 5 Abs. 5 vorgesehenen Zeitraum hinaus" (im Falle des Klägers waren dies unstreitig drei Jahre).

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1. Die Verlängerung war, auch nachdem der Förderungszeitraum am 17. März 1991 abgelaufen war, nicht schon aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Geht es um ein "Verlängern" von Fristen, so ist oft zweifelhaft, ob die Verlängerung noch nach Ablauf der Frist beantragt und verfügt werden kann. Durch § 31 Abs. 7 Satz 2 VwVfG ist klargestellt, daß eine "rückwirkende Verlängerung" grundsätzlich möglich ist und aus Billigkeitsgründen gerechtfertigt sein kann. Anhaltspunkte dafür, daß dem § 5 Abs. 7 SVG eine gegenteilige Vorstellung zugrunde liegt, sind nicht ersichtlich, zumal es hier nicht um die Verlängerung laufender Fristen, sondern gesetzlicher, abstrakt festliegender "Zeiträume" geht.

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2. Vielmehr kam nach der "Kann-Vorschrift" des § 5 Abs. 7 Satz 1 SVG eine Ermessensentscheidung über die beantragte Verlängerung durch die hierfür nach Bestimmung durch das Bundesministerium der Verteidigung zuständigen Wehrbereichsverwaltungen in Betracht.

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Während die Voraussetzungen der Ermessensbetätigung in der ähnlichen Vorschrift des § 4 Abs. 3 Nr. 2 SVG gesetzlich näher bezeichnet sind, trifft dies für § 5 Abs. 7 SVG nicht zu. Daher konnte es als erforderlich angesehen werden, das Nähere über die Durchführung des § 5 Abs. 7 SVG durch Verwaltungsvorschriften auf der Grundlage des § 92 Abs. 1 SVG zu bestimmen. Die daraufhin von den ermächtigten Bundesministern gemeinsam erlassenen Verwaltungsvorschriften (VwV zu §§ 5 und 5 a SVG, VMBl. 1973, 206) enthalten in Nr. 10 Abs. 6 allgemein gefaßte Regeln über gerechtfertigte Verlängerungsgründe. Danach ist eine Verlängerung der Teilnahme an der Fachausbildung u.a. dann "grundsätzlich gerechtfertigt", wenn der ehemalige Soldat "aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen ... b) das Ziel seiner Ausbildung voraussichtlich nicht erreichen kann, weil sie durch Eintritt unvorhergesehener Ereignisse gefährdet ist". Das Ziel der Ausbildung, die Laufbahnprüfung, hat der Kläger infolge des nicht vorhergesehenen Scheiterns im Prüfungsverfahren zunächst nicht erreicht; es blieb aber wegen der Möglichkeit, die Prüfung nach einer Verlängerung der Ausbildung zu wiederholen, erreichbar. Die VwV kennzeichnet die Förderung als eine zielgerichtete Maßnahme und schließt die Verlängerung nicht schon deswegen aus, wenn die Gefährdung des Ausbildungsziels erst einige Zeit nach dem Ende des Förderungszeitraums eingetreten oder offenbar geworden ist. Mit der Regelung wird das Ermessen allerdings nur in recht allgemeiner Form gelenkt, indem "Grundsätze" aufgestellt werden. Auch im folgenden Satz kommt zum Ausdruck, daß das Ermessen damit noch nicht abschließend gebunden werden sollte; vielmehr wird auf Fälle hingewiesen, in denen "abweichend von den Grundsätzen eine Verlängerung gerechtfertigt erscheint". Allerdings ist für diesen Fall die Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung erforderlich.

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Der Bundesminister der Verteidigung hat, diese Ermächtigung konkretisierend, die Voraussetzungen und Verlängerungsgründe in den Richtlinien vom 22. Juni 1965 - VMBl. S. 327 - näher bestimmt, dabei Regeln aufgestellt, wann insbesondere die Fachausbildung verlängert werden kann und sich eine Zustimmung nur für Einzelfälle vorbehalten, in denen eine Abweichung von den Grundsätzen gerechtfertigt erscheint. Insgesamt können die genannten Verwaltungsvorschriften und Richtlinien als Ermessensbindung in dem Sinne verstanden werden, daß typisierend, aber nicht abschließend festgelegt worden ist, wann es dem Zweck der Ermächtigung entspricht, Verlängerungen der Fachausbildung zu bewilligen. Die zugunsten der ehemaligen Zeitsoldaten getroffenen Festlegungen kommen jedem einzelnen von ihnen zustatten, weil sie nach dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) einen Rechtsanspruch darauf haben, daß das Ermessen einheitlich und richtliniengetreu gehandhabt wird.

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3. Die Richtlinien stehen, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat, der vom Kläger angestrebten Verlängerung nicht entgegen.

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Die Beklagte räumt ein, daß ein Verlängerungsgrund nach III 1 c der Richtlinien in Betracht kommt, weil der Kläger eine mit der Ausbildung verbundene Prüfung erstmals nicht bestanden hat, obwohl er das Ausbildungsziel ernsthaft zu erreichen bemüht war (woran die Beteiligten nicht zweifeln). Die Beklagte meint aber, aus den Richtlinien herleiten zu können, daß die bei Nichtbestehen der erstmaligen Prüfung bereits abgelaufene Förderungsdauer der Bewilligung einer Fachausbildung für den Wiederholungszeitraum entgegenstehe. Soweit sie sich dabei auf III 1 a stützt, bleibt unbeachtet, daß es sich dort ausdrücklich um Verzögerungsgründe handelt, die während des gesetzlichen Anspruchszeitraumes eingetreten sind. Buchst. a steht aber gleichrangig neben Buchst. c (oder - Verknüpfung) und hat einen selbständigen Sinn. So kann z.B. eine Erkrankung dem Förderungszeitraum oder aber dem späteren Ausbildungsteil isoliert zugeordnet werden, während das Nichtbestehen der Prüfung regelmäßig den Mißerfolg der Gesamtausbildung belegt, also mit einem vorangegangenen Förderungszeitraum ebenso wie mit einem darauf folgenden, selbst finanzierten Ausbildungsabschnitt zusammenhängt, zumal wenn Benotungen und Zwischenergebnisse aus allen Ausbildungsteilen in die Prüfungsbewertung eingehen oder diese doch vorprägen.

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Der Rechtsstandpunkt der Beklagten läßt sich auch nicht auf II 2 der Richtlinien stützen, wonach die Verlängerung unverzüglich im Anschluß an die bereits durchgeführte Fachausbildung abgeleistet werden muß. Hiermit sollen offenbar von dem ehemaligen Soldaten zu vertretende Verzögerungen zwischen dem Verlängerungsgrund und dem Beginn der verlängerten Ausbildung verhindert werden. Nicht dagegen wird es der Behörde verwehrt, einem erst nach dem Förderungszeitraum entstandenen Verlängerungsgrund Rechnung zu tragen. Nur so kann auch bei Nr. II 1 Satz 2 der Richtlinien verfahren werden: Wird nach Verbrauch eines Teiles des Anspruchszeitraumes für eine Fachausbildung der Restanspruch für den Beginn einer weiteren Fachausbildung genutzt, so kann diese typischerweise nicht während der Förderungsdauer abgeschlossen werden. Eine Verlängerung kommt dann aber praktisch nur nach Beendigung des nicht mehr geförderten Teils der Ausbildung in Betracht. Gleichwohl sehen die Richtlinien eine Verlängerung vor, wenn die Zweitausbildung überwiegend durch den gesetzlichen Restanspruch gedeckt gewesen ist. Das ist zwar nicht genau der Fall des Klägers, der die erste Fachausbildung ohne Abschluß abgebrochen hatte. Es ist aber kein Grund dafür zu erkennen, daß bei dieser Situation das Ermessen nur zu Ungunsten des Klägers gehandhabt werden könnte.

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Die Beklagte kann dem auch nicht entgegenhalten, daß der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in Anlehnung an eine Kommentierung der Beklagten die Ablehnung der Verlängerung in einem ähnlichen Fall damit begründet habe, daß das "Versorgungsverhältnis" bei Entstehen des Verlängerungsgrundes nicht mehr bestanden habe (Urt. v. 27. 3. 1991 - 3 B 90.02162 -). Berufsförderung ist nicht "Versorgung" im strengen Sinne des technischen Beriffs (vgl. Brandstetter, Handbuch des Wehrrechts 600, § 3 SVG Anm. III), vielmehr geht es um eine Förderung nach Maßgabe des Bedarfs infolge einer Berufsbildung. Es erscheint zwar gerechtfertigt, ein Fehlschlagen der Förderung nicht in jedem Fall dem Risikobereich der Beklagten zuzuordnen, insbesondere wenn der ehemalige Soldat die Wahrscheinlichkeit eines Mißerfolgs durch die Wahl einer den Förderungszeitraum erheblich überschreitenden Ausbildung selbst erhöht hat. Es erscheint aber nicht zwingend, die Verlängerungsrisiken, die sich bei jeder Ausbildung aus besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben können, pauschal jeweils einen bestimmten Zeitabschnitt zuzuordnen. Damit würde die bezweckte Förderung einer Ausbildung um ihres Zieles willen vernachlässigt.

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Insgesamt ist die Auslegung der Richtlinie durch das Verwaltungsgericht hiernach zutreffend. Zwar sind Verwaltungsvorschriften im allgemeinen nicht wie Gesetze unter besonderer Betonung der Wortbedeutung (Ausbildung/Fachausbildung) auszulegen. Es liegt aber nahe, daß das Ministerium sich bei diesen Begriffen differenzierend ausdrücken wollte, wie es das Verwaltungsgericht im einzelnen dargestellt hat.

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4. Nicht zu überzeugen vermag demgegenüber das Vorbringen der Beklagten, daß sich im Anwendungsbereich der Richtlinien eine andere Verwaltungspraxis entwickelt habe, die auch in ergänzenden Vorschriften niedergelegt und insoweit in der erwähnten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestätigt worden sei.

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Das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Protokoll einer Dezernentenbesprechung vom November 1976, das das Bundesministerium der Verteidigung sich durch Versendung zu eigen gemacht hat und durch das Bundesamt für Wehrverwaltung in das "Handbuch für den Berufsförderungsdienst" aufgenommen wurde, hat nicht die Qualität einer ermessensbindenden Verwaltungsvorschrift, schon weil es an einer Mitwirkung der durch § 92 SVG neben dem Bundesminister der Verteidigung ermächtigten Bundesminister fehlt. Das Handbuch selbst versteht die wiedergegebenen Erlasse als "Kommentierung" (Vorbemerkung Nr. 2). Es gibt darin auch nicht eine den vorliegenden Sachverhalt konkret und abschließend regelnde Bestimmung oder Verwaltungspraxis. Die Nr. 10.6.6 äußert sich nur in allgemeiner Form dahin, daß der Verlängerungsgrund innerhalb des Förderungszeitraums der bewilligten Fachausbildung eingetreten sein müsse, und begründet den grundsätzlichen Ausschluß einer späteren Verlängerung theoretisch damit, daß das Versorgungsverhältnis mit dem Ende des Förderungszeitraums abgeschlossen sei. Schon die auf der nächsten Seite der Kommentierung diskutierten Ausnahmen zeigen, daß es bei Prüfungen im Einzelfall unangemessen sein kann, die Risikozuordnung exakt an das Ende des Förderungszeitraums zu knüpfen. Das Nichtbestehen der Prüfung ist auch nach dieser Verwaltungspraxis ein besonderer Sachverhalt, der einer individuellen Würdigung bedarf. Durch das Prüfungsziel erhält die Ausbildung ihr Gepräge, und deshalb kann es keinen wesentlichen Unterschied machen, ob sich für die Teilnehmer an einer mehrjährigen Berufsförderung der Mißerfolg noch während der Förderungsdauer herausstellt oder wenige Wochen danach. Auch bei Berücksichtigung der wiedergegebenen Verwaltungspraxis bleibt deshalb die Beklagte verpflichtet, die Ausbildungssituation des Klägers individualisierend zu würdigen und unter Orientierung an der VwV Nr. 10 Abs. 6 zu § 5,5 a SVG zu entscheiden, ob hier das Risiko der Gefährdung des Ausbildungsziels noch im Rahmen der Berufsförderung abgedeckt werden sollte.

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Letztlich muß die Ermessensbetätigung der Beklagten überlassen bleiben.

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Wegen des verbleibenden Entscheidungsspielraums hat die Klage im Ergebnis nur einen Teilerfolg, so daß die Kosten nach § 155 Abs. 1 VwGO zu teilen sind. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO.

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Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO, § 87 Abs. 3 SVG iVm § 172 BBG und § 127 BRRG) liegen nicht vor.

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Dr. Bock

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Sommer

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Dehnbostel